Der Kläger macht mit seiner Teilklage (80% der Invaliditätsleistungen) gegen die Beklagte Ansprüche aus einer privaten Unfallversicherung geltend.
Er hat bei der Beklagten einen gebündelten Versicherungsvertrag „M.“ abgeschlossen, der eine private Unfallversicherung mit einer progressiven Invaliditätsstaffel von 500% beinhaltet. Dem Vertrag lagen die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen AUB 2004 (im Weiteren: AUB) und die Besonderen Bedingungen U 199, U 192, U 194 zugrunde.
Der Kläger verletzte sich am 03.06.2008, als er aus einer Höhe von ca. 6 Metern von einer an der Hauswand seines Anwesens aufgestellten Leiter auf Kopf und Oberkörper stürzte. Er erlitt einen Bruch der Schädelkalotte (Schädeldach) nebst Stirnhöhle, eine Serienfraktur der rechten Rippe 10-12 und einen Riss des Lungengewebes (Pneumothorax). Weiterhin brach sich der Kläger die Brustwirbelkörper 10-12 sowie die Lendenwirbelkörper 1-5.
Der Kläger zeigte der Beklagten den Versicherungsfall mit Schreiben vom 15.06.2008 an (B4). Die Frage zu Vorerkrankungen beantwortete er mit „ja“ und gab den Grad der Behinderung mit 40% an. Mit Schreiben vom 29.11.2008 machte der Kläger Invaliditätsansprüche bei der Beklagten geltend und übersandte der Beklagten ärztliche Atteste und ärztliche Feststellungen verschiedener Ärzte.
Mit Schreiben vom 04.11.2008 wies die Beklagte den Kläger auf von ihm einzuhaltende Fristen im Falle der Geltendmachung eines Invaliditätsentschädigungsanspruchs hin (B6).
Mit Schreiben vom 07.07.2009 forderte die Beklagte vom Kläger ärztliche Unterlagen und Bescheide betreffend des Rentenstatus und des anerkannten Grades der Behinderung des Klägers von 40%. Mit Schreiben des Klägers vom 15.10.2010 erhielt die Beklagte vom Kläger Abschriften des Rentenbescheides, der Bescheinigung des Amtes für Versorgung und Familienförderung Bayreuth, des Bescheides des Versorgungsamts sowie zwei ärztliche Atteste.
Die Beklagte regulierte Krankenhaustagegeld und Genesungsgeld für 37 Tage a 37 €. Weitere Leistungen erbrachte sie nicht.
Der Kläger hat erstinstanzlich behauptet, dass bei ihm ein unfallbedingter Invaliditätsgrad von 100% vorliege. Nach seinen Angaben gegenüber den tätig gewordenen Gutachtern leide er unter Ohr-, Kopf-, Hals-, Bauch-, Wirbelsäulen-, Bein-, Knie-, Leisten-, Hoden- und Rumpfschmerzen, Darmträgheit, Verstopfung, Bluthochdruck, Müdigkeit, Schlaflosigkeit, Konzentrationsschwierigkeit, einem steifen Genick, Atembeschwerden und Blasenentleerungsstörungen.
Er hat die Rechtsansicht vertreten, der letzte Nachtrag zum Versicherungsschein zur Unfallversicherung stamme vom 17.03.2008 (K2), wonach ein Invaliditätsfall mit Progression von 81.500,00 € sowie ein Krankenhaustagegeld von 41,00 € pro Tag vereinbart sei.
Der Kläger hat behauptet, er habe seine Prozessbevollmächtigten beauftragt, vorgerichtlich eine Deckungszusage seiner Rechtsschutzversicherung für das gerichtliche Verfahren gegen die Beklagte einzuholen.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 352.927,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2009 und zur Zahlung weiterer 3.928,43 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit für vorgerichtliche Anwaltskosten und weiterer 961,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit für vorgerichtliche Anwaltskosten für die Einholung einer Deckungszusage gegenüber der Rechtsschutzversicherung zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht gewesen, es sei zu einer Vertragsabänderung gekommen, und hat in manchen Punkten die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers und deren Unfallbedingtheit bestritten. Außerdem hat er die Auffassung vertreten, es liege eine Vorinvalidität mit einem Invaliditätsgrad von 10% durch eine vorbestehende Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule vor. Ferner habe die beim Kläger vorbestehende Schädigung seiner Wirbelsäule zu mindestens 50% an etwaigen gesundheitlichen Dauerfolgen des Unfallereignisses mitgewirkt. Zudem hat die Beklagte geltend gemacht, dass es teilweise an einer fristgerechten Invaliditätsfeststellung fehle. Verzug habe nicht vorgelegen.
