Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 27. Aug. 2014 - L 7 SB 40/10

ECLI: ECLI:DE:LSGST:2014:0827.L7SB40.10.0A
published on 27/08/2014 00:00
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 27. Aug. 2014 - L 7 SB 40/10
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Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 11. Mai 2010 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Umstritten ist noch die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 80 ab November 2006.

2

Der am ... 1958 geborene Kläger beantragte erstmals am 1. Juli 1999 die Feststellung von Behinderungen nach dem Schwerbehindertengesetz und die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises wegen Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule sowie eines Teilverlustes des rechten Zeigefingers. Nach medizinischen Ermittlungen stellte der Beklagte zunächst mit Teilbescheid vom 23. März 2000 einen GdB von 20 und mit Bescheid vom 7. September 2000 ab Mai 2000 einen GdB von 30 fest.

3

Ein Neufeststellungsantrag des Klägers führte nach medizinischen Ermittlungen zum Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 10. August 2001. Nach einem weiteren Neufeststellungsantrag vom 8. April 2004 führte der Beklagte medizinische Ermittlungen durch. In einem beigefügten Arztbrief berichtete der Chefarzt der neurologischen Klinik des Fachkrankenhauses B. Dr. E. am 8. Januar 2004 über einen stationären Aufenthalt des Klägers vom 12. bis 26. November sowie vom 5. Dezember bis 17. Dezember 2003. Hiernach habe der Kläger seit Anfang November 2003 über zunehmende Schmerzen im Schulter-Nacken-Bereich sowie in den Händen geklagt. Wegen einer Angst- und Panikattacke sei der Kläger im Dezember 2003 erneut stationär aufgenommen worden. In einem Befundschein vom 2. August 2004 berichtete die Nervenärztin Dr. R. Die Gedanken des Klägers kreisten nur noch um seine Krankheit und seine Schmerzen, die Lebensinhalt geworden seien, wobei ein massives Kränkungserleben auffällig sei. In den letzten Wochen sei es wiederholt zu Zitteranfällen am ganzen Körper gekommen, was zu diversen Notarzteinsätzen sowie einer stationären Aufnahme im Krankenhaus B. geführt habe. Im Vordergrund stünde eine Anpassungsstörung mit somatoformer sowie dissoziativer Symptomatik. Zusätzlich sei von einer Angst- und Panikstörung, jedoch nicht von einer Epilepsie auszugehen. Der Vertragsarzt des Beklagten Dr. B. wertete diesen Befund aus und hielt einen Gesamt-GdB von 30 für sachgerecht. Dem folgend lehnte der Beklagte eine Erhöhung des GdB ab. In dem dagegen gerichteten Widerspruch vom 23. Februar 2005 machte der Kläger geltend, der Beklagte habe seine seit November 2003 aufgetretenen Anfälle nicht hinreichend berücksichtigt.

4

Der Beklagte zog weitere Arztbriefe des Fachkrankenhauses B. vom 2. März, 24. März, 27. Juli, 9. August und 29. November 2004 sowie ein sozialmedizinisches Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 22. Dezember 2004 bei. Der Chefarzt der Klinik für Neurologie des Fachkrankenhauses B. Dr. F. teilte unter dem 14. März 2004 (stationärer Aufenthalt vom 10. bis 19. März 2004) mit: Das ganze Sein des Klägers drehe sich um seine Krankheit, die Lebensinhalt geworden sei. Eine Reflektion des stetig spürbaren schweren Kränkungserlebens könne er nicht zulassen. Die Fixierung erscheine massiv und stehe im Zusammenhang zu einem laufenden sozialgerichtlichen Rentenverfahren mit hochkomplexer Psychodynamik. Diagnostisch bestehe eine somatoforme Schmerzstörung sowie eine Konversionsstörung und eine Anpassungsstörung. Chefarzt Dr. E. teilte zu einem weiteren stationären Aufenthalt des Klägers in der Fachklinik vom 1. bis 8. Juli 2004 mit, es sei bei ihm zu ca. 20 Notarzteinsätzen und mehrfachen Einsätzen im Rahmen eines dringlichen Hausbesuchsdienstes gekommen. Der Kläger sei weiterhin nicht bereit, die Psychogenese seiner Beschwerden zu akzeptieren, so dass kein Ansatz für eine stationäre bzw. ambulante psychotherapeutische Behandlung bestehe. Insgesamt sei die Problematik als eine schwere sekundäre neurotische Fehlentwicklung zu bewerten. Bei einer aktuell fehlenden Behandlungsmotivation sei eine Chronifizierung und Verschlimmerung der Symptomatik zu erwarten. Nach einem weiteren Bericht von Chefarzt Dr. E. vom 9. August 2004 (stationärer Aufenthalt vom 29. Juli bis 3. August 2004) habe der Kläger beim Rasenmähen ein Schwächegefühl mit zunehmendem Zittern und motorischen Entladungen in allen vier Extremitäten gehabt. Die zerebrale Bildgebung sei unauffällig. Nach kurzer Zeit habe sich die Symptomatik unter stationären Bedingungen völlig zurück entwickelt. In einem weiteren Bericht der Fachklinik für Psychiatrie/Psychotherapie berichtete die Ärztliche Direktorin Dr. F. unter dem 29. November 2004 über einen stationären Aufenthalt des Klägers vom 1. bis 26. Oktober 2004. Hiernach sei von der Diagnose einer Persönlichkeitsstörung sowie von dissoziativen Krampfanfällen auszugehen. Ein Anfallsleiden habe nach EEG-Aufzeichnung ausgeschlossen werden können. Klinisch habe es beim Kläger mehrfache Attacken mit willkürlichen Bewegungsmustern ohne Bewusstseinsverlust und ohne begleitende Angstsymptomatik gegeben. Hierbei sei der Eindruck einer demonstrativen Verhaltensweise entstanden. Eine Integration des Klägers in verschiedene Therapiemöglichkeiten sei erfolglos geblieben. In einem sozialmedizinischen Gutachten des MDK gab Dipl.-Med. L. an: Mittlerweile sei von einer Verselbständigung des somatischen Erkrankungsbildes in psychischer Hinsicht auszugehen. Aktuell bestünden schwere psychiatrische Erkrankungen. Perspektivisch sei von einem chronifizierten Verlauf mit ungünstiger Prognose auszugehen. Daneben läge sicherlich auch ein Rentenbegehren vor, so dass eine Verbesserung der Symptomatik erst nach Abschluss des laufenden Gerichtsverfahrens zu erwarten sei. Aktuell befinde sich der Kläger in teilstationärer psychotherapeutischer Behandlung.

5

Der Versorgungsarzt Obermedizinalrat Dr. S. bewertete die Funktionseinschränkung der Wirbelsäule mit einem Einzel-GdB von 30, die psychische Störung mit einem Einzel-GdB von 20 sowie den Teilverlust des rechten Zeigefingers mit einem Einzel-GdB von 10 und hielt einen Gesamt-GdB von 30 für angemessen. Dem folgend wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19. September 2005 zurück. Die dagegen gerichtete Klage vor dem SG Dessau führte zum Urteil vom 27. Februar 2006. Darin wurde der Beklagte rechtskräftig verurteilt, beim Kläger u.a. wegen dissoziativer Anfälle und einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung einen Gesamt-GdB von 60 ab 1. Januar 2006 sowie die Merkzeichen "G" (Erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) und "B" (Notwendigkeit ständiger Begleitung) festzustellen. Dieses Urteil setzte der Beklagte mit Ausführungsbescheid vom 27. März 2006 um.

6

Am 24. November 2006 beantragte der Kläger wegen eines Anfallsleidens, Weichteilrheuma, eines Wirbelsäulenschadens sowie wegen Muskelkrämpfen und einer Hirnleistungsschwäche einen höheren GdB sowie die Merkzeichen "aG" (Außergewöhnliche Gehbehinderung) und "RF" (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) bzw. ab dem 1. Januar 2013 die Ermäßigung von der Rundfunkbeitragspflicht.

7

Der Beklagte holte einen Befundschein des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. G. von Dezember 2006 ein. Hiernach träten beim Kläger täglich mehrfach Pseudokrampfanfälle auf. Daneben bestehe ein rezidivierender Bewegungsschmerz. In einem beigefügten Arztbrief der Klinik für Psychiatrie/Psychotherapie des Fachkrankenhauses B. gab Dr. F. unter dem 7. Dezember 2005 an: Der stationäre Aufenthalt vom 23. bis 24. November 2005 sei wegen eines erneuten Krampfanfalls erfolgt. Nach Aufnahme seien keine weiteren Anfallsereignisse beobachtet worden. Eine kausale Therapie sei derzeit unmöglich. In einem weiteren Arztbrief der Tagesklinik/Institutsambulanz des Fachkrankenhauses B. berichtete Dr. F. über einen weiteren stationären Aufenthalt des Klägers vom 23. Mai bis 5. Juli 2006. Das klinisch-psychiatrische Bild des Klägers habe zwischenzeitlich ein hoch komplexes Störungsbild mit umfassenden körperlichen Störungsmustern ergeben, die anatomisch-physiologisch unbegründbar seien. Wiederholt habe der Kläger angegeben, sich wieder in einem Anfallsgeschehen zu bewegen, obwohl kein klinisches Korrelat festzustellen gewesen sei. Die Prognose sei derzeit ungünstig. In einem beigefügten Arztbrief des Epilepsiezentrums B. vom 21. Januar 2007 gab Prof. Dr. P.-E. über einen stationären Aufenthalt von 3. August bis 16. September 2006 an: Der Kläger habe um Korrektur des Arztbriefes vom 24. Oktober 2006 gebeten. Im Verlauf der psychotherapeutischen Behandlung habe er über übermäßig harte körperliche Arbeit schon seit frühester Kindheit berichtet.

8

Der Versorgungsarzt Dr. R. wertete diese Befunde aus und sprach sich für einen Gesamt-GdB von 60 aus (Psychische Störung mit Anfällen: Einzel-GdB 50; Funktionseinschränkung der Wirbelsäule: Einzel-GdB 30; Diabetes mellitus: Einzel-GdB 20; Teilverlust des rechten Zeigefingers: Einzel-GdB 10). Dem folgend lehnte der Beklagte den Neufeststellungsantrag mit Bescheid vom 26. März 2007 ab. Hiergegen legte der Kläger, nunmehr anwaltlich vertreten, am 5. April 2007 Widerspruch ein und machte geltend: Trotz medikamentöser Einstellung erleide er praktisch täglich mehrere Anfälle. Dann sei er auf Hilfe Dritter angewiesen und könne nicht mehr an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen. Der Versorgungsarzt Dr. K. hielt nach nochmaliger Auswertung der Befunde einen Gesamt-GdB von 60 für zutreffend. Die Voraussetzungen für die Merkzeichen "aG" und "RF" seien nicht gegeben. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. November 2007 (Ab-Vermerk: 3. Dezember 2007) wies der Beklagte den Widerspruch zurück.

9

Mit der am 27. Dezember 2007 beim Sozialgericht (SG) Dessau-Roßlau erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt, einen GdB von mindestens 80 sowie das Merkzeichen "aG" ab März 2007 begehrt und zur Begründung geltend gemacht: Die Anzahl der dissoziativen Krampfanfälle habe einen schweren Verlauf genommen. Hierfür sei ein Bewertungsrahmen von einem Einzel-GdB von 80 bis 100 vorgesehen. Auch die Voraussetzungen der Merkzeichen "aG" und "RF" lägen vor.

10

Nach einem gerichtlichen Hinweis zur fehlenden örtlichen Zuständigkeit hat das SG den Rechtsstreit an das SG Magdeburg (Beschluss vom 11. November 2008) verwiesen.

11

Das SG hat medizinische Ermittlungen durchgeführt und Befundberichte von der Nervenärztin Dr. R. vom 8. Mai 2009 und von der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. H. vom 26. Mai 2009 eingeholt. Dr. R. hat dissoziale Anfälle, eine posttraumatische Belastungsstörung mit Angst- und Panikattacken sowie eine somatoforme Schmerzstörung mit Schmerzmittelabusus diagnostiziert. Dr. H. hat ergänzend ein zervikal-radikuläres Syndrom bei degenerativer Veränderung der Halswirbelsäule (HWS) und Zustand nach Bandscheibenprolaps C 5/6 und C 6/7, einen Bluthochdruck sowie einen Diabetes mellitus Typ II diagnostiziert. Beim Kläger bestehe ein hoher Leidensdruck. Trotz ständiger Schmerzmedikation habe keine Beschwerdefreiheit erreicht werden können.

12

In einem beigefügten Arztbrief berichtete Chefarzt Dr. E. (Krankenhaus M. Epilepsie-Zentrum B.) am 9. Dezember 2008 über einen stationären Aufenthalt des Klägers vom 6. Oktober bis 24. November 2008. Nach der Erstbehandlung vom 3. August bis 19. September 2006 habe der Kläger angegeben, es sei ihm nach der Entlassung zunächst sehr gut gegangen. Seit einem halben Jahr hätten sich die Zuckungen deutlich verschlechtert. Im Vordergrund der Erkrankung stünden dissoziale Anfälle, die mit einem Tinnitus sowie einem verschwommenen Sehen eingeleitet würden. Wiederholt sei er bei einem Anfall gestürzt und habe sich Verletzungen zugezogen. Im Übrigen leide er ständig an Zuckungen und Schütteln am ganzen Körper. Dies sei mit einer starken Verkrampfung der gesamten Muskulatur und Schmerzen verbunden. In einem beigefügten Bericht vom 26. März 2008 gab der Psychologe Dr. A. an, die energetische Psychotherapie habe beim Kläger wegen eines eintretenden "Bewegungssturms" abgebrochen werden müssen. In einem weiteren Zwischenbefund vom 20. Dezember 2007 teilte er mit, die bisherigen Therapiestunden hätten keine Besserung gebracht.

13

Der Beklagte hat eine Prüfärztliche Stellungnahme der Versorgungsärztin Dr. W. vom 25. Juni 2009 vorgelegt, die sich in Auswertung der Befunde für einen Gesamt-GdB von 60 aussprach. Der Kläger hat dieser Bewertung widersprochen und zur Bekräftigung auf den Entlassungsbericht von Prof. Dr. P.-E. (Epilepsie-Zentrum B.) über einen stationären Aufenthalt von August bis September 2006 sowie ein fachpsychiatrisches Gutachten aus dem Rentenverfahren des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt L 3 RJ 15/05 vom Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie P. vom 23. Januar 2008 verwiesen. Dieser hatte in seinem Gutachten angegeben: Der Kläger habe mitgeteilt, dass die Anfälle nunmehr nicht mehr aufhörten. Er sei nur noch ruhig, wenn er körperlich völlig erschöpft sei. Die Anfälle träten auch nachts auf, was mit Schlafstörungen verbunden sei. Das sei auch der Grund, warum er von seiner Frau getrennt schlafen müsse. Die Anfälle seien mit Zuckungen am ganzen Körper verbunden. Bei heftigen Anfällen habe er oftmals sogar die Orientierung verloren. Er stehe zwischen 3:30 und 4:30 Uhr auf, da er nicht länger schlafen könne. Dann versuche er seine Übungen zu machen, um die Auswirkungen der Anfälle zu reduzieren. Gegen 7:00 Uhr frühstücke er. Danach lege er sich wieder hin und schaue fern. Vor die Tür schaffte er nur drei Schritte, da er Angst vor Stürzen habe. Er schäme sich für seinen Zustand und vermeide es, ins Dorf zu gehen. Von Freunden habe er sich weitgehend zurückgezogen. Urlaub habe er letztmalig im Jahr 1995 gemacht. Zum Untersuchungsbefund hat der Sachverständige ausgeführt: Der Kläger habe große Mühe, sich über längere Zeit auf ein Thema einzustellen. Er sei von den besprochenen Themen abgewichen und habe teilweise neben der Sache geredet. Das unscharfe, etwas weitschweifige Denken scheine struktureller Natur zu sein. Die Konzentrationsfähigkeit des Klägers sei deutlich eingeschränkt und seine Ausdauer beeinträchtigt. So sei er nicht in der Lage, dem Untersuchungsgang mehr als 15 Minuten zu folgen. Die Psychomotorik sei hochgradig auffällig. Es seien ausgeprägte, unwillkürliche arrhythmische kloniforme Bewegungen am gesamten Körper, besonders an den Armen, auffällig. Beim Kläger lägen ein ausgeprägtes Vermeidungsverhalten sowie ein sozialer Rückzug vor. Er leide an einer komplexen dissoziativen Störung mit dissoziativen Bewegungsstörungen und dissoziativen Krampfanfällen. Hinzu komme eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Die somatischen Erkrankungen der Wirbelsäule würden von der somatoformen Störung vollständig beherrscht und seien nicht mehr abgrenzbar. Der Kläger sei nicht mehr in der Lage, auch einfachste Arbeiten auszuüben.

14

Mit Urteil vom 11. Mai 2010 hat das SG die Bescheide des Beklagten abgeändert und ab dem November 2006 einen GdB von 70 festgestellt sowie die weitergehende Klage abgewiesen. Beim Kläger sei von mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten im oberen Bereich auszugehen, die mit einem Einzel-GdB von 70 zu bewerten seien. Hinzu träten eine Funktionsminderung der Wirbelsäule (Einzel-GdB 30) sowie ein Diabetes mellitus und der Teilverlust des rechten Zeigefingers. Die Voraussetzungen für die Merkzeichen "aG" sowie "RF" lägen dagegen nicht vor. Das am 7. Juli 2010 zugestellte Urteil greift der Kläger mit der am 22. Juli 2010 beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt erhobenen Berufung an und begehrt die Feststellung eines GdB von 80. Das Begehren hinsichtlich der Merkzeichen "aG" und "RF" hat der Kläger mit Schreiben vom 2. Januar 2012 (Bl. 290 d.GA) ausdrücklich fallen gelassen. Er trägt vor, es lägen bei ihm schwere soziale Anpassungsschwierigkeiten vor sowie ein Anfallsleiden, das wegen der Auswirkungen einer Epilepsie gleichzusetzen sei. Angesichts der Chronifizierung des Krankheitsbildes sowie der Komplexität der Störungen sei ein höherer GdB angemessen.

15

Der Senat hat das Rentenverfahren des LSG Sachsen-Anhalt L 3 R J 15/05 beigezogen. Hiernach hatte der Kläger am 14. März 2003 Klage vor dem SG Dessau erhoben und eine Rente wegen voller Erwerbsminderung erstrebt. Das SG hatte ein nervenfachärztliches Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. K. vom 14. November 2004 erstatten lassen, die ausgeführt hatte: Beim Kläger bestehe ein radikuläres Syndrom der Lendenwirbelsäule hauptsächlich im Segment L4 sowie an der Halswirbelsäule. Hinzu kämen eine Somatisierungsstörung sowie eine Anpassungsstörung mit dissoziativen Anteilen. Der Kläger könne nicht mehr als Berufskraftfahrer oder Gabelstaplerfahrer arbeiten, sei jedoch für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mit gewissen Einschränkungen arbeitsfähig. Mit Urteil vom 17. Januar 2005 hatte das SG die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hatte sich der Rentenversicherungsträger mit dem Kläger auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Februar 2006 geeinigt.

16

Der Senat hat Befundberichte des Epilepsiezentrums B. vom 3. August 2011 eingeholt. Hiernach habe sich der gesundheitliche Zustand nach psychotherapeutischer Behandlung deutlich gebessert. Der Kläger sei jedoch nach wie vor arbeitsunfähig. In einem beigefügten Arztbrief vom 13. Juli 2011 berichtete Chefarzt Privatdozent Dr. B. (Epilepsiezentrum B.) über einen stationären Aufenthalt vom 3. Mai bis 16. Juni 2011. Dort habe der Kläger angegeben, eine Psychotherapie abgeschlossen zu haben. Nach der letzten Behandlung im Jahr 2008 habe sich seine Lebenssituation deutlich verbessert, obwohl die chronischen Probleme mit seiner Ehefrau nur schwer lösbar seien. Der Tod des Schwiegervaters habe zu einer Annäherung der Ehepartner geführt, die ihre Probleme im Alltag besser besprechen könnten. Anfang des Jahres 2011 sei er mit 3,0 Promille Alkohol im Blut stationär aufgenommen worden. Seit der Einbestellung in die Klinik vor einer Woche habe er jedoch keinen Alkohol mehr zu sich genommen. Er könne nicht verstehen, warum sein Schwiegervater sich umgebracht habe und fühle sich für dieses Ereignis mitverantwortlich. Aktuell träten drei bis viermal im Monat Anfälle mit komplettem Bewusstseinsverlust auf. In psychischer Hinsicht wirke der Kläger extrem angespannt, körperlich sehr unruhig mit Zittern in den Armen und Schütteln in der Schulter. Teilweise falle ein aggressives Verhalten bei ihm auf. Im Verlauf der Therapie habe dem Kläger der Zusammenhang zwischen den Anfällen und häufigen Konflikte mit der Ehefrau verdeutlich werden können. Mit dem Kläger sei ein verhaltenstherapeutisches Selbstwahrnehmungs- und Selbststeuerungsprogramm entwickelt worden.

