Oberlandesgericht München
Az.: 23 U 1751/14
IM NAMEN DES VOLKES
Verkündet am 17.09.2015
27 O 27509/12 LG München I
In dem Rechtsstreit
1) ...
- Klägerin und Berufungsbeklagte -
2) ...
- Kläger und Berufungsbeklagter - Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2: Rechtsanwälte ...
gegen
1) ...
- Beklagte und Berufungsklägerin -
2) ...
- Beklagte und Berufungsklägerin -
3) ...
- Beklagte und Berufungsklägerin -
4) ...
- Beklagte und Berufungsklägerin -
5) ...
- Beklagte und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte zu 1 - 5: Rechtsanwälte ...
wegen Forderung
erlässt das Oberlandesgericht München - 23. Zivilsenat - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Oberlandesgericht ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 06.08.2015 folgendes
Endurteil
1. Das Versäumnisurteil des Senats vom 13.11.2014, 23 U 1751/14, wird aufgehoben. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 31.03.2014, Az. 27 O 27509/12, in Ziff. 1 und Ziff. 2 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der Kosten der Säumnis der Beklagten im Termin vom 13.11.2014 zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen. -
Gründe:
I. Die Kläger machen gegen die Beklagten als Versicherer Deckungsansprüche zu einem Schadensersatzanspruch gegen den Versicherungsnehmer, Herrn Wirtschaftsprüfer Horst F., geltend. Die F. Zins AG legte im März 2003 den F. Zinsfonds auf. Grundlage des Vertriebs war der Verkaufsprospekt vom 11.03.2003 (Anlage B 4). Der Wirtschaftsprüfer Horst F. führte die Prospektprüfung durch und übernahm die Mittelverwendungskontrolle. Der Mittelverwendungskontrollvertrag ist im Verkaufsprospekt abgedruckt. Nach § 1 Abs. 1 des Mittelverwendungskontrollvertrags richtet die Fondsgesellschaft ein Sonderkonto ein, über das sie nur gemeinsam mit dem Mittelverwendungskontrolleur verfügen kann. Dies wurde von der Fondsgesellschaft nicht umgesetzt, tatsächlich waren die Geschäftsführer einzelvertretungsbefugt. Der Wirtschaftsprüfer Horst F. kontrollierte die ordnungsgemäße Einrichtung des Kontos nicht. Hierüber informierte er weder die bereits beigetretenen Anleger noch beitrittswillige Interessenten. Die Kläger beteiligten sich am 08.12.2003 mit 40.000,00 Euro an der F.-zinsfonds GbR.
Das AG Rosenheim eröffnete mit Beschluss vom 01.09.2010 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Wirtschaftsprüfers Horst F. Die Kläger meldeten im Insolvenzverfahren Forderungen in Höhe von 24.391,26 Euro (Hauptforderung), ausgerechnete Zinsen in Höhe von 7.089,80 Euro und Kosten in Höhe von 6.727,74 Euro an, die vom Insolvenzverwalter zur Tabelle festgestellt wurden.
Mit Urteil des LG München I, Az. 4 KLs 314 Js 34413/07 vom 18.10.2010 wurde der Wirtschaftsprüfer Horst F. wegen Untreue im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Mittelverwendungskontrolleur für die F. Zinsfonds GbR verurteilt. Am 22.02.2013 erhielten die Kläger eine Kapitalrückzahlung durch die F. Zinsfonds GbR in Höhe von 3.000,00 Euro, am 19.12.2013 in Höhe weiterer 3.000,00 Euro und am 01.09.2014 in Höhe von 660,00 Euro. Die Kläger sind der Ansicht, der Deckungsanspruch sei nicht nach § 4 Nr. 5 AVB - RSW aufgrund einer wissentlichen Pflichtverletzung des Versicherungsnehmers ausgeschlossen. Die Bedingungen seien nicht Vertragsbestandteil geworden. Der Haftungsausschluss sei unwirksam. Zudem komme allein eine fahrlässige Pflichtverletzung in Betracht. Allein eine möglicherweise wissentliche Verletzung der Pflicht, die Zeichnungsbefugnisse bezüglich des Sonderkontos zu kontrollieren, genüge nicht. Maßgeblich sei die unterlassene Aufklärung potentieller Anleger. Dass Herr Wirtschaftsprüfer F. von einer derartigen Offenbarungspflicht Kenntnis gehabt habe, könne nicht angenommen werden. Die Kläger haben in erster Instanz beantragt: 1. Die Beklagten zu 1) bis 5) werden als Gesamtschuldner verpflichtet zur Zahlung an die Klagepartei von EUR 28.480,56 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz aus einem Betrag von 31.480,56 Euro seit 01.09.2010 bis zum 21.02.2013, sowie aus einem Betrag von 28.480, 56 Euro seit dem 22.02.2013 Zug um Zug gegen Abtretung sämtlicher Vermögensrechte aus und im Zusammenhang mit der Beteiligung der Klageparteien an der F. Zinsfonds GbR vom 08.12.2003 mit einem Beteiligungsbetrag von 40.000,00 Euro. Im Übrigen ist der Rechtsstreit in Höhe von 3.000,00 Euro erledigt. Für den Fall der Abweisung des Klageantrags Ziff. 1 haben die Kläger hilfsweise beantragt: 2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1) gegenüber Herrn Rechtsanwalt Klaus Martin L., ..., als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn Horst F., ..., eingesetzt durch Beschluss des AG Rosenheim - Insolvenzgericht - vom 01.09. 2010, Az. 601 IN 277/10, aufgrund des Versicherungsvertrages zwischen der Beklagten zu 1) und Herrn Horst F., Kundennummer ...398, bezüglich des Schadensfalls unter Ziffer 1 aus der Tätigkeit des Herrn Horst F. als Mittelverwendungskontrolleur der F. Zinsfonds GbR Deckung zu erteilen hat. 3. Die Beklagten zu 2) bis 5) werden als Gesamtschuldner verurteilt, Herrn Rechtsanwalt Klaus Martin L., ..., als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn Horst F., ..., eingesetzt durch Beschluss des AG Rosenheim - Insolvenzgericht - vom 01.09. 2010, Az. 601 IN 277/10, aufgrund des Versicherungsvertrages zwischen der Beklagten zu 1) und Herrn Horst F., Kundennummer ...398, bezüglich des Schadensfalls unter Ziffer 1 aus der Tätigkeit des Herrn Horst F. als Mittelverwendungskontrolleur der F. Zinsfonds GbR von der Forderung aus Ziff. 1 der Klagepartei freizustellen. Für den Fall der Abweisung des vorstehenden Hilfsantrags zu Ziffer 2 haben die Kläger den Antrag zu Ziff. 4 hilfsweise gestellt: 4. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 2) bis 5) gegenüber Herrn Rechtsanwalt Klaus Martin L., ..., als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn Horst F., ..., eingesetzt durch Beschluss des AG Rosenheim - Insolvenzgericht - vom 01.09.2010, Az. 601 IN 277/10, aufgrund des Versicherungsvertrages zwischen den Beklagten zu 2) bis 5) und Herrn Horst F., Kundennummer ...398 bezüglich des Schadensfalls unter Ziffer 1 aus der Tätigkeit des Herrn Horst F. als Mittelverwendungskontrolleur der F. Zinsfonds GbR Deckung zu erteilen hat. 5. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagten zu 1) bis 5) seit Rechtshängigkeit mit den Leistungen des Klageantrags zu Ziff. 1 in Annahmeverzug befinden.
Die Beklagten zu 2) bis 5) haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten sind der Ansicht, der Deckungsausschluss aus § 4 Nr. 5 AVB-RSW greife. Die Überprüfung des Sonderkontos auf die ordnungsgemäße Einrichtung sei eine Kardinalpflicht des Mittelverwendungskontrollvertrages. Da Herrn Horst F. bewusst gewesen sei, dass er diese Kontrolle nicht vorgenommen habe, liege eine wissentliche Pflichtverletzung vor. Die Nichtaufklärung der Anleger sei nur eine Fortsetzung dieser ersten Pflichtverletzung; ob Herr Horst F. auch die Aufklärungspflicht wissentlich verletzt habe, sei nicht maßgeblich. Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen nach § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat dem Klageantrag Ziff. 1 im Wesentlichen - bis auf Teile des Zinsanspruchs - und dem Klageantrag Ziff. 5 stattgegeben. Die Beklagten zu 1) bis 5) seien passivlegitimiert. Der Anspruch sei nicht durch § 4 Nr. 5 AVB-RSW ausgeschlossen. Der geltend gemachte Zeichnungsschaden sei nicht die kausale Folge der pflichtwidrigen Mittelverwendungskontrolle, sondern der Verletzung einer hiervon zu unterscheidenden Aufklärungspflicht gegenüber potentiellen Anlegern. Eine solche Aufklärungspflicht habe vor dem Urteil des BGH vom 19.11.2009, Az. III ZR 108/08 und III ZR 109/08 die Rechtsprechung nicht angenommen. Herr Wirtschaftsprüfer Horst F. habe daher allenfalls fahrlässig gehandelt. Dagegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung. Sie wiederholen und vertiefen ihren erst- instanzlichen Vortrag. Die Verletzung der Kontrollpflicht und der Aufklärungspflicht seien keine unabhängig voneinander zu betrachtenden Einzelpflichten. Herr Wirtschaftsprüfer F. habe gewusst, dass er für eine ordnungsgemäße Kontoerrichtung sorgen und Misstände beseitigen, mithin zum Schutz der Anleger tätig werden musste. Zudem habe das Landgericht zu Unrecht die Beklagte zu 1) als passivlegitimiert angesehen. Gegen die Beklagten hat der Senat im Verhandlungstermin vom 13.11.2014 Versäumnisurteil erlassen und die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Hauptsache in Höhe von 3.660,00 Euro erledigt ist (Bl. 230 d. A.). Die Beklagten haben gegen das Versäumnisurteil Einspruch eingelegt und beantragen zuletzt, unter Aufhebung des Versäumnisurteils das Urteil des Landgerichts aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen. Die Kläger beantragen,
das Versäumnisurteil vom 13.11.2014 aufrechtzuerhalten. Die Kläger verteidigen das landgerichtliche Urteil. Insbesondere fehle es an einer wissentlichen Pflichtverletzung. Die Beklagten versuchten zu Unrecht, aus einem Durchführungsschaden einen Zeichnungsschaden zu konstruieren. Zudem hätten schon die Instanzgerichte die später vom BGH bejahte Aufklärungspflicht nicht erkannt. In Höhe von 3.660,00 Euro haben die Kläger den Rechtsstreit für erledigt erklärt; die Beklagten haben dem nicht zugestimmt.
Ergänzend wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 13.11.2014 (Bl. 228 ff d. A.) und vom 06.08.2015 (Bl. 258 ff d. A.) Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung der Beklagten ist in vollem Umfang begründet. 1. Die Beklagten haben gegen das am 13.11.2014 erlassene Versäumnisurteil form- und fristgerecht nach § 339, § 340 ZPO Einspruch eingelegt. 2. Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg, da die Klage zwar zulässig, aber unbegründet ist. 2.1 Die Kläger haben keinen Zahlungsanspruch gemäß § 154, § 157 VVG a. F., Art. 1 Abs. 1, Abs. 2 EGVVG gegen die Beklagten. Der Anspruch ist nach § 4 Nr. 5 AVB-RSW (Anlage B 1) ausgeschlossen. 2.2 Die Beklagte zu 1) ist passivlegitimiert. Der Versicherungsvertrag wurde mit der Beklagten zu 1), einer GbR, an der die Beklagten zu 2) bis 5) als Gesellschafter beteiligt sind, geschlossen, wie das Landgericht zutreffend annimmt. In den als Anlage K 3 vorgelegten „Versicherungs- und Produktinformationen der Versicherungsstelle Wiesbaden“ ist ausgeführt: „Sie schließen den Versicherungsvertrag mit der Versicherungsgemeinschaft für das wirtschaftliche Prüfungs- und Treuhandwesen“. Daraus ergibt sich, dass entgegen der Ansicht der Beklagten zu 1) diese selbst Vertragspartner wurde. Auch die als Anlage B 1) vorgelegte Korrespondenz mit Herrn Wirtschaftsprüfer F. wurde stets von der „Versicherungsstelle für das wirtschaftliche Prüfungs- und Treuhandwesen“ geführt. Demgegenüber ist es rechtlich ohne Bedeutung, wenn, wie die Beklagten in zweiter Instanz vorgetragen, im aktuellen Internetauftritt nur die Beklagten zu 2) bis 5) als Vertragspartner etwaiger Versicherungsverträge genannt werden.
Dass die Beklagten zu 2) bis 5) passivlegimiert sind, stellen diese selbst nicht in Frage. 2.3 Nach § 4 Nr. 5 AVB-RSW bezieht sich der Versicherungsschutz nicht auf Haftpflichtansprüche wegen wissentlichen Abweichens von Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder Bedingung des Auftraggebers oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung. Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt: 2.3.1 § 4 Nr. 5 AVB-RSW wurde wirksam in den Versicherungsvertrag einbezogen. Mit dem von den Beklagten als Anlage B 1 vorgelegten Schreiben der Beklagten zu 1) vom 28.01.2004 wurden Herrn Wirtschaftsprüfer Horst F. als Nachtrag zum Versicherungsschein „die Allgemeinen und Besonderen Versicherungsbedingungen (AVB-RSW)“ übersendet und Herr Horst F. in Fettdruck darauf hingewiesen, dass Abweichungen vom Antrag oder bisher getroffenen Vereinbarungen als genehmigt gelten, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb eines Monats widerspricht. Dass Herr Horst F. das Schreiben nicht erhalten oder fristgerecht widersprochen hätten, behaupten auch die Kläger nicht. Gemäß § 5 Abs. 1, Abs. 2 VVG a. F., Art. 1 EGVVG wurden die Vertragsbedingungen mithin Vertragsbestandteil. 2.3.2 Der Haftungsausschluss ist entgegen der Ansicht der Kläger wirksam, auch wenn er weiter geht als § 152 VVG a. F. (Voith/Knappmann in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Aufl, § 152 Rz. 7 m. w. N.; vgl. auch BGH, Urteil vom 17.12.1986, IV a ZR 166/85, juris Tz. 15 und BGH, Urteil vom 17.12.2014, IV ZR 90/13, Juris Tz. 8 ff, die jeweils von der Wirksamkeit des Haftungsausschlusses ausgehen). 2.3.3 Entgegen der Ansicht der Kläger besteht bezüglich der Frage, ob eine wissentliche Pflichtverletzung vorlag, keine Bindungswirkung des Haftpflicht- für den Deckungsprozess (BGH, Urteil vom 17.12.2014, IV ZR 90/13, Juris Tz. 13). Zudem fehlt es vorliegend ohnehin an einem rechtskräftigen Urteil im Haftpflichtprozess; das als Anlage K 17 vorgelegte Urteil des Landgerichts München I vom 18.11.2010, 10 O 14541/06 erging nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
2.3.4 Eine wissentliche Pflichtverletzung i. S. d. § 4 Nr. 5 AVB-RSW begeht nur der Versicherte, der die verletzten Pflichten positiv kennt. Bedingter Vorsatz, bei dem er die in Rede stehende Verpflichtung nur für möglich hält, reicht dafür ebenso wenig aus wie fahrlässige Unkenntnis. Es muss vielmehr feststehen, dass der Versicherte die Pflichten zutreffend gesehen hat und das Bewusstsein hatte, pflichtwidrig zu handeln (BGH, NJW 2006, S. 289, 291; BGH, Urteil vom 20.06.2001, IV ZR 101/00, Juris Tz. 23; BGH, Urteil vom 17.12.2014, IV ZR 90/13, Juris Tz. 15). Darlegungs- und beweispflichtig für die Verwirklichung der subjektiven Tatbestandsmerkmale des Risikoausschlusses ist der Versicherer (BGH, Urteil vom 20.06.2001, IV ZR 101/00 Juris Tz. 23; BGH, Urteil vom 17.12.2014, IV ZR 90/13, Juris Tz. 16). Dabei hat zunächst der Versicherer einen Sachverhalt vorzutragen, der auf eine Wissentlichkeit der Pflichtverletzung des Versicherungsnehmers zumindest hindeutet. Dabei ist der Vortrag weiterer zusätzlicher Indizien dann entbehrlich, wenn es sich um die Verletzung elementarer beruflicher Pflichten handelt, deren Kenntnis nach der Lebenserfahrung bei jedem Berufsangehörigen vorausgesetzt werden kann. Jenseits der Fälle der Verletzung von beruflichen Kardinalpflichten, in denen vom äußeren Geschehensablauf und dem Ausmaß des objektiven Pflichtverstoßes auf innere Vorgänge geschlossen werden kann, ist es aber Aufgabe des beweispflichtigen Versicherers, Anknüpfungstatsachen vorzutragen, die als schlüssige Indizien für eine wissentliche Pflichtverletzung betrachtet werden können. Wenn dies geschehen ist, obliegt es dem Versicherungsnehmer im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast, Umstände aufzuzeigen, warum die vorgetragenen Indizien den Schluss auf eine wissentliche Pflichtverletzung nicht zulassen (BGH, Urteil vom 17.12.2014, IV ZR 90/13, Juris Tz. 20 f). Nach diesen Grundsätzen ist von einer wissentlichen Pflichtverletzung auszugehen: 2.3.4.1. Herr Wirtschaftsprüfer Horst F. hat seine Kontrollpflicht aus dem Mittelverwendungskontrollvertrag wissentlich verletzt.
Im Mittelverwendungskontrollvertrag (abgedruckt im Prospekt, Anlage B 4) ist unter § 1 ausgeführt, die Fondsgesellschaft richte ein Sonderkonto ein, über das sie nur gemeinsam mit dem Beauftragten - Herrn Wirtschaftsprüfer F. - verfügen dürfe. Auf dieses Konto seien die Gesellschaftereinlagen einzuzahlen und die von der Fondsgesellschaft ausgereichten Darlehen zu tilgen. Gemäß § 4 wird der Mittelverwendungskontrollvertrag als Vertrag zugunsten der Gesellschafter abgeschlossen, die aus diesem eigene Rechte herleiten können. Im Prospekt ist unter „Rechtliche Grundlagen“ Ziff. 3 (S. 44 des Prospekts, Anlage B 4) ausgeführt: „Zur Absicherung der Kapitalanleger hat ein Wirtschaftsprüfer die Kontrolle über die Auszahlung von Darlehen übernommen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschreibung des Mittelverwendungskontrollvertrags verwiesen“.
Unstreitig wurde ein Sonderkonto entsprechend diesen Vorgaben nie eingerichtet, eine zwingende Mitzeichnung des Herrn F. nie vorgesehen. Seine Pflicht, zu kontrollieren, ob ein Sonderkonto entsprechend der Vorgaben eingerichtet wurde, kannte Herr Wirtschaftsprüfer F.; indem er diese Kontrolle unterließ, handelte er bewusst pflichtwidrig. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass er als Mittelverwendungskontrolleur Vertragspartner des Mittelverwendungskontrollvertrages war und auch den Prospektprüfungsbericht (Anlage B 5) erstellt hatte, den Text des Mittelverwendungskontrollvertrags und die sich daraus ergeben Pflichten mithin kannte. Zudem handelt es sich gerade um die Kardinalspflicht aus dem Mittelverwendungskontrollvertrag. Von jedem Wirtschaftsprüfer kann erwartet werden, dass ihm bewusst ist, dass er die im Vertrag vorgesehene Einrichtung des Sonderkontos mit zwingender Mitzeichnung zu kontrollieren hat und sich anderenfalls pflichtwidrig verhält. Überdies zeigt sich auch aus dem als Anlage B 9 vorgelegten, von Herrn F. erstellten Bericht über die Mittelverwendungskontrolle vom 22.03.2004, dass ihm diese Pflicht durchaus bewusst war. So ist gerade unter der Überschrift „Die Kontrollmaßnahmen stellen sich im Einzelnen wie folgt dar“ - unzutreffend - angeführt, ein Sonderkonto, über das die Fondsgesellschaft nur gemeinsam mit dem Mittelverwendungskontrolleur verfügen dürfe, sei eingerichtet. Unstreitig hat der Wirtschaftsprüfer F. diese Angaben bewusst wahrheitswidrig gemacht. Dass ihm die Fondsgesellschaft die Einrichtung eines entsprechenden Kontos vorgespiegelt oder Herr F. sich bezüglich der Existenz eines derartigen Kontos geirrt hätte, behaupten auch die Kläger nicht. Allein die Tatsache, dass das Konto von der Fondsgesellschaft - und nicht von Herrn F. - einzurichten war, ändert an der bewussten Pflichtverletzung entgegen der Ansicht der Kläger nichts. 2.3.4.2. Der Senat verkennt nicht, dass die Kläger vorliegend den Zeichnungsschaden vom Dezember 2003 geltend machen. Für diesen haftet Herr F. Insoweit hat der BGH im Urteil vom 19.11.2009 (III ZR 109/08, NJW 2010, S. 1279 ff) - anders als zuvor die Instanzgerichte - eine vorvertragliche Aufklärungspflicht auch des reinen Mittelverwendungskontrolleurs gegenüber künftigen potentiellen Anlegern angenommen. Soweit die Kläger hieraus jedoch ableiten, bezüglich dieser Aufklärungspflicht fehle es an einer wissentlichen Pflichtverletzung, folgt der Senat dem nicht: Herr F. wusste aus dem Vertragstext, dass der Mittelverwendungskontrollvertrag als Vertrag zugunsten der Anleger ausgestaltet war. Damit war ihm auch bewusst, dass er bei Pflichtverletzungen unmittelbar den Anlegern gegenüber haftbar war und mithin im Interesse der Anleger umfassende Maßnahmen ergreifen musste, die Missstände abzustellen. Damit war ihm aber notwendigerweise ebenfalls bewusst, dass er sich auch neuen Anlegern gegenüber, die sich an der Fondsgesellschaft beteiligen würden, bevor die Missstände abgestellt waren, haftbar machen würde. Zudem kannte Herr Wirtschaftsprüfer F., wie ausgeführt, den Prospekt, mit dem - im Dezember 2003 - neue Anleger geworben wurden: Er wusste mithin, dass der Mittelverwendungskontrollvertrag im Prospekt abgedruckt und werbend herausgestellt war, obwohl Herr F. eine entsprechende Mittelverwendungskontrolle gerade nicht durchgeführt hatte. Damit war ihm bewusst, dass neue Anleger getäuscht würden und fälschlicherweise davon ausgehen müssten, der Mittelverwendungskontrolleur - Herr Freiheit - überwache die Einrichtung eines Sonderkontos für die Einlagen der Gesellschafter und stelle sicher, dass Verfügungen nur mit seiner Mitzeichnung möglich seien.
Vor diesem Hintergrund wäre es eine lebensfremde Aufspaltung der Bewusstseinslage, das einheitliche Untätigbleiben von Herrn F. zwar in Bezug auf die alten Anleger, nicht aber in Bezug auf die neu zu werbenden Anleger als bewusste Pflichtverletzung anzusehen. Letztlich stellen die weiteren Pflichtverletzungen, wie das Nicht- abstellen der Missstände und die fehlende Warnung der potentiellen Anleger, sich als weitere Glieder einer Kausalkette dar, die mit der wissentlichen Pflichtverletzung des Wirtschaftsprüfers Freiheit durch die fehlende Kontrolle des Sonderkontos und der Mittelverwendung in Gang gesetzt wurden (so auch OLG Frankfurt, Urteil vom 20.03.2014, 3 U 233/12, Juris Tz. 34 ff). Selbst wenn man dem nicht folgen wollte, hätten die Beklagten jedenfalls ausreichend Anknüpfungstatsachen vorgetragen, die als schlüssige Indizien für eine wissentliche Pflichtverletzung des Herrn F. auch in Bezug auf die neuen Anleger betrachtet werden können. Die wissentliche Verletzung des Mittelverwendungskontrollvertrags als Vertrag zugunsten der Anleger lässt jedenfalls den Schluss zu, Herr Wirtschaftsprüfer Horst F. habe auch in Bezug auf die Verletzung der vorvertraglichen Aufklärungspflichten gegenüber neuen Anlegern wissentlich gehandelt. Umstände, warum die Indizien den Schluss auf eine wissentliche Pflichtverletzung im konkreten Fall nicht zulassen, haben die Kläger im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast (vgl. BGH, Urteil vom 17.12.2014, IV ZR 90/13, Juris Tz. 20 f.) nicht dargetan. Auf die sekundäre Darlegungslast und das vorbezeichnete Urteil des BGH vom 17.12.2014 hat der Senat in der mündlichen Verhandlung vom 06.08.2015 hingewiesen (Bl. 259 d. A.), ohne dass die Kläger hierzu in der mündlichen Verhandlung weiter vorgetragen oder Stellungnahmefrist beantragt hätten. Soweit die Kläger erstmals im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 09.09.2015 (Bl. 261 d. A.) ausführen, der Zeuge F. wurde als Zeuge für die Nichtkenntnis der Aufklärungspflicht hilfsweise angeboten, ist dieses Beweisangebot nach § 296 a, § 525 S. 1 ZPO nicht mehr zu berücksichtigen. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO ist nicht veranlasst. 2.4 Soweit die Kläger in Höhe von 3.660,00 Euro die Klage in zweiter Instanz einseitig für erledigt erklärt haben, war dies als Antrag auf Feststellung der Erledigung auszulegen (vgl. das Versäumnisurteil des Senats vom 13.11.2014, Bl. 230 f d. A.). Dieser Antrag verbleibt indessen ohne Erfolg, da die Klage von Anfang an unbegründet war. 2.5 Da sich die Beklagten insgesamt auf den Ausschlusstatbestand des § 4 Nr. 5 AVB-RSW berufen und die Versicherungsleistung verweigern können, verbleiben auch die Hilfsanträge der Kläger (Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, Deckung zu erteilen oder den Insolvenzverwalter von der Klageforderung freizustellen) sowie der Antrag, den Annahmeverzug der Beklagten festzustellen, ohne Erfolg. 3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1, § 344 ZPO. Die Beklagten waren zum Termin am 13.11.2014 ordnungsgemäß geladen und hatten mit Schriftsatz vom 12.11.2014 (Bl. 227 d. A.) angekündigt, den Verhandlungstermin am 13.11.2014 nicht wahrzunehmen. 4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO. 5. Die Revision war nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung. Entgegenstehende höchst- oder obergerichtliche Rechtsprechung ist ebenfalls nicht ersichtlich. Insbesondere weicht der Senat nicht von der Entscheidung des OLG Frankfurt vom 20.03.2014, 3 U 233/12 (Juris Tz. 34 ff) ab.