Vorgerichtliche Anwaltskosten könne der Kläger schon deshalb nicht verlangen, weil er nicht dargelegt habe, dass seine Prozessbevollmächtigten eine Rechnung gestellt haben und diese von ihm gezahlt worden sei.
Das Landgericht hat den Kläger angehört. Es hat Beweis erhoben durch Einholung eines chirurgischen Gutachtens des Sachverständigen Dr. N. nebst dreier Ergänzungen sowie eines nervenärztlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. G., eines HNO-ärztlichen Gutachtens der Sachverständigen Prof. Dr. R. und Prof. Dr. H. sowie eines radiologischen Gutachtens der Sachverständigen E.. Die Sachverständigen Dr. G. und Dr. N. hat das Gericht in der mündlichen Verhandlung vom 03.12.2013 angehört (Blatt 159 ff.).
Sodann hat es die Beklagte verurteilt, an den Kläger 11.760,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.03.2009 zu zahlen, und im Übrigen die Klage abgewiesen.
Es ist der Ansicht, im Hinblick auf solche Beeinträchtigungen, die in das Hals-Nasen-Ohrenärztliche, das lungenärztliche und kieferchirurgische Sachgebiet fielen, fehle es bereits an der nach Ziffer 2.1.1 AUB erforderlichen rechtzeitigen ärztlichen Invaliditätsfeststellung.
Im Übrigen stehe dem Kläger nur ein Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 11.760,00 € zu. Denn beim Kläger sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme eine unfallbedingte Invalidität von 20% verblieben. Daraus errechne sich, da die vereinbarte progressive Invaliditätsstaffel nicht greifen würde, aus einer vereinbarten Versicherungsgrundsumme von 73.500,00 € eine Invaliditätsleistung von 14.700,00 €. Von eingeklagten 80% der Invaliditätsleistungen verblieben 11.760,00 €.
Auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird ergänzend -auch im Hinblick auf den genauen Wortlaut der erstinstanzlich gestellten Klageanträge - Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Der Kläger hat gegen das ihm am 11.09.2014 zugestellte Urteil am 10.10.2014 Berufung eingelegt, die er am 11.12.2014 innerhalb der bis zu diesem Tag verlängerten Frist begründet hat.
Nach Zustellung des Urteils des Landgerichts Bamberg hat die Beklagte über den tenorierten Betrag hinaus an den Kläger weitere 2.940,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.03.2009 gezahlt.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger den erstinstanzlich geltend gemachten Klageantrag in voller Höhe weiter.
Bereits aus den Sachverständigengutachten ergebe sich ein Invaliditätsgrad von 48%.
Die unfallchirurgisch/orthopädisch festgestellte Invalidität betrage wenigstens 15% nach Abzug der Vorinvalidität durch ein generalisiertes degenerativ bedingtes Wirbelsäulensyndrom. Eine weitere Leistungskürzung gemäß Ziffer 3 AUB käme nicht in Betracht, denn die Mitwirkung des vorbestehenden Gebrechens beruhe auf derselben Ursache wie die Vorinvalidität. Der Kläger wäre sonst doppelt benachteiligt.
Entgegen der Feststellungen des Landgerichts läge bezüglich weiterer Invaliditätsfeststellungen auch keine Verfristung vor.
Im Übrigen könne sich die Beklagte gemäß § 186 VVG nicht auf eine Fristversäumung berufen, nachdem die Belehrung der Beklagten im Schreiben vom 04.11.2008 nicht dem Erfordernis der genannten Vorschrift entspräche.
In nervenärztlicher Hinsicht sei daher eine Invalidität von wenigstens 10% zusätzlich zugrunde zu legen. In HNO-ärztlicher Hinsicht eine solche von 2,5% bezüglich des Verlustes des Geschmackssinns, 15% für den Hörverlust auf dem linken Ohr und 3% für den Hörverlust auf dem rechten Ohr.
Damit ergäbe sich bereits aus den vorliegenden medizinischen Gutachten ein Gesamtinvaliditätsgrad von 45,5%. Wenn man dann noch die Aufrundung durch den Sachverständigen Dr. N. in der persönlichen Anhörung vom 03.12.2013 mit 2,5% berücksichtige, sei ein Invaliditätswert von 48% zutreffend.
Weitere 30% hätten sich ergeben, wenn das Erstgericht den Beweisangeboten des Klägers auf Einholung eines lungenfachärztlichen Gutachtens, eines kieferorthopädischen Gutachtens sowie eines internistischen Gutachtens nachgegangen wäre.
Der Leistung der Beklagten sei auch der Versicherungsschein der Beklagten vom 17.03.2008 zugrunde zu legen. Dass der Versicherungsschein vom 14.05.2008 den Versicherungsschein vom 17.03.2008 ersetze, ergebe sich aus dem Versicherungsschein vom 14.05.2008 nicht.
Entgegen der Ansicht des Landgerichts schulde die Beklagte auch vorgerichtliche Anwaltskosten.
Der Kläger beantragt,
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1. Die Beklagte wird unter teilweiser Abänderung des am 09.09.2014 verkündeten Urteils des Landgerichts Bamberg, Az.: 2 O 528/11, über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag hinaus verurteilt, an den Kläger weitere 341.167,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2009 zu bezahlen.
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2. Die Beklagte wird unter Abänderung des am 09.09.2014 verkündeten Urteils des Landgerichts Bamberg, Az.: 2 O 528/11, verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 3.928,43 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
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3. Die Beklagte wird unter Abänderung des am 09.09.2014 verkündeten Urteils des Landgerichts Bamberg, Az.: 2 O 528/11, verurteilt, vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 961,28 € für die Einholung einer Deckungszusage bei der Rechtsschutzversicherung nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Insbesondere verteidigt sie die tragenden Erwägungen des angefochtenen Urteils und wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen zur nicht fristgerechten ärztlichen I nvaliditätsfeststell ung.
Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Bamberg vom 09.09.2014 hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Maßgeblich für den Anspruch des Klägers gegen die Beklagte ist der beklagtenseits vorgelegte, inhaltlich nicht angegriffene Nachtrag zum Versicherungsschein vom 14.05.2008.
Seitens der Beklagten ist dargelegt worden, dass sich der Kläger nach Erhalt des Nachtrags zum Versicherungsschein vom 17.03.2008 mit der Beklagten in Verbindung gesetzt und am 20.03.2008 den vorgelegten Änderungsantrag unterzeichnet hat (Anlage B 2), der von der Beklagten mit dem vorgelegten Nachtrag zum Versicherungsschein vom 14.05.2008 (Anlage B 3) angenommen worden ist. In dem vom Kläger unterzeichneten Änderungsantrag ist als gewünschtes Deckungskonzept für den Kläger das Konzept „K.“ angekreuzt, für das im Änderungsantrag eine Invaliditätsgrundsumme von € 70.000,00 und eine Invaliditätssumme bei Vollinvalidität von € 350.000,00 angegeben sind. Im Nachtrag zum Versicherungsschein vom 14.05.2008 wurde dann unter Berücksichtigung der eingetretenen dynamischen Erhöhung eine Invaliditätsgrundsumme von € 73.500,00 bestätigt. Vom Kläger wurde in der Folgezeit der ihm im Nachtrag zum Versicherungsschein vom 14.05.2008 mitgeteilte monatliche Beitrag bezahlt.
Diese Behauptung wurde vom Kläger nicht bestritten und gilt daher als zugestanden, § 138 Abs. 3 ZPO.
Der Versicherungsschein vom 14.05.2008 hat somit den Versicherungsschein vom 17.03.2008 ersetzt, ohne dass dies nochmals im Versicherungsschein vom 14.05.2008 aufgenommen werden musste. Es lag eine vertragliche von beiden Seiten gewollte Vertragsänderung vor und keine einseitige eigenmächtige Reduzierung, wie es der Kläger sieht.
2. Es liegt eine unfallbedingte Gesamtinvalidität des Klägers von 20% vor. Die Voraussetzungen für die Zugrundelegung eines höheren Invaliditätsgrades sind nicht gegeben.
a) Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Invalidität auf unfallchirurgisch/orthopädischem sowie nervenärztlichem Gebiet - wie vom Landgericht - mit 20% festzusetzen und nicht auf 25% zu erhöhen.
Der Kläger geht - wie das Landgericht - davon aus, dass die unfallchirurgisch/orthopädisch festgestellte Invalidität nach Abzug der Vorinvalidität durch ein generalisiertes degenerativ bedingtes Wirbelsäulensyndrom 15% beträgt.
Entgegen der Auffassung des Klägers stellt es keine ungerechtfertigte doppelte Benachteiligung des Klägers dar, wenn bei der Berechnung seines Invaliditätsentschädigungsanspruchs sowohl die Klausel gem. Ziffer 2.1.2.2.3 AUB (Abzug der Vorinvalidität) als auch die Klausel gem. Ziffer 3 AUB (Minderung des Prozentsatzes des Invaliditätsgrades, soweit vorbestehende Krankheiten oder Gebrechen an der durch den Unfall verursachten Gesundheitsschädigungen oder deren Folgen mitgewirkt haben) berücksichtigt wird (vgl. OLG Schleswig, OLGR Schleswig 2006, 396; OLG Frankfurt, ZfS 2014, 404; Leverenz in Bruck/Möller, VVG, 9. Auflage, Band 9 Ziffer 3 AUB 2008 Rdnr. 14 und Ziffer 2.1 AUB 2008 Rdnr. 238; Grimm, Unfallversicherung, 4. Auflage, Ziffer 2 AUB 99 Rdnr. 40 und Ziffer 3 AUB 99 Rdnr. 6; Naumann/Brinkmann, Die private Unfallversicherung, § 5 Rdnr. 55; Kloth, Private Unfallversicherung, Kapitel J VI Rdnr. 12).
Es ist also insoweit eine Invalidität von 7,5% (50% von 15%) festzustellen und zugunsten des Klägers eine Aufrundung auf 10% vorzunehmen, so dass sich zusammen mit der auch vom Kläger angesetzten 10%-igen Invalidität auf nervenärztlichem Fachgebiet eine insgesamt 20%-ige unfallbedingte Invalidität errechnet.
b) Das Landgericht hat zu Recht die vom Kläger behauptete Invalidität auf HNO-ärztlichem Gebiet, nämlich den behaupteten Verlust von 2 Grundgeschmacksqualitäten und den angeblichen Hörverlust von 10 dB rechts und 50 dB links nicht bei der Bemessung des Invaliditätsgrades berücksichtigt.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist bezüglich dieser von ihm behaupteten Funktionsbeeinträchtigungen keine fristgerechte ärztliche Invaliditätsfeststellung erfolgt.
Die Atteste des Herrn Dr. K. vom 22.04.2009 und des Herrn Dr. D. vom 23.04.2009 beinhalten keinerlei Feststellung einer dauernden unfallbedingten Funktionsbeeinträchtigung des Geschmackssinns oder des Hörvermögens des Klägers. Die genannten Atteste beinhalten weder die Feststellung einer Beeinträchtigung des Geschmackssinns oder des Hörvermögens noch die für die ärztliche Invaliditätsfeststellung notwendige Feststellung eines insoweit bestehenden Dauerschadens. Keinesfalls musste die Beklagte aus der Tatsache, dass in dem vorgelegten ärztlichen Attest vom 04.06.2008 „massive Weichteilverletzungen Gesicht/Nase“ (Anlage K 3) erwähnt werden, die Schlussfolgerung ziehen, dass beim Kläger eine dauernde Beeinträchtigung des Geschmackssinns und des Hörvermögens eingetreten sei.
In der vom Kläger vorgelegten ärztlichen Invaliditätsfeststellung (Anlage K 5) wird unter Ziffer 3 („die dauernden Funktionsbeeinträchtigungen sind“) mit keinem Wort eine Beeinträchtigung des Geschmackssinns oder des Hörvermögens erwähnt. Ebenso nicht in dem vorgelegten Dauerschadensattest des Orthopäden Dr. D. vom 20.11.2008 (Anlage K 6) und auch nicht in der vorgelegten ärztlichen Invaliditätsfeststellung des Orthopäden Dr. D. vom 23.04.2009 (Anlage K 7). Dort wird vielmehr unter Ziffer 3 auf die Frage nach dauernden Funktionsbeeinträchtigungen angegeben, dass dauernde Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der unter Ziffer 2 genannten Organe, d.h. im Bereich der Wirbelsäule, des knöchernen Brustkorbes, der linken Stirnhöhle und der Schädelkalotte bestehen würden.
Allein die Tatsache, dass Verletzungen der Stirnhöhle und eine Risswunde im Nasenbereich aufgeführt werden und die dauerhafte Beeinträchtigung der linken Stirnhöhle attestiert wird, reicht für eine Invaliditätsfeststellung bzgl. des Geschmackssinns und des Hörvermögens nicht aus.
Der Verletzungsbereich war auch nicht derart konkret bezeichnet, dass der Beklagten die Beauftragung entsprechender Fachgutachter möglich war.
Auch die Diagnose eines Polytraumas führt zu keinem anderen Ergebnis. Als Polytrauma bezeichnet man in der Medizin mehrere gleichzeitig erlittene Verletzungen verschiedener Körperregionen, wobei mindestens eine Verletzung oder die Kombination mehrerer Verletzungen lebensbedrohlich ist. Daraus kann aber nicht hergeleitet werden, welche Körperregionen genau betroffen sind und ob tatsächlich dauerhafte Beeinträchtigungen zurückbleiben.
Die Beklagte kann sich - entgegen der Ansicht des Klägers - auch auf die Fristversäumnis berufen. Die Voraussetzungen des § 186 Satz 2 VVG sind nicht gegeben.
Die Beklagte ist nämlich ihrer Verpflichtung aus § 186 Satz 1 VVG ordnungsgemäß nachgekommen.
Die entsprechenden Hinweise hat die Beklagte dem Kläger unstreitig mit dem vorgelegten Schreiben vom 04.11.2008 (Anlage B 6) erteilt. Die vom Gesetz geforderte Textform ist durch das Schreiben gewahrt. Darüber hinausgehende Anforderungen an die optische Gestaltung der Textform sind vom Gesetzgeber nicht aufgestellt worden, insbesondere nicht die Anforderung, dass sich der Hinweis in Schriftbild oder Schriftgröße drucktechnisch hervorgehoben von dem sonstigen Text abheben müsse, wie der Kläger meint.
Der Hinweis darf aber nicht im Fließtext der allgemeinen Informationen und Anfragen „untergehen“ (Knappmann, Prölss/Martin, VVG-Kommentar, 29. Aufl., § 186 Rdnr. 3). Dies ist vorliegend nicht der Fall, insbesondere ist die zusammenfassende eindringliche Belehrung „alleinstehend“ auf Seite 2 des Schreibens vom 04.11.2008 enthalten.
Von der Gestaltung und Platzierung her konnte der Kläger die Belehrung in zumutbarer Weise wahrnehmen.
c) Auch auf lungenfachärztlichem Gebiet ist, wie das Landgericht zu Recht ausführt, keine fristgerechte ärztliche Invaliditätsfeststellung erfolgt. Aus den Berichten und Stellungnahmen ergibt sich nicht, dass eine auf den Unfall zurückzuführende Beeinträchtigung der Lunge (behauptete Verklebungen im Bereich der Pleurablätter mit Ausbildung einer Pleuraschwarte) die körperliche Leistungsfähigkeit des Klägers auf Dauer mindert. Dies gilt insbesondere für die ärztlichen Atteste des Dr. K. vom 28.10.2008 (Anlage K4), 22.04.2009 (Anlage K5) und Dr. D. vom 20.11.2008 (Anlage K6) und 23.04.2009 (Anlage K7). Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. N. vom 19.06.2014, die auch der Senat für überzeugend hält, implizieren die in den Attesten von Dr. K. und Dr. D. enthaltenen Diagnosen mit den Bezeichnungen „Hämatopneumothorax re., Pneumothorax re., Lungenkontusion re.“ keine Pleuraschwarte.
Auf diese Verfristung kann sich die Beklagte auch berufen (s. Ausf. zu II. 2. b)).
Zudem hat der Sachverständige Dr. N. auf Seite 5/6 seines Ergänzungsgutachtens vom 19.06.2014 unter Hinweis auf sein Ausgangsgutachten vom 12.09.2012 und die Befundung der CT Thorax vom 31.08.2012 das Vorliegen einer Pleuraschwarte ausdrücklich ausgeschlossen.
d) Die angeblich unfallbedingte Invalidität wegen craniomandibulärer Dysfunktion hat der Kläger erstmals in seinem Schriftsatz vom 13.01.2014 behauptet. Zu diesem Zeitpunkt lag der Unfall 5 1/2 Jahre zurück. Vorgetragen hat er insoweit ausdrücklich, dass er „heute“ an einer unfallbedingten craniomandibulären Dysfunktion leide. Damit war sein Vortrag unschlüssig, denn erste Voraussetzung für einen Anspruch auf Invaliditätsentschädigung wäre gewesen, dass die behauptete Invalidität innerhalb eines Jahres seit dem Unfall eingetreten wäre und nicht, wie vorgetragen, 5 1/2 Jahre nach dem Unfall.
Darüber hinaus fehlt es bis heute bezüglich einer angeblichen unfallbedingten dauerhaften Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit des Klägers durch eine angeblich unfallbedingte craniomandibuläre Dysfunktion sowohl an einer fristgerechten Geltendmachung als auch an einer fristgerechten ärztlichen Feststellung. Dementsprechend hat das Landgericht auch zu Recht diesbezüglich kein Gutachten erholt.
Auf diese Verfristung kann sich die Beklagte auch berufen (s. Ausf. zu II. 2. b)). e)
Das Landgericht hat festgestellt, dass der Kläger eine Bauchdeckenschwäche, aber keine Hernie hat. Die unfallbedingte Bauchdeckenschwäche ist nach Ansicht des Landgerichts bei der vom Sachverständigen Dr. N. vorgenommenen Bewertung der unfallbedingten Invalidität ausdrücklich bereits mitberücksichtigt worden. Diese Bewertung ist im schriftlichen Sachverständigengutachten und in der mündlichen Erläuterung des Gutachtens vorgenommen worden.
Diese Feststellungen sind berufungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es gilt:
Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung lediglich darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Angriffe gegen die Beweiswürdigung im engeren Sinne sind infolgedessen nur dann geeignet, die Berufung zu begründen, wenn dem Erstgericht bei der Beweiserhebung Verfahrensfehler unterlaufen sind, eine Korrektur der Tatsachengrundlage wegen rechtsfehlerhafter Erfassung geboten ist oder eine neue Feststellung der Tatsachen durch das Berufungsgericht nach §§ 529, 531 ZPO zulässig ist. Eine solche neue Feststellung ist gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO insbesondere dann geboten, wenn die Berufung konkrete Anhaltspunkte aufzeigt, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der erstinstanzlichen entscheidungserheblichen Feststellungen begründen. Solche Zweifel liegen nur dann vor, wenn aus Sicht des Berufungsgerichts eine gewisse - nicht notwendig überwiegende - Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall der Beweiserhebung diese Feststellungen keinen Bestand haben werden, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (vgl. Heßler in Zöller, ZPO 30. Aufl. § 529 Rdn. 2 ff.).
Im Rahmen der freien Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO hat der Tatrichter unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung als wahr oder unwahr zu erachten ist. Dabei genügt, da eine absolute Gewissheit nicht zu erreichen und jede Möglichkeit des Gegenteils nicht auszuschließen ist, ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Außerhalb gesetzlicher Vermutungen und Beweisregeln unterliegt das Gericht daher keiner Bindung, sondern beurteilt frei den Gang der Verhandlung, den Wert der einzelnen Beweismittel unter Berücksichtigung der ihnen eigenen Fehlerquellen, zieht Schlüsse aus bestrittenen und unbestrittenen Behauptungen, bewertet Indizien und kann fehlende konkrete Indizien mit Hilfe der allgemeinen Lebenserfahrung überbrücken (vgl. Greger in Zöller a.a.O. § 286 Rdn. 13, 17 ff.).
Das Landgericht hat seine Feststellungen nachvollziehbar auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr. N. und seine Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung gestützt.
Nachdem der vom Kläger behauptete Leistenbruch nicht in das Fachgebiet eines Internisten, sondern in das Fachgebiet eines Chirurgen fällt und der Sachverständige Dr. N. als Chirurg auch deutlich gemacht hat, dass er für die Diagnose der vom Kläger behaupteten Leistenhernie fachkundig ist, hat das Landgericht auch zu Recht hierzu kein internistisches Gutachten eingeholt.
Darüber hinaus fehlt es bis heute bezüglich einer angeblichen unfallbedingten dauerhaften Einschränkung des Klägers durch eine angeblich unfallbedingte Leistenhernie sowohl an einer fristgerechten Geltendmachung als auch an einer fristgerechten ärztlichen Feststellung.
Auf diese Verfristung kann sich die Beklagte auch berufen (s. Ausf. zu II. 2. b)).
3. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Erstattung vorprozessualer Anwaltskosten. a) Im Ergebnis hat das Landgericht zu Recht den geltend gemachten Anspruch auf Erstattung vorprozessualer Anwaltskosten abgewiesen. Zu Unrecht hat allerdings das Landgericht angenommen, dass sich die Beklagte bereits seit 01.03.2009 mit der Bezahlung einer Invaliditätsleistung an den Kläger in Verzug befunden habe. Richtig ist demgegenüber, dass Verzug der Beklagten zu diesem Zeitpunkt schon deshalb nicht vorgelegen haben kann, weil zum 01.03.2009 noch keine einzige ärztliche Invaliditätsfeststellung vorlag. Bei der ärztlichen Invaliditätsfeststellung handelt es sich um eine Anspruchsvoraussetzung (BGH, VersR 2007, 1114; BGH, VersR 98, 175). Solange diese Anspruchsvoraussetzung nicht erfüllt ist, kann ein Anspruch des Klägers nicht fällig geworden und erst recht nicht Verzug der Beklagten eingetreten sein.Ebenso wenig teilt der Senat die Rechtsansicht des Erstgerichts, es sei Aufgabe der Beklagten gewesen, zur Beurteilung ihrer Leistungspflicht „die maßgeblichen Bescheide selbst bei den entsprechenden Behörden“ anzufordern. Für die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen ist nicht die Beklagte zuständig, sondern der Kläger.
Richtig ist, dass die Beklagte mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 23.04.2009 zur Leistung aufgefordert wurde. Gleichzeitig wurden mit diesem Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers die als Anlagen K 5 und K 7 vorgelegten beiden ärztlichen Invaliditätsfeststeilungen vom 22.04.2009 und vom 23.04.2009 an die Beklagte übersandt. Erst nach Erhalt dieser Invaliditätsfeststellungen hatte die Beklagte überhaupt Veranlassung, das Vorliegen unfallbedingter Invalidität durch Einholung entsprechender Gutachten zu prüfen, so dass auch erst in der Folgezeit überhaupt Fälligkeit eines Invaliditätsentschädigungsanspruchs des Klägers eingetreten sein kann. Zum Zeitpunkt der Einschaltung der Prozessbevollmächtigten des Klägers mit dessen vorprozessualer Vertretung hat sich die Beklagte somit nicht in Verzug befunden, so dass die hierdurch ausgelösten Rechtsanwaltskosten auch nicht als Verzugsschaden der Beklagten gegenüber geltend gemacht werden können.
b) Auch hinsichtlich der geltend gemachten vorprozessualen Rechtsanwaltskosten für die Einholung einer Deckungszusage des Rechtsschutzversicherers hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht einen entsprechenden Erstattungsanspruch des Klägers abgelehnt. Ein solcher Anspruch des Klägers würde auch dann nicht bestehen, wenn sich die Beklagte zum Zeitpunkt der Einholung der Deckungszusage durch die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit der Leistung einer Invaliditätsentschädigung in Verzug befunden hätte. Bereits die Klage enthält keinen schlüssigen Vortrag zur Begründung dieses vermeintlichen Anspruchs. Es fehlt schon an der Behauptung, dass die Prozessbevollmächtigten des Klägers diesem für die außergerichtliche Einholung einer Deckungszusage eine Kostenrechnung über € 961,28 gestellt hätten und der Kläger diese Rechnung beglichen hätte. Eine entsprechende Behauptung wird auch in der Berufungsbegründung nicht aufgestellt, so dass nach wie vor keine schlüssige Begründung des vermeintlichen Erstattungsanspruchs vorliegt.
Im Übrigen wird die Einholung von Deckungszusagen von den meisten Rechtsanwälten üblicherweise als nicht kostenpflichtige Serviceleistung für ihre Mandanten vorgenommen. Daher müsste ein Rechtsanwalt, wenn er hierfür entgegen der üblichen Praxis von seinem Mandanten eine Vergütung verlangen will, diesen vorab darauf hinweisen, dass und welche Gebühren er für die Einholung der Deckungszusage abrechnen wird, und muss gleichzeitig seinem Mandanten anheimstellen, die Deckungszusage selbst bei seinem Rechtsschutzversicherer einzuholen.
Dass dies erfolgt wäre, ist ebenfalls nicht behauptet worden. Auch deshalb liegt bezüglich dieses vermeintlichen Anspruchs kein schlüssiger Sachvortrag vor.
4. Dem Kläger steht somit aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Unfallversicherungsvertrag gemäß § 178 Abs. 1 VVG, Ziff. 9 AUB ein Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 14.700,00 € zu. Denn beim Kläger ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme eine unfallbedingte Invalidität von 20% verblieben. Daraus errechnet sich, da die vereinbarte progressive Invaliditätsstaffel nicht greift, aus einer vereinbarten Versicherungsgrundsumme von 73.500,00 € eine Invaliditätsleistung von 14.700,00 €.
Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist aber von diesem Betrag kein 20%-iger Abschlag wegen der offenen Teilklage vorzunehmen. Der Kläger geht davon aus, dass ihm gegen die Beklagte aus dem Unfallversicherungsvertrag ein Gesamtanspruch in Höhe von 441.158,75 € zusteht. Davon hat er einen Betrag in Höhe von 352.927,00 € im Rahmen seiner Teilklage (80% von 441.158,75 €) geltend gemacht. Es handelt sich hier also um einen einheitlichen Anspruch (vgl. dazu Zöller/Vollkommer, vor § 322 ZPO Rdnr. 49). Mangels Erreichens der Höhe des eingeklagten Teilbetrages ist daher keine Kürzung vorzunehmen.
Die Klage ist aber auch in Höhe des Differenzbetrages von 2.940,00 € nebst Zinsen unbegründet, weil insoweit Erfüllung eingetreten ist (§ 362 Abs. 1 BGB). Eine Erledigterklärung des Klägers ist trotz Senatshinweises, der versehentlich nicht in das Sitzugsprotokoll aufgenommen worden ist, nicht erfolgt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die für die höchstrichterlich geklärt.
Senatsentscheidung relevanten Rechtsfragen sind Richter am Oberlandesgericht Richterin am Landgericht Richter am Oberlandesgericht Verkündet am 24.09.2015