Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 04. Dez. 2013 - L 4 KR 11/11

ECLI:ECLI:DE:LSGST:2013:1204.L4KR11.11.0A
bei uns veröffentlicht am04.12.2013

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten, ob der Kläger zu Lasten der beklagten Krankenversicherung einen Anspruch auf Versorgung mit einem Funk-Rauchwächter hat.

2

Der Kläger ist 1992 geboren und gehörlos. Unter dem 17. März 2009 übersandte die Firma K. Hörgeräte der beklagten Krankenkasse eine Kostenaufstellung für einen Funk-Rauchwächter A-24433-0 zum Preis von 146,00 Euro. Beigefügt war eine ärztliche Verordnung für einen Funk-Rauchwächter. Die Beklagte lehnte es mit Bescheid vom 20. März 2009 ab, die Kosten für dieses Hilfsmittel zu übernehmen und führte zur Begründung aus, es handele sich um einen handelsüblichen Gebrauchsgegenstand.

3

Hiergegen legte der Kläger am 17. Dezember 2009 Widerspruch ein und führte aus, es handele sich keinesfalls um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Es sei nicht nachvollziehbar, warum eine Kostenzusage für das Hilfsmittel Lichtsignal erfolge, aber der zur Vollständigkeit einer solchen Anlage benötigte Funk-Rauchwächter nicht genehmigt werde. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und wiederholte ihre bisherige Argumentation.

4

Hiergegen hat der Kläger am 25. November 2009 Klage erhoben und seine bisherigen Ausführungen vertieft. Es bestehe keine Möglichkeit, dass er auf andere Weise bei Feuerausbruch geschützt werden könne. Der Funk-Rauchwächter zusammen mit der Lichtsignalanlage befähige ihn zum selbständigen Wohnen und der Erlangung eines gewissen körperlichen Freiraumes. Weiter hat der Kläger vorgetragen, aufgrund seiner Taubheit sei er nicht in der Lage, allein eine Gefahr durch Rauch und Feuer zu erkennen. Ein Rauchmelder würde es ihm ermöglichen, selbständig zu wohnen, ohne einer Lebensgefahr ausgesetzt zu sein.

5

Mit Urteil vom 12. Januar 2011 hat das Sozialgericht Dessau-Roßlau die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Funk-Rauchwächter sei nicht zum Ausgleich der bei dem Kläger vorliegenden Behinderung erforderlich. Angestrebt werde hier ein sogenannter mittelbarer Behinderungsausgleich, da nicht die Behinderung als solche behoben werden solle, sondern die Folgen gemindert. Hierbei seien die Krankenkassen dann nur verpflichtet, die Befriedigung der sogenannten Grundbedürfnisse des täglichen Lebens der Versicherten zu gewährleisten. Hierfür sei die Versorgung mit einem Funk-Rauchwächter nicht erforderlich. Der Kläger könne auch ohne dieses Gerät selbständig wohnen. Dies gelte insbesondere deshalb, weil in Sachsen-Anhalt die Ausstattung von Wohnungen mit Rauchmeldern nicht vorgeschrieben sei. Das Sozialgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

6

Gegen das ihm am 2. Februar 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 1. März 2011 Berufung eingelegt und seinen bisherigen Vortrag wiederholt. Bei Ausbruch eines Feuers sei er nicht ausreichend geschützt. Der Funk-Rauchwächter werde nicht zur Unfallverhütung eingesetzt, sondern zur Abwendung von Lebensgefahr. Rauchmelder seien auch in Sachsen-Anhalt vorgeschrieben.

7

Der Kläger beantragt,

8

das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 12. Januar 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. März 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Kosten des beantragten Funk-Rauchwächters zu übernehmen.

9

Die Beklagte beantragt,

10

die Berufung zurückzuweisen.

11

Sie hält ihre Entscheidung und die des Sozialgerichts für zutreffend und verweist auf verschiedene Entscheidungen der Sozialgerichtsbarkeit zur Bekräftigung ihrer Rechtsposition.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Diese Akten und Unterlagen haben vorgelegen und sind vom Gericht bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt worden.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 12. Januar 2011 sowie der Bescheid der Beklagten vom 20. März 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2009 erweisen sich als rechtens und beschweren den Kläger nicht i. S. v. §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Er hat keinen Anspruch auf Versorgung mit einem Funk-Rauchwächter.

14

Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Sachleistungsanspruch kommt § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, § 33 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) in Betracht. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit sie nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten (§ 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V).

15

Der Senat unterstellt zu Gunsten des Klägers, dass die Übersendung des Kostenvoranschlages der Firma K.-Hörgeräte als ein in seinem Auftrag gestellter Antrag auf Versorgung anzusehen ist. So haben es zumindest die Beklagte und auch nachfolgend der Kläger selbst gesehen.

16

Bei dem Kläger besteht unstreitig eine Behinderung in Form der Taubheit. Die Voraussetzungen eines Versorgungsanspruchs nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V sind jedoch nicht erfüllt, denn der mit den Rauchmeldern bezweckte Behinderungsausgleich betrifft nicht die von der gesetzlichen Krankenversicherung allein geschuldete medizinische Versorgung.

17

Der von den Krankenkassen geschuldete Behinderungsausgleich bemisst sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010, B 3 KR 13/09 R, Juris, m.w.N.) danach, ob eine Leistung des unmittelbaren oder des mittelbaren Behinderungsausgleichs beansprucht wird. Beim unmittelbaren Behinderungsausgleich geht es um den Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst, wovon auszugehen ist, wenn das Hilfsmittel die Ausübung der beeinträchtigten Körperfunktion selbst ermöglicht, ersetzt oder erleichtert. In diesem Bereich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts.

18

Demgegenüber liegt ein nur mittelbarer Behinderungsausgleich vor, wenn die Erhaltung oder Wiederherstellung der beeinträchtigten Körperfunktion nicht oder nicht ausreichend möglich ist und deshalb Hilfsmittel zum Ausgleich von direkten oder indirekten Folgen der Behinderung benötigt werden. In diesem Bereich sind die Leistungspflichten der gesetzlichen Krankenversicherung stärker eingeschränkt, da die Krankenkassen nur für einen Basisausgleich der Behinderungsfolgen eintrittspflichtig sind. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist mithin nur zu gewähren, wenn es Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert. Wird dagegen eine fehlende Organfunktion wie das Hören durch ein Hilfsmittel nicht für alle Lebensbereiche, sondern nur für ganz bestimmte Bereiche kompensiert, kommt eine Leistungsverpflichtung der gesetzlichen Krankenversicherung nur in Betracht, wenn es sich dabei um Lebensbereiche handelt, die zu den menschlichen Grundbedürfnissen gehören (BSG, Urteil vom 3. November 1999, B 3 KR 3/99 R, Juris). Zu den Grundbedürfnissen gehören das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrung aufnehmen, Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010, a.a.O.). Gegenstände, die lediglich die Folgen und Auswirkungen einer Behinderung in den verschiedenen Lebensbereichen, insbesondere auf beruflichem, gesellschaftlichen und privatem Gebiet, beseitigen oder mildern, fallen dagegen nicht in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen (BSG, Beschluss vom 24. April 2008, B 3 KR 24/07 B, Juris, m.w.N.).

19

Vorliegend kommt nur ein mittelbarer Behinderungsausgleich in Betracht, denn die begehrten Rauchmelder ermöglichen oder erleichtern dem Kläger nicht das Hören. Sie sollen vielmehr die Folgen seiner Gehörlosigkeit für den speziellen Bereich einer Rauchwarnmeldung ausgleichen, indem die üblicherweise akustischen Signale durch optische Signale ergänzt werden. Hierdurch wird der Verlust der Hörfähigkeit nicht für alle Lebensbereiche, sondern nur für den - nicht alltäglichen oder regelmäßig auftretenden - Fall einer Rauchwarnmeldung kompensiert. Betroffen sind also die Bereiche der Gefahrenabwehr beziehungsweise Unfallverhütung, die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht zu den Grundbedürfnissen gehören (BSG, Beschluss vom 24. April 2008, a.a.O.). Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat an (so auch LSG Hamburg, Urteil vom 27. September 2012, L 1 KR 147/11, juris).

20

Ausgangspunkt für die Entscheidung, welche Gegenstände zur Minderung der Auswirkungen einer Behinderung in die Leistungspflicht der Krankenkassen fallen, ist der Umstand, dass diese ausschließlich für die medizinische Rehabilitation (§ 5 Nr. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - SGB IX) und damit nur für diesen Bereich der Hilfsmittelversorgung zuständig sind (BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010, a.a.O.; BSG, Urteil vom 24. April 1979 - 3 RK 20/78, Juris). Dass der unmittelbare Behinderungsausgleich, also der Ausgleich einer ausgefallenen Körperfunktion, in den Bereich der medizinischen Rehabilitation fällt, kann dabei nicht zweifelhaft sein. Angesichts der vielfältigen Auswirkungen einer Behinderung in den unterschiedlichsten Lebensbereichen liegt es jedoch auf der Hand, dass deren Kompensation nicht sämtlich in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen fallen kann, da ihre Zuständigkeit damit praktisch grenzenlos erweitert würde und Bereiche erfasst wären, die mit medizinischer Rehabilitation nichts mehr zu tun haben.

21

Streitig ist vorliegend allein die Versorgung mit einem Funk-Rauchwächter. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Antrag des Klägers, sondern auch aus dem Umstand, dass er selbst bereits im Widerspruchsverfahren bestätigt hat, dass die Beklagte ihn mit einer Lichtsignalanlage versorgt hat. Diese funktioniert unabhängig von dem hier allein streitgegenständlichen Funk-Rauchwächter. Hierzu liegt auch der Bescheid vom 12. März 2009 über die Bewilligung der Lichtsignalanlage vor (vgl. Blatt 11 Gerichtsakte). Die Argumentation des Klägers vermischt das Bedürfnis nach der Lichtsignalanlage mit dem hier allein streitigen Rauchmelder.

22

Nach der in der Verwaltungsakte (Blatt 13) befindlichen Produktbeschreibung handelt es sich um einen Funk-Rauchwächter mit integriertem Lisa-Funksender. Dieser Rauchwächter wird ohne (Hervorhebung im Original) zusätzlichen Alarmsender betrieben. Bei Rauchentwicklung werden ein Alarmsignal sowie ein lauter Warnton abgegeben. Die bereits vorhandenen Empfängermodule - d.h. hier die Lisa-Empfänger - reagieren auf den eingehenden Alarm und warnen durch ein Lichtsignal. Diese Funktionsweise hat der Kläger auch in seinem Schreiben vom 22. Juli 2009 noch einmal bestätigt. Dies wurde auch in einem Telefonvermerk mit einem Hörgeräteakustiker der Firma K. im Laufe des Widerspruchsverfahrens noch einmal so geschildert, so dass der Senat hieran auch keine Zweifel hat. Diese Begrenzung ergibt sich auch noch einmal zusätzlich aus dem während des Berufungsverfahrens übersandten Angebot der Firma K. in Verbindung mit den beigezogenen Produktunterlagen (vgl. Blatt 98, 104 Gerichtsakte).

23

Damit geht es allein um die Frage, ob die gesetzliche Krankenversicherung dem Kläger einen Rauchmelder zu finanzieren hat. Allerdings hat die gesetzliche Krankenversicherung nicht behinderte Menschen nicht mit Rauchmeldern zu versorgen. Folglich geht es dem Kläger um die Nutzung eines technischen Gerätes, über welches weite Teile der Bevölkerung (noch) nicht verfügen. Rauch und Feuer werden vorwiegend durch die Sinne Sehen und Riechen bemerkt und nicht mit Hilfe des Gehörsinns. Ein Rauchmelder dient daher nicht der Befriedigung eines Grundbedürfnisses, sondern soll die Folgen der Behinderung in einem anderen Lebensbereich ausgleichen (vgl. BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010, a.a.O.). Der Kläger kann - wie er es bereits tut - ohne den Rauchmelder selbständig wohnen. Der Freiraum außerhalb der Wohnung wird durch einen Rauchmelder nicht erhöht. Eine Gefahrenabwehr durch Wahrnehmung eines Rauchwarnmelders gehört folglich nicht zur medizinischen Rehabilitation, sondern fällt in den privaten Bereich der allgemeinen Vorsorge für Risiko- und Gefahrensituationen und ist daher der Eigenverantwortung des Einzelnen zuzurechnen (so auch LSG Hamburg, Urteil vom 27. September 2012, a.a.O.)

24

Soweit der Kläger darauf verweist, dass in Sachsen-Anhalt Rauchwächter vorgeschrieben seien, so gilt dies gem. § 47 der Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt Absatz 4 für bestehende Wohnungen dergestalt, dass diese bis zum 31. Dezember 2015 dementsprechend auszustatten sind. Über eine zukünftige Gesetzeslage hat der Senat nicht zu befinden. Darüber hinaus verpflichten die Länder die Hauseigentümer zum Einbau solcher Meldeanlagen. Der Kläger wohnt aber in einer Mietwohnung und ist nicht Adressat dieser Pflicht.

25

Zudem kann es auf die Rechtslage keine Auswirkung haben, ob die Installation eines Rauchmelders in bestimmten Bundesländern gesetzliche Pflicht ist oder nicht. Bereits rein rechtlich können die Länder ein Bundesgesetz (hier das SGB V) nicht erweitern oder einschränken. Ob ein Krankenversicherter einen Anspruch gegen die Krankenkasse hat, richtet sich ausschließlich nach dem SGB V, soweit nicht ausnahmsweise eine Öffnungsklausel vorhanden ist.

26

Unabhängig hiervon trifft es zwar zu, dass nicht gehörlose Mieter einer Wohnung die - akustischen - Rauchmelder von ihrem Vermieter kostenfrei zur Verfügung gestellt bekommen und Gehörlose insofern stärker belastet sind. Die Krankenkassen sind aber gerade nicht verpflichtet, für jedweden Ausgleich einer Behinderung aufzukommen, sondern eben nur im Rahmen ihrer Zuständigkeit für die medizinische Rehabilitation, die vorliegend nicht betroffen ist.

27

Dass ein über die Befriedigung von allgemeinen Grundbedürfnissen hinausgehender Behinderungsausgleich als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung nicht vorgesehen ist, ergibt sich im Übrigen auch aus der Regelung des § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX, die der Gesetzgeber in Kenntnis der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Hilfsmittelversorgung mit Wirkung zum 1. Juli 2001 in Kraft gesetzt hat (BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010, a.a.O.) und mit der er die vom Bundessozialgericht verwendete Formulierung aufgegriffen hat.

28

Eine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich auch nicht aus § 2a SGB V, wonach den besonderen Belangen behinderter Menschen Rechnung zu tragen ist, denn diese Vorschrift gewährt keinen Anspruch auf bestimmte Leistungen und erweitert insbesondere nicht den Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung (so auch LSG Hamburg, Urteil vom 27. September 2012, a.a.O.).

29

Die Begrenzung der Leistungsverpflichtung der gesetzlichen Krankenversicherung verstößt auch nicht gegen das verfassungsrechtliche Verbot der Benachteiligung behinderter Menschen aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 Grundgesetz (GG), denn hieraus ergeben sich keine konkreten Leistungsansprüche auf eine bestimmte Hilfsmittelversorgung (BSG, Urteil vom 16. September 2004, B 3 KR 15/04 R; beide Juris).

30

Schließlich lassen sich auch aus dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, das durch Gesetz vom 21. Dezember 2008 (BGBl. II 2008, S. 1419) innerstaatlich verbindlich geworden ist, für den vorliegenden Fall keine konkreten über § 33 SGB V hinaus gehende Leistungsansprüche herleiten (BSG, Urteil vom 18. Mai 2011, B 3 KR 10/10 R; BSG, Urteil vom 21. März 2013, B 3 KR 3/12 R, Juris).

31

Ohne dass es darauf ankäme, weist der Senat darauf hin, dass sich auch aus den Hilfsmittelrichtlinien nichts Anderes ergibt. Ob die Klage zusätzlich noch daran scheitert, dass der Rauchmelder schon deshalb nicht als Hilfsmittel gelten kann, weil er mit dem Gebäude fest verbunden ist (vgl. BSG, Urteil vom 6. August 1998, B 3 KR 14/97 R, Juris), kann offen bleiben. Angesichts der Rechtslage kann der Senat ebenfalls offen lassen, ob es sich um einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handelt und ob der Kläger diesen angesichts des Zusammenlebens mit seiner Mutter vielleicht nicht benötigt. Aus allen diesen Gründen könnte die Klage nur zusätzlich unbegründet sein.

32

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nach § 193 SGG nicht zu erstatten.

33

Der Senat hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.


Urteilsbesprechung zu Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 04. Dez. 2013 - L 4 KR 11/11

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Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 3. März 2009 wird zurückgewiesen.

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(1) Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sind von der Versorgung nach § 31 ausgeschlossen. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 fest, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können. Dabei ist der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat auf der Grundlage der Richtlinie nach Satz 2 dafür Sorge zu tragen, dass eine Zusammenstellung der verordnungsfähigen Fertigarzneimittel erstellt, regelmäßig aktualisiert wird und im Internet abruffähig sowie in elektronisch weiterverarbeitbarer Form zur Verfügung steht. Satz 1 gilt nicht für:

1.
versicherte Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr,
2.
versicherte Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mit Entwicklungsstörungen.
Für Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, sind von der Versorgung nach § 31 folgende verschreibungspflichtige Arzneimittel bei Verordnung in den genannten Anwendungsgebieten ausgeschlossen:
1.
Arzneimittel zur Anwendung bei Erkältungskrankheiten und grippalen Infekten einschließlich der bei diesen Krankheiten anzuwendenden Schnupfenmittel, Schmerzmittel, hustendämpfenden und hustenlösenden Mittel,
2.
Mund- und Rachentherapeutika, ausgenommen bei Pilzinfektionen,
3.
Abführmittel,
4.
Arzneimittel gegen Reisekrankheit.
Von der Versorgung sind außerdem Arzneimittel ausgeschlossen, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht. Ausgeschlossen sind insbesondere Arzneimittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz, zur Raucherentwöhnung, zur Abmagerung oder zur Zügelung des Appetits, zur Regulierung des Körpergewichts oder zur Verbesserung des Haarwuchses dienen. Das Nähere regeln die Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6.

(2) Abweichend von Absatz 1 haben Versicherte, bei denen eine bestehende schwere Tabakabhängigkeit festgestellt wurde, Anspruch auf eine einmalige Versorgung mit Arzneimitteln zur Tabakentwöhnung im Rahmen von evidenzbasierten Programmen zur Tabakentwöhnung. Eine erneute Versorgung nach Satz 1 ist frühestens drei Jahre nach Abschluss der Behandlung nach Satz 1 möglich. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 fest, welche Arzneimittel und unter welchen Voraussetzungen Arzneimittel zur Tabakentwöhnung im Rahmen von evidenzbasierten Programmen zur Tabakentwöhnung verordnet werden können.

(3) Der Ausschluss der Arzneimittel, die in Anlage 2 Nummer 2 bis 6 der Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 21. Februar 1990 (BGBl. I S. 301), die zuletzt durch die Verordnung vom 9. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4554) geändert worden ist, aufgeführt sind, gilt als Verordnungsausschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses und ist Teil der Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Bei der Beurteilung von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen wie homöopathischen, phytotherapeutischen und anthroposophischen Arzneimitteln ist der besonderen Wirkungsweise dieser Arzneimittel Rechnung zu tragen.

(4) Das Bundesministerium für Gesundheit kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Hilfsmittel von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis bestimmen, deren Kosten die Krankenkasse nicht übernimmt. Die Rechtsverordnung kann auch bestimmen, inwieweit geringfügige Kosten der notwendigen Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung sowie der Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel von der Krankenkasse nicht übernommen werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für die Instandsetzung von Hörgeräten und ihre Versorgung mit Batterien bei Versicherten, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Für nicht durch Rechtsverordnung nach Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 unberührt.

(5) (weggefallen)

(6) Pharmazeutische Unternehmer können beim Gemeinsamen Bundesausschuss Anträge zur Aufnahme von Arzneimitteln in die Zusammenstellung nach Absatz 1 Satz 2 und 4 stellen. Die Anträge sind ausreichend zu begründen; die erforderlichen Nachweise sind dem Antrag beizufügen. Sind die Angaben zur Begründung des Antrags unzureichend, teilt der Gemeinsame Bundesausschuss dem Antragsteller unverzüglich mit, welche zusätzlichen Einzelangaben erforderlich sind. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat über ausreichend begründete Anträge nach Satz 1 innerhalb von 90 Tagen zu bescheiden und den Antragsteller über Rechtsmittel und Rechtsmittelfristen zu belehren. Eine ablehnende Entscheidung muss eine auf objektiven und überprüfbaren Kriterien beruhende Begründung enthalten. Für das Antragsverfahren sind Gebühren zu erheben. Das Nähere insbesondere zur ausreichenden Begründung und zu den erforderlichen Nachweisen regelt der Gemeinsame Bundesausschuss.

(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

(2) Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag.

(3) Hat die Krankenkasse Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder entgegen geltendem Recht erbracht und hat ein Vorstandsmitglied hiervon gewußt oder hätte es hiervon wissen müssen, hat die zuständige Aufsichtsbehörde nach Anhörung des Vorstandsmitglieds den Verwaltungsrat zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat das Regreßverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.

(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie

1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder
2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfaßt nicht die Kosten des Brillengestells.

(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.

(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.

(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.

(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.

(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.

(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.

(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.

(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 3. März 2009 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von der beklagten Krankenkasse die Versorgung mit einer elektrisch betriebenen mobilen Treppensteighilfe, um mit Hilfe ihrer Tochter im Rollstuhl sitzend Treppen überwinden zu können.

2

Die 1952 geborene Klägerin leidet an Multipler Sklerose mit beinbetonter Tetraparese und ist deswegen auf einen Rollstuhl angewiesen. Sie ist schwerpflegebedürftig und bezieht von der Pflegekasse seit November 2005 Leistungen nach der Pflegestufe II. Von der Beklagten ist sie sowohl mit einem - manuell zu bewegenden - mechanischen Rollstuhl als auch mit einem Elektrorollstuhl versorgt worden. Am 5.5.2006 beantragte sie unter Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung die Ausstattung mit einer elektrisch betriebenen Treppensteighilfe (Treppenfahrgerät) des Typs Scalamobil (Hilfsmittelverzeichnis - HMV - Nr 18.65.01.1000) als Hilfsmittel der GKV, weil sie seit Ende 2005 auch mit Hilfe einer Begleitperson nicht mehr selbst Treppen steigen könne. Dabei handelt es sich um ein mobiles Treppensteiggerät für manuell betätigte Rollstühle. Seiner Konstruktion nach kann es von einer Begleitperson allein bedient werden, sofern diese in der Lage ist, rückwärts Treppen zu steigen, mindestens 10 kg zu heben und selbst nicht auf Gehhilfen angewiesen ist. An dem Rollstuhl wird dauerhaft eine spezielle Halterung angebracht, an der das Scalamobil jeweils mit wenigen Handgriffen befestigt wird. Dabei müssen die großen Hinterräder des Rollstuhls entfernt werden. Nach dem Einsatz werden die Hinterräder wieder anmontiert und das Scalamobil von der Halterung abgenommen. Der Vorteil für den Rollstuhlfahrer besteht darin, dass er vor und nach dem Treppensteigen nicht umsitzen muss. Außerhalb der Wohnung muss das Scalamobil jeweils bis zu seinem Einsatzort vom Rollstuhl getrennt mitgeführt werden; dies geschieht regelmäßig durch Mitnahme in dem Fahrzeug, mit dem die Begleitperson auch den Versicherten und dessen Rollstuhl transportiert.

3

Zur Begründung ihres Antrages machte die Klägerin geltend, die Wohnungen mehrerer ihrer Freunde und Verwandten, die sie regelmäßig besuche, seien nur über Treppen erreichbar. Gleiches gelte für die Praxen ihres Frauenarztes und ihres Zahnarztes, die sie jeweils ein- oder zweimal jährlich aufsuche. Auch zum wöchentlichen Kirchgang müsse eine Treppe bewältigt werden. Ebenso seien Treppenstufen zu überwinden, wenn sie in den Garten ihres Hauses oder in den Keller wolle, in dem neben eigenen Räumen auch eine Kellerwohnung liege, die sie vermietet habe und ab und zu aufsuchen müsse. Die Beklagte lehnte den Leistungsantrag ab, weil die Klägerin mit den Rollstühlen ausreichend versorgt sei. Sie könne damit ihre ebenerdig gelegene Wohnung uneingeschränkt nutzen sowie den Nahbereich um das Grundstück erschließen. Damit sei das Grundbedürfnis auf Mobilität ausreichend erfüllt. Für die soziale Eingliederung eines Versicherten in sein gesellschaftliches Umfeld seien die Krankenkassen nicht zuständig (Bescheid vom 18.5.2006, Widerspruchsbescheid vom 24.1.2007).

4

Das SG hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Kosten für die Beschaffung eines Scalamobil Treppensteiggerätes zu übernehmen (Urteil vom 31.10.2007). Das LSG hat diese Entscheidung geändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 3.3.2009): Das Scalamobil sei zur Gewährleistung des allgemeinen Grundbedürfnisses der Bewegungsfreiheit nicht erforderlich. Mit den Rollstühlen sei die Klägerin ausreichend versorgt. Für die maximal viermal im Jahr anfallenden Besuche beim Frauenarzt und Zahnarzt könne der Fahrdienst in Anspruch genommen werden, der angesichts des Kaufpreises für ein Scalamobil (Typ S 30 IQ) von ca 5400 Euro (im gebrauchten Zustand ca 3600 Euro) auch deutlich preisgünstiger sei, weil jährlich nur ca 100 Euro anfielen. Das Aufsuchen des Kellers und des Gartens gehöre nicht zu den elementaren Bedürfnissen des täglichen Lebens. Auch für das Überwinden von Treppen, um Freunde und Verwandte in deren Wohnungen sowie den Gottesdienst zu besuchen, seien die Krankenkassen nicht zuständig, weil es dabei um die soziale und nicht um die medizinische Rehabilitation eines behinderten Menschen gehe.

5

Hiergegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision der Klägerin, die mit der Verletzung materiellen Rechts (§ 33 Abs 1 SGB V) begründet wird. Zur Erschließung eines körperlichen Freiraums im Nahbereich einer Wohnung gehöre auch die Möglichkeit, dort nur über Treppen zu erreichende Orte aufzusuchen, wie es bei den Wohnungen, den Arztpraxen und der Kirche der Fall sei. Die Integration gehbehinderter Versicherter in Familie und Gesellschaft sowie die Pflege sozialer Kontakte außerhalb der eigenen Wohnung stellten elementare Bedürfnisse des täglichen Lebens dar. Das Scalamobil sei ein "Zubehör" zur Modernisierung herkömmlicher mechanischer Rollstühle und entspreche damit dem von der GKV geschuldeten technischen Fortschritt bei Hilfsmitteln. Bei leihweiser Überlassung des Scalamobils seien die Kosten auch deutlich niedriger als vom LSG veranschlagt.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 3. März 2009 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 31. Oktober 2007 zurückzuweisen.

7

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach §§ 165, 153 Abs 1, 124 Abs 2 SGG einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat zutreffend entschieden, dass im vorliegenden Fall kein Anspruch auf Versorgung mit einer mobilen Treppensteighilfe besteht. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 18.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.1.2007 ist rechtmäßig.

10

1. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor.

11

a) In erster und zweiter Instanz stritten die Beteiligten nur um die Versorgung mit einer "Scalamobil Treppensteighilfe"; ein spezielles Fabrikat war weder in den Klageanträgen der Klägerin noch im zusprechenden Urteil des SG genannt. Dies ist prozessual unschädlich, weil die Beteiligten nur um den Versorgungsanspruch nach § 33 SGB V dem Grunde nach, nicht aber um ein ganz bestimmtes Fabrikat streiten und zu erwarten ist, dass bei einer rechtskräftigen Verurteilung der Beklagten zur Ausstattung der Klägerin mit einer mobilen Scalamobil Treppensteighilfe kein zusätzlicher Streit über das Fabrikat entstehen würde. In der ärztlichen Verordnung vom 5.5.2006 war allerdings noch ein spezielles Fabrikat genannt, nämlich das im HMV unter Nr 18.65.01.1000 aufgeführte Scalamobil S 28, das aber mittlerweile nicht mehr lieferbar ist (vgl zB die Übersicht bei der Rehadat Datenbank Hilfsmittel, Stand 28.7.2010). Lieferbar sind derzeit Scalamobile der Fabrikate S 30 IQ (HMV Nr 18.65.01.1008) und S 31 (HMV Nr 18.65.01.1009). Die Verordnung ist bei sach- und interessengerechter Auslegung jedoch nicht so zu verstehen, das diese Fabrikate ausgeschlossen sein sollten; vielmehr soll ein Scalamobil in geeigneter Ausführung geliefert werden. Der Klageantrag ist damit hinreichend spezifiziert. Es fehlt auch nicht am Rechtsschutzbedürfnis, wie es bei der Alternativen ausschließenden Beantragung der Versorgung mit einem ganz bestimmten Fabrikat eines Hilfsmittels der Fall wäre, das im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht mehr lieferbar und auch nicht im Fundus vorrätig ist.

12

b) Unerheblich ist im vorliegenden Zusammenhang, dass die Bezeichnung "Scalamobil" nur einen Markenname der Fa. A. GmbH darstellt. Möglicherweise sind am Markt auch elektrisch betriebene Treppensteighilfen anderer Hersteller verfügbar. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Klägerin ebenso geeignete Treppensteighilfen anderer Hersteller ausschließen will und diese nicht wenigstens hilfsweise von ihrem Klagebegehren umfasst werden. Da es hier aber schon an einem Versorgungsanspruch dem Grunde nach fehlt, brauchte nicht ermittelt zu werden, ob eine Scalamobil Treppensteighilfe dem Gebot der Wirtschaftlichkeit der Hilfsmittelversorgung (§ 12 Abs 1, § 70 Abs 1 SGB V) entspricht oder ob es eine preisgünstigere, ebenso geeignete Treppensteighilfe anderer Hersteller gibt.

13

2. Anspruchsgrundlage für das Klagebegehren ist § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V in der zum Zeitpunkt der Senatsentscheidung geltenden Fassung des Art 1 Nr 17 Buchst a "Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung(GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz" vom 26.3.2007, BGBl I 378), der inhaltlich der bei Antragstellung gültigen Fassung des Art 5 Nr 9 des Gesetzes vom 19.6.2001 (BGBl I 1046) entspricht. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, wenn sie nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens oder nach § 34 Abs 4 SGB V aus der GKV-Versorgung ausgeschlossen und im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Der Anspruch umfasst nach § 33 Abs 1 Satz 4 SGB V auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Dabei besteht ein Anspruch auf Versorgung mit Blick auf die "Erforderlichkeit im Einzelfall" nur, soweit das begehrte Hilfsmittel geeignet, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet; darüber hinausgehende Leistungen darf die Krankenkasse gemäß § 12 Abs 1 SGB V nicht bewilligen(vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 11 RdNr 16). Die Voraussetzungen des Versorgungsanspruchs nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V sind hier nicht erfüllt. Der mit der Bereitstellung der mobilen Treppensteighilfe bezweckte zusätzliche Behinderungsausgleich betrifft nicht die - von der GKV allein geschuldete - medizinische Rehabilitation der Klägerin, sondern deren soziale bzw gesellschaftliche Integration und Rehabilitation, die in den Zuständigkeitsbereich anderer Sozialleistungsträger fällt, wobei vor allem die Sozialhilfe zu nennen ist.

14

3. Der Versorgungsanspruch nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V besteht nicht allein deshalb, weil die begehrte Treppensteighilfe vertragsärztlich verordnet(§ 73 Abs 2 Satz 1 Nr 7 SGB V) worden und im HMV (§ 139 SGB V) verzeichnet ist. Den Krankenkassen steht ein eigenes Entscheidungsrecht zu, ob ein Hilfsmittel nach Maßgabe des § 33 SGB V zur medizinischen Rehabilitation, also zur Sicherung des Erfolges der Krankenbehandlung, zur Vorbeugung gegen eine drohende Behinderung oder zum Ausgleich einer bestehenden Behinderung, im Einzelfall erforderlich ist; dabei können die Krankenkassen zur Klärung medizinisch-therapeutischer Fragen den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) einschalten (vgl § 275 Abs 3 Nr 1 SGB V). Eine vertragsärztliche Verordnung wäre nur dann für die Krankenkassen verbindlich, soweit sie für bestimmte Hilfsmittel auf ein Prüfungs- und Genehmigungsrecht generell verzichtet haben, was zB durch diverse vertragliche Vereinbarungen mit Leistungserbringern bzw deren Verbänden möglich ist (§ 127 SGB V). Eine solche Vereinbarung ist für Treppensteighilfen nicht geschlossen worden.

15

4. Die Treppensteighilfe ist auch nicht schon deshalb zu gewähren, weil die Klägerin wegen ihrer Gehunfähigkeit mit zwei Rollstühlen versorgt worden ist und das Gerät die ausschließliche Funktion hat, einen gehunfähigen Versicherten im Rollstuhl sitzend und ohne Notwendigkeit des Umsitzens (aber nicht aus eigener Kraft, sondern nur mit Hilfe einer Begleitperson, die das Gerät bedient) Treppen überwinden zu lassen und so Orte erreichen zu können, die ihnen sonst verwehrt bleiben oder die nur auf andere, beschwerlichere Weise erreicht werden könnten. Obwohl eine Treppensteighilfe also nur in Kombination mit einem Rollstuhl eine Funktion hat und insofern als "Zusatzgerät" zum Rollstuhl bezeichnet werden kann, folgt aus der medizinischen Notwendigkeit des Rollstuhls noch nicht die Notwendigkeit der Treppensteighilfe. Dieses Gerät hat im Rahmen des - hier allein in Betracht kommenden - Behinderungsausgleichs (3. Variante des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V) für einen gehunfähigen Versicherten eine eigenständige Bedeutung, weil es die Bewegungsmöglichkeiten mit dem Rollstuhl erweitert, indem Treppen kein unüberwindliches Hindernis mehr darstellen, um bestimmte Orte aufzusuchen. Eine Treppensteighilfe hat also von ihrer Konstruktion und ihrem Verwendungszweck her einen eigenständigen Nutzen für den Versicherten und seine Begleitperson. Dieser Gebrauchsvorteil muss den Kriterien der Versorgung mit einem "anderen Hilfsmittel" iS des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V zum Zwecke des Behinderungsausgleichs genügen und verlangt somit eine gesonderte, von der Notwendigkeit der Versorgung mit einem Rollstuhl unabhängige Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen.

16

5. Der Behinderungsausgleich nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V(vgl jetzt auch § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX) hat zweierlei Zielrichtung:

17

a) Im Vordergrund steht der Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst, wie es zB insbesondere bei Prothesen der Fall ist. Bei diesem sog unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Dabei kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist (BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 4 - C-leg-Prothese). Die Wirtschaftlichkeit eines dem unmittelbaren Behinderungsausgleich dienenden Hilfsmittels ist grundsätzlich zu unterstellen und erst zu prüfen, wenn zwei tatsächlich gleichwertige, aber unterschiedlich teure Hilfsmittel zur Wahl stehen.

18

b) Daneben können Hilfsmittel den Zweck haben, die direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen (sog mittelbarer Behinderungsausgleich). In diesem Rahmen ist die GKV allerdings nur für den Basisausgleich der Folgen der Behinderung eintrittspflichtig. Es geht hier nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der GKV ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation (vgl § 1 SGB V sowie § 6 Abs 1 Nr 1 iVm § 5 Nr 1 und 3 SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolgs, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme (vgl zB § 5 Nr 2 SGB IX: Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und § 5 Nr 4 SGB IX: Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft). Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der GKV daher nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Nach ständiger Rechtsprechung gehören zu diesen allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnehmen, Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 13; BSGE 91, 60, 63 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 14; stRspr). Zum Grundbedürfnis der Erschließung eines geistigen Freiraums gehört ua die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen Menschen sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens bzw eines Schulwissens (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 29 und 46; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 11 RdNr 18). Zum körperlichen Freiraum gehört - im Sinne eines Basisausgleichs der eingeschränkten Bewegungsfreiheit - die Fähigkeit, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (zB Supermarkt, Arzt, Apotheke, Geldinstitut, Post), nicht aber die Bewegung außerhalb dieses Nahbereichs. Soweit überhaupt die Frage eines größeren Radius über das zu Fuß Erreichbare hinaus aufgeworfen worden ist, sind schon immer zusätzliche qualitative Momente verlangt worden (vgl BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7 - Erreichbarkeit ambulanter medizinischer Versorgung für Wachkomapatientin; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 27 - Rollstuhl-Bike für Jugendliche; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 46 - behindertengerechtes Dreirad; BSG SozR 2200 § 182b Nr 13 - Faltrollstuhl).

19

c) Im vorliegenden Fall geht es - wie bei der Ausstattung mit einem Rollstuhl - nicht um den unmittelbaren, sondern nur um einen mittelbaren Behinderungsausgleich, weil durch das Hilfsmittel nicht das Gehen selbst ermöglicht wird (wie zB bei einer Beinprothese). Ausgeglichen werden lediglich die Folgen der Funktionsbeeinträchtigung der Beine, hier in Form der Unfähigkeit, selbst und aus eigener Kraft - oder auch nur mit stützender Hilfe einer Begleitperson - eine Treppe hinauf- und herabzusteigen. Das dabei betroffene allgemeine Grundbedürfnis des täglichen Lebens ist aber nicht das selbstständige Wohnen, weil dies zum einen nur auf die Möglichkeit ausgerichtet ist, trotz der Behinderung dauerhaft in einer eigenen Wohnung zu leben, und zum anderen vor allem auf Hilfsmittel abzielt, die vom Behinderten selbst bedient werden und ihn von fremder Hilfe ganz oder teilweise unabhängig machen. Dies ist hier gerade nicht der Fall, weil die Treppensteighilfe nur durch die Begleitperson zu bedienen ist, der gehunfähige Versicherte also selbst dann auf Hilfe angewiesen bleibt, wenn er sich mit seinem Rollstuhl ansonsten aus eigener Kraft fortbewegen kann.

20

Betroffen ist vielmehr das Grundbedürfnis auf Erschließung eines körperlichen Freiraums in Form der Bewegungsmöglichkeit in der eigenen Wohnung und im umliegenden Nahbereich. Diese Bewegungsmöglichkeit wird zwar grundsätzlich durch Rollstühle gewährleistet, stößt aber dort an ihre Grenzen, wo Treppen, also mehr als nur einzelne Stufen (zB bei einer Bordsteinkante) zu bewältigen sind. Hier kann eine Treppensteighilfe vom Grundsatz her eine geeignete Hilfe sein, die ansonsten eingeschränkte Bewegungsmöglichkeit eines Rollstuhlfahrers - wenn auch nur mit fremder Unterstützung - zu erweitern. Dabei muss aber der Zweck, eine bestimmte Treppe im Rollstuhl sitzend zu überwinden und so an einen ansonsten nicht oder nur unter besonderen Schwierigkeiten zu erreichenden Ort zu kommen, vom Maßstab der medizinischen Rehabilitation gedeckt sein, weil die GKV nur für diesen Bereich der Hilfsmittelversorgung zuständig ist (§ 5 Nr 1 SGB IX). Die Leistungspflicht der GKV entfällt, wenn zB die berufliche oder die soziale Rehabilitation bezweckt wird (§ 5 Nr 2 und 4 SGB IX).

21

d) Ein über die Befriedigung von allgemeinen Grundbedürfnissen hinausgehender Behinderungsausgleich ist als Leistung der GKV nicht vorgesehen, was sich aus der Regelung des § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX ergibt, die der Gesetzgeber in Kenntnis der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Hilfsmittelversorgung mit Wirkung zum 1.7.2001 in Kraft gesetzt hat. Damit wird der Hilfsmittelbegriff für alle Träger von Leistungen der medizinischen Rehabilitation (§ 6 Abs 1, § 5 Nr 1 SGB IX) einheitlich definiert. Selbst wenn der Vorrang abweichender Regelungen für den einzelnen Rehabilitationsträger weiterhin besteht (§ 7 SGB IX), kann aus der insoweit unberührt gebliebenen Fassung des § 33 SGB V nicht geschlossen werden, der Gesetzgeber habe nunmehr den Behinderungsausgleich durch die GKV über die bisherige Rechtsprechung hinaus ausweiten wollen(BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15, RdNr 16).

22

Nach diesen Maßstäben besteht kein Anspruch der Klägerin nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V, auf Kosten der Beklagten mit einer Treppensteighilfe versorgt zu werden, und zwar unabhängig davon, ob es um die Übereignung oder die leihweise Überlassung des Geräts geht und auch unabhängig davon, ob das Gerät fabrikneu oder schon gebraucht ist. Der Versorgungsanspruch besteht bereits vom Grundsatz her nicht.

23

6. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin die Überwindung der Kellertreppe im Hause sowie der zum Garten führenden Treppe durch Ausstattung mit einer Treppensteighilfe zu ermöglichen. Die Krankenkassen sind nicht für solche Hilfsmittel eintrittspflichtig, die ein dauerhaft behinderter Versicherter allein wegen seiner individuellen Wohnsituation benötigt.

24

a) Bei der Hilfsmittelversorgung durch die GKV kommt es nicht auf die konkreten Wohnverhältnisse des einzelnen Versicherten an, sondern auf einen generellen, an durchschnittlichen Wohn- und Lebensverhältnissen orientierten Maßstab. Besonderheiten der Wohnung und des Umfeldes, die anderswo - etwa nach einem Umzug - regelmäßig so nicht vorhanden sind und einem allgemeinen Wohnstandard nicht entsprechen, sind bei der Hilfsmittelversorgung durch die GKV nicht zu berücksichtigen. Der Versicherte muss das Hilfsmittel also nicht nur gerade wegen der Besonderheiten seiner konkreten Wohnverhältnisse, sondern in gleicher Weise auch in einer anderen Wohnung und deren Umfeld benötigen. Mit anderen Worten: Ein anderer Versicherter mit den gleichen körperlichen Behinderungen müsste auf das Hilfsmittel in dessen Wohn- und Lebenssituation ebenfalls angewiesen sein. Fehlt es daran, ist ein Anspruch nach § 33 SGB V in der Regel ausgeschlossen. Es kann sich dann nur um eine Form der Hilfe zur Anpassung an die konkrete Wohnsituation handeln, für die nicht die Krankenkassen, sondern der Versicherte selbst - im Rahmen seiner Eigenverantwortung - oder andere Sozialleistungsträger (zB Pflegekassen, Sozialhilfeträger, Unfallversicherungsträger) zuständig sein können.

25

b) In diesem vorstehenden Sinne ist die Zuständigkeit für den Ausgleich von Behinderungsfolgen im Bereich der Mobilität vom Gesetzgeber nach dem geltenden Recht grundsätzlich anderen Zweigen der Sozialversicherung oder der Eigenverantwortung der behinderten Menschen selbst zugewiesen. Nachdem bereits die frühere Rechtsprechung des BSG nur ausnahmsweise von einer entsprechenden Einstandspflicht der GKV ausgegangen war, hat der Gesetzgeber insbesondere mit der Begründung eines Anspruchs auf Leistungen für wohnumfeldbezogene Maßnahmen im Rahmen der sozialen Pflegeversicherung in dieser Hinsicht eine grundlegende Systementscheidung getroffen. Rechtsgrundlage hierfür ist § 40 Abs 4 SGB XI. Danach gilt: "Die Pflegekassen können subsidiär finanzielle Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen gewähren, beispielsweise für technische Hilfen im Haushalt, wenn dadurch im Einzelfall die häusliche Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert oder eine möglichst selbstständige Lebensführung des Pflegebedürftigen wiederhergestellt wird. Die Höhe der Zuschüsse ist unter Berücksichtigung der Kosten der Maßnahme sowie eines angemessenen Eigenanteils in Abhängigkeit von dem Einkommen des Pflegebedürftigen zu bemessen. Die Zuschüsse dürfen einen Betrag in Höhe von 2557 Euro je Maßnahme nicht übersteigen." Diese Norm ist Teil des Gesetzesprogramms, der häuslichen Pflege den Vorrang vor der stationären Pflege zu geben (§ 3 Satz 1 SGB XI). Sie berücksichtigt, dass Leistungen zur Anpassung des Wohnumfeldes an die Bedürfnisse kranker und behinderter Menschen im Sozialleistungssystem der GKV nicht vorgesehen waren und deshalb ein in die Zuständigkeit der Pflegeversicherung fallender Leistungsbedarf bestehen kann, soweit nicht andere Träger für die behindertengerechte Gestaltung des Wohnumfeldes einzustehen haben. Hat kein anderer Leistungsträger vorrangig einzutreten, soll deshalb die soziale Pflegeversicherung - allerdings beschränkt auf den finanziellen Rahmen des § 40 Abs 4 Satz 3 SGB XI - die behindertengerechte Umgestaltung der Wohnung des Pflegebedürftigen fördern, wenn dadurch die häusliche Pflege überhaupt erst ermöglicht oder erheblich erleichtert wird oder ein Verbleiben des Pflegebedürftigen in seiner häuslichen Umgebung und damit eine möglichst selbstständige Lebensführung sichergestellt werden kann(vgl BT-Drucks 12/5262 S 114 zu Art 1 § 36 Abs 4 des Gesetzesentwurfs von CDU/CSU und FDP zum Pflege-Versicherungsgesetz).

26

c) Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber des SGB XI an die schon zuvor seit langem bestehende Unterscheidung zwischen der behindertengerechten Anpassung der Wohnsituation einerseits und der Versorgung mit Hilfsmitteln zur Bewältigung oder Minderung von Behinderungsfolgen andererseits angeknüpft. In diesem Sinne war bereits in der Einweisungsnorm des § 29 SGB I in der bis zum 30.6.2001 geltenden Fassung vom 11.12.1975 (BGBl I 3015) bei Leistungen zur Eingliederung behinderter Menschen unterschieden worden zwischen Leistungen zur allgemeinen sozialen Eingliederung mit Hilfen ua "zur Verbesserung der wohnungsmäßigen Unterbringung" (§ 29 Abs 1 Nr 3 Buchst h SGB I) auf der einen und medizinischen Leistungen unter Einschluss von Hilfsmitteln (§ 29 Abs 1 Nr 1 Buchst d SGB I) auf der anderen Seite. Daran anschließend ist in dem am 1.1.1997 in Kraft getretenen SGB VII in dessen § 41 eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für Wohnungshilfe normiert worden, wonach diese erbracht wird, "wenn infolge Art oder Schwere des Gesundheitsschadens nicht nur vorübergehend die behindertengerechte Anpassung vorhandenen oder die Bereitstellung behindertengerechten Wohnraums erforderlich ist." Andererseits hat der Gesetzgeber in Abgrenzung dazu durch das zum 1.7.2001 in Kraft getretene SGB IX in dessen § 31 Abs 1 explizit klargestellt, dass zur Hilfsmittelversorgung solche Hilfen nicht rechnen, die bei einem Wohnungswechsel "nicht mitgenommen werden können". Ähnlich ist in § 18 Abs 1 Satz 4 "Verordnung über die Versorgung mit Hilfsmitteln und über Ersatzleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz" mit der am 1.1.1990 in Kraft getretenen Fassung vom 4.10.1989 (BGBl I 1989, 1834) zur Hilfsmittelversorgung bestimmt: "Unbewegliche Gegenstände werden nicht geliefert."

27

d) Diese an die frühere Rechtsprechung noch unter Geltung der RVO anknüpfende Systementscheidung des Gesetzgebers kann nur durch diesen selbst, nicht aber durch die Gerichte korrigiert werden. Nicht zu verkennen ist zwar, dass die von der Pflegeversicherung gewährte Unterstützung in dem knappen - und seit seiner Einführung auch nicht angepassten - finanziellen Rahmen des § 40 Abs 4 Satz 3 SGB XI dem tatsächlichen Bedarf für eine behindertengerechte Wohnungsausstattung kaum gerecht werden kann. Dies den heutigen Verhältnissen anzupassen ist aber nicht Aufgabe der Gerichte, sondern allein des Gesetzgebers. Demgemäß ist - wie bereits unter Geltung der RVO - nach der gegenwärtigen Rechtslage weiter maßgebend, dass Hilfen bei der Beschaffung und Unterhaltung einer den Bedürfnissen behinderter Menschen entsprechenden Wohnung über die Zuständigkeit der GKV hinausreichen, und zwar vor allem - aber nicht nur - dann, wenn sie mit der Veränderung der Wohnung selbst verbunden sind (BSG SozR 2200 § 182b Nr 10, 23 und 29). Daran hat das BSG nach dem Inkrafttreten von § 40 SGB XI und § 31 SGB IX weiter festgehalten. Eine Hilfe zählt danach zu den Mitteln der behinderungsgerechten Zurichtung der Wohnung und nicht zu den Hilfsmitteln nach § 33 SGB V und § 31 SGB IX, wenn sie nur in der konkreten Wohnung (Wohngrundstück) wegen deren besonderer Beschaffenheit erforderlich ist, nicht aber, wenn es dieser Hilfe typischerweise und erfahrungsgemäß auch in anderen Wohnungen bzw Wohngebäuden bedarf(BSGE 101, 22 = SozR 4-2500 § 33 Nr 18, RdNr 11 ff - Deckenlifter). Eine Treppensteighilfe ist hinsichtlich des häuslichen Einsatzes insoweit kein von der konkreten Wohnsituation unabhängiges Hilfsmittel, weil das Gerät in einer treppenlosen Wohnumgebung nicht erforderlich ist.

28

e) Die Zweigeschossigkeit einer Wohnung (Maisonette) oder ein Dachboden zählen nicht zum allgemeinen Wohnstandard, so dass die beklagte Krankenkasse keine Hilfsmittel für deren Erreichbarkeit zur Verfügung stellen muss. Dies gilt in entsprechender Weise auch für einen Hausgarten (so bereits BSG SozR 4-3300 § 40 Nr 9). Schon deshalb stellt sich nicht die Frage, ob eine Treppensteighilfe erst dann in Betracht käme, wenn die Erreichbarkeit des Hausgartens über eine Betonrampe oder über einen Außenlift nicht zu realisieren und diese Maßnahme preisgünstiger wäre. Da es hier um eine erwachsene Versicherte geht, braucht auch nicht entschieden zu werden, ob die Nutzung des Hausgartens wenigstens für Kinder und Jugendliche ein Grundbedürfnis darstellen kann, wie es der Senat im Urteil im Zusammenhang mit der Bezuschussung des barrierefreien Zugangs zum Garten (§ 40 Abs 4 SGB XI)angedeutet hat (BSG SozR 4-3300 § 40 Nr 9).

29

f) Soweit der Zugang zur Wohnung nur über eine Treppe im Hausflur (Treppenhaus) möglich ist, handelt es sich zwar durchaus um den allgemein üblichen durchschnittlichen Wohnstandard, gerade bei Mietshäusern. Nach dem vorstehend aufgezeigten Maßstab fällt indes die Leistungszuständigkeit für Hilfen bei der Bewältigung solcher Hürden nach dem geltenden Recht grundsätzlich nicht in den Verantwortungsbereich der GKV.

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h) Das vorstehende Ergebnis behält auch im Lichte des § 33 SGB I Bestand, dort heißt es: "Ist der Inhalt von Rechten oder Pflichten nach Art und Umfang nicht im einzelnen bestimmt, sind bei ihrer Ausgestaltung die persönlichen Verhältnisse des Berechtigten oder Verpflichteten, sein Bedarf und seine Leistungsfähigkeit sowie die örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen, soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Dabei soll den Wünschen des Berechtigten oder Verpflichteten entsprochen werden, soweit sie angemessen sind." Auf diese Regelung kann sich die Klägerin bei der Auslegung des Leistungsrechts nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V nicht stützen.

31

Die in § 33 SGB I angesprochene Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse betrifft nur die Ausgestaltung vorhandener Rechtsansprüche, nicht hingegen die Begründung der Rechtsansprüche als solche. Dies bezieht sich also nicht auf das "Ob" des Bestehens, sondern nur auf das "Wie" der Erfüllung einer bestehenden Leistungspflicht (Mrozynski, SGB I, 4. Aufl 2010, § 33 RdNr 2). Demgemäß hat der Senat bei einem gehbehinderten und auch in der Armkraft beeinträchtigten Versicherten, der den Nahbereich seiner Wohnung nicht mehr zu Fuß erschließen konnte, einen Anspruch nach § 33 SGB V auf eine Mobilitätshilfe mit Elektromotor zuerkannt und bei dessen Ausgestaltung ein Wahlrecht zwischen einem Elektrorollstuhl und einem Shoprider nach § 33 SGB I angenommen(BSG SozR 3-1200 § 33 Nr 1).

32

g) Offen lässt der Senat die Frage, ob der Ausschluss der Leistungspflicht der GKV nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V für in der Wohnung bzw im Haus einzusetzende Treppensteighilfen nicht nur bei dauerhaft, sondern auch bei vorübergehend (zB nach einer Verletzung) "behinderten" Versicherten gilt, die in absehbarer Zeit auf bestimmte Hilfsmittel oder andere Hilfen nicht mehr angewiesen sind und denen deshalb ein Umzug oder eine behinderungsgerechte Umgestaltung der Wohnung nicht zugemutet werden kann. Die zeitliche Grenze wird dabei durch § 2 Abs 1 Satz 1 SGB IX vorgegeben: "Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilnahme am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist." Diese Sechsmonatsgrenze des SGB IX korrespondiert mit der Regelung der Pflegebedürftigkeit in der sozialen Pflegeversicherung. Nach § 14 Abs 1 SGB XI sind Personen pflegebedürftig, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens "auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate", in erheblichen oder höherem Maße der Hilfe bedürfen.

33

7. Die Klägerin kann den Anspruch gegen die Beklagte auf Versorgung mit einer Treppensteighilfe nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V auch nicht auf das Argument stützen, sie benötige dieses Hilfsmittel, um die Wohnungen von Verwandten und Freunden, Arztpraxen und die örtliche Kirche aufzusuchen.

34

a) Das allgemeine Grundbedürfnis auf Mobilität im Nahbereich der Wohnung ist durch die Ausstattung der Klägerin mit zwei Rollstühlen gewährleistet. Hinsichtlich des von der Erschließung des Nahbereichs ebenfalls umfassten Zugangs zu den Gebäuden in diesem Bereich ist zu unterscheiden zwischen - öffentlichen oder privaten - Gebäuden mit Publikumsverkehr (Behörden, Post, Geldinstitute, Kirchen, Theater, Supermärkte, Läden, Kliniken, Apotheken, Arztpraxen) einerseits und privaten Gebäuden ohne Publikumsverkehr (Wohngebäude) andererseits. Anders als nach der dem Treppenraupen-Urteil vom 22.5.1984 (BSG SozR 2200 § 182b Nr 29) zugrunde liegenden Situation Anfang der 1980-er Jahre, als auf die besonderen Bedürfnisse von Rollstuhlfahrern beim Gebäude- und Straßenbau noch wenig Rücksicht genommen wurde und die Forderung nach weitgehender Barrierefreiheit noch nicht ins allgemeine Bewusstsein vorgedrungen war, ist heutzutage festzustellen, dass Gebäude mit Publikumsverkehr in aller Regel einen ebenerdigen Zugang haben und bei Mehrgeschossigkeit ein Fahrstuhl vorhanden ist. Fehlt es bei einem öffentlichen Gebäude noch an einem behindertengerechten Eingangsbereich, ist in aller Regel zumindest eine Rufanlage vorhanden, um den Pförtner zu benachrichtigen, der Hilfe gewährt oder organisiert. Die Herstellung der Barrierefreiheit öffentlicher und vieler ziviler Bauten ist sowohl auf der Ebene des Bundes als auch in den Ländern gesetzlich der Verantwortung der Eigentümer zugewiesen und damit der Zuständigkeit der GKV entzogen (vgl §§ 4 und 8 Behindertengleichstellungsgesetz vom 27.4.2002 und § 554a BGB; auf Länderebene vgl zB § 3 Hessisches Behinderten-Gleichstellungsgesetz vom 20.12.2004 und §§ 2, 33, 43, 46 Hessische Bauordnung vom 18.6.2002). Nur bei vor Erlass dieser Regelungen errichteten privaten Gebäuden ohne Publikumsverkehr, insbesondere selbstgenutzten Wohngebäuden und Mietshäusern, ist gelegentlich noch keine Barrierefreiheit vorhanden (vgl zum Anpassungsanspruch betroffener Mieter § 554a BGB). Die fortschreitende, wenn auch noch nicht vollständig hergestellte Barrierefreiheit in Deutschland stellt eine generelle Tatsache dar, zu deren Feststellung das Revisionsgericht selbst berechtigt ist (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 163 RdNr 7). Wegen dieser grundlegend geänderten rechtlichen Bewertung und der daraus folgenden tatsächlichen Situation in Bezug auf die Barrierefreiheit von Gebäuden mit Publikumsverkehr und des öffentlichen Raums geht der Senat nunmehr davon aus, dass im Nahbereich der Wohnung üblicherweise keine Treppen mehr zu überwinden sind und die Herstellung der Barrierefreiheit öffentlicher und vieler ziviler Bauten weiterhin voranschreitet. Deshalb steht einer/einem Versicherten kein Anspruch gegen die Krankenkasse auf Gewährung einer Treppensteighilfe (Treppenraupe) in diesem Rahmen zu; die dies noch bejahende Rechtsprechung des 8. Senats des BSG aus dem Jahre 1984 (BSG SozR 2200 § 182b Nr 29) gibt der nunmehr allein für das Hilfsmittelrecht der GKV zuständige 3. Senat des BSG daher auf.

35

b) Soweit die Klägerin die Überwindung von Treppen in fremden Wohngebäuden geltend macht, geht es um den Besuch bei Verwandten und Freunden. Dabei dient die Treppensteighilfe aber nicht der medizinischen Rehabilitation, sondern der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Für den Bereich der sozialen Rehabilitation ist aber nicht die Krankenkasse, sondern - gegebenenfalls - der Sozialhilfeträger (§ 5 Nr 4 iVm § 6 Abs 1 Nr 7 SGB IX und § 55 Abs 2 Nr 1 SGB IX) leistungspflichtig.

36

c) Zur sozialen Rehabilitation und Integration zählt auch der Besuch des Gottesdienstes und von Veranstaltungen. Die Leistungspflicht der GKV ist also auch insoweit ausgeschlossen.

37

d) Zur medizinischen Rehabilitation gehört in vorliegendem Zusammenhang allerdings die Sicherstellung der Möglichkeit, die noch nicht barrierefrei gestalteten Praxen des Frauenarztes und des Zahnarztes aufsuchen zu können. Insofern fehlt es jedoch an der Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit der Hilfsmittelversorgung. Da es um insgesamt nur vier Arztbesuche jährlich geht, kann die Klägerin auf den Fahrdienst (§ 60 SGB V) verwiesen werden, für den die Beklagte nach Feststellung des LSG pro Jahr lediglich rund 100 Euro aufzubringen hätte. Der Fahrdienst übernimmt auch den Transport des Versicherten und des Rollstuhls in die Praxisräume. Deshalb ist die Inanspruchnahme des Fahrdienstes objektiv wirtschaftlich und der Klägerin subjektiv zumutbar.

38

8. Der Leistungsanspruch gegen die Beklagte lässt sich auch nicht aus anderen Rechtsvorschriften herleiten.

39

a) Ein Anspruch aus § 31 SGB IX scheidet aus. Diese Vorschrift gibt hinsichtlich des Hilfsmittelbegriffs nur den Regelungsgehalt wieder, wie er durch die höchstrichterliche Rechtsprechung entwickelt worden ist, und bestätigt somit diese Rechtsprechung. Eine Ausweitung der Leistungspflicht der GKV bei der Hilfsmittelversorgung war nicht beabsichtigt, was vor allem darin zum Ausdruck kommt, dass nach § 7 Satz 2 SGB IX die Regelung des § 33 SGB V maßgeblich bleibt: "Die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe richten sich nach den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen"(vgl im Einzelnen BSGE 91, 60 RdNr 12, 13 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3, RdNr 13, 14 sowie zur Gesetzesbegründung BT-Drucks 14/5074 S 94).

40

b) Aus dem verfassungsrechtlichen Gebot der Benachteiligung behinderter Menschen in Art 3 Abs 3 Satz 2 GG ergeben sich ebenfalls keine weitergehenden Leistungsansprüche gegen die GKV bei der Hilfsmittelversorgung. Zwar ist das Verbot einer Benachteiligung zugleich mit einem Auftrag an den Staat verbunden, auf die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen hinzuwirken (vgl BT-Drucks 12/8165 S 29). Diesem Auftrag zur Umsetzung und Konkretisierung hat der Gesetzgeber mit dem SGB IX Rechnung getragen, ohne dass damit der Auftrag als erledigt anzusehen wäre. Der somit fortbestehende Auftrag zur Ausgestaltung des Sozialstaatsgebots begründet indes keine konkreten Leistungsansprüche (BSGE 91, 60 RdNr 14 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3 RdNr 15).

41

c) Auch eine Leistungspflicht der Beklagten nach § 14 SGB IX scheidet aus. Diese Vorschrift ist als Anspruchsgrundlage zu prüfen, weil eine Leistungspflicht nach § 33 SGB V (bzw § 31 SGB IX) ausscheidet und die Beklagte als erstangegangener Träger den Leistungsantrag seinerzeit nicht an einen anderen Sozialleistungsträger weitergeleitet hat.

42

aa) Eine Leistungspflicht anstelle der Pflegekasse entfällt schon deshalb, weil die Pflegekassen nicht zu den Rehabilitationsträgern iS des SGB IX gehören, an die ein Leistungsantrag weitergeleitet werden könnte.

43

bb) Eine Leistungspflicht der Beklagten anstelle des Sozialhilfeträgers scheidet ebenfalls aus. Die Klägerin gehört - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen nicht zu dem Personenkreis, der Leistungen der Sozialhilfe in Anspruch nehmen könnte.

44

9. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Sach- und Dienstleistungen können auch im Ausland erbracht werden, wenn sie dort bei zumindest gleicher Qualität und Wirksamkeit wirtschaftlicher ausgeführt werden können. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben können im grenznahen Ausland auch ausgeführt werden, wenn sie für die Aufnahme oder Ausübung einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit erforderlich sind.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.

(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie

1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder
2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfaßt nicht die Kosten des Brillengestells.

(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.

(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.

(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.

(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.

(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.

(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.

(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.

(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. Januar 2010 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Versorgung des minderjährigen Klägers mit einem Sportrollstuhl.

2

Der 1999 geborene Kläger leidet an einer spastischen Tetraplegie (Lähmung aller vier Extremitäten) und ist deswegen auf den Rollstuhl angewiesen. Die Beklagte erbringt im Wege der Sachleistungsaushilfe für eine in Luxemburg ansässige Krankenkasse - dort ist der Vater des Klägers beschäftigt - Krankenkassenleistungen nach Maßgabe der Vorschriften des SGB V und hat den Kläger mit einem Aktivrollstuhl versorgt; damit nimmt er am Schulsport und einer "Rollstuhl-AG" teil. Zusätzlich zu diesem Sport- und Bewegungsangebot der von ihm besuchten Schule für Körperbehinderte beteiligt er sich seit Mitte 2007 am wöchentlichen Training und den Spielen der Rollstuhlbasketball-Jugendmannschaft eines Rollstuhl-Sportclubs, der mit seiner 1. Mannschaft in der Rollstuhlbasketball-Bundesliga vertreten ist. Aus diesem Grunde beantragte er im Januar 2008 die Versorgung mit einem zusätzlichen Sportrollstuhl, weil der vorhandene Aktivrollstuhl beim Rollstuhlbasketball die Geschwindigkeit abbremse und viel schwerer zu handhaben sei als ein Sportrollstuhl. Zudem sei das Unfallrisiko mit einem Sportrollstuhl deutlich geringer. Die Beklagte lehnte diesen Antrag ab.

3

Das SG hat den Sport-Übungsleiter des Rollstuhlsportvereins als Zeugen vernommen und die Beklagte sodann antragsgemäß verurteilt, den Kläger mit einem "geeigneten Sportrollstuhl" zu versorgen; ein solcher Rollstuhl sei zu dessen sozialer Integration und damit zur Erfüllung eines Grundbedürfnisses erforderlich (Urteil vom 15.7.2009). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen: Die Versorgung mit einem zusätzlichen Sportrollstuhl überschreite den Bereich des Basisausgleichs, für den die GKV beim mittelbaren Behinderungsausgleich ausschließlich zu sorgen habe. Vereinssport müsse nach der Zuständigkeitsverteilung des SGB IX nicht die Krankenkasse, sondern ggf der Sozialhilfeträger ermöglichen. Für dessen Leistungspflicht bestünden vorliegend mangels Bedürftigkeit indes keine Anhaltspunkte (Urteil vom 21.1.2010).

4

Mit der vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt der Kläger, die Entscheidung des LSG stehe im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des BSG. Danach sei der durch die Hilfsmittelversorgung anzustrebende Behinderungsausgleich auf eine möglichst weitgehende Eingliederung des behinderten Kindes in den Kreis Gleichaltriger auszurichten. Dazu gehöre auch die aktive Betätigung in einem Sportverein.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21.1.2010 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 15.7.2009 zurückzuweisen.

6

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision ist unbegründet. Zutreffend hat das LSG entschieden, dass ein Anspruch auf Versorgung mit einem Sportrollstuhl zur Teilnahme am Vereinssport nicht besteht. Dafür hat eine Krankenkasse nach dem Recht der GKV auch für jugendliche Versicherte grundsätzlich nicht aufzukommen; über Leistungen im Rahmen der Sozialhilfe war mangels Bedürftigkeit des Klägers nicht zu befinden.

8

1. Anspruch auf eine zusätzliche Rollstuhlversorgung für den Rollstuhlsport als originäre GKV-Leistung hat der Kläger nicht. Rechtsgrundlage eines solchen Anspruchs könnte nur § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V(hier in der ab dem 1.4.2007 geltenden Fassung von Art 1 Nr 17 Buchst a des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.3.2007, BGBl I 378) sein. Hiernach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, wenn sie erstens nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens oder nach § 34 Abs 4 SGB V aus der GKV-Versorgung ausgeschlossen und zweitens im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. An diesen Voraussetzungen fehlt es, weil die sportgerechte Rollstuhlausstattung weder zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung noch zum Behinderungsausgleich in dem von der GKV abzudeckenden Bereich der medizinischen Rehabilitation erforderlich ist.

9

2. Anspruch auf einen für den Rollstuhlsport besonders ausgestatteten zusätzlichen Rollstuhl "zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung" iS von § 33 Abs 1 Satz 1, 1. Variante SGB V besteht nicht.

10

a) Allgemeine Maßnahmen oder Hilfen zur Bewegungsförderung fallen nur ausnahmsweise in die Leistungszuständigkeit der Krankenkassen (vgl Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 5/10 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen, RdNr 20 - Therapie-Dreirad II). Jedenfalls zur Krankenbehandlung iS von §§ 27 Abs 1, 28 Abs 1 Satz 1 SGB V gehören regelmäßig nur Maßnahmen mit Behandlungs- und Therapiecharakter, die einen eindeutigen Krankheitsbezug aufweisen(BSGE 85, 132, 138 = SozR 3-2500 § 27 Nr 12 S 65 - medizinische Fußpflege). Bloß allgemeine Maßnahmen zur Erhaltung und Förderung der Gesundheit genügen diesen Anforderungen demgegenüber selbst dann nicht, wenn sie von qualifizierten Fachkräften unter ärztlicher Betreuung und Überwachung (§ 44 Abs 1 Nr 3 SGB IX) durchgeführt werden (BSG SozR 4-2500 § 60 Nr 4 RdNr 23 - Krankentransport für Reha-Sport; BSG Urteil vom 22.4.2009 - B 3 KR 5/08 R - RdNr 23). Demgemäß fällt Sport, der - anders als Krankengymnastik oder physikalische Therapie - in allgemeiner Weise den körperlichen und psychischen Zustand positiv beeinflussen soll und bei dem der medizinische Zweck nicht überwiegt, nicht unter den krankenversicherungsrechtlichen Behandlungsbegriff (vgl BSG aaO RdNr 20 mwN). Unabhängig von der Art der Behinderung weisen behinderte oder chronisch kranke Menschen eine ausgeprägte körperliche Inaktivität mit einer Vielzahl negativer Folgen auf, die mit dem Behindertensport angegangen werden sollen (vgl Schmid/Huber/Marschner/Zimmer, Medizinische Aspekte im Behindertensport, DÄBl 2004, A-2177). Gleichwohl dient selbst ärztlich befürworteter Behindertensport in Gruppen nicht unmittelbar der Therapie einer Krankheit, sondern soll wesentlich dazu beitragen, die körperliche Leistungsfähigkeit zu verbessern, Restfunktionen zu mobilisieren, die Ausdauer und Belastungsfähigkeit zu erhöhen und den Betroffenen bei der psychischen Bewältigung ihrer Krankheit und Behinderung sowie den Folgewirkungen zu helfen (so Bericht der Bundesregierung über die Lage behinderter Menschen und die Entwicklung ihrer Teilhabe, BT-Drucks 15/4575 S 59 unter 3.27).

11

b) Nach den Grundsätzen der Senatsentscheidung vom 7.10.2010 (B 3 KR 5/10 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen - Therapie-Dreirad II) können bewegliche sächliche Mittel zur Förderung oder Ermöglichung der Mobilisation nur in besonders gelagerten Fällen Hilfsmittel "zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung" iS von § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V sein. Der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung dient ein bewegliches sächliches Mittel nach der Rechtsprechung des BSG dann, wenn es spezifisch im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung eingesetzt wird, um zu ihrem Erfolg beizutragen (BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15, RdNr 11; BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 11; Butzer in Becker/Kingreen, SGB V, 2. Aufl 2010, § 33 RdNr 12). Eine unmittelbare Bedienung des Hilfsmittels durch den Arzt ist dabei nicht zwingend erforderlich, so dass ein Hilfsmittel nicht schon deshalb nach § 33 Abs 1 SGB V ausgeschlossen ist, weil die praktische Anwendung durch den Versicherten selbst erfolgt(BSGE 87, 105, 109 = SozR 3-2500 § 139 Nr 1 S 5 - Magnetfeldtherapiegerät; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 39 S 220 - Therapie-Dreirad I). Jedoch ist nicht jedwede gesundheitsfördernde Betätigung als "spezifischer Einsatz im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung“ anzusehen. Keinen ausreichend engen Bezug zu einer konkreten Krankenbehandlung weisen nach den dargelegten Maßstäben diejenigen gesundheitsförderlichen Maßnahmen auf, die (nur) allgemein auf die Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit, die Mobilisierung von Restfunktionen des behinderten Menschen, die Erhöhung der Ausdauer und Belastungsfähigkeit sowie die Hilfe bei der Krankheitsbewältigung zielen. Andernfalls bedürfte es nicht der besonderen Leistungstatbestände ua der §§ 20 ff SGB V sowie des § 44 Abs 1 Nr 3 und 4 SGB IX, mit denen die Leistungspflicht der GKV unter den dort jeweils genannten Voraussetzungen über die gezielte Krankheitsbekämpfung hinaus als Kernaufgabe(BSGE 81, 240, 243 = SozR 3-2500 § 27 Nr 9 - Diät- oder Krankenkost) im Rahmen der gesundheitlichen Prävention und Rehabilitation normiert worden ist (vgl dazu Schütze in Schlegel/Voelzke, juris-PK-SGB V Stand: 21.1.2008, § 20 SGB V RdNr 9 und § 23 SGB V RdNr 12 f). Ein weitergehender spezifischer Bezug zu ärztlich verantworteter Krankenbehandlung kommt daher nur solchen Maßnahmen zur körperlichen Mobilisation zu, die in engem Zusammenhang mit einer andauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden Behandlung durch ärztliche und/oder ärztlich angeleitete Leistungserbringer stehen und die als planvolle Versorgung iS der Behandlungsziele des § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V als erforderlich anzusehen sind. Davon ist auszugehen, wenn der Versicherte aufgrund der Schwere seiner körperlichen Beeinträchtigung dauerhaft Anspruch auf Maßnahmen der physikalischen Therapie hat, diese entweder die durch das beanspruchte Hilfsmittel unterstützte eigene körperliche Betätigung wesentlich fördern oder die therapeutische Behandlungsfrequenz infolge der eigenen Bewegung geringer ausfallen kann und sich deshalb die Versorgung mit dem Hilfsmittel im Rahmen der Wahlmöglichkeit des Versicherten (vgl § 33 SGB I und § 9 Abs 1 SGB IX) als wirtschaftlich darstellt.

12

c) Eine solche enge Einbindung in die Krankenbehandlung weist die begehrte Rollstuhlversorgung nicht auf. Ziel dieser Versorgung ist nach der vom LSG in Bezug genommenen Erläuterung der dem Leistungsantrag zu Grunde liegenden Verordnung der behandelnden Ärztin die Teilnahme des Klägers am Rollstuhlsport zur "Aufrichtung der körperlichen, geistigen und seelischen Belastbarkeit und zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben". Ähnlich hat seine Mutter schon vorprozessual darauf abgestellt, dass der Rollstuhlsport die Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit sowie das soziale und psychische Verhalten ihres Sohnes stärke und er mit einem Sportrollstuhl besser mit den anderen Kindern mithalten könne. Für solche Zwecke haben die Krankenkassen indes nur aufzukommen, soweit sie auf spezialgesetzlicher Grundlage zur Verwirklichung ihres Rehabilitationsauftrages besondere Angebote etwa des Rehabilitationssports oder des Funktionstrainings in Gruppen bereit zu halten haben (vgl § 44 Abs 1 Nr 3 und 4 SGB IX). Darüber hinaus sind Hilfsmittel "zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung" von der GKV nicht zur Verfügung zu stellen.

13

3. Auch zum Behinderungsausgleich in dem von der GKV abzudeckenden Bereich der medizinischen Rehabilitation (§ 33 Abs 1 Satz 1, 3. Variante SGB V) ist der zusätzliche Sportrollstuhl nicht erforderlich. Die mit dem Leistungsbegehren des Klägers verfolgten Zwecke reichen über die Versorgungsziele hinaus, für die die Krankenkassen im Bereich der Mobilitätshilfen aufzukommen haben.

14

a) Im Ausgangspunkt bemisst sich die Leistungszuständigkeit der GKV im Bereich des Behinderungsausgleichs gemäß ständiger Rechtsprechung des BSG danach, ob eine Leistung zum unmittelbaren oder mittelbaren Behinderungsausgleich beansprucht wird. Im Vordergrund steht zumeist der Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst, wie es zB bei Prothesen der Fall ist. Bei diesem sog unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Daher kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist (vgl nur BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8 RdNr 4 - C-Leg II). Daneben können Hilfsmittel den Zweck haben, die direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen (sog mittelbarer Behinderungsausgleich). In diesem Fall hat die GKV nur für den Basisausgleich einzustehen; es geht nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der GKV ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation (vgl § 1 SGB V sowie § 6 Abs 1 Nr 1 iVm § 5 Nr 1 und 3 SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolgs, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme (vgl zB § 5 Nr 2 SGB IX: Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder § 5 Nr 4 SGB IX: Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft). Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der GKV daher nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft (stRspr, vgl zuletzt etwa BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2 RdNr 14 ff - Hörgerätefestbetrag; Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 13/09 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen, RdNr 16 f - Treppensteighilfe; Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 5/10 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen, RdNr 14 - Therapie-Dreirad II; jeweils mwN).

15

b) Als solches allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens ist in Bezug auf die Mobilität nur die Erschließung des Nahbereichs um die Wohnung eines Versicherten anerkannt, nicht aber das darüber hinausreichende Interesse an sportlicher Fortbewegung oder an der Erweiterung des Aktionsraums. Maßgebend für den von der GKV insoweit zu gewährleistenden Basisausgleich ist der Bewegungsradius, den ein Nichtbehinderter üblicherweise noch zu Fuß erreicht (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 29, 31 und 32 sowie BSG SozR 3-1200 § 33 Nr 1; stRspr). Dazu haben die Krankenkassen die Versicherten so auszustatten, dass sie sich nach Möglichkeit in der eigenen Wohnung bewegen und die Wohnung verlassen können, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31 - Rollstuhl-Bike II). Dagegen können die Versicherten - von besonderen zusätzlichen qualitativen Momenten abgesehen - grundsätzlich nicht beanspruchen, den Radius der selbstständigen Fortbewegung in Kombination von Auto und Rollstuhl (erheblich) zu erweitern, auch wenn im Einzelfall die Stellen der Alltagsgeschäfte nicht im Nahbereich liegen, dafür also längere Strecken zurückzulegen sind, die die Kräfte eines Rollstuhlfahrers möglicherweise übersteigen (BSGE 91, 60 RdNr 15 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3 RdNr 16 - Rollstuhl-Ladeboy; ebenso BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 29 S 173 - schwenkbarer Autositz und BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15 RdNr 10 - behinderungsgerechter PKW-Umbau; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31 S 187 - Rollstuhl-Bike II). Ebenso wenig rechnet die sportliche Betätigung ständiger Rechtsprechung des Senats zufolge zu den Grundbedürfnissen, für die die GKV ihre Versicherten mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich auszustatten haben (vgl etwa BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 2 - Therapie-Tandem bei übersteigertem Bewegungsdrang; zuletzt nochmals bekräftigt mit Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 5/10 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen, RdNr 15 - Therapie-Dreirad II).

16

c) Die Einstandspflicht der Krankenkassen für Mobilitätshilfen zum mittelbaren Behinderungsausgleich reicht auch bei Kindern und Jugendlichen nur dann weiter, wenn dies entweder zum Schulbesuch oder zur Integration in der kindlichen und jugendlichen Entwicklungsphase erforderlich ist; darauf hat auch das LSG zutreffend abgestellt. So können die Krankenkassen bei Kindern und Jugendlichen zwar grundsätzlich über die sonst geltenden Grenzen hinaus zur Gewährung von Hilfsmitteln verpflichtet sein, soweit es zur Förderung ihrer Integration in der jugendlichen Entwicklungsphase erforderlich ist. Das hat der erkennende Senat bereits früh für den Schulweg (Urteil vom 2.8.1979, SozR 2200 § 182b Nr 13 - Faltrollstuhl) und den Schulsport (Urteil vom 22.7.1981, SozR 2200 § 182 Nr 73 - Sportbrille) entschieden und später auf alle sächlichen Mittel erstreckt, die einem behinderten Kind oder Jugendlichen die Teilnahme am gesetzlich vorgeschriebenen allgemeinbildenden Unterricht ermöglichen (Urteil vom 26.5.1983, SozR 2200 § 182b Nr 28 - Mikroportanlage; Urteil vom 6.2.1997, SozR 3-2500 § 33 Nr 22 - behinderungsgerecht ausgestatteter PC; Urteil vom 30.1.2001, SozR 3-2500 § 33 Nr 40 Notebook für Jurastudium). Mit gleicher Zielrichtung hat der Senat dies später auf diejenigen Hilfsmittel erstreckt, die eine Teilnahme an den allgemein üblichen Freizeitbetätigungen Gleichaltriger ermöglichen sollen (Urteil vom 16.4.1998, SozR 3-2500 § 33 Nr 27 - Rollstuhl-Bike I; Urteil vom 23.7.2002, SozR 3-2500 § 33 Nr 46 - behindertengerechtes Dreirad). Als nicht ausreichend angesehen wurde aber auch bei Kindern oder Jugendlichen einerseits die Begegnung nur in der Familie (vgl zuletzt Urteil vom 12.8.2009, SozR 4-2500 § 33 Nr 25 - Rollfiets) und zum anderen das Bedürfnis nach sportlicher Betätigung an sich (vgl etwa Urteil vom 26.3.2003, SozR 4-2500 § 33 Nr 2 - Therapie-Tandem bei übersteigertem Bewegungsdrang).

17

d) Nach diesen Grundsätzen können auch jugendliche Versicherte die Versorgung mit besonders ausgestatteten Sportrollstühlen für den Vereinssport nicht beanspruchen. Hierfür bietet das besondere Sportinteresse des Klägers am Rollstuhlbasketball keine Grundlage und zudem reicht die Sportausübung in seinem Verein über den zwingend vorgegebenen Schulbesuch hinaus. Eine Einstandspflicht der Beklagten ist auch nicht zur Integration des Klägers in seiner jugendlichen Entwicklungsphase geboten. Zwar kann - anders als von der Beklagten anfangs geltend gemacht - die Begegnung in Gruppen von Kindern oder Jugendlichen mit Behinderungen wesentlich für den Entwicklungsprozess behinderter Kinder und Jugendlicher sein und ihnen Teilhabemöglichkeiten eröffnen, die ihnen ansonsten behinderungsbedingt verschlossen sind. Anders als vom LSG angenommen, steht dem Leistungsbegehren des weiteren nicht notwendig entgegen, dass nicht für jede sportliche Betätigung in einem Verein immer ein besonderer Rollstuhl erforderlich ist. Vielmehr durfte sich der Kläger unter Teilhabegesichtspunkten an denjenigen Sportangeboten orientieren, die - wie hier in der Anbindung an den örtlichen Rollstuhlbasketball-Bundesligaverein - an seinem Wohnort erreichbar sind. Gleichwohl reicht der Anspruch auf Versorgung mit einem für den Vereinssport besonders geeigneten Rollstuhl über den von der GKV zu gewährleistenden Basisausgleich hinaus, weil die Teilhabe am Vereinssport eine grundsätzlich andere Zielrichtung hat als das in der Rechtsprechung anerkannte Grundbedürfnis auf Integration in der kindlichen und jugendlichen Entwicklungsphase.

18

Leitender Beweggrund für dessen Anerkennung ist das Bestreben, behinderte Kinder und Jugendliche nach Möglichkeit vor behinderungsbedingten Ausgrenzungen im täglichen Leben zu bewahren oder diese zu mildern und damit Beeinträchtigungen ihrer Entwicklung entgegenzuwirken. Zwar bestimmt § 1 Satz 1 SGB IX grundsätzlich, dass "Behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen Leistungen... erhalten, um ihre Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken". § 1 Satz 2 SGB IX konkretisiert dies für den hier in Rede stehenden Personenkreis wie folgt: "Dabei wird den besonderen Bedürfnissen behinderter und von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder Rechnung getragen." In diesem Sinne müssen die Krankenkassen die notwendige Unterstützung leisten, damit behinderte Kinder und Jugendliche nicht von der Befolgung der allgemeinen Schulpflicht (vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 6) ausgeschlossen sind oder sie bei der Begegnung mit nichtbehinderten Kindern und Jugendlichen in ihrer Umgebung nicht mehr als ohnehin schon isoliert werden. Behinderte Kinder und Jugendliche sollen nicht vom üblichen Leben ihrer Altersgruppe ausgeschlossen, sondern trotz ihrer Behinderung integriert werden (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 27 S 158 - Rollstuhl-Bike I). Bei der Betätigung in einem Sportverein geht es hingegen nicht um die Vermeidung von Ausgrenzung, sondern vielmehr um die Erweiterung von Teilhabemöglichkeiten - und zwar in einem Bereich, für den die Krankenkassen außerhalb des Rehabilitationssports oder des Funktionstrainings gemäß § 44 Abs 1 Nr 3 und Nr 4 SGB IX gerade nicht mehr leistungsverpflichtet sind.

19

4. Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf das "Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen" (UN-Konvention) berufen. Diese Konvention ist am 3.5.2008 in Kraft getreten und durch Vertragsgesetz zum Übereinkommen vom 21.12.2008 (BGBl II 2008 1419) innerstaatlich verbindlich geworden; sie war deshalb zum Zeitpunkt der Entscheidung des LSG als geltendes Recht zu beachten (andere Situation in BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 25 RdNr 28). Allerdings können aus der UN-Konvention keine über § 33 SGB V hinausgehenden Leistungsansprüche hergeleitet werden. Insbesondere ergeben sich solche Ansprüche nicht aus Art 20 UN-Konvention. Danach verpflichten sich die Vertragsstaaten zu wirksamen Maßnahmen, um für Menschen mit Behinderungen persönliche Mobilität mit größtmöglicher Unabhängigkeit sicherzustellen. Zu diesem Zweck haben sie ua den Zugang zu hochwertigen Mobilitätshilfen zu erschwinglichen Preisen zu erleichtern. Hierbei handelt sich indes nur um eine Verpflichtung der Vertragsstaaten, deren volle Verwirklichung gemäß § 4 Abs 2 UN-Konvention nach und nach angestrebt werden soll(Rothfritz, Die Konvention der Vereinten Nationen zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen, 2010, S 465). Zudem kann aus den Regelungen der UN-Konvention kein subjektiv-öffentliches Recht des Einzelnen abgeleitet werden, ein konkretes und der persönlichen Mobilität dienendes Hilfsmittel von einem bestimmten Leistungsträger verlangen zu können. Die Bundesrepublik Deutschland trägt dem von der UN-Konvention angestrebten Zweck, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten sowie die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern (Art 1 UN-Konvention), ausreichend durch das gegliederte Leistungssystem des SGB und insbesondere durch dessen Neuntes Buch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - SGB IX) Rechnung. Weitergehende Einzelansprüche werden - zumindest für den Bereich der GKV - durch die UN-Konvention nicht begründet.

20

5. Die Beklagte ist auch nicht nach dem Leistungsrecht eines anderen Rehabilitationsträgers zur Gewährung des begehrten Sportrollstuhls verpflichtet. Allerdings oblag der Beklagten nach § 14 Abs 2 Satz 1 SGB IX als erstangegangenem Rehabilitationsträger die Prüfung aller weiter in Betracht zu ziehenden rehabilitationsrechtlichen Anspruchsgrundlagen. Denn der materiell-rechtlich - eigentlich - zuständige Rehabilitationsträger verliert im Außenverhältnis zum Versicherten oder Leistungsempfänger seine originäre Zuständigkeit für eine Teilhabeleistung, sobald der zuerst angegangene Rehabilitationsträger (hier: die beklagte Krankenkasse) eine iS von § 14 Abs 1 SGB IX fristgerechte Zuständigkeitsklärung versäumt und demzufolge die Zuständigkeit nach allen in Betracht kommenden rehabilitationsrechtlichen Rechtsgrundlagen auf ihn übergegangen ist. Eine so begründete Zuständigkeit der Krankenkasse nach § 14 Abs 2 Satz 1 SGB IX erstreckt sich im Außenverhältnis zum Versicherten auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation rehabilitationsrechtlich vorgesehen sind(vgl BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, RdNr 15 ff; BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 14, möglicherweise aA BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 3, RdNr 33; vgl auch BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, RdNr 23 - Kraftknoten). Zuständig ist also derjenige Träger, der von dem Versicherten bzw Leistungsbezieher erstmals mit dem zu beurteilenden Antrag auf Bewilligung einer Leistung zur Teilhabe befasst worden ist, hier die beklagte Krankenkasse.

21

Im Ergebnis ist die Entscheidung der Beklagten indes auch unter Berücksichtigung von § 14 Abs 2 Satz 1 SGB IX nicht zu beanstanden. Insbesondere ist dem Kläger ein Sportrollstuhl zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nicht auf sozialhilferechtlicher Grundlage zur Verfügung zu stellen. Denn nach den Feststellungen des LSG fehlt es dafür jedenfalls an einer Bedürftigkeit des Klägers. Dass die Vorinstanz Anlass gehabt hätte, dieser Frage im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht nach § 103 Satz 1 SGG weiter nachzugehen, kann dem Revisionsvorbringen nicht entnommen werden(vgl dazu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 103 RdNr 7). Im Gegenteil ist im angefochtenen LSG-Urteil ausdrücklich festgehalten, dass die fehlende Bedürftigkeit des Klägers von seiner Prozessbevollmächtigten im Termin zur mündlichen Verhandlung am 21.1.2010 bestätigt worden ist; diese Feststellung des LSG ist vom Revisionsvorbringen nicht als fehlerhaft gerügt worden. Offen bleiben kann deshalb, ob und ggf unter welchen Voraussetzungen die Versorgung mit solchen Rollstühlen als Leistung der Eingliederungshilfe von der Sozialhilfe beansprucht werden kann.

22

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 2. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist ein Anspruch des Klägers gegen die beklagte Krankenkasse auf Versorgung mit einer Unterschenkel-Sportprothese als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).

2

Der im Jahre 1978 geborene Kläger erlitt am 19.9.2003 bei einem Verkehrsunfall schwere Verletzungen; Komplikationen im Heilungsverlauf führten schließlich am 9.4.2008 zur Amputation des rechten Unterschenkels (GdB 90). Die Beklagte hat ihn mit einer Modular-Unterschenkelprothese aus Gießharz mit einem Carbonfederfuß sowie einer wasserfesten Prothese für die Mobilität in Nassbereichen ausgestattet. Der Kläger ist vollschichtig berufstätig und verbringt seine Freizeit vornehmlich mit sportlichen Aktivitäten. Er geht regelmäßig zum Schwimmen und in ein Fitnessstudio, fährt Rad, wandert, spielt Tischtennis und betätigt sich in einer Behindertensportgruppe als Sitzballspieler.

3

Am 21.4.2009 beantragte der Kläger unter Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung vom 3.4.2009 und eines Kostenvoranschlags über 11 450,96 Euro die zusätzliche Versorgung mit einer Unterschenkel-Sportprothese mit Oberschenkelhülse in Silikonschafttechnik zur Teilnahme an den sportlichen Aktivitäten. Er gab an, die vorhandene Prothese sei für den Sport weder vorgesehen noch auf Dauer geeignet. Insbesondere für das von ihm auch schon vor dem Unfall bevorzugte Badmintonspiel sei die Sportprothese erforderlich, weil sie über einen rückfedernden Spezialfuß nebst Seitenfeder verfüge und ihm auf diese Weise die sportarttypischen, besonders schnellen und kraftvollen Sprünge ermöglicht würden. Die Beklagte lehnte den Leistungsantrag nach Einholung einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ab, weil die Sportprothese für den Behinderungsausgleich nicht erforderlich sei. Er könne mit der Alltagsprothese problemlos gehen und stehen und seinen bisherigen sportlichen Aktivitäten ausreichend nachgehen. Die Sportprothese diene einem rein sportlichen Mobilitätsbedürfnis und sei wegen der starken Fußfederung für den Alltagsgebrauch eher ungeeignet. Die Zweitversorgung mit der Sportprothese könne daher auch nicht mit einer Verlängerung der Gebrauchsfähigkeit der Alltagsprothese begründet werden (Bescheid vom 22.4.2009, Widerspruchsbescheid vom 14.12.2009).

4

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 8.6.2011). Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 2.2.2012): Eine Beinprothese diene zwar dem unmittelbaren Behinderungsausgleich, bei dem grundsätzlich das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits gelte. Allerdings gebe es auch beim unmittelbaren Behinderungsausgleich keinen Anspruch auf Optimalversorgung. Die Sportprothese biete im Vergleich zu der vorhandenen Alltagsprothese nur einen geringen, auf bestimmte sportliche Aktivitäten in der Freizeit beschränkten Gebrauchsvorteil. Die Grundfunktionen des sicheren Gehens und Stehens seien durch die Alltagsprothese und die Badeprothese hinreichend gewährleistet. Auch die meisten Sportarten könnten mit diesen Prothesen ausgeübt werden. Nur das Badmintonspiel würde durch die Sportprothese erleichtert. Dieser Zweck rechtfertige die Zusatzversorgung jedoch nicht; einem gehbehinderten Menschen müsse nicht jede Form der Freizeitbetätigung auf Kosten der Versichertengemeinschaft der GKV ermöglicht werden.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 33 Abs 1 SGB V). Die prothetische Versorgung müsse nicht nur das normale Gehen, Stehen und Treppensteigen ermöglichen, sondern auch das schnelle Laufen, das Springen und sonstige rasche Bewegungen der Beine, weil es dabei um Körperfunktionen gehe, über die jeder nicht gehbehinderte Mensch verfüge. Die Gleichbehandlung mit nicht behinderten Menschen sei auch beim Freizeitsport zu gewährleisten (Art 3 Abs 3 GG, § 1 SGB IX). Die Alltagsprothese benutze er beim Sport nur als Notbehelf. Es besteht immer die Gefahr eines Materialbruchs durch Überlastung. Alltagsprothesen und Sportprothesen dienten grundsätzlich verschiedenen Zwecken, sodass die Maßstäbe einer üblichen "Zweitversorgung" nicht anwendbar seien. Gerügt werde auch die Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG). Das LSG hätte ermitteln müssen, ob er mit den vorhandenen Prothesen auch im Sportbereich im Sinne eines Gleichziehens mit den Fähigkeiten eines nicht gehbehinderten Menschen ausreichend versorgt sei.

6

Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG Rheinland-Pfalz vom 2.2.2012 und des SG Mainz vom 8.6.2011 zu ändern, den Bescheid der Beklagten vom 22.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.12.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn mit einer Unterschenkel-Sportprothese mit Oberschenkelhülse in Silikonschafttechnik zu versorgen.

7

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Berufungsurteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist unbegründet.

9

Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Versorgungsanspruch nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V hat, weil die Sportprothese nur der sportlichen Betätigung in der Freizeit dient und damit ein Versorgungsziel verfolgt wird, für das die Krankenkassen nicht aufzukommen haben. Die Ermöglichung sportlicher Aktivitäten fällt grundsätzlich nur dann in die Leistungspflicht der GKV bei der Hilfsmittelversorgung, wenn es dabei zugleich um die Gewährleistung eines allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens geht, wie es zB bei der Teilnahme am Sportunterricht in der Schule im Rahmen der Schulpflicht (BSG SozR 2200 § 182 Nr 73 - Sportbrille) oder bei der Integration von Kindern und Jugendlichen in den Kreis Gleichaltriger (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 27 - Rollstuhl-Bike als Fahrradersatz) der Fall ist, oder wenn es sich um die Teilnahme am ärztlich verordneten Rehabilitationssport und Funktionstraining (§ 44 Abs 1 Nr 3 und 4 SGB IX) handelt. Die Förderung des Freizeitsports und des Vereinssports gehört hingegen nicht zu den Aufgaben der Krankenkassen bei der Hilfsmittelversorgung (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 35 - Sportrollstuhl zur Teilnahme am Rollstuhlbasketballspiel in einem Behindertensportverein).

10

1. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Leistungsanspruchs ist § 33 Abs 1 S 1 SGB V in der ab 1.4.2007 geltenden Fassung von Art 1 Nr 17 GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl I 378), weil bei Leistungsklagen, auch wenn sie - wie hier - mit einer Anfechtungsklage verbunden sind, grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgebend ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 54 RdNr 34 mwN). Nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind. Nach § 33 Abs 1 S 4 SGB V umfasst der Anspruch auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Im vorliegenden Fall geht es um eine besondere Variante der Erstbeschaffung eines Hilfsmittels, deren Tatbestandsvoraussetzungen aber hier nicht erfüllt sind.

11

2. Die Leistungsablehnung ist rechtmäßig, weil die Sportprothese im vorliegenden Fall zum Behinderungsausgleich nicht erforderlich ist. Dieser in § 33 Abs 1 S 1 SGB V als 3. Variante genannte - und hier allein in Betracht kommende - Zweck (vgl jetzt auch § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX) eines von der GKV zu leistenden Hilfsmittels hat zweierlei Bedeutung.

12

a) Im Vordergrund einer Hilfsmittelversorgung steht zumeist der Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst. Bei diesem unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Die gesonderte Prüfung, ob ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen ist, entfällt, weil sich die unmittelbar auszugleichende Funktionsbeeinträchtigung selbst immer schon auf ein Grundbedürfnis bezieht; die Erhaltung bzw Wiederherstellung einer Körperfunktion ist als solche ein Grundbedürfnis. Dabei kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist (BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 4 - C-leg II). Die Wirtschaftlichkeit eines dem unmittelbaren Behinderungsausgleich dienenden Hilfsmittels ist grundsätzlich zu unterstellen und erst zu prüfen, wenn zwei tatsächlich gleichwertige, aber unterschiedlich teure Hilfsmittel zur Wahl stehen (vgl § 33 Abs 1 S 5 SGB V und § 31 Abs 3 SGB IX).

13

b) Daneben können Hilfsmittel den Zweck haben, die direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen (sog mittelbarer Behinderungsausgleich). In diesem Rahmen ist die GKV allerdings nur für den Basisausgleich der Folgen der Behinderung eintrittspflichtig (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 35 RdNr 14). Es geht hier nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der GKV ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation (vgl § 1 SGB V sowie § 6 Abs 1 Nr 1 iVm § 5 Nr 1 und 3 SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der GKV daher nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Nach ständiger Rechtsprechung gehören zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (BSGE 93, 176, 180 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 12; BSGE 91, 60, 63 RdNr 9 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3 RdNr 10; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 14; stRspr). Zum Grundbedürfnis der Erschließung eines geistigen Freiraums gehört ua die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen Menschen sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens bzw eines Schulwissens (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 29 und 46; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 11 RdNr 18). Zum körperlichen Freiraum gehört - im Sinne eines Basisausgleichs der eingeschränkten Bewegungsfreiheit - die Fähigkeit, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (zB Supermarkt, Arzt, Apotheke, Geldinstitut, Post), nicht aber die Bewegung außerhalb dieses Nahbereichs. Soweit überhaupt die Frage eines größeren Radius über das zu Fuß Erreichbare hinaus aufgeworfen worden ist, sind schon immer zusätzliche qualitative Momente verlangt worden (vgl BSGE 93, 176, 180 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 12 - Erreichbarkeit ambulanter medizinischer Versorgung für Wachkomapatientin; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 27 - Rollstuhl-Bike für Jugendliche; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 46 - behindertengerechtes Dreirad; BSG SozR 2200 § 182b Nr 13 - Faltrollstuhl).

14

c) Dem Gegenstand nach besteht für den unmittelbaren ebenso wie für den mittelbaren Behinderungsausgleich ein Anspruch auf die im Einzelfall ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Hilfsmittelversorgung, nicht jedoch ein Anspruch auf Optimalversorgung. Deshalb besteht kein Anspruch auf ein teureres Hilfsmittel, soweit die kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell in gleicher Weise geeignet ist (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 26 S 153; stRspr); andernfalls sind die Mehrkosten gemäß § 33 Abs 1 S 5 SGB V(ebenso § 31 Abs 3 SGB IX) von dem Versicherten selbst zu tragen. Die Krankenkassen haben auch nicht für solche "Innovationen" aufzukommen, die keine wesentlichen Gebrauchsvorteile für den Versicherten bewirken, sondern sich auf einen bloß besseren Komfort im Gebrauch oder eine bessere Optik beschränken (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44; BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 15).

15

d) Auf das normale Gehen, Stehen und Treppensteigen ausgelegte Beinprothesen sind Körperersatzstücke gemäß § 33 Abs 1 S 1 SGB V. Sie dienen dem unmittelbaren Ersatz des fehlenden Körperteils und dessen ausgefallener Funktion. Sie sind auf den Ausgleich der Behinderung selbst gerichtet und dienen der medizinischen Rehabilitation, ohne dass zusätzlich die Erfüllung eines allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens zu prüfen ist, wie es bei Hilfsmitteln erforderlich wäre, die nur die direkten und indirekten Folgen einer Behinderung ausgleichen sollen. Bei einer Beinprothese geht es um das Grundbedürfnis auf möglichst sicheres, gefahrloses Gehen und Stehen, wie es bei nicht behinderten Menschen durch die Funktion der Beine gewährleistet ist. Diese Funktion muss in möglichst weitgehender Weise ausgeglichen werden (BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8 - C-leg II).

16

3. Diese Grundsätze waren für den erkennenden Senat maßgeblich, als er in zwei Entscheidungen vom 25.6.2009 (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 23 und 24) die Frage zu klären hatte, ob beinamputierte Versicherte, die bereits mit einer normalen Laufprothese ausgestattet sind, die zusätzliche Versorgung mit einer Badeprothese beanspruchen können. Dies wurde für eine übliche (süßwasserbeständige) Badeprothese bejaht, für eine salzwasserbeständige Badeprothese dagegen verneint. Dabei ging es indes nicht, wie es auf den ersten Blick scheinen könnte, um die Ermöglichung einer bestimmten gesundheitsfördernden sportlichen Betätigung, nämlich das Schwimmen, sondern um die Befriedigung des Mobilitätsbedürfnisses in Nassbereichen und damit um die Erfüllung eines allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens.

17

a) Die normale Beinprothese hat einen konstruktionsbedingten Gebrauchsnachteil, weil sie nicht dort zu verwenden ist, wo der Benutzer beim Gehen und Stehen mit Wasser in Kontakt kommt. Durch den Kontakt mit Wasser besteht die große Gefahr einer Beschädigung, sodass die Krankenkassen zur Reparatur bzw zum Ersatz verpflichtet wären, was erhebliche Kosten verursacht. Außerdem ist der Fuß einer normalen Laufprothese so ausgelegt, dass er mit Schuhen getragen wird. Im Schwimmbad ist das Tragen von Straßenschuhen in aller Regel verboten. Ohne Schuhe besteht aber eine besondere Rutschgefahr. Unterarmgehstützen bieten nicht den gleichen Halt wie eine Beinprothese und sind für die Gang- und Standsicherheit nur ergänzend heranzuziehen. Die normale Laufprothese ist beim Aufenthalt in und am Wasser (Schwimmbad, Fluss, See) ungeeignet. Dieser Gebrauchsnachteil wird durch die zusätzliche Ausstattung mit einer Badeprothese kompensiert. Die Badeprothese gleicht praktisch das Funktionsdefizit der Alltagsprothese in Nassbereichen aus.

18

b) Der danach gegebene Anspruch eines beinamputierten Versicherten auf Versorgung mit einer Badeprothese wird durch die Bereitstellung einer normalen (süßwasserfesten) Prothese erfüllt. Das Funktionsdefizit einer Alltagsprothese ist dadurch im häuslichen Nassbereich vollständig und im außerhäuslichen Bereich im Wesentlichen erfüllt, weil es den Aufenthalt in herkömmlichen Schwimmbädern sowie an Flüssen und Binnenseen ermöglicht. Nicht geeignet ist eine süßwasserfeste Badeprothese lediglich für den Aufenthalt im und am Salzwasser, also in Salzwasser-Schwimmbädern und am Meer. Einen Ausgleich dieses Gebrauchsnachteils der ihm zur Verfügung gestellten Badeprothese kann der Versicherte jedoch nicht verlangen. Entscheidend ist insoweit, dass die salzwasserfeste Badeprothese dem Versicherten nicht - wie bei der normalen Badeprothese - in erster Linie das gefahrlose Gehen und Stehen in Nassbereichen innerhalb und außerhalb der Wohnung überhaupt erst ermöglichen soll, sondern der Aufenthalt in einer ganz speziellen Umgebung im Vordergrund steht (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 23 und 24).

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c) In solchen Konstellationen kommt es maßgeblich darauf an, ob die jeweilige "Zusatzfunktion" eines - in der Grundausführung dem unmittelbaren Behinderungsausgleich dienenden - Hilfsmittels (hier: die Salzwasserfestigkeit) notwendig ist, den besonderen Bedürfnissen eines behinderten Menschen zur Bewältigung seines Alltags unter Berücksichtigung der speziellen Grundsätze und Gebote des SGB IX Rechnung zu tragen. Dies war dort zu verneinen. Es ging lediglich um eine marginale Einschränkung der Alltagsgestaltung, die dem Versicherten zuzumuten ist, weil sie weder seine Selbstbestimmung noch seine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft fühlbar beeinträchtigt (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 23 und 24).

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Aber auch bei der Bewältigung des Alltags ist es einem Versicherten zumutbar, auf die vorhandenen Hilfsmittel zurückzugreifen. Nicht jede Form der Freizeitbeschäftigung muss auf Kosten der Versichertengemeinschaft der GKV ermöglicht werden. Dazu gehört der Aufenthalt im und am Salzwasser, sei es in einem Salzwasserthermalbad oder im Urlaub am Meer. Es ist zumutbar, das Salzwasser zu meiden und sich auf den Aufenthalt im Süßwasserbereich zu beschränken. Ein Versicherter, der diesen zumutbaren Gebrauchsnachteil einer normalen Badeprothese nicht hinnehmen möchte und eine salzwasserfeste Badeprothese benutzen will, hat die dadurch entstehenden Mehrkosten selbst zu tragen (§ 33 Abs 1 S 5 SGB V und § 31 Abs 3 SGB IX).

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4. Im Verhältnis von normaler Laufprothese und Badeprothese geht es um zwei sich in ihren Funktionen ergänzende Hilfsmittel zum unmittelbaren Behindertenausgleich, die stets nebeneinander beansprucht werden können. Davon zu unterscheiden ist die Situation eines Versicherten, der zum unmittelbaren Behinderungsausgleich mit einem herkömmlichen, voll funktionsfähigen Hilfsmittel versorgt ist, nun aber ein dem gleichen Zweck dienendes, aber technisch verbessertes oder aufwändiger ausgestattetes Hilfsmittel beansprucht. Es geht dabei um den besonderen Fall der qualifizierten Zweitversorgung bei Vorhandensein von zwei demselben Versorgungsziel dienenden Hilfsmitteln. Diese Situation ist zB gegeben, wenn ein gehbehinderter Versicherter, der mit einer herkömmlichen, mechanisch gesteuerten und noch voll funktionsfähigen Prothese ausgestattet ist, die Versorgung mit einer technisch weiterentwickelten, über ein mikroprozessorgesteuertes Kniegelenk verfügenden Prothese (C-leg) begehrt. Der erkennende Senat hat diesen Anspruch auf Zweitversorgung in mehreren Entscheidungen stattgegeben (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44; BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8): Beim unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Daher kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist (BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8 RdNr 4 - C-leg II). Dabei muss es stets um "wesentliche" Gebrauchsvorteile des neuartigen Hilfsmittels gehen, was dann der Fall ist, wenn sich die Gebrauchsvorteile allgemein im Alltagsleben auswirken, sich also nicht auf einen bloß besseren Komfort im Gebrauch oder eine bessere Optik beschränken. Da eine C-leg-Prothese im Vergleich zu einer hergebrachten mechanisch wirkenden Prothese über deutliche allgemeine - und damit "wesentliche" - Gebrauchsvorteile verfügt (zB weitgehende Annäherung an ein natürliches Gangbild und erhebliche Reduzierung der Sturzgefahr beim Gehen auf unebenem Untergrund und auf Treppen, vgl BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 5, 14, 15),ist der Anspruch auf Zweitversorgung jeweils zuerkannt worden.

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5. An diese Grundsätze ist anzuknüpfen, wenn es um die zusätzliche Versorgung eines beinamputierten Versicherten, der schon mit einer normalen Laufprothese und einer Badeprothese ausgestattet ist, mit einer Sportprothese geht, die ihm den Bereich des Freizeitsports noch weiter eröffnen soll, insbesondere mit Blick auf das von ihm bevorzugte Badmintonspiel.

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Die Sportprothese gleicht nicht ein Funktionsdefizit der normalen Laufprothese im Alltagsgebrauch aus, wie es bei der Badeprothese in Nassbereichen der Fall ist. Sie ermöglicht zwar durch den rückfedernden Spezialfuß ein besseres Springen und andere rasche Körperbewegungen, wie sie einem nicht gehbehinderten Menschen gleichen Alters regelmäßig ohne Weiteres möglich sind. Diesen Gebrauchsvorteil im Vergleich zur normalen Laufprothese benötigt der Kläger jedoch nicht zur Bewältigung von Mobilitätserfordernissen im Alltag, sondern ausschließlich für den Freizeitsport, der ihm in einem erheblichen Maße auch schon durch die vorhandene Prothese ermöglicht wird. Hierin besteht der Unterschied zu der Situation von beinamputierten Versicherten, die zwar mit einer funktionstüchtigen, alltagstauglichen mechanischen Beinprothese ausgestattet sind, nunmehr aber eine elektronisch gesteuerte Beinprothese beanspruchen, weil das Gangbild verbessert und die Sicherheit beim Gehen erheblich erhöht wird. Während beim C-leg der Gebrauchsvorteil also "wesentlich" ist, weil er sich im gesamten Alltagsgebrauch auswirkt, ist der Gebrauchsvorteil einer Sportprothese nicht "wesentlich", weil sie nur dem speziellen Mobilitätsbedürfnis des Klägers bei seinen sportlichen Aktivitäten in der Freizeit, vor allem beim Badmintonspiel, dient. Im Vergleich zur normalen Laufprothese, die ebenfalls sportliche Betätigungen in nennenswertem Umfang ermöglicht, bietet die Sportprothese für den Alltagsgebrauch keinen Gebrauchsvorteil, sondern wirkt sich sogar nachteilig aus, weil der rückfedernde Spezialfuß beim normalen Gehen eher hinderlich wirkt. Daher hat die Beklagte den Leistungsantrag des Klägers nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V zu Recht abgelehnt.

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6. Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf das "Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen" (UN-Konvention) berufen. Diese Konvention ist am 3.5.2008 in Kraft getreten und durch Vertragsgesetz zum Übereinkommen vom 21.12.2008 (BGBl II 1419) innerstaatlich verbindlich geworden; sie war deshalb zum Zeitpunkt der Entscheidung des LSG als geltendes Recht zu beachten (andere Situation in BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 25 RdNr 28). Allerdings können aus der UN-Konvention keine über § 33 SGB V hinausgehenden Leistungsansprüche hergeleitet werden. Insbesondere ergeben sich solche Ansprüche nicht aus Art 20 UN-Konvention. Danach verpflichten sich die Vertragsstaaten zu wirksamen Maßnahmen, um für Menschen mit Behinderungen persönliche Mobilität mit größtmöglicher Unabhängigkeit sicherzustellen. Zu diesem Zweck haben sie ua den Zugang zu hochwertigen Mobilitätshilfen zu erschwinglichen Preisen zu erleichtern. Hierbei handelt es sich indes nur um eine Verpflichtung der Vertragsstaaten, deren volle Verwirklichung gemäß Art 4 Abs 2 UN-Konvention nach und nach angestrebt werden soll (Rothfritz, Die Konvention der Vereinten Nationen zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen, 2010, S 465). Zudem kann aus den Regelungen der UN-Konvention kein subjektiv-öffentliches Recht des Einzelnen abgeleitet werden, ein konkretes und der persönlichen Mobilität dienendes Hilfsmittel von einem bestimmten Leistungsträger verlangen zu können. Die Bundesrepublik Deutschland trägt dem von der UN-Konvention angestrebten Zweck, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten sowie die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern (Art 1 UN-Konvention), ausreichend durch das gegliederte Leistungssystem des SGB und insbesondere durch dessen Neuntes Buch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - SGB IX) Rechnung. Weitergehende Einzelansprüche werden - zumindest für den Bereich der GKV - durch die UN-Konvention nicht begründet (vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 35 RdNr 19).

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7. Ein möglicher Anspruch gegen die Beklagte als erstangegangene Rehabilitationsträgerin nach § 14 SGB IX scheidet aus, weil die Leistungszuständigkeit anderer Sozialleistungsträger (Unfallversicherung, Sozialhilfe) weder aus den Akten ersichtlich noch vom Kläger geltend gemacht worden ist.

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8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.