17

Der Kläger beantragt,

18

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 11. Mai 2010 sowie den Bescheid des Beklagten vom 16. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2007 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, bei ihm einen GdB von 80 ab November 2006 festzustellen, weiterhin die Anschlussberufung zurückzuweisen.

19

Der Beklagte beantragt,

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das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 11. Mai 2010 aufzuheben, die Klage abzuweisen sowie die Berufung zurückzuweisen.

21

Der Senat hat einen Befundbericht von Dipl.-Psych. H. vom 26. März 2012 eingeholt. Hiernach lägen stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit vor, die durch das Auftreten von ständigen Schmerzen sowie von massiven Unruhezuständen, Verkrampfungen sowie Auftreten von dissoziativen Anfällen geprägt seien. Die sozialen Anpassungsstörungen seien als mittelgradig einzuschätzen. So habe der Kläger Schwierigkeiten, den Tagesablauf durchgängig zu strukturieren. In Behandlungszeitraum habe es phasenweise massive Partnerschaftskonflikte sowie Kontaktstörungen gegeben.

22

Der Kläger hat einen Arztbrief des Epilepsiezentrums B. vom 25. Januar 2013 zur Gerichtsakte gereicht. Darin hat Chefarzt Prof. Dr. B. über einen stationären Aufenthalt des Klägers vom 13. Dezember 2012 bis 9. Januar 2013 berichtet. Im Vergleich zu den Vorbefunden habe der Kläger einen körperlich ruhigeren Eindruck vermittelt. Ein ständiges Zittern, wie zuvor, sei nicht festgestellt worden. Der Kläger sei schnell irritierbar, dabei vordergründig sehr bemüht und in der Stimmung deprimiert. Er habe über "kindische" Streitereien mit seiner Ehefrau berichtet, in deren Folge es zu schweren Anfällen mit Bewusstseinsverlusten gekommen sei. Er habe seine langjährig erprobten Anfallsvermeidungsstrategien wieder aufgefrischt und sich diesmal auch spannungsreichen Gesprächsinhalten ohne psychogenen Anfallszustand aussetzen können. Zur Entlassung habe der Kläger angegeben: "Einen Schritt weitergekommen, zwar kein großer Schritt, aber weitergekommen". Insgesamt habe eine deutlich größere Stresstoleranz in der Psychotherapie sowie im Stationsalltag beobachtet werden können.

23

Der Senat hat ein nervenfachärztliches Gutachten vom Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. V. vom 30. April 2014 (Untersuchung vom 28. April 2014) eingeholt. Zum Tagesablauf habe der Kläger angegeben: Er stehe morgens zwischen 3.00 und 6:00 Uhr auf und gehe gegen 20:00 Uhr zu Bett. Nach Frühstück und Morgentoilette schaue er Nachrichten, versorge seinen Garten, der aus Rasen, Terrasse und Pool bestehe. Hier mähe er den Rasen, benötige dafür jedoch drei Tage. Ansonsten spiele er Computerspiele (u.a. Schach). Das Mittagessen nehme er unregelmäßig ein. Meist halte er danach Mittagsschlaf. Am Nachmittag trinke er mit seiner Ehefrau Kaffee. Abends schaue er Fernsehen. Einkäufe erledige eher die Ehefrau. Er rede auch mit Nachbarn und gehe ab und zu in die Natur, was von seiner jeweiligen Tagesform abhängig sein. Auto oder Fahrrad nutze er nicht mehr. Der Stuhlgang sei unregelmäßig. Die Häufigkeit des Wasserlassens habe sich auf 10 bis 11 Mal pro Tag gesteigert. Er rauche ca. 15 Zigaretten am Tag und trinke alle vier Wochen eine Flasche Whiskey. Bei der allgemeinen körperlichen Untersuchung habe der Fingerbodenabstand 20 cm betragen. Eine Klopf- und Druckempfindlichkeit bestehe im Bereich der unteren HWS, der mittleren Brustwirbelsäule (BWS) sowie der unteren Lendenwirbelsäule (LWS). Das Lasegue`-Zeichen sei endgradig auf der rechten Seite positiv. Der spontan geprüfte Gang sei auffällig breitbeinig, vorsichtig und leicht unsicher. Dies gelte auch für den Seiltänzer- sowie den Blindgang. Den Zehen- und Fersengang habe der Kläger unvollständig ausführen können. Der Romberg- sowie Unterberger-Tretversuch sei dagegen unauffällig. Gleiches gelte auch für das Aus- und Ankleiden. Das Sitzen sei nach einer Stunde durch kurzzeitiges Stehen unterbrochen worden. Ein affektiver Tremor setze mit dem Gespräch ein. Dieser zeige sich im rechten Bein und Arm grobschlächtig, verschwinde vorübergehend während des Untersuchungsverlaufs und während der körperlichen Untersuchung vollständig. Es falle eine Neigung zu psychosomatischer Beschwerdedarstellung auf, die gekennzeichnet sei durch vielfältige und wenig konkretisierte Beschwerdeschilderungen. Die Gangprüfungen zeigten eine Neigung zur Aggravation, da sich der Gang während der Untersuchung von dem außerhalb der Untersuchungssituation unterschieden habe. Störungen des Sehvermögens sowie Lernfähigkeitsstörungen seien nicht erkennbar. Auf Nachfrage habe die Ehefrau erklärt, der Kläger habe keine geeignete Psychotherapie finden können. Zusammenfassend leide der Kläger unter dissoziativen Anfällen. Hierbei handele es sich um Anfälle, die epileptischen Krampfanfällen stark ähneln und sogar teilweise mit Zungenbiss und Einnässen einhergehen würden. Diese Anfälle träten jedoch im Gegensatz zur Epilepsie nicht spontan, sondern in bestimmten Konfliktsituationen mit starker innerer Erregung auf. Derartige Anfälle bei Konflikt- und Erregungszuständen seien daher normalerweise psychotherapeutisch behandelbar. Im Verlauf von stationären Behandlungsmaßnahmen sei es unter Zuhilfenahme von psychotherapeutischen Maßnahmen jeweils zu einer deutlichen Reduktion der Anfallsfrequenz gekommen.

24

Der Sachverständige hat auf nervenärztlichem Gebiet folgende Diagnosen gestellt:

25

Dissoziative Krampfanfälle,

26

anhaltende somatoforme Schmerzstörung,

27

lumbales belastungsabhängiges Schmerzsyndrom bei degenerativen Veränderungen der LWS und Zustand nach Bandscheibenoperation.

28

Diese Erkrankungen führten zu Funktionsbeeinträchtigungen in der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, in der sozialen Anpassung durch eine verminderte emotionale sowie körperliche Belastbarkeit und zu nächtlichen Schlafstörungen. Die aktuellen Beschwerden seien ausweislich der umfangreichen Unterlagen seit etwa zehn Jahren in vergleichbarer Form vorhanden. Obwohl der Kläger wiederholt Verschlechterungen berichtet habe, sei eher von einem schwankenden Verlauf auszugehen, der im Zusammenhang mit Konfliktsituationen insbesondere in der Ehe gesehen werden müsse. Aktuell habe der Kläger geschildert, er habe drei bis vier Mal im Monat Anfälle mit Bewusstseinsstörungen, die teilweise mit Zungenbiss und Einnässen einhergingen. Zehn bis zwölf Mal im Monat träten Anfälle mit starrem Blick, Krampfen und Zittern auf. Die testpsychologische Untersuchung zeige keine Hinweise auf kognitive Beeinträchtigungen oder eine aktuelle Depression. Der Kläger versuche emotional belastende Situationen zu meiden. Die Häufigkeit der Anfälle in der jüngeren Vergangenheit sei nicht überprüfbar, da kein Anfallskalender geführt werde. Von einer manifesten Alkoholabhängigkeit bzw. Alkoholerkrankung sei nicht auszugehen.

29

Auf psychischem Gebiet sei ein Einzel-GdB von 50 zu bilden. Hinzu kämen ein Wirbelsäulenschaden mit mittelgradigen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Einzel-GdB 20) sowie ein Teilverlust des rechten Zeigefingers (Einzel-GdB 10). Hierfür sei ein Gesamt-GdB von 60 vorzuschlagen. Dabei gebe es Überschneidungen zwischen den psychischen Störungen sowie den wirbelsäulenbedingten Einschränkungen. Die anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie die dissoziativen Anfälle seien Bestandteil einer neurotischen Störung und bewirkten eine mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeit im unteren Anteil des Ermessensspielraums von 50 bis 70. Für den nicht insulinpflichtigen Diabetes mellitus sowie die arterielle Hypertonie sei ein Einzel-GdB von weniger als 10 anzunehmen. Diese Einschätzung treffe auf den gesamten Zeitraum seit November 2006 zu. Im zu prüfenden Zeitrahmen sei es zu Schwankungen der psychischen Gesundheitsstörungen gekommen, die von äußeren Belastungsfaktoren abhängig gewesen seien. Der zum Zeitpunkt der Begutachtung vorliegende aktuelle Gesundheitszustand entspreche einem Durchschnittsniveau, das seit November 2006 anzunehmen sei.

30

Der Kläger ist dem Gutachten entgegengetreten und hat geltend gemacht: In unzutreffender Weise sei der Sachverständige davon ausgegangen, dass die Tiefensensibilität nicht gestört sei. So habe er erhebliche Schmerzen im Rippenfellbereich. Das Auslösen der Eigenreflexe sei ebenfalls nicht unmittelbar möglich. Unzutreffend sei auch, dass das Untersuchungsgespräch nach einer Stunde durch kurzzeitiges Stehen unterbrochen worden sei. Vielmehr habe er wegen der bestehenden Schmerzen das Untersuchungsgespräch zweimal unterbrechen müssen. Zu diesem Zeitpunkt habe sich der Gutachter nicht im Raum befunden. Auch beim Ankleiden sei der Gutachter nicht im Raum gewesen. Den Vorwurf der Aggravation weise er zurück. Der Unterschied im Gehverhalten sei darauf zurückzuführen, dass die Untersuchungsgangprüfungen barfuß erfolgt seien. Einlagen für das um 1,5 cm kürzere linke Bein hätten zu einer Änderung des Gangbildes beigetragen. Auch habe er ein erhebliches Taubheitsgefühl im rechten Arm sowie in den Füßen. Diesbezüglich habe der Sachverständige keine Fragen gestellt, sondern lediglich die Ehefrau befragt.

31

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 3. Juli 2014 hat der Sachverständige ausgeführt: Die Reflexe seien beim Kläger unmittelbar auslösbar gewesen. Die Behauptung eines zweifachen Aufstehens während der Untersuchungssituation könne nicht bestätigt werden. Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass der Sachverständige das An- und Auskleiden nicht habe beobachten können. Belege für Aggravation ergäben sich immer dann, wenn objektivierbare Untersuchungsbefunde den demonstrierten Einschränkungen nicht vollständig entsprechen, sondern bewusst oder unbewusst überbetont würden. Dies sei bei den Gangprüfungen eindeutig der Fall gewesen. Hierbei spiele die Frage des Barfußgehens keine Rolle. Der Sachverständige habe ausdrücklich nach Beschwerden gefragt. Wenn der Kläger Taubheitsgefühle nicht angebe, könne dies nicht dem Gutachter zugerechnet werden.

32

Am 19. August 2014 hat der Kläger wegen eines erneuten Krankenhausaufenthaltes seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung abgesagt und ergänzend ausgeführt: Dissoziative Anfälle seien mit epileptischen Anfällen vergleichbar. Die Annahme, bei ihm sei lediglich von mittelgradigen sozialen Anpassungsstörungen auszugehen, werde vom Sachverständigen nicht begründet. Während seiner Anfallsleiden träten Zungenbisse, Stürze sowie Einnässen auf. Der vom Sachverständigen gebildete GdB von 50 sei daher zu gering. Auch die Tatsache, dass er gegen einen sich anbahnenden Anfall ankämpfen müsse, sei mit erheblichen körperlichen Belastungen verbunden. Weiter werde auf den Aufsatz im Deutschen Ärzteblatt 2013, S. 110 ff hingewiesen. Darin werde die Ähnlichkeit seiner Erkrankung mit einer Epilepsie bestätigt. Das Erkrankungsbild sei wenig erforscht. Offenbar habe sich der Sachverständige an veralteten Diagnosekriterien orientiert.

33

Der Sachverständige hat mit weiterer Stellungnahme vom 19. August 2014 ausgeführt: Die Gemeinsamkeiten zwischen dissoziativen und epileptischen Anfällen seien im Gutachten nie bestritten worden. Bei dissoziativen Anfällen bestehe im Gegensatz zur Epilepsie jedoch die Möglichkeit, Auslösefaktoren zu vermeiden. Die Sorge vor Anfällen beim Fahrrad- oder Autofahren bzw. bei Familienfeiern entspreche nicht der realen Gefahr derartige Anfälle tatsächlich zu erleiden. Die Forderung nach einem Einzel-GdB von 80 bis 100 erscheine völlig abwegig.

34

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe

35

Die form- und fristgerecht eingelegte und gemäß § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auch statthafte Berufung des Klägers ist unbegründet. Die Anschlussberufung des Beklagten ist zulässig. Insbesondere galt hierfür die Berufungsfrist des § 151 Abs. 1 SGG nicht. Die Anschlussberufung ist auch begründet und führt zur Aufhebung des Urteils des SG Magdeburg vom 11. Mai 2010 sowie zur Abweisung der Klage.

36

Gegenstand von Klage und Berufung ist nur noch das Begehren des Klägers, einen höheren GdB zu erlangen, nachdem er seine Klage am 2. Januar 2012 entsprechend beschränkt hat. Allerdings liegen die Voraussetzungen für die Feststellung eines GdB von mehr als 60 nicht vor.

37

Die Klage gegen den Bescheid vom 16. März 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. November 2007 ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG statthaft. Bei dieser Klageart kommt es für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2000, B 9 SB 3/99 R, juris).

38

Da der Beklagte bereits mit Bescheid vom 7. September 2000 einen GdB von 30 festgestellt und damit über den GdB entschieden hat, richten sich die Voraussetzungen für die mit Antrag des Klägers vom 24. November 2006 begehrte Neufeststellung nach § 48 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuches (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – SGB X). Diese Feststellung wurde mit Ausführungsbescheid vom 27. März 2006 abgeändert und ab dem 1. Januar 2006 ein GdB von 60 sowie die Merkzeichen "B" und "G" festgestellt. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Eine wesentliche Änderung ist dann anzunehmen, wenn sich durch eine Besserung oder Verschlechterung des Behinderungszustandes eine Herabsetzung oder Erhöhung des Gesamtbehinderungsgrades um wenigstens 10 ergibt. Für die wesentliche Änderung kommt es weder auf den Inhalt des Vergleichsbescheides noch auf die von der Behörde bei der Bewilligung oder später angenommenen Verhältnisse, sondern auf die tatsächlichen Verhältnisse und deren objektive Änderung an (KassKomm-Steinwedel, SGB X, Stand Mai 2006, § 48 Rdnr. 14 m.w.N.).

39

Im Vergleich zu den Verhältnissen, die bei Erlass des Ausführungsbescheides 27. März 2006 vorgelegen haben, ist keine wesentliche Änderung eingetreten. Zu Unrecht hat das SG im Urteil vom 11. Mai 2010 einen Gesamt-GdB ab November 2006 von 70 festgestellt. Tatsächlich ist von einem Gesamt-GdB von nur 60 ab diesen Zeitpunkt auszugehen. Die Anschlussberufung des Beklagten ist daher erfolgreich.

40

Für den streitgegenständlichen Zeitraum gilt das am 1. Juli 2001 in Kraft getretene Neunte Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) über die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1046). Der hier anzuwendende § 69 SGB IX ist durch die Gesetze vom 23. April 2004 (BGBl. I S. 606) und vom 13. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2904) geändert worden. Rechtsgrundlage für den von dem Kläger erhobenen Anspruch auf Feststellung eines GdB ist § 69 Abs. 1 und 3 SGB IX. Infolge der verfahrensrechtlichen Änderungen des § 69 SGB IX durch das Gesetz vom 23. April 2004 (a.a.O.) hat sich im Übrigen nur die Satzzählung geändert. Im Folgenden werden die Vorschriften des § 69 SGB IX nach der neuen Satzzählung zitiert.

41

Nach § 69 Abs. 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Diese Vorschrift knüpft materiellrechtlich an den in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX bestimmten Begriff der Behinderung an. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX sind die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden abgestuft festzustellen. Wenn mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft vorliegen, wird nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt.

42

§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX ist durch das insoweit am 21. Dezember 2007 in Kraft getretene Gesetz vom 13. Dezember 2007 (a.a.O.) geändert worden. Nach der früheren Fassung der Vorschrift galten für den GdB die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäben entsprechend. Nach dem Wortlaut der früheren Fassung des ebenfalls durch das Gesetz vom 13. Dezember 2007 geänderten § 30 Abs. 1 BVG war für die Beurteilung die körperliche und geistige Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben maßgeblich, wobei seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu berücksichtigen waren. Nach der Neufassung des § 69 Abs. 1 Satz § 69 Abs. 1 Satz 5 gelten für den GdB die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Nach der damit in Bezug genommenen neuen Fassung des § 30 Abs. 1 BVG richtet sich die Beurteilung des Schweregrades – dort des "Grades der Schädigungsfolgen" (GdS) – nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen. Die hierfür maßgebenden Grundsätze sind in der am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) aufgestellt worden, zu deren Erlass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch den dem § 30 BVG durch das Gesetz vom 13. Dezember 2007 angefügten Abs. 17 ermächtigt worden ist.

43

Nach § 2 VersMedV sind die auch für die Beurteilung des Schweregrades nach § 30 Abs. 1 BVG maßgebenden Grundsätze in der Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (Anlageband zu BGBl. I Nr. 57 vom 15. Dezember 2008, G 5702) als deren Bestandteil festgelegt und sind damit nunmehr der Beurteilung der erheblichen medizinischen Sachverhalte mit der rechtlichen Verbindlichkeit einer Rechtsverordnung zugrunde zu legen. Zuvor dienten der Praxis als Beurteilungsgrundlage die jeweils vom zuständigen Bundesministerium herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht", die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts als vorweggenommene Sachverständigengutachten eine normähnliche Wirkung hatten (vgl. BSG, Urteil vom 18. September 2003, B 9 SB 3/02 R, juris). Die in den Anhaltspunkten (letzte Ausgabe von 2008) enthaltenen Texte und Tabellen, nach denen sich die Bewertung des GdB bzw. der Schädigungsfolge bisher richtete, sind – inhaltlich nahezu unverändert – in diese Anlage übernommen worden (vgl. die Begründung BR-Drucks. 767/08, S. 3 f.). GdS und GdB werden dabei nach gleichen Grundsätzen bemessen. Die Begriffe unterscheiden sich lediglich dadurch, dass sich der GdS kausal auf Schädigungsfolgen und der GdB final auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig von deren Ursachen auswirkt (vgl. Versorgungsmedizinische Grundsätze, Teil A: Allgemeine Grundsätze 2 a).

44

Der hier streitigen Bemessung des GdB ist die GdS-Tabelle der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (Teil A) zugrunde zu legen. Nach den allgemeinen Hinweisen zu der Tabelle (Teil A) sind die dort genannten GdS-Sätze Anhaltswerte. In jedem Einzelfall sind alle leistungsmindernden Störungen auf körperlichem, geistigem und seelischem Gebiet zu berücksichtigen und in der Regel innerhalb der in Nr. 2 e (Teil A) genannten Funktionssysteme (Gehirn einschließlich Psyche; Augen; Ohren; Atmung; Herz-Kreislauf; Verdauung; Harnorgane; Geschlechtsapparat; Haut; Blut und Immunsystem; innere Sektion und Stoffwechsel; Arme; Beine; Rumpf) zusammenfassend zu beurteilen. Die Beurteilungsspannen tragen den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung (Teil B, Nr. 1 a).

45

Nach diesem Maßstab kann für die Funktionseinschränkungen des Klägers kein höherer Grad der Behinderung als 60 festgestellt werden. Dabei stützt sich der Senat auf das Gutachten von Dr. V., die beigezogenen Gutachten, die versorgungsärztlichen Stellungnahmen des Beklagten sowie die eingeholten Befundberichte der behandelnden Ärzte nebst Anlagen.

46

a) Das Hauptleiden des Klägers ist dem Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" zuzuordnen. Dafür ist ein Einzelgrad der Behinderung von 50 für den Zeitraum ab November 2006 bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung festzustellen.

47

Nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VMG, B 3.7) werden leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem GdB von 0 bis 20 bewertet. Für stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) ist ein Bewertungsrahmen von 30 bis 40 vorgesehen. Schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten werden mit einem GdB von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit 80 bis 100 bewertet. Psychische Anpassungsschwierigkeiten, die einen Behinderungsgrad von 30 bis 40 rechtfertigen, sind nach dem Beschluss des Ärztlichen Sachverständigenbeirates (BMA am 18./19.03.1998 – zitiert nach Rohr/Sträßer, Teil B: GdS-Tabelle-19, 96. Lfg. – Stand Dezember 2011) durch Kontaktschwäche und/oder Vitalitätseinbuße gekennzeichnet. Dieses Kriterium ist zur differenzierenden Einschätzung von Anpassungsschwierigkeiten analog auch dann heranzuziehen, wenn die Symptomatik der psychischen Störungen ganz unterschiedlich ist (Beschluss des Ärztlichen Sachverständigenbeirats, BMA am 8./9.11.2000, Rohr/Sträßer, a.a.O., GdS-Tabelle-18). Mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten setzen neben den Auswirkungen im Berufsleben erhebliche familiäre Probleme durch Kontaktverlust und affektive Nivellierung voraus (Beschluss des Ärztlichen Sachverständigenbeirats, BMA am 18./19.03.1998 – zitiert nach Rohr/Sträßer, a.a.O., GdS-Tabelle-19).

48

Der Kläger leidet nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. V. an einer neurotischen Störung mit dissoziativen Krampfanfällen und einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung. Hierfür ist nach der überzeugenden Einschätzung des Sachverständigen Dr. V. ein Einzel-GdB von 50 zu bilden, was dem unteren Bewertungsrahmen von 50 bis 70 entspricht. Dabei hat der Senat Schwankungen der psychischen Gesundheitsstörungen beim Kläger berücksichtigt und einen Durchschnittswert gebildet, den der Sachverständige Dr. V. anlässlich seiner Untersuchung als Durchschnittsniveau bezeichnet hat. Diese gesundheitlichen Schwankungen des psychischen Erkrankungsbildes haben sich immer wieder gezeigt. So hat der Kläger beispielhaft während des stationären Aufenthaltes von Oktober bis November 2008 im Krankenhaus B. angegeben, es sei ihm nach der Erstbehandlung und Entlassung im September 2006 zunächst sehr gut gegangen, während sich Mitte 2008 der gesundheitliche Zustand wieder verschlechtert habe. Auch nach dem Bericht des Epilepsiezentrums B. vom 3. August 2011 ergeben sich Hinweise für eine deutliche Besserungsphase. So hatte der Kläger anlässlich dieser Behandlung angegeben, es habe nach der letzten Behandlung im Jahr 2008 zunächst eine deutlich verbesserte Lebensphase gegeben. Durch den Tod des Schwiegervaters sei es zu einer Annäherung der Ehepartner und zu einer verbesserten ehelichen Situation gekommen. Eine Besserungsphase zeigte der psychische Zustand des Klägers auch während des stationären Aufenthaltes in B. von Dezember 2012 bis Januar 2013. Dort machte der Kläger nach Einschätzung der behandelnden Ärzte einen körperlich ruhigeren Eindruck, konnte in dieser Zeit seine Anfallsvermeidestrategien auffrischen und selbst spannungsreiche Gespräche ohne psychogene Anfälle bewältigen. Die Annahme des Sachverständigen Dr. V. wegen der offenkundigen Schwankungen des psychischen Gesundheitszustandes einen Durchschnittswert zu bilden, steht auch im Einklang mit den VMG (Teil A 2 f)) und wird vom Senat als zutreffend bewertet.

49

Entgegen der Ansicht des Klägers können die Bewertungsrahmen für epileptische Anfälle (Teil B 3.1.2 der VMG) dabei nicht herangezogen werden. Wie der Sachverständige Dr. V. überzeugend ausgeführt hat, kann der an dissoziativen Anfällen leidende Kläger durch Vermeidungsstrategien die Anfallshäufigkeit selbst beeinflussen, indem er konfliktreiche und damit anfallsträchtige Situationen möglichst meidet. Dies ist einem Epileptiker generell nicht möglich, da das Anfallsgeschehen von ihm unbeeinflussbar abläuft. Die vom Kläger behaupteten körperlich belastenden "Kampfphasen", um sich einem drohenden Anfall entgegenzustemmen, finden sich in keinem der zahlreichen medizinischen Befunde bestätigt. Auch die von ihm angegebenen großen Anfälle, die bis vier Mal im Monat auftreten sollen, sind lediglich als Beschwerdeschilderungen dokumentiert, nicht aber in einem der medizinischen Berichte detailliert geschildert worden. Hierbei darf nicht übersehen werden, dass der erfahrene Sachverständige Dr. V. beispielhaft festgestellt hat, dass der Kläger bei der Gangprobe ein demonstratives und aggravierendes Verhalten gezeigt hat. Auch ist bemerkenswert, dass der Tremor beim Kläger während der körperlichen Untersuchung beim Sachverständigen nicht mehr auftrat. Die Feststellung eines demonstrativen Verhaltens des Klägers findet sich bereits im Bericht von Dr. F. vom 29. November 2004. Die Beschwerdeschilderungen des Klägers sind aus diesem Grunde nicht in vollem Umfang als medizinisch bestätigt anzusehen. Dies rechtfertigt es nach Einschätzung des Sachverständigen Dr. V., bei der Bewertung lediglich den unteren Bewertungsrahmen eines GdB von 50 heranzuziehen. Kognitive Störungen oder eine Depression vermochte der Sachverständige beim Kläger dagegen nicht festzustellen. Die dagegen erhobenen Bedenken des Klägers konnten den Senat nicht überzeugen. Der Sachverständige hat, ohne eine erkennbare Benachteiligungsabsicht zu Lasten des Klägers erkennen zu lassen, seine Untersuchungsbeobachtungen in seinen eingeholten ergänzenden Stellungnahmen überzeugend beschrieben und bekräftigt.

50

b) Für das Funktionssystem Rumpf ist ab November 2006 ein Einzel-GdB von 20 festzustellen. Diagnostisch ist dabei von einem lumbalen belastungsabhängigen Schmerzsyndrom bei degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule und Zustand nach Bandscheibenoperation auszugehen (so Sachverständiger Dr. V.).

51

Für Wirbelsäulenfunktionseinschränkungen sind die maßgeblichen Bewertungskriterien in Teil B, Nr. 18.9 der VMG vorgegeben. Danach folgt der GdB bei Wirbelsäulenschäden primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung, der Wirbelsäuleninstabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Abschnitte der Wirbelsäule. Erst mittelgradige funktionelle Auswirkungen von Wirbelsäulenschäden in einem Wirbelsäulenabschnitt, z.B. eine anhaltende Bewegungseinschränkung oder eine Instabilität mittleren Grades, rechtfertigen einen Einzelgrad der Behinderung von 20. Funktionsstörungen geringeren Grades bedingen allenfalls einen Einzelgrad von 10. Schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) rechtfertigen einen Einzelgrad der Behinderung von 30, mittelgradige bis schwere in zwei Wirbelsäulenabschnitten einen GdB von 30 bis 40. Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen - oder auch intermittierenden Störungen bei einer Spinalkanalstenose - sind zusätzlich zu berücksichtigen.

52

Die wirbelsäulenbedingten Bewegungseinschränkungen des Klägers sind nicht erheblich. So konnte er in der Untersuchung einen Fingerbodenabstand von 20 cm erreichen und zeigte ein kaum eingeschränktes Gangbild. Daneben bestand eine Klopf- und Druckempfindlichkeit im Bereich der HWS, BWS und LWS. Die somatische Erkrankung der Wirbelsäule hat daher allenfalls eine mittelgradige funktionelle Auswirkung. Wie bereits vom Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Pilz im Rentengutachten vom 23. Januar 2008 ausgeführt, werden die somatischen Beschwerden des Klägers an der Wirbelsäule vollständig von der somatoformen Schmerzstörung und dem psychischen Erkrankungsbild beherrscht. Von daher muss – wie der Sachverständige Dr. V. überzeugend ausgeführt hat – von einer erheblichen Überschneidung zwischen der prägenden psychischen Erkrankung mit somatoformer Schmerzstörung und den funktional allenfalls gering- bis mittelgradigen wirbelsäulenbedingten Einschränkungen ausgegangen werden. Die vom Kläger der Wirbelsäule zugeschriebene Schmerz- und Beschwerdesymptomatik ist daher in erster Linie der somatoformen Schmerzstörung zuzuordnen, die bereits im Funktionssystem "Gehirn und Psyche" hinreichend berücksichtigt worden ist. Da Doppelbewertungen bei der Bildung des GdB zu vermeiden und die konkreten Auswirkungen der jeweiligen Erkrankungen jeweils festzustellen und zu bewerten sind, hält der Senat den vom Sachverständigen Dr. V. für den Wirbelsäulenbereich vergebenen Einzel-GdB von 20 für nachvollziehbar und überzeugend begründet.

53

c) Das Bluthochdruckleiden ist dem Funktionssystem Herz-Kreislauf zuzuordnen und rechtfertigt maximal einen GdB von 10. Nach den VMG (Teil B, Nr. 9) kommt es bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen nicht auf die Art der Erkrankung, sondern auf die jeweilige konkrete Leistungseinbuße an. Daher lässt die Diagnose eines Bluthochdrucks keinen Rückschluss auf die bestehenden Funktionseinschränkungen des Klägers zu. Nach Teil B, Nr. 9.3 der VMG ist die leichte Form der Hypertonie, bei der keine oder eine geringe Leistungsbeeinträchtigung und höchstens leichte Augenhintergrundsveränderungen vorliegen, mit einem GdB von 0 bis zu 10 zu bewerten. Die mittelschwere Form eröffnet je nach Leistungsbeeinträchtigung einen Bewertungsrahmen von 20 bis 40. Kriterien dafür sind Organbeteiligungen leichten bis mittleren Grades (Augenhintergrundveränderungen – Fundus hypertonicus I bis II- und/oder Linkshypertrophie des Herzens und/oder Proteinurie) sowie diastolischer Blutdruck mehrfach über 100 mmHg trotz Behandlung. Nach diesem Maßstab ist das Bluthochdruckleiden des Klägers als leichtgradige Form mit einem Behinderungsgrad von 10 zu bewerten, weil keine Linksherzhypertrophie und damit eine Organbeteiligung des Herzens vorliegen. Hinweise für Augenhintergrundveränderungen liegen nicht vor.

54

d) Der teilweise Verlust des Zeigefingers ist dem Funktionssystem Arm zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten. Die entsprechenden Einschätzungen des Sachverständigen Dr. V. sowie der Versorgungsärzte des Beklagten entsprechen dabei Teil B Ziff. 18. 13 der VMG.

55

e) Der beim Kläger vorliegende Diabetes mellitus bedingt keinen GdB, wie dies auch vom Sachverständigen Dr. V. vertreten wird. Eine Behandlung des Diabetes mit Medikamenten wird nicht berichtet, so dass auf der Grundlage der Zweiten Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin Verordnung vom 14. Juli 2010 die Feststellung eines GdB nicht gerechtfertigt ist. Hiernach beträgt der GdB 0, wenn die an Diabetes erkrankten Menschen auch durch den Therapieaufwand keine Teilhabebeeinträchtigung erleiden (Teil B, Ziff. 15.1 der VMG in der Fassung der genannten Verordnung). Hier wird keine Therapie durchgeführt.

56

f) Weitere Funktionseinschränkungen, die mit einem GdB von mindestens 10 zu bewerten wären, sind nicht erkennbar. Die geringfügigen gesundheitlichen Einschränkungen die lediglich mit einem Einzel-GdB von 10 bewertet werden können, haben keinen Einfluss auf die Bildung des Gesamt-GdB. Schließlich ist zu beachten, dass nach den VMG (Teil A, Nr. 3 ee, S. 23) von Ausnahmefällen abgesehen, zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzelgrad von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB/GdS von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.

57

Nach diesen Grundsätzen kann der Gesamtbehinderungsgrad ab November 2006 nicht höher als 60 bewertet werden. Dabei ist der Senat von einem GdB von 50 für das Funktionssystem Psyche ausgegangen und hat den Gesamt-GdB wegen der Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule (Einzel-GdB 20) erhöhend berücksichtigt. Zum gleichen Ergebnis käme man bei der Bildung des Gesamt-GdB selbst dann, wenn entsprechend der Einschätzung von Versorgungsarzt Dr. R. zu Gunsten des Klägers für die Funktionseinschränkung der Wirbelsäule ein Einzel-GdB von 30 vergeben werden würde. Die bisherigen Feststellungen des Beklagten sind daher zutreffend, was zur Aufhebung des Urteils des SG Magdeburg vom 11. Mai 2010 führen muss.

58

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

59

Ein Grund für die Zulassung der Revision nach § 160 SGG liegt nicht vor.


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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu
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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu
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published on 28/01/2015 00:00

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen.2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Tatbestand   1 Der Kläger begehrt die Gewährung von Unfallausgleich. 2 Der am …1944 geborene Kläger war Realschullehrer. Er stürzte am 06.05.2002 während
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Annotations

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Die Rehabilitationsträger und die Integrationsämter wirken bei der Aufklärung, Beratung, Auskunft und Ausführung von Leistungen im Sinne des Ersten Buches sowie im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern nach § 167 darauf hin, dass der Eintritt einer Behinderung einschließlich einer chronischen Krankheit vermieden wird.

(2) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 und 6 und ihre Verbände wirken bei der Entwicklung und Umsetzung der Nationalen Präventionsstrategie nach den Bestimmungen der §§ 20d bis 20g des Fünften Buches mit, insbesondere mit der Zielsetzung der Vermeidung von Beeinträchtigungen bei der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft.

(3) Bei der Erbringung von Leistungen für Personen, deren berufliche Eingliederung auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen besonders erschwert ist, arbeiten die Krankenkassen mit der Bundesagentur für Arbeit und mit den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 20a des Fünften Buches eng zusammen.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

Die in § 1 genannten Grundsätze und Kriterien sind in der Anlage zu dieser Verordnung*als deren Bestandteil festgelegt.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.