Oberlandesgericht Bamberg Hinweisbeschluss, 16. März 2015 - 4 U 205/14
Gericht
Gründe
„Voraussetzung für diese befristete Bürgschaftsverlängerung ist, dass
a) wir nur für Ansprüche haften, die bis zum 15.04.2011 angefallen sind. Die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft hat spätestens bis zum 30.05.2011 zu erfolgen.
b) Sie vor Inanspruchnahme unserer Bank aus der Bürgschaft ihre Ansprüche mit den von der ... (= Schuldnerin) gestellten Barkautionen, die im Falle einer Insolvenz nicht angefochten werden, verrechnen ...“
Wie das Landgericht zutreffend annimmt, handelt es sich bei der Bürgschaftserklärung vom 14.02.2011 um eine bis zum 30.05.2011 befristete Zeitbürgschaft. Wegen des für die Inanspruchnahme abschließend bestimmten Endtermins unterscheidet sich die dadurch begründete Haftung der Bank von der in § 777 BGB vorgesehenen Form der Zeitbürgschaft nur dadurch, dass die Bürgin bereits dann frei wird, wenn sie nicht innerhalb der vom Landgericht zutreffend so bezeichneten Ausschlussfrist in Anspruch genommen wird (§§ 163, 158 II BGB). Eine solche definitive Befristung der Bürgenhaftung im Sinne einer „qualifizierten“ Zeitbürgschaft ist in der Rechtsprechung seit jeher anerkannt (vgl. nur BGHZ 91, 349, Rn. 17; 139, 325, Rn. 17; BGH WM 1977, 290; 1981, 1302).
Um sich die Rechte aus der Bürgschaft zu erhalten, hätte die Klägerin daher die Inanspruchnahme der restlichen Bürgschaftssumme ebenfalls bis zum 30.05.2011 anzeigen müssen.
Entgegen der Ansicht der Berufung ergibt sich ein anderes Verständnis der vorliegenden Vereinbarung eines definitiven Endtermins für die haftungsauslösende Gläubigeranzeige auch nicht aus den Rechtswirkungen des § 144 I InsO. Nach dieser Vorschrift lebt die Forderung des Insolvenzgläubigers wieder auf, soweit der Empfänger einer anfechtbaren Leistung das Erlangte wieder an die Insovenz-masse zurückgewährt hat. Zusammen mit der anfechtbar getilgten Forderung treten - ebenfalls rückwirkend - auch die dritter Seite gestellten akzessorischen Sicherheiten (wie etwa hier eine Bürgschaft) wieder in Kraft (vgl. etwa MK-Kirchhof, 3. Aufl., Rn.10, 10c zu § 144 InsO; Ganter WM 2011, 245, 247, 248). Diese denkbaren Rechtsfolgen, ihr Eintreten einmal unterstellt, stehen jedoch einem Erlöschen der Bürgschaftsverpflichtung der Beklagten nicht entgegen.
a) Ob die gesicherten Forderungen - und in welchem genauen Umfang - in anfechtbarer Weise erfüllt worden waren, bedürfte ohnehin noch näherer Überprüfung (vgl. nur BGH, Beschluss vom 15.04.2010 - IX ZR 86/09). Der bisherige Sachvortrag der Klägerseite reicht jedenfalls nicht aus, wenn auch die Beklagte diese Darlegungslücke nicht beanstandet hat. Indessen bedarf die Prämisse des klägerischen Gegen-einwands keiner abschließenden Erörterung. Denn selbst dann, wenn die Anfechtung der Verwalterseite (jedenfalls) in einem die Klageforderung übersteigenden Umfang begründet gewesen war, kann die Klägerin daraus für sich nichts herleiten.
b) Das (rückwirkende) Wiederentstehen der noch offenen Hauptverbindlichkeit ist nämlich nur geeignet, die Tilgungswirkung der Erfüllung (§ 362 I BGB) zu beseitigen, welche ihrerseits das Erlöschen der akzessorischen Haftung aus der Bürgschaft nach sich gezogen hatte. Demzufolge bezieht sich das allein in der Akzessorietät des Sicherungsrechts begründete Wiederaufleben der Bürgenverpflichtung (Kübler/Prütting/Bork-Jakoby, Rn. 14 zu § 144 InsO) ausschließlich auf den gegenständlichen Umfang der Bürgschaft: Diese Rechtsfolge kann sich also nur dahin ausgewirkt haben, dass die wiederentstandene Hauptforderung nach wie vor dem gegenständlichen Anwendungsbereich der vorliegenden Bürgschaft unterfällt, wenn und soweit auch die sonstigen Voraussetzungen eine Bürgenhaftung im Zeitpunkt des Wegfalls des Erlöschenstatbestandes des § 362 I BGB noch gegeben sind. Hierbei geht es um das zusätzliche und selbstständige Erfordernis, dass die Anzeige der Inanspruchnahme der Bürgschaft innerhalb der festgelegten Ausschlussfrist erfolgt war.
Die in § 144 I InsO statuierte Rückwirkung reicht auch aus einem weiteren Rechtsgrund nicht aus, um die hier maßgebende Zeitschranke und den daraus folgenden Erlöschensgrund zu überwinden: Ebenso wie im Zusammenhang mit einer erst nach Klagezustellung erfolgen Aufrechnung nicht schon das Bestehen einer Aufrechnungslage (als Bezugspunkt der Rückwirkung einer wirksam erklärten Aufrechnung), sondern erst die Aufrechnungserklärung selbst das erledigende Ereignis darstellt (BGHZ 155, 392), hat es in der Frage eines tatsächlichen Wiederauflebens von Sicherungsrechten nicht auf die Verwirklichung eines Anfechtungstatbestandes, sondern ausschlaggebend auf eine die jeweilige anfechtbare Leistung bezogene Ausübung der Anfechtungsbefugnis des Insolvenzverwalters und die erfolgreiche Durchsetzung des Rückgewähranspruchs (§143 InsO) anzukommen (vgl. MK-Kirchhof a. a. O., Rn. 186, 194 zu § 129 InsO). Darauf musste (und konnte) sich auch die Klägerseite von vornherein einstellen.
moreResultsText
Annotations
(1) Hat sich der Bürge für eine bestehende Verbindlichkeit auf bestimmte Zeit verbürgt, so wird er nach dem Ablauf der bestimmten Zeit frei, wenn nicht der Gläubiger die Einziehung der Forderung unverzüglich nach Maßgabe des § 772 betreibt, das Verfahren ohne wesentliche Verzögerung fortsetzt und unverzüglich nach der Beendigung des Verfahrens dem Bürgen anzeigt, dass er ihn in Anspruch nehme. Steht dem Bürgen die Einrede der Vorausklage nicht zu, so wird er nach dem Ablauf der bestimmten Zeit frei, wenn nicht der Gläubiger ihm unverzüglich diese Anzeige macht.
(2) Erfolgt die Anzeige rechtzeitig, so beschränkt sich die Haftung des Bürgen im Falle des Absatzes 1 Satz 1 auf den Umfang, den die Hauptverbindlichkeit zur Zeit der Beendigung des Verfahrens hat, im Falle des Absatzes 1 Satz 2 auf den Umfang, den die Hauptverbindlichkeit bei dem Ablauf der bestimmten Zeit hat.
(1) Gewährt der Empfänger einer anfechtbaren Leistung das Erlangte zurück, so lebt seine Forderung wieder auf.
(2) Eine Gegenleistung ist aus der Insolvenzmasse zu erstatten, soweit sie in dieser noch unterscheidbar vorhanden ist oder soweit die Masse um ihren Wert bereichert ist. Darüber hinaus kann der Empfänger der anfechtbaren Leistung die Forderung auf Rückgewähr der Gegenleistung nur als Insolvenzgläubiger geltend machen.
(1) Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, kann der Insolvenzverwalter nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 anfechten.
(2) Eine Unterlassung steht einer Rechtshandlung gleich.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Gewährt der Empfänger einer anfechtbaren Leistung das Erlangte zurück, so lebt seine Forderung wieder auf.
(2) Eine Gegenleistung ist aus der Insolvenzmasse zu erstatten, soweit sie in dieser noch unterscheidbar vorhanden ist oder soweit die Masse um ihren Wert bereichert ist. Darüber hinaus kann der Empfänger der anfechtbaren Leistung die Forderung auf Rückgewähr der Gegenleistung nur als Insolvenzgläubiger geltend machen.
(1) Wird der Eintritt der Bedingung von der Partei, zu deren Nachteil er gereichen würde, wider Treu und Glauben verhindert, so gilt die Bedingung als eingetreten.
(2) Wird der Eintritt der Bedingung von der Partei, zu deren Vorteil er gereicht, wider Treu und Glauben herbeigeführt, so gilt der Eintritt als nicht erfolgt.
(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.
Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.