Landessozialgericht NRW Beschluss, 11. Aug. 2014 - L 19 AS 1105/14 NZB

ECLI:ECLI:DE:LSGNRW:2014:0811.L19AS1105.14NZB.00
bei uns veröffentlicht am11.08.2014

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 13.05.2014 wird zurückgewiesen. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Beschwerdeverfahren zu erstatten.


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Urteilsbesprechung zu Landessozialgericht NRW Beschluss, 11. Aug. 2014 - L 19 AS 1105/14 NZB

Urteilsbesprechungen zu Landessozialgericht NRW Beschluss, 11. Aug. 2014 - L 19 AS 1105/14 NZB

Referenzen - Gesetze

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 144


(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier
Landessozialgericht NRW Beschluss, 11. Aug. 2014 - L 19 AS 1105/14 NZB zitiert 13 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 144


(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 177


Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialger

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 44 Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes


(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbrach

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 31 Begriff des Verwaltungsaktes


Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemei

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 79


(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist 1. der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat,2. der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält. (2) Der

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 145


(1) Die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht kann durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Ur

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 39


(1) Das Bundessozialgericht entscheidet über das Rechtsmittel der Revision. (2) Das Bundessozialgericht entscheidet im ersten und letzten Rechtszug über Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art zwischen dem Bund und den Ländern sowie zwischen

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Bundessozialgericht Urteil, 12. Dez. 2013 - B 4 AS 6/13 R

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Tenor Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 9. August 2012 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Geri

Bundesarbeitsgericht Beschluss, 15. Okt. 2012 - 5 AZN 1958/12

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Tenor 1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. Februar 2012 - 20 Sa 2058/11 - wird als

Bundessozialgericht Beschluss, 24. Sept. 2012 - B 14 AS 36/12 B

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Bundessozialgericht Beschluss, 19. Juli 2012 - B 1 KR 65/11 B

bei uns veröffentlicht am 19.07.2012

Tenor Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 4. August 2011 wird als unzulässig verworfen.

Bundessozialgericht Urteil, 19. Juni 2012 - B 4 AS 163/11 R

bei uns veröffentlicht am 19.06.2012

Tenor Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 9. Februar 2011 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesso

Bundesfinanzhof Beschluss, 12. Okt. 2011 - III B 56/11

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Gründe 1 Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Sofern der von der Klägeri

Bundesfinanzhof Beschluss, 21. Okt. 2010 - VIII B 107/09

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Gründe 1 Die Beschwerde ist nicht begründet. Weder weicht das Finanzgericht (FG) von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ab noch weist das angefochtene Urteil
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Sozialgericht Aachen Urteil, 28. Juni 2016 - S 18 SB 114/16

bei uns veröffentlicht am 28.06.2016

Tenor Der Widerspruchsbescheid vom 11.01.2016 wird aufgehoben. Kosten sind nicht zu erstatten. 1Tatbestand: 2Die Beteiligten streiten zuletzt noch über die Rechtmäßigkeit der Verwerfung eines Widerspruches als unzulässig. 3Bei dem am 00.00.0000 geb

Referenzen

(1) Die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht kann durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten einzulegen.

(2) Die Beschwerde soll das angefochtene Urteil bezeichnen und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Landessozialgericht entscheidet durch Beschluss. Die Zulassung der Berufung bedarf keiner Begründung. Der Ablehnung der Beschwerde soll eine kurze Begründung beigefügt werden. Mit der Ablehnung der Beschwerde wird das Urteil rechtskräftig.

(5) Läßt das Landessozialgericht die Berufung zu, wird das Beschwerdeverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Darauf ist in dem Beschluß hinzuweisen.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Das Bundessozialgericht entscheidet über das Rechtsmittel der Revision.

(2) Das Bundessozialgericht entscheidet im ersten und letzten Rechtszug über Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art zwischen dem Bund und den Ländern sowie zwischen verschiedenen Ländern in Angelegenheiten des § 51. Hält das Bundessozialgericht in diesen Fällen eine Streitigkeit für verfassungsrechtlich, so legt es die Sache dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vor. Das Bundesverfassungsgericht entscheidet mit bindender Wirkung.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

Tenor

Die Beschwerden der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. Januar 2012 werden verworfen.

Außergerichtliche Kosten der Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Die Kläger, die in Bedarfsgemeinschaft leben, machen einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in der Zeit vom 22.2.2006 bis zum 3.9.2006 geltend. Sie tragen vor, die erste Antragstellung bei der Beklagten - einer Optionskommune - sei zwar erst am 4.9.2006 erfolgt, bereits am 22.2.2006 sei aber bei Bearbeitung des Wohngeldantrages der Klägerin zu 1 beim Wohnungsamt der Beklagten erkennbar geworden, dass die Bedarfsgemeinschaft nicht über ausreichendes Einkommen verfüge und der Lebensunterhalt aus Schonvermögen (vgl § 12 Abs 2 SGB II) bestritten werde. Es sei vom Wohnungsamt lediglich Wohngeld bewilligt worden; weitergehende Hinweise seien nicht erfolgt. Die fehlende Antragstellung beim Träger der Grundsicherung sei entweder nach § 28 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) oder im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu ersetzen. Antrag, Widerspruch und Klage sind ohne Erfolg geblieben (Bescheid der Beklagten vom 14.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.5.2008; Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 8.7.2010). Das Hessische Landessozialgericht (LSG) hat die dagegen gerichtete Berufung der Kläger zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen (Urteil vom 23.11.2011).

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil wenden sich die Kläger mit ihren Nichtzulassungsbeschwerden zum Bundessozialgericht (BSG) und machen die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.

3

II. Die Nichtzulassungsbeschwerden sind unzulässig, denn die Kläger haben den von ihnen allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz) nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet bzw dargelegt (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerden waren daher ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG).

4

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist (BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 1500 § 160a Nr 13). Es muss daher anhand des anwendbaren Rechts unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, ggf sogar des Schrifttums, angegeben werden, welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt.

5

Ausgehend von diesen Grundsätzen sind Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, die sich vorliegend aus dem Anwendungsbereich des § 28 SGB X ergeben könnten, nicht ausreichend dargelegt. Wegen der zunächst gestellten Frage,

        

 ob die Vorschrift des § 28 Satz 2 SGB X ebenso wie die Vorschrift des § 28 Satz 1 SGB X erfordert, dass die zunächst beantragte Sozialleistung abgelehnt wurde oder zu erstatten ist,

fehlt es an einer ausreichenden Darlegung, weshalb die aufgestellte Rechtsfrage klärungsbedürftig sein sollte. Ihre Beantwortung ergibt sich aus dem Gesetz. Der Wortlaut des § 28 Satz 2 SGB X setzt voraus, dass die zunächst beantragte ("erste") Leistung (hier das Wohngeld) tatsächlich nicht erbracht worden ist ("wenn diese erbracht worden wäre"). Dieses Ergebnis ist in der Literatur und Rechtsprechung nicht in Frage gestellt, wie auch die Kläger einräumen. Weitergehende Darlegungen zur Klärungsbedürftigkeit sind nicht erfolgt.

6

Zudem setzen sich die Beschwerden nicht ausreichend mit der Rechtsprechung des Senats zu § 28 SGB X auseinander. § 28 Satz 2 SGB X gilt danach - wie sich ebenfalls aus dem Wortlaut ergibt - nur in den Fällen des Nachranges der zweiten Leistung(BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 16/09 R - SozR 4-4200 § 37 Nr 3 RdNr 27). Nach § 1 Abs 2 Nr 1 Wohngeldgesetz (WoGG) in der zum Antragszeitpunkt geltenden Fassung(nunmehr § 7 WoGG) ergibt sich aber ein Nachrang von Leistungen nach dem WoGG gegenüber Leistungen nach dem SGB II. Es fehlt an einer Auseinandersetzung mit diesen Vorschriften sowie der zitierten Entscheidung des Senats und ausführlichen Darlegungen dazu, weshalb sich vor diesem Hintergrund gleichwohl noch die Rechtsfrage stellt, ob § 28 Satz 2 SGB X auch in anderen Fällen Anwendung finden könnte.

7

Auch hinsichtlich der zu den Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs formulierten Rechtsfrage,

        

 ob und unter welchen Voraussetzungen eine Wohngeldbehörde bei erkennbarer Bedarfsunterschreitung beim Einkommen und erkennbarer Bestreitung des Lebensunterhalts aus Schonvermögen im Rahmen der Spontanberatung verpflichtet ist, einen Antragsteller auf die Möglichkeit von Leistungen nach dem SGB II trotz bestehendem Schonvermögens im Hinblick auf die Vermögensfreibeträge hinzuweisen,

sind die Darlegungen zur grundsätzlichen Bedeutung nicht ausreichend. Zwar führen die Beschwerden aus, es sei nach der Rechtsprechung des BSG unklar, ob die Wohngeldstelle auch hinsichtlich klar zu Tage tretender Gestaltungsmöglichkeiten im Hinblick auf Ansprüche nach dem SGB II beraten müsse und auf einem entsprechenden Beratungsmangel ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch beruhen könne. Dies genügt angesichts der zu dieser Problematik bislang ergangenen Rechtsprechung des BSG aber nicht. Diese Rechtsprechung des BSG ist zwar in der Beschwerdebegründung - zumindest teilweise - zitiert. Die Beschwerden zeigen jedoch nicht auf, weshalb die dort aufgestellten Grundsätze zur Beantwortung der von den Klägern aufgeworfenen Frage nicht ausreichen und welche weitergehenden Fragen sich stellen. Ausgehend von der bisherigen Rechtsprechung (vgl insbesondere BSG SozR 4-1200 § 14 Nr 5 RdNr 17), wonach eine Pflicht zu einer sog "Spontanberatung" durch eine andere Stelle zumindest voraussetzt, dass ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen der sinnvollerweise zu beantragenden Leistung und der eigentlich bearbeiteten Angelegenheit (hier also der Bearbeitung der Wohngeldangelegenheiten) besteht, hätte aufgezeigt werden müssen, aus welchen Vorschriften des WoGG im Einzelnen sich eine solche enge Verbundenheit mit den Angelegenheiten nach dem SGB II ergeben könnte, und welche weitergehenden Rechtsfragen sich in diesem Zusammenhang stellen.

8

Im Übrigen ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Anlass zur Spontanberatung nur dann vorliegt, wenn sich klar zu Tage tretende Gestaltungsmöglichkeiten ergeben, die sich offensichtlich als zweckmäßig aufdrängen und von jedem verständigen Versicherten mutmaßlich genutzt würden (vgl etwa BSG aaO RdNr 16 unter Hinweis auf BSGE 92, 34 = SozR 4-3100 § 60 Nr 1; BSG SozR 3-4100 § 110 Nr 2; BSG SozR 3-1200 § 14 Nr 16; BSG SozR 3-1200 § 14 Nr 6). Soweit sich die Kläger dagegen wenden, dass das LSG davon ausgegangen ist, bei der Klägerin zu 1 habe kein für die Wohngeldstelle erkennbarer Beratungsbedarf bestanden, weil sie nicht deutlich gemacht habe, ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln bestreiten zu können, wenden sie sich gegen die Würdigung des Sachverhalts im Einzelfall, die allein die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache nicht zu begründen vermag. Welche weitergehenden Fragen grundsätzlicher Bedeutung sich in diesem Zusammenhang stellen könnten, wird nicht ersichtlich.

9

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 9. Februar 2011 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Höhe des der Klägerin zustehenden Alg II im Zeitraum vom 1.6.2008 bis 30.11.2008.

2

Die Klägerin bezog bis zum 31.5.2008 Alg als Versicherungsleistung. Sie beantragte für sich und ihren Sohn R Leistungen nach dem SGB II ab dem 1.6.2008. Ebenfalls ab dem 1.6.2008 übte die Klägerin an fünf Tagen in der Woche eine Halbtagsbeschäftigung als Sekretärin bei der D AG mit einem Bruttogehalt in Höhe von 1066 Euro zuzüglich eines Arbeitgeberanteils zu den vermögenswirksamen Leistungen in Höhe von 40 Euro, netto 829,98 Euro aus.

3

Mit den Bescheiden vom 23.7.2008 und 17.9.2008 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen von Juni bis November 2008 in Höhe von 675,89 Euro für Juni, 107,28 Euro für Juli und jeweils 108,66 Euro für die Monate August bis November 2008. Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.10.2008 zurück.

4

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 14.5.2009). Hinsichtlich der geltend gemachten Ausgaben für Bekleidung und Kosmetika fehle es - unter Anwendung der steuerrechtlichen Grundsätze - an der Berücksichtigungsfähigkeit als Werbungskosten. Diesbezüglich ergäben sich auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

5

Das LSG hat den Beklagten unter Abänderung der angefochtenen Bescheide und des Urteils des SG verpflichtet, bei der Berücksichtigung des Einkommens der Klägerin den Anteil des Arbeitgebers zu den vermögenswirksamen Leistungen abzuziehen. Im Übrigen hat es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 9.2.2011). Das LSG hat zur Begründung ausgeführt: Streitgegenstand sei nur noch die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Zeitraum von Juni bis November 2008. Zwar könnten betreuungsbedingte Aufwendungen wie diesbezügliche Fahrkosten einer alleinstehenden Mutter oder Betreuungskosten selbst unter Umständen berücksichtigt werden, jedoch seien die von der Klägerin erst nachträglich geltend gemachten Ansprüche bzw Werbungsaufwendungen nicht zum Gegenstand des Rechtsstreits geworden. Es sei von einem Gesamtbedarf der Klägerin in Höhe von 1093,89 Euro monatlich auszugehen. Nach Abzug der zu berücksichtigenden Beträge einschließlich des Freibetrags nach § 30 SGB II errechne sich ein bereinigtes Erwerbseinkommen in Höhe von 576,97 Euro. Als Einkommen anzurechnen seien ferner das Kindergeld in Höhe von 154 Euro und der Unterhalt in Höhe von 257 Euro monatlich. Unter Berücksichtigung des Verschlechterungsverbots stelle sich nur noch die Frage, ob auch die Aufwendungen für vermögenswirksame Leistungen als Einkommen auf den Bedarf der Klägerin und ihres Sohnes anrechenbar seien und zum anderen die Frage der höheren Werbungskosten. Bei vermögenswirksamen Leistungen handele es sich - soweit der Arbeitgeberanteil betroffen sei - um eine zweckbestimmte Einnahme, die nicht als Einkommen zu berücksichtigen sei. Hingegen könne die von der Klägerin erbrachte Eigenleistung in Höhe von 40 Euro nicht vom Einkommen abgesetzt werden. Hinsichtlich der höheren Werbungskosten habe die Klägerin höhere Aufwendungen als die durch die Kilometerpauschale berücksichtigten Fahrkosten nicht nachweisen können. Zudem seien hinsichtlich der Aufwendungen für Kleidung sowie der Hygieneartikel und Kosmetika die Aufwendungen - mit Ausnahme einer Friseurquittung über 92,65 Euro sowie Quittungen für Textilien - nicht näher beziffert worden.

6

Mit der vom BSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 11 SGB II in Verbindung mit § 6 Abs 1 Nr 2 Alg II-V. Sie müsse zur Wahrnehmung ihrer Termine einen Aufwand an Kleidung und Kosmetik betreiben. Im Regelsatz für 2008 seien für Bekleidung und Schuhe monatlich 34,84 Euro enthalten. Für den Zeitraum vom 1.6.2008 bis zum 30.11.2008 habe der Klägerin also ein Satz von 209,04 Euro zur Verfügung gestanden. Die Klägerin gebe in sechs Monaten 452 Euro für Kleidung aus, davon seien 246 Euro berufsbedingt. Es bleibe kein Spielraum für berufsbedingte Kleidung. Außerdem gehe die Klägerin zwei Mal im Jahr zum Friseur. Damit sei der Bedarfssatz an Gesundheitspflege komplett aufgebraucht. Wenn das LSG darauf hinweise, dass die steuerrechtlichen Regelungen für einen Erwerbstätigen keine Absetzungsmöglichkeit für Business-Kleidung und Kosmetik/Friseur vorsehe, stelle sich die Frage, ob diese Regelung auf einen SGB II-Bezieher anwendbar sei, der aufgrund seines geringen Einkommens keine steuerlichen Absetzungsmöglichkeiten habe und insoweit für die Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit auf sein Existenzminimum zurückgreifen müsse. Bei der Klägerin liege im Hinblick auf den Eingriff in das Existenzminimum eine Verletzung des Sozialstaatsprinzips vor, da mit dem Existenzminimum auch noch berufsbedingte Aufwendungen finanziert werden müssten.

7

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 14. Mai 2009 und das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 9. Februar 2011 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Bescheide vom 23. Juli 2008 und 17. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Oktober 2008 aufzuheben und der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Juni 2008 bis 30. November 2008 für berufsbedingte Aufwendungen für Kleidung und Schuhe 246 Euro und 83 Euro für Friseurbesuch auszuzahlen.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Der Beklagte ist der Auffassung, der Gesetzgeber habe gerade auf die steuerrechtlichen Vorschriften abgestellt. Die gleichartige Beurteilung im Steuerrecht und im SGB II sei vor dem Hintergrund der Einheitlichkeit der Rechtsordnung geboten.

10

Der Beklagte hat sich in der mündlichen Verhandlung verpflichtet, hinsichtlich der von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen noch eine Verwaltungsentscheidung auf der Grundlage von Eingliederungsleistungen nach den §§ 16 ff SGB II zu treffen.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision ist im Sinne der Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG begründet. Der Senat vermochte über die Höhe des Leistungsanspruchs der Klägerin nicht abschließend zu entscheiden. Auf der Grundlage der Feststellungen des LSG konnte der Senat nicht beurteilen, ob vom Einkommen der Klägerin zusätzliche Beträge abzusetzen waren, die aus der Kinderbetreuung resultieren.

12

1. Streitgegenstand ist die Höhe der durch die Bescheide vom 23.7.2008 und vom 17.9.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 21.10.2008 für den Zeitraum vom 1.6.2008 bis 30.11.2008 festgesetzten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der Klägerin. Im Revisionsverfahren nicht mehr zu prüfen ist die durch das LSG erfolgte Verurteilung des Beklagten zur Zahlung höherer Leistungen (unter Abzug des Anteils des Arbeitgebers zu den vermögenswirksamen Leistungen), weil nur die Klägerin sich gegen das Urteil des LSG gewandt hat.

13

Das LSG hat den Streitgegenstand allerdings verkannt, soweit es davon ausgegangen ist, dass die von der Klägerin erst "nachträglich" geltend gemachten Aufwendungen für die Betreuung ihres Sohnes und die dazu notwendigen Fahrkosten nicht zum Gegenstand des Rechtsstreits geworden seien. Diese Aufwendungen betreffen, soweit sie vom zu berücksichtigenden Einkommen abzusetzen sind, als bloßer Berechnungsfaktor lediglich die Höhe des Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Derartige Berechnungsfaktoren bilden keinen eigenen materiell-rechtlichen Streitgegenstand. Dies kann mit dem LSG lediglich hinsichtlich weitergehender Ansprüche auf Eingliederungsleistungen nach dem SGB II angenommen werden (BSGE 102, 73 = SozR 4-4200 § 16 Nr 3, RdNr 9 zum Anspruch auf eine Mehraufwandsentschädigung bei einer Arbeitsgelegenheit; BSGE 107, 97 = SozR 4-4200 § 11 Nr 34, RdNr 18 zum Anspruch auf kommunale Eingliederungsleistungen).

14

2. Dem Leistungsanspruch der Klägerin im streitigen Zeitraum liegen die von der Klägerin zu beanspruchende Regelleistung in Höhe von 347 bzw 351 Euro, ein Mehrbedarf wegen Alleinerziehung in Höhe von 42 Euro sowie die anteiligen tatsächlichen Unterkunftskosten in Höhe von 218,75 Euro für die Miete und von 26,20 Euro für laufende Heizungskosten abzüglich der Kosten für die Warmwasserpauschale zugrunde.

15

3. Das neben dem Unterhaltsanspruch und dem Kindergeld als Einkommen zu berücksichtigende Erwerbseinkommen der Klägerin hat die Beklagte jeweils monatlich um einen Pauschalbetrag in Höhe von 15,33 Euro (= 1/60 der steuerrechtlichen Werbungskostenpauschale, § 6 Abs 1 Nr 2 Buchst a Alg II-V), Fahrkosten in Höhe von 59,22 Euro (21 Tage x 14,1 km x 0,20 Euro, § 6 Abs 1 Nr 2 Buchst b Alg II-V), die anteiligen Ausgaben für die Kfz-Haftpflichtversicherung in Höhe von 15,90 Euro und die Versicherungspauschale in Höhe von 30 Euro (§ 6 Abs 1 Nr 1 Alg II-V)vermindert. Schließlich ist ein Freibetrag bei Erwerbstätigkeit nach § 30 SGB II in Höhe von 170,60 Euro berücksichtigt worden. Hinsichtlich dieser Abzugsposten sind Fehler des Beklagten, die sich negativ auf den Leistungsanspruch der Klägerin auswirken würden, nicht ersichtlich.

16

a) Keine Einwände ergäben sich zunächst gegen die Auffassung des LSG, dass die von der Klägerin erbrachten Eigenleistungen im Rahmen von vermögenswirksamen Leistungen nicht vom Einkommen abzusetzen seien (vgl schon BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 32/06 R, BSGE 100, 83 = SozR 4-4200 § 20 Nr 6, RdNr 50). Die Eigenleistungen zu vermögenswirksamen Leistungen werden nicht in den in § 11 Abs 2 SGB II aufgeführten Privilegierungstatbeständen genannt. Dies ist mit Rücksicht darauf nicht zu beanstanden, dass der Vermögensaufbau nicht zu den Zielen des SGB II rechnet.

17

b) Entgegen der Auffassung der Klägerin kann ein über die zugebilligten Pauschalen hinausgehender Betrag für Business-Kleidung sowie für Kosmetik und Friseur nicht vom Einkommen in Abzug gebracht werden.

18

Vom zu berücksichtigenden Einkommen sind nach § 11 Abs 2 Nr 5 SGB II(in der bis zum 31.3.2011 unveränderten Fassung durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954) die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben abzusetzen. Mit dieser Vorschrift knüpft der Gesetzgeber schon ihrem Wortlaut nach nicht unmittelbar an die in § 9 EStG zu Werbungskosten getroffene Regelung an. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen besteht eine Identität zwischen den mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben und den Werbungskosten iS des § 9 EStG deshalb nur insoweit, als nicht der Zweck der Leistungen nach dem SGB II Differenzierungen gebietet(Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 11 Rz 462, Stand VI/10).

19

Hinsichtlich des Verhältnisses zu den steuerrechtlichen Werbungskosten ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Absetzungsmöglichkeit durch § 11 Abs 2 Nr 5 SGB II insofern ein engerer Rahmen gesetzt wird, als im SGB II eine kausale Verknüpfung allein zwischen den fraglichen Aufwendungen und der "Erzielung des Einkommens" gefordert wird, während § 9 Abs 1 S 1 EStG hinsichtlich der steuerrechtlichen Werbungskosten auf die "Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen" abstellt. Die Regelungen unterscheiden sich weiter dadurch, dass im Recht der Grundsicherung - ebenso wie im Sozialhilferecht (§ 82 Abs 2 Nr 4 SGB XII, vgl zum Verhältnis dieser Parallelvorschrift zu den steuerrechtlichen Werbungskosten Schmidt in jurisPK-SGB XII § 82 Rz 60) - nur notwendige Ausgaben als Abzugsposten berücksichtigt werden können, während es das Steuerrecht genügen lässt, wenn die Aufwendungen durch den Beruf des Steuerpflichtigen veranlasst sind (stRspr: BFH Urteil vom 23.3.2011 - VI R 175/99 - juris-RdNr 12 mwN). Ist der Begriff der Werbungskosten danach grundsätzlich weiter als die durch § 11 Abs 2 Nr 5 SGB II eröffneten Absetzungsmöglichkeiten, kann sich anderseits gleichwohl im Einzelfall ein weiteres Verständnis dadurch ergeben, dass dies durch ein zentrales Anliegen des Gesetzes, den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten bei der Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit zu unterstützen(§ 1 Abs 1 S 3 SGB II aF bzw § 1 Abs 2 S 3 SGB II nF), gefordert wird. Es ist deshalb ein nicht zu beanstandendes Vorgehen, zur Beurteilung der Frage, ob Aufwendungen mit der Erzielung des Einkommens notwendig verbunden sind, in einem ersten Schritt die steuerrechtlichen Grundsätzen heranzuziehen (vgl etwa Söhngen in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, § 11b RdNr 30) und in einem zweiten Schritt zu hinterfragen, ob sich aus den vorstehenden Grundsätzen ein abweichendes Verständnis ergibt.

20

aa) Den Vorinstanzen ist darin zuzustimmen, dass die von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen für Business-Kleidung und Schuhe anknüpfend an die steuerrechtliche Sichtweise nicht zu den mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben gehören. Dem Begriff der Werbungskosten unterfällt nach § 9 Abs 1 S 3 Nr 6 EStG nur die "typische Berufskleidung", die von der "bürgerlichen Kleidung" abgegrenzt wird. Hierbei hat der BFH darauf hingewiesen, dass die steuerrechtliche Regelung zur Berufskleidung zum Teil rechtsbegründenden Charakter hat, weil auch die Berufskleidung getragen wird um bekleidet zu sein und insoweit grundsätzlich den Kosten für die allgemeine Lebensführung zuzuordnen ist (vgl BFH Urteil vom 20.11.1979 - VI R 143/77, juris-RdNr 9 zu einem im bayerischen Stil gehaltenen Trachtenanzug des Geschäftsführers eines Nürnberger Lokals; vgl auch Loschelder in Schmidt, EStG, 31. Aufl 2012, § 9 Rz 171). Typische Berufskleidung ist steuerrechtlich also nur solche, die ihrer Beschaffenheit nach objektiv nahezu ausschließlich für die berufliche Verwendung bestimmt und wegen der Eigenart des Berufes nötig ist (BFH Urteil vom 20.11.1979 - VI R 143/77, juris-RdNr 10). In ihrer Beschaffenheit kommt die funktionale Bestimmung beruflicher Bekleidung entweder in ihrer Unterscheidungsfunktion oder ihrer Schutzfunktion zum Ausdruck (Thomas in Küttner, Personalbuch, 19. Aufl 2012, Arbeitskleidung Rz 17 mwN).

21

Die Abgrenzung zwischen beruflich veranlassten Aufwendungen und dem privaten Lebensbereich zuzuordnenden Ausgaben stellt sich im Recht der Grundsicherung in vergleichbarer Weise, weil dort die Regelleistung der Sicherung des typischerweise zu deckenden Bedarfs des Leistungsberechtigten dient. Vor dem Hintergrund der gleichermaßen bestehenden Erforderlichkeit einer klaren Abgrenzung zur Privatsphäre können Kleidungsstücke nur dann als Abzugsposten anerkannt werden, wenn es sich um der Eigenart des Berufes entsprechende spezifische Kleidung handelt, die wegen der Eigenart der beruflichen Anforderungen nötig ist. Hingegen wird "bürgerliche" Kleidung auch bei der Anwendung des § 11 Abs 2 Nr 5 SGB II nicht schon dadurch zur Ausübung des Berufes notwendigen Bekleidung, dass sie aufgrund einer Weisung oder Anforderung des Arbeitgebers getragen wird(zum Steuerrecht: Loschelder in Schmidt, EStG, 31. Aufl 2012, § 9 Rz 171).

22

Die Aufwendungen für die hier in Frage stehende Business-Kleidung kann nach den vorstehenden Ausführungen nicht als für die Erzielung des Einkommens notwendig angesehen werden. Es handelt sich schon nach dem Vortrag der Klägerin um Kleidung, die in erster Linie im Kundenkontakt ein seriöses und verkaufsförderndes Erscheinungsbild vermitteln sollte. Eine nicht nur ausnahmsweise private Nutzung derartiger Kleidung ist keinesfalls ausgeschlossen. Das Ziel einer Eingliederung in Arbeit und das Verfassungsrecht gebieten hier keine andere Beurteilung (s unten cc).

23

bb) Die von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen für Friseurbesuche sind unter Zugrundelegung der bisherigen Ausführungen ebenfalls nicht als notwendige Aufwendungen zur Erzielung von Einkommen iS des § 11 Abs 2 Nr 5 SGB II absetzungsfähig. Auch bei diesen Ausgaben handelt es sich um gemischte Aufwendungen, die zugleich dem privaten und beruflichen Lebensbereich zugeordnet werden können und die grundsätzlich durch die Regelleistung gedeckt werden. Allein der Umstand, dass die Klägerin hierfür möglicherweise überdurchschnittlich hohe Aufwendungen getätigt hat, die oberhalb des in der Regelleistung hierfür abgebildeten Satzes lagen, führt noch nicht zur ihrer Berücksichtigungsfähigkeit.

24

cc) Eine über die steuerrechtlichen Grundsätze hinausgehende Berücksichtigung von Aufwendungen ist allerdings im Einzelfall nach der Überzeugung des Senats geboten, wenn dies durch das zentrale Anliegen des SGB II, den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten bei der Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit zu unterstützen, geboten wird. Im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin ist allerdings darauf hinzuweisen, dass das übergreifende Ziel des SGB II, die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit von den Leistungen der Grundsicherung unabhängig zu machen, in erster Linie Gegenstand des Grundsatzes des Förderns (§ 14 SGB II) und der in den §§ 16 ff SGB II geregelten Eingliederungsleistungen ist. Insoweit kam für die von der Klägerin geltend gemachten Bedarfe im streitigen Zeitraum grundsätzlich ein Anspruch auf Leistungen nach § 16 Abs 2 S 1 SGB II(idF des Gesetzes vom 19.12.2007, BGBl I 3024) in Betracht. Nach dieser Vorschrift können von den Agenturen für Arbeit über die in Abs 1 genannten Leistungen hinaus weitere Leistungen erbracht werden, die für die Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in das Erwerbsleben erforderlich sind. Es handelt sich um eine Generalklausel für ergänzende, dem individuellen Bedarf angepasste Eingliederungsleistungen, die dem Träger einen breiten Handlungsspielraum eröffnet (BSG SozR 4-4200 § 16 Nr 1; vgl auch Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 16 RdNr 173; Harks in jurisPK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 16 RdNr 69). Die Leistungsgewährung auf der Grundlage dieser "Öffnungsklausel" war nicht auf die Arbeitsaufnahme beschränkt, sondern es kam auch eine Unterstützung bei der Fortführung einer ausgeübten Tätigkeit in Betracht. Festzustellen war jedoch jeweils die Erforderlichkeit der Leistungsgewährung für die berufliche Eingliederung.

25

Ob und in welchem Umfang die Klägerin auf der Grundlage des § 16 Abs 2 S 1 SGB II einen Leistungsanspruch im streitigen Zeitraum hat, war vom Senat im Revisionsverfahren nicht zu entscheiden. Insoweit mangelt es bereits an einer vorhergehenden Verwaltungsentscheidung des Beklagten (vgl hierzu BSGE 99, 67 = SozR 4-4200 § 7 Nr 6; BSGE 107, 97 = SozR 4-4200 § 11 Nr 34). Die einen selbstständigen Streitgegenstand bildenden Eingliederungsleistungen waren auch nicht von den Anträgen der Klägerin im Gerichtsverfahren umfasst. Eine verfassungsrechtliche Prüfung der von der Klägerin geltend gemachten Verletzung ihres Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG) kann nur unter Einbeziehung der Entscheidung über möglicherweise bestehende Ansprüche auf Eingliederungsleistungen vorgenommen werden.

26

c) Der Senat kann auf der Grundlage der vom LSG getroffenen Feststellungen nicht beurteilen, ob vom Einkommen weitere Absetzungen, die aus der Erforderlichkeit der Kinderbetreuung während der von der Klägerin ausgeübten Erwerbstätigkeit resultieren, zu tätigen sind. Der Senat hat bereits entschieden, dass eine Absetzbarkeit von Kosten der Kinderbetreuung vom zu berücksichtigenden Einkommen nach § 11 Abs 2 Nr 5 SGB II gegeben ist, wenn die Betreuungsaufwendungen infolge der Erwerbstätigkeit entstanden sind(BSGE 107, 97 = SozR 4-4200 § 11 Nr 34, jeweils RdNr 17; vgl auch schon zur Arbeitslosenhilfe BSG SozR 4-4300 § 194 Nr 3). Dies gilt insbesondere für die mit der Kinderbetreuung unmittelbar zusammenhängenden Fahrkosten. Ob der Klägerin insoweit zusätzliche Aufwendungen entstanden sind und ob diese notwendig iS des § 11 Abs 2 Nr 5 SGB II waren, hat das LSG - ausgehend von seiner Auffassung, diese seien nicht Gegenstand des Streitverfahrens geworden - ausdrücklich nicht geprüft. Dies wird es im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzuholen haben.

27

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 9. August 2012 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Zeitraum ab dem 18.1. bis 31.5.2010 unter Berücksichtigung eines Anspruchs auf Mehrbedarfsleistungen für Aufwendungen aufgrund einer kieferorthopädischen Behandlung, die nicht durch die gesetzliche Krankenversicherung getragen werden, in Höhe von nunmehr noch 928,11 Euro als Zuschuss.

2

Die 1996 geborene Klägerin, die zwischen dem 1.12.2009 und Ende Mai 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von dem Beklagten bezog (Leistungsbezug insgesamt von 2007 bis Ende Mai 2012), beantragte am 13.1.2010 die Gewährung einer Mehrbedarfsleistung für die Finanzierung einer kieferorthopädischen Behandlung. Die zuständige gesetzliche Krankenkasse hatte am 18.11.2009 eine Kostenzusage auf Grundlage eines Behandlungsplans des behandelnden Kieferorthopäden vom 22.9.2009 in Höhe von zunächst 1783,06 Euro erteilt. Darin enthalten seien alle medizinisch notwendigen Leistungen. Der darüber hinaus zu erbringende 20 prozentige Eigenanteil werde erstattet, wenn der Erfolg der Behandlung nachgewiesen werde. Der Kieferorthopäde erstellte darüber hinaus einen ergänzenden Heil- und Kostenplan (6.10.2009) wegen zusätzlicher Behandlungsmaßnahmen, verbunden mit einem voraussichtlichen weiteren Honorar in Höhe von 871,11 Euro und Labor- und Materialkosten in Höhe von 57 Euro. Ergänzend führte er hierzu am 30.11.2009 aus, dass diese Behandlungsmaßnahmen im Rahmen der geplanten umfassenden kieferorthopädischen Behandlung notwendig seien, jedoch nicht vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst würden. Die Behandlung wurde am 18.1.2010 aufgenommen.

3

Den zunächst von der Klägerin geltend gemachten Betrag von 1079,59 Euro reduzierte sie in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG auf einen Betrag von 928,11 Euro. Auf die darlehensweise Leistungsgewährung für den Eigenanteil in Höhe von 445,77 Euro verzichtete sie niederschriftlich. Zugleich legte die Klägerin Rechnungen des behandelnden Kieferorthopäden vor, betreffend sowohl die Forderungen für seine ergänzenden Behandlungsmaßnahmen, als auch ihren jeweiligen Eigenanteil.

4

Durch Bescheid vom 15.1.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.2.2010 lehnte der Beklagte die Gewährung einer Mehrbedarfsleistung für die Aufwendungen durch die kieferorthopädische Versorgung ab. Das SG hat die Klage hiergegen durch Gerichtsbescheid vom 7.2.2011 zurückgewiesen. Das Urteil des LSG vom 16.6.2011, mit dem dieses die Berufung als unzulässig verworfen hat, hat das BSG auf die Beschwerde der Klägerin durch Beschluss vom 20.12.2011 aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen (B 4 AS 161/11 B). Das LSG hat die Berufung alsdann durch Urteil vom 9.8.2012 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es an einer Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin mangele. § 21 Abs 6 SGB II scheide insoweit aus, denn es handele sich vorliegend weder um einen laufenden Bedarf, noch sei ein besonderer Bedarf im Sinne dieser Vorschrift gegeben. Schließlich sei der Bedarf auch nicht unabweisbar. Die medizinisch notwendige Versorgung werde von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen. Die Klägerin unterfalle den vom Gemeinsamen Bundesausschuss festgelegten Indikationsgruppen, sodass die Kostenübernahme bei Beleg des Erfolgs der Behandlung 100 % betrage. So habe die Krankenversicherung im vorliegenden Fall auch eine Kostenzusage erteilt. Die zusätzlichen Leistungen beträfen nur die Qualität der verwendeten Materialien und des Instrumentariums sowie zusätzliche Dienstleistungen, die nicht geeignet erschienen, die Qualität der Maßnahme zu erhöhen. Auch ohne sie wäre die Behandlung erfolgreich durchzuführen gewesen. Anhaltspunkte für eine nur unzureichende Erbringung von Leistungen durch die Krankenversicherung seien im vorliegenden Fall nicht zu erkennen. Der geltend gemachte Anspruch könne auch nicht auf § 73 SGB XII gestützt werden.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, dass es sich hier durchaus um einen laufenden Bedarf handele, denn sie habe mehrfach im Jahr Rechnungen des Kieferorthopäden zu begleichen gehabt. Auch sei der Bedarf, gemessen an dem, was in den Regelsatz für Gesundheitspflege eingestellt worden sei, atypisch. Der Bedarf sei auch unabweisbar, denn es handele sich um medizinisch notwendige Leistungen, die gleichwohl nicht vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst seien. Sie könnten andererseits nicht durch die Regelleistung gedeckt werden. Nur wer über ein hinreichendes Einkommen verfüge, könne derartige Leistungen finanzieren, nicht jedoch derjenige, der Leistungen nach dem SGB II beziehe. Für Gesundheitspflege sei bei der Berechnung des Regelsatzes lediglich ein pauschalierter Bedarfsanteil von 4 % bzw 4,27 % vorgesehen. Dies ergebe einen Betrag von rund 10 Euro monatlich. Im Gegensatz dazu habe die Klägerin durchschnittliche monatliche Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung von 42,37 Euro, wenn man die Gesamtaufwendungen auf 36 Kalendermonate verteile. Die zusätzlichen Kosten seien auch durch die überdurchschnittlichen Schwierigkeiten bei der Umformung des Kiefers der Klägerin bedingt und erforderlich, um einen nachhaltigen Behandlungserfolg sicher zu stellen. Bei Zweifeln an der medizinischen Notwendigkeit hätte das LSG ihrem Antrag auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens hierzu folgen müssen. Anspruchsgrundlage für die begehrte Leistung sei bis zum Inkrafttreten des § 21 Abs 6 SGB II am 3.6.2010 die Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 ff = SozR 4-4200 § 20 Nr 12).

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 9. August 2012, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 7. Februar 2011 und den Bescheid des Beklagten vom 15. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Februar 2010 aufzuheben sowie den Beklagten zu verurteilen, ihr höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Zuschusses für die Kosten ihrer kieferorthopädischen Behandlung in Höhe von 928,11 Euro zu gewähren.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält die Ausführungen des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG).

10

Der Senat vermochte nicht abschließend darüber zu befinden, ob die Klägerin in dem hier streitigen Bewilligungsabschnitt einen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hat. Streitgegenstand ist nicht allein eine Leistung für Mehrbedarf durch die kieferorthopädische Behandlung der Klägerin ab dem 18.1.2010. Zu befinden war vielmehr über die Höhe der Regelleistung insgesamt, allerdings ohne Leistungen für Unterkunft und Heizung, im Bewilligungszeitraum ab dem 1.12.2009 bis 31.5.2010. Ob die Klägerin ohne die Mehrbedarfsleistung einen Anspruch auf eine höhere Regelleistung gehabt hätte, kann der Senat in Ermangelung von Feststellungen des LSG hierzu nicht beurteilen. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Mehrbedarfsleistung wegen einer Härte auf Grundlage der Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - waren im hier streitigen Zeitraum jedoch nicht gegeben. Der Bedarf durch die Aufwendungen für die ergänzenden kieferorthopädischen Behandlungsmaßnahmen ist nicht unabweisbar.

11

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1.12.2009 bis 31.5.2010 unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für die kieferorthopädische Versorgung der Klägerin. Der Beklagte hatte die Regelleistung durch bestandskräftigen Bescheid vom 24.8.2009 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 1.10.2009 für diesen Zeitraum bewilligt und den die Regelleistung erhöhenden Mehrbedarf durch den hier streitbefangenen Bescheid vom 15.1.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.2.2010 abgelehnt. Der erkennende Senat folgt dem LSG insoweit, als dieses durch seine Eingrenzung des Streitgegenstandes auf Leistungen für Mehrbedarf zum Ausdruck bringt, dass zumindest Leistungen für Unterkunft und Heizung nicht im Streit stehen (zur Eigenständig- und Abtrennbarkeit der Kosten der Unterkunft als Streitgegenstand für die Zeit vor dem Inkrafttreten des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG zum 1.1.2011, BGBl I 453, vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 ff; s auch BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 11). Die weiteren Regelungen in diesen Bescheiden betreffend die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts können jedoch nicht rechtlich zulässig in unterschiedliche Streitgegenstände aufgespalten werden (vgl BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R -, aaO). Dieses gilt auch für eine Leistung für Mehrbedarf, die nach der Rechtsprechung des 14. Senats des BSG, der sich der erkennende Senat angeschlossen hat, Bestandteil der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist (vgl nur BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 11; BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 11; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 48/12 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 15, RdNr 9 ff). Ebenso wenig stellt der Anspruch auf eine Leistung nach § 21 Abs 6 SGB II oder soweit hier ein Härtebedarf geltend gemacht wird, nach den Vorgaben der Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 (BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12, RdNr 204, 220), einen eigenständigen und von der Höhe der Regelleistung abtrennbaren Streitgegenstand dar (BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 12). Die Höhe der weiteren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist somit unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu überprüfen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des erkennenden Senats vom 10.9.2013 (B 4 AS 12/13 R - SozR 4-4200 § 28 Nr 8). Der Senat hat dort die Frage nach der Möglichkeit der selbstständigen Geltendmachung von Mehrbedarfsleistungen nach § 21 Abs 6 SGB II ausdrücklich dahinstehen lassen(BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 12/13 R - RdNr 26), denn er hat einen Anspruch auf Grundlage dieser Vorschrift von vornherein verneint. Die dort begehrte Übernahme der Leihgebühren für ein schulisch genutztes Cello war eine selbstständig geltend zu machende Teilhabeleistung, also ein Streitgegenstand unabhängig von dem Regelbedarfsanspruch. Das Begehren ist insoweit lediglich auf eine weitere Anspruchsgrundlage hin vom Senat untersucht worden.

12

Auch wenn die Klägerin hier einen Gesamtbedarf für die kieferorthopädische Behandlung geltend macht, der sich prognostisch über einen längeren Zeitraum als den im Bescheid vom 24.8.2009 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 1.10.2010 geregelten Bewilligungszeitraum vom 1.12.2009 bis 31.5.2010 erstreckt und der Bescheid des Beklagten vom 15.1.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.2.2010 keine ausdrückliche Bezugnahme auf einen bestimmten Bewilligungsabschnitt erkennen lässt, sind die weiteren Bewilligungsabschnitte bis zum Ausscheiden der Klägerin aus dem Leistungsbezug hier nