Oberlandesgericht München Grund- und Teil-Endurteil, 22. Sept. 2017 - 10 U 2533/15
Gericht
Tenor
1. Auf die Berufung der Kläger vom 15.07.2015 wird das Endurteil des LG München I vom 29.06.2015 (Az. 19 O 25151/15) abgeändert und insgesamt neugefasst wie folgt:
I.1 Die Ansprüche der Klägerin zu 2) auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aus dem Verkehrsunfall vom 14.08.2011 gegen 14.10 Uhr in M. auf dem parallel zur BAB A 95 verlaufenden Radweg auf Höhe des Lichtmastes 13 und des BAB-Kilometers 3,0 sind, soweit geltend gemacht, dem Grunde nach gerechtfertigt, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
I.2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin zu 2) sämtliche weiteren materiellen Schäden zu 50% und immaterielle Schäden unter Beachtung eines Mitverschuldens von 50% zu ersetzen, die ihr auf Grund des Verkehrsunfalls vom 14.08.2011 gegen 14.10 Uhr in M. auf dem parallel zur BAB A 95 verlaufenden Radweg auf Höhe des Lichtmastes 13 und des BAB-Kilometers 3,0 noch entstehen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
I.3. Die weitergehende Feststellungsklage der Klägerin zu 2) wird abgewiesen.
II.1. Die Ansprüche des Klägers zu 1) auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aus dem Verkehrsunfall vom 14.08.2011 gegen 14.10 Uhr auf dem parallel zur BAB A 95 verlaufenden Radweg auf Höhe des Lichtmastes 13 und des BAB-Kilometers 3,0 sind, soweit geltend gemacht, dem Grunde nach gerechtfertigt, die materiellen zu 50% und die immateriellen unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Klägers zu 1) von 50%, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
II.2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger zu 1) sämtliche weiteren materiellen Schäden zu 50% und immaterielle Schäden unter Beachtung eines Mitverschuldens von 50% zu ersetzen, die ihm auf Grund des Verkehrsunfalls vom 14.08.2011 gegen 14.10 Uhr in M. auf dem parallel zur BAB A 95 verlaufenden Radweg auf Höhe des Lichtmastes 13 noch entstehen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
II.3.Die weitergehende Feststellungsklage des Klägers zu 1) wird abgewiesen.
Die weitergehende Berufung der Kläger wird zurückgewiesen.
2. Zur Entscheidung über den Betrag wird der Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens an das Landgericht München I zurückverwiesen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird bis zum 10.06.2016 auf 53.536,56 € (Kläger zu 1: 45.218,03 €; Klägerin zu 2: 11.818,53 €), von da an bis 14.07.2017 auf 50.036,56 € (Kläger zu 1: 43.468,03 €; Klägerin zu 2: 10.068,53 €) und von da an auf 53.536,56 € (Kläger zu 1: 45.218,03 €; Klägerin zu 2: 11.818,53 €) festgesetzt.
Gründe
unter Abänderung des angefochtenen Urteils,
die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 1) ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes angemessenes Schmerzensgeld, mindestens aber 20.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 16.11.2011 zu bezahlen,
die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 1) 2.687,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.491,11 € seit 16.11.2011 sowie aus 1.196,49 € seit 20.01.2015 zu bezahlen,
die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 1) 19.030,43 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 16.11.2011 zu bezahlen,
die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 2) ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes angemessenes Schmerzensgeld, mindestens aber 6.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 16.11.2011 zu bezahlen,
die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 2) 1.500 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 16.11.2011 zu bezahlen,
die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 2) weitere 818,53 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 16.11.2011 zu bezahlen,
die Beklagte wird verurteilt, 2.110,11 € an den Kläger zu 1) und 985,56 € an die Klägerin zu 2) für außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 20.01.2015 zu bezahlen, es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihnen auf Grund des Verkehrsunfalls vom 14.08.2011 um 14.10 Uhr in M. auf dem parallel zur BAB A 95 verlaufenden Radweg auf Höhe des Lichtmastes 13 und des BAB-Kilometers 3,0 noch entstehen werden.
die Berufung zurückzuweisen.
I.
a) Der Senat geht auf Grund der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme von einer Annäherungsgeschwindigkeit der Beklagten von 12 km/h bis 15 km/h und der Kläger von 20 – 25 km/h aus. Hinsichtlich der Beklagten ergibt sich dies aus den Angaben der Beklagten, ihres Ehemannes und des Zeugen H., an denen der Senat insoweit keine Zweifel hat. Insbesondere der Zeuge H. (Bl. 146 d.A.) schilderte Geschwindigkeit und Abstände der „Dreiergruppe“, in deren Mitte sich die Beklagte befand, als gleichbleibend, Die Klägerin zu 2) gab schon in erster Instanz ihre Geschwindigkeit mit ca. 20 km/h bis 21 km/h an, sie bestätigte dies auch in zweiter Instanz (Bl. 148 d.A.) und auch der Kläger zu 1) schätzte, dass er in einem Abstand von 2m – 3m mit ca. 20 km/h hinter seiner Frau herfuhr. Soweit der Ehemann der Beklagten, der Zeuge B., die Fahrweise der Kläger als „rasend schnell und rücksichtslos“ bezeichnete, folgt der Senat seinen Angaben nicht. Eine rücksichtslose Fahrweise hat insbesondere der unbeteiligte Zeuge H. nicht beobachtet, lediglich, dass die Kläger geschätzt zügig und etwas schneller fuhren als die 3er-Gruppe. Der Sachverständige, von dessen hervorragender Sachkunde sowohl auf dem Gebiet der Unfallanalytik als auch der Biomechnanik der Senat sich aus einer Vielzahl erholter Gutachten und Anhörungen vor dem Senat überzeugen konnte, hat ausgeführt, dass, nachdem ein Transport der Räder oder Unfallbeteiligten von den unfallbedingten Endlagen über eine größere Wegstrecke von keinem Unfallbeteiligten oder Zeugen berichtet wurde, ausgehend vom polizeilichen Lichtbild Anlage A 4 zum Gutachten von einer Unfallörtlichkeit um den Lichtmast 13 auszugehen ist (Gutachten S. 13, 15 = Bl. 170, 172 d.A., Ergänzungsgutachten S. 5,6 = Bl. 203/204 d.A.) und daher keine größeren Auslaufwegstrecken über 20 m oder 30 m vorlagen, weshalb eine Geschwindigkeit der Kläger zum Kollisionszeitpunkt von 15 km/h bis 25 km/ plausibel und eine höhere Geschwindigkeit technisch höchst unwahrscheinlich ist (Gutachten S. 18, 19 = Bl. 175, 176 d.A., Ergänzungsgutachten S. 6, 7 = Bl. 204, 205 d.A.).
b) Weiter bekundete der Zeuge H., dass die Kläger so weit rechts orientiert fuhren wie auch die 3er-Gruppe, dass ein gefahrloses Passieren möglich gewesen wäre (Bl. 147 d.A). Ihre jeweils rechtsorientierte Fahrweise in der Annäherung bekundeten weiter sowohl die Kläger (Klägerin zu 2): mit den Reifen geschätzt 15 cm bis 20 cm links neben dem Randstein Bl. 149 d.A; Kläger zu 1): Abstand zum Randstein 20 cm bis 30 cm Bl. 149 d.A.), als auch die Beklagte (ich fuhr auf der rechten Seite Bl. 151 d.A.) und die Kläger konnten zunächst problemlos den Zeugen B. passieren, der nach Angaben der Kläger eher mittig fuhr (linke Schulter im Bereich der Radwegmitte). Die Radwegbreite zum Unfallzeitpunkt stellte der Sachverständige an Hand der polizeilichen Fotos mit 1,95 m (Gutachten S. 12 = Bl. 169 d.A.) fest. Der Senat geht daher von einer jeweils rechtsorientierten Fahrweise der Kläger und der Beklagten aus.
c) Wie bereits in erster Instanz berichtete der Zeuge H., dass er ein metallisches Geräusch wahrnahm, das er dem Aufeinandertreffen der Räder zuordnete. Die Wahrnehmung des Zeugen glaubt der Senat. Weiter geht der Senat davon aus, dass die Beklagte wie von ihr berichtet einen Schlag verspürte und mit ihrem Fahrrad nach rechts stürzte und eine Verletzung der linken Hand erlitt (ganz dick und blau = Bl. 150 d.A). Die unfallbedingte Prellmarke der Klägerin zu 2) in der linken Ellenbogenbeuge ergibt sich aus ihren Angaben und dem gefertigten Foto (Anlage A 14 zum Gutachten) und die durch den Unfall erfolgte Beschädigung des linken Handschuhs der Klägerin zu 2) (Aufzug der Naht) folgt ebenfalls aus ihren Angaben. Der Handschuh wurde an den Sachverständigen übersandt und von diesem ausgewertet (GA S. 4 mit Fotos 5, 6 sowie Anlage A 3 = Bl. 161 d.A.).
d) Ausgehend von diesen Anknüpfungstatsachen konnte der Sachverständige aus den Schäden an den noch vorhandenen Rädern, insbesondere den jeweils linken Lenkerenden und dem Höhenunterschied zwischen den Lenkerenden den Unfallhergang überzeugend rekonstruieren. Die Prellmarke am linken Oberarm bzw. in der Ellbogenbeuge der Klägerin zu 2) passt danach fingerabdruckgleich insbesondere hinsichtlich ihres Verlaufs zum linksseitigen Lenkerende des Fahrrads der Beklagten (Gutachten S. 14 = Bl. 171 d.A.). Der Hochzug der linken Naht des Handschuhs ist erklärbar mit der Verhakung zwischen Naht des Handschuhs und dem linken Ende des Bremshebels der Beklagten (GA S. 17 = Bl. 174 d.A.). Weiter kann es zu einem Aufschlag Metall auf Metall und damit einem metallischen Geräusch. Dieses kann in der hier vorliegenden Anstoßkonfiguration ohne Frontalkollision und wesentliche Verhakung der Räder bei einem Sturzgeschehen wie von der Klägerin zu 2) und der Beklagten bekundet nur beim Kontakt des linksseitigen Lenkerendes des Rades der Beklagten mit der Vorderseite des linken Bremshebels des Rades der Klägerin zu 2) entstehen (GA S. 16 = Bl. 173 d.A.). Die Beschädigungen des linksseitigen Lenkerendes der Beklagten sind im Gutachten (S. 13, 14 = Bl. 170, 171 d.A.) und im Ergänzungsgutachten (S. 9 = Bl. 207 d.A.) näher beschrieben. Wegen des Höhenunterschieds von 10 cm – 15 cm (Oberkante der Lenkerenden) muss danach weiter die Beklagte nach links gekippt sein, das linksseitige Lenkerende der Beklagten kontaktierte zunächst die Vorderseite des linken Bremshebels des Rades der Klägerin zu 2), verhakte sich mit dem linken Handschuh der Klägerin zu 2) und zog die Naht auf, das linke Lenkerende des Rades der Beklagten glitt im weiteren Verlauf zur Ellenbogenbeuge der Klägerin zu 2) auf und verursachte dort mit stumpfem Anprall die intensive Prellmarke (Gutachten S. 16/18 = Bl. 173/175 d.A., ErgGA S. 10 = Bl. 208 d.A.). Der Sachverständige führte in seinem Ergänzungsgutachten auf die Einwendungen der Beklagten hin weiter aus, dass der abrupte Lenkeinschlag nach links durch die Verhakung dazu führte, dass die Beklagte nach rechts über den Lenker wegkippte, wie von ihr geschildert (ErgGA S. 12, 13 = Bl. 210/211). Plausibel ist nach dem Ergebnis des Sachverständigen, dass die Klägerin zu 2) den Kontakt der Lenkerenden und den Aufzug der Naht des Handschuhs nicht bemerkt, sondern erst den Anstoß an die Ellenbogenbeuge bzw. den Oberarm, wie von ihr geschildert (ErgGA S. 10 = Bl. 208 d.A.) wahrgenommen hat. Die Verletzungen an der linken Hand der Beklagten lassen sich mit dem Kontakt mit dem linken Lenkerende der Klägerin zu 2) erklären (ErgGA S. 10 = Bl. 208 d.A.), gleich ob die Beklagte den Lenker am Horn oder in Normalstellung hielt. Der Sachverständige führte im Termin vom 14.07.2017 weiter aus (Protokoll S. 4 = Bl. 235 d.A.), dass der metallische Kontakt nur beim Kontakt zwischen den Lenkerenden entstanden sein kann, weil es in der vorliegend plausibel zu rekonstruierenden Kollisionsposition die einzigen möglichen metallischen Kontaktflächen sind, insbesondere könnte bei einem anderen Primärkontakt zwischen linkem Lenkerende Beklagter und linker Ellbogenbeuge Klägerin zu 2) wegen des Abstandes der Fahrzeuge zueinander von 40 cm mangels direkter Berührung der Fahrzeuge ein metallisches Geräusch nicht entstehen und auch die Verletzung an der linken Hand der Beklagten nicht erklärt werden.
Mit ihrem diesbezüglichen Vorbringen im Schriftsatz vom 06.07.2017, eingegangen am 07.07.2017 kann die Beklagte nicht durchdringen.
a) Bei der nunmehrigen Behauptung, der plötzliche Lenkeinschlag nach links unter Überwindung einer Höhendifferenz von 10 – 15 cm (der nach der ergänzenden Gutachten und der mündlichen Anhörung des Sachverständigen auch ohne die Kollision wahrscheinlich zum Sturz der Beklagten geführt hätte (ErgGA S. 12 = Bl. 210 d.A., Protokoll v. 14.07.2017, S. 4 = Bl. 235 d.A.), handelt es sich nach Auffassung des Senats um eine aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme resultierende Behauptung ins Blaue hinein. Für eine plötzliche Ohnmacht (Synkope) fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten. Die Beklagte wurde persönlich sowohl vor dem Landgericht München I als auch vor dem Senat angehört, sie schilderte, wie sie die sich nähernden Kläger wahrnahm und es während der Vorbeifahrt zu einer Berührung kam bzw. sie einen Schlag verspürte und sie nach rechts fiel (Bl. 53, 150 d.A.) Schon im Ermittlungsverfahren gab die Beklagte an, dass es zu einer Berührung kam, als die Frau auf ihrer Höhe war (Ermittlungsakte Bl. 26). Davon, dass sie vor der Kollision das Bewusstsein verloren hätte oder ihr schwarz vor Augen geworden wäre, war zu keinem Zeitpunkt die Rede. Allein die vormalige Angabe, nach dem Unfall hätte sie eine Gedächtnislücke gehabt, im ersten Moment nicht gewusst, warum sie an der Unfallstelle war und auch nicht, dass sie vom Waldfriedhof gekommen wäre, ändert daran nichts. Zu früheren Synkopen oder Erkrankungen, welche diese hervorrufen können, ist nichts vorgetragen, im Gegenteil war die Beklagte eigenem Vorbringen nach sportlich und ging jeden Tag schwimmen.
b) Weiter ist die Beklagte mit ihrem nunmehrigen Vorbringen nebst Beweisangebot auf Erholung eines Sachverständigengutachtens ausgeschlossen, weil die Voraussetzungen des § 531 II ZPO nicht dargetan sind. Die Kläger haben bereits in der Klageschrift vorgetragen, die Beklagte sei während der Vorbeifahrt der Klägerin zu 2) plötzlich nach links ausgeschwenkt und gegen den Arm der Klägerin gestoßen. Die Beklagte durfte sich ohne Nachlässigkeit nicht darauf verlassen, dass das Landgericht sich nicht etwa auf Grund der Anhörung der Beteiligten von einer plötzlichen Lenkbewegung der Beklagten nach links überzeugt und hatte das Vorbringen, diese sei nach § 827 BGB nicht vorwerfbar, bereits in erster Instanz zu erheben.
c) Unabhängig davon ist vorliegend nicht beweisbar, dass die Beklagte bei Verursachung des Schadens nicht bei Bewusstsein war. Bringt der Schädiger vor, der Verletzungsvorgang sei unter physischem Zwang erfolgt oder als unwillkürlicher Reflex durch fremde Einwirkung ausgelöst worden, so beruft er sich auf außerhalb seiner Person liegende Umstände, welche die Willenssteuerung seines Verhaltens ausgeschlossen haben sollen. In derartigen Fallgestaltungen, bei denen bereits das äußere Erscheinungsbild eines eigenständigen Handelns des Täters in Frage steht, hat der Geschädigte den Beweis für eine vom Willen getragene Handlung des Schädigers zu führen. Anderes gilt jedoch für die Fälle, in denen, wie vorliegend eine der Willenslenkung unterliegende Handlung des Schädigers aufgrund innerer Vorgänge, nämlich deshalb fraglich erscheint, weil der Täter möglicherweise bei der Schadensverursachung bewusstlos war. Im Gegensatz zu der Schadensverursachung durch ein Reflex- oder Zwangsverhalten ist für die Verursachung von Schäden im Zustand der Bewusstlosigkeit in § 827 S.1 BGB eine gesetzliche Regelung dahin getroffen worden, dass bei solcher Sachlage die Verantwortlichkeit des Schädigers ausgeschlossen ist. Den Änderungen im Strafrecht wurde die Vorschrift nicht angepasst. Insbesondere für die Frage der Beweislast, die sich im Strafprozess völlig anders darstellt, verbleibt es deshalb für die Haftung aus unerlaubter Handlung nach § 827 S. 1 BGB dabei, dass der Beweis für einen Zustand der Bewusstlosigkeit bei der Schadensverursachung vom Schädiger zu führen ist (BGH DAR 1986, 353). Ein Sachverständiger könnte vorliegend zu dem Ergebnis gelangen, dass eine plötzliche Ohnmacht als Folge einer harmlosen Fehlregulation des Kreislaufs oder einer ernsthaften Krankheit möglich ist. Da aber in mehreren Anhörungen keinerlei Anhaltspunkte dafür vorgetragen wurden, die Beklagte das Annäherungsverhalten der Kläger noch beobachtet und es sich bei ihr nach den Angaben des Sachverständigen um eine unsichere Radfahrerin handelt, vermag auch ein Gutachten mit einem Ergebnis, dass eine Bewusstlosigkeit möglich ist, zum Beweis einer Zurechnungsunfähigkeit nicht zu genügen.
a) Ein Mitverschulden wegen unangepasster Geschwindigkeit im Hinblick auf § 3 II a StVO besteht nicht. Bei der Beklagten handelte es sich, wie den am Unfalltag gefertigten Fotos entnommen werden kann, nicht um eine hilfsbedürftige Person oder einen älteren Menschen, der sich in einer Verkehrssituation befand, die er erfahrungsgemäß unter Umständen nicht mehr voll übersehen oder meistern kann. Auch anlässlich ihrer Anhörung hinterließ sie einen rüstigen Eindruck und dass ihre fahrerische Unsicherheit bereits während der Annäherung hätte bemerkt werden können, ist insbesondere im Hinblick auf die zunächst in Betracht zu ziehende Sichtverdeckung für die Kläger durch den Zeugen B. (vgl. Ergänzungsgutachten S. 7, 8 = Bl. 205/206 d.A.) nicht bewiesen. Eine Mitverantwortlichkeit der Klägerin zu 2) im Übrigen besteht nicht.
b) Hingegen besteht ein Mitverschulden des Klägers zu 1). Nach seinen Angaben lag eine deutliche Abstandsunterschreitung vor und die Einhaltung des Sicherheitsabstandes hätte eine kollisionsverhütende Bremsung ermöglicht (GA S. 18, 20 = Bl. 175, 177 d.A.). Der Senat bewertet das Mitverschulden, nachdem die plötzliche Linksbewegung der Beklagten nicht beweisbar vorhersehbar war, andererseits der einzuhaltende Sicherheitsabstand auch nach eigenen Angaben des Klägers zu 1) deutlich unterschritten wurde, mit 50% (vgl. BGH DAR 2008, 337).
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Wer im Zustand der Bewusstlosigkeit oder in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit einem anderen Schaden zufügt, ist für den Schaden nicht verantwortlich. Hat er sich durch geistige Getränke oder ähnliche Mittel in einen vorübergehenden Zustand dieser Art versetzt, so ist er für einen Schaden, den er in diesem Zustand widerrechtlich verursacht, in gleicher Weise verantwortlich, wie wenn ihm Fahrlässigkeit zur Last fiele; die Verantwortlichkeit tritt nicht ein, wenn er ohne Verschulden in den Zustand geraten ist.
Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.
Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Die Verjährung tritt frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein.