Oberlandesgericht München Endurteil, 11. Juni 2018 - 21 U 3122/17
Gericht
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 28.08.2017, Az. 34 O 6476/17, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
1. Das Endurteil des Landgerichts München I vom 28.08.2017, Az.: 34 O 6474/17, wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 1.475,- nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 04.05.2016 zu zahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 3.989,34,- nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 04.05.2016 zu zahlen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch nicht unter € 7.500,-, nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 04.05.2016 zu zahlen.
5. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeden materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin im Zusammenhang mit der Pauschalreise in die Dominikanische Republik vom 24.11.2015 bis 08.12.2015, Buchungsnummer 1611192, entstanden ist und noch entsteht.
die Berufung zurückzuweisen.
II.
Im Einzelnen:
– Die Fotos, die nach Aussage der Klägerin ohnehin erst nach Rückkehr von der Reise gefertigt wurden, lassen keinen hinreichenden Rückschluss auf die Insektenart zu. Insbesondere sind die offensichtlich für Bettwanzen typischen perlenkettenartigen Stiche und Bisse auf den vorgelegten Fotos gerade nicht festzustellen. Soweit die Klägerin nunmehr bei ihrer Anhörung vor dem Senat eine sich vom Knöchel zum Oberschenkel hinaufziehende Stichfolge vor allem an der rechten Beinseite schildert, sind derartige Auffälligkeiten auf den vorgelegten Fotos gerade nicht sichtbar. Hinzu kommt, dass die Klägerin dieses Verletzungsbild erst auf den Einwand der Gegenseite, es fehle an dem typischen Wanzenbissmuster, beschrieben hat, weswegen sich der Senat nicht davon überzeugen kann, dass tatsächlich am Morgen nach der ersten Nacht im Hotel die für Bettwanzen typische Aneinanderreihung von Stichen/Bissen feststellbar war.
– Weder die Klägerin noch ihr Ehemann, der Zeuge E., haben Bettwanzen im Hotelbett gesehen. Nach Beklagtenvortrag hat auch das Hotelpersonal keine Bettwanzen feststellen können. Das Zimmer wurde offensichtlich zweimal desinfiziert. Auch wenn die Stiche bzw. Bisse bereits in der ersten Nacht erfolgt sein sollten, ist nicht ausgeschlossen, dass es sich um Stiche von Moskitos im Zimmer handelt, wie es das mit den landesüblichen Infektionsmöglichkeiten vertraute Krankenhaus vor Ort zeitnah diagnostizierte.
– Kein ärztlicher Bericht geht von Bettwanzenbissen aus. Vermutet werden vielmehr Stiche von Moskitos oder von Sandmücken:
Vorgelegt wurden von der Klageseite verschiedene ärztliche Berichte, insbesondere vom 15.01.2016 (Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin der LMU, Anlage K 25), vom 28.01.2016 (Allgemeinärzte, Anlage K 27), vom 09.02.2016 (I.klinik, Anlage K 32), vom 03.03.2016 (Hautärzte, Anlage K 39) und vom 15.04.2016 (Notfallzentrum, Klinikum S., Anlage K 48). Die Beklagtenseite hat zudem den Bericht des Krankenhauses Santo Domingo vom 28.11.2015 als Anlage B 2 (nunmehr auch in beglaubigter Übersetzung) zu den Akten gereicht. Nach diesen Berichten ist durchgängig nicht von Bettwanzenbissen (oder Parasitenbefall) auszugehen. Das zeit- und ortsnah befasste Krankenhaus am Urlaubsort benennt sogar ausdrücklich Moskitostiche als Erkrankungsursache.
– In den ersten Beschwerdeschreiben äußerte die Klägerin selbst auch noch keinen Verdacht auf Bettwanzenbisse, sondern sie beklagte sich über „Stiche“ und nannte „Moskitos“ (vgl. Anlage K 4). Soweit sie nunmehr in ihrer Schilderung vor dem Senat erklärt, es habe sich nicht um Stiche, sondern um „Bissverletzungen“ gehandelt, aus denen ein Tier etwas herausgesaugt habe, vermag der Senat dieser Schilderung keinen Glauben zu schenken. Die vorgelegten Bilder lassen nur entzündete Flecken erkennen, ob die Ursache Stiche von Moskitos sind oder Bisse von Wanzen, ist nicht erkennbar. Ergänzend ist zu bemerken, dass die Klägerin in ihrer Schilderung gegenüber dem Senat zudem Flöhe als mögliche Verursacher von Stichen/Bissen erwähnt hat, die sie am Folgetag auf der Liege am Pool des Hotels in den dort aufgestellten Sonnenschirmen gesehen haben will. Darüber hinaus hat sie eingeräumt, letztlich nicht genau zu wissen, was „da im Zimmer war“. Es könne auch „sonstiges Ungeziefer“ gewesen sein. Der Senat verkennt nicht, dass die Klägerin subjektiv davon überzeugt ist, dass sie die fraglichen Stiche/Bisse in der ersten Nacht im Bett erlitten hat, ebenso, dass sie glaubt, speziell im Kopfkissen, das sie gewohnheitsmäßig zwischen die Beine nimmt, und in der Bettwäsche bzw. Matratze hätten sich die Verursacher der Stiche bzw. Bisse aufgehalten. Der Senat hält dies zwar grundsätzlich für möglich, ebenso bleibt aber auch die plausible Möglichkeit, dass sich in der ersten Nacht Mücken im Zimmer befunden haben, die die Klägerin im Schlaf an den nicht von einem Schlafanzug bedeckten Beinen gestochen haben. Zum Einwand der Klägerin, sie und ihr Mann hätten das Mückenabwehrmittel Aceron benutzt, ist auf ihre eigene mündliche Schilderung zu verweisen, wonach sie jedenfalls in der ersten Nacht kein Mückenschutzmittel im Zimmer verwandt, sondern sich nur geduscht und dann geschlafen habe.
– Bei der von der Klageseite bemühten Heilpraktikerin Renate G. handelt es sich jedenfalls nach Aktenlage um keine Ärztin. In ihrer Stellungnahme vom 26.09.2017, also fast zwei Jahre nach der Reise, kommt sie lediglich aufgrund des geschilderten Verdachts der Klägerin sowie anhand allgemeiner Informationen aus dem Internet zu der Annahme, dass der Zustand der Klägerin auf eine Vielzahl von infizierten Bettwanzenbissen zurückzuführen sei. Im einem zeitlich früheren Schreiben der Heilpraktikerin vom 21.03.2017, vorgelegt als Anlage K 63, hat die Heilpraktikerin dagegen noch vermerkt: „V.a. (= „Verdacht auf“) Bettmilben/Bettwanzen“ deshalb am 28.12. Empfehlung, dies fachärztlich, nämlich durch das Tropeninstitut der Universität München abklären zu lassen. Das Fachinstitut hat, wie dargelegt, am 15.01.2016, mithin zeitnah nach der Rückkehr der Klägerin aus dem Urlaub, gerade keine Bettwanzenstiche diagnostiziert, sondern als Diagnose „Zustand nach Phlebotomenstichen“ (= Sandmücken) festgehalten.
III.
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(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil
- 1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen, - 2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
(1) Des Tatbestandes bedarf es nicht, wenn ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist. In diesem Fall bedarf es auch keiner Entscheidungsgründe, wenn die Parteien auf sie verzichten oder wenn ihr wesentlicher Inhalt in das Protokoll aufgenommen worden ist.
(2) Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so bedarf es des Tatbestands und der Entscheidungsgründe nicht, wenn beide Parteien auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichten. Ist das Urteil nur für eine Partei anfechtbar, so genügt es, wenn diese verzichtet.
(3) Der Verzicht nach Absatz 1 oder 2 kann bereits vor der Verkündung des Urteils erfolgen; er muss spätestens binnen einer Woche nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht erklärt sein.
(4) Die Absätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden im Fall der Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen oder wenn zu erwarten ist, dass das Urteil im Ausland geltend gemacht werden wird.
(5) Soll ein ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe hergestelltes Urteil im Ausland geltend gemacht werden, so gelten die Vorschriften über die Vervollständigung von Versäumnis- und Anerkenntnisurteilen entsprechend.
(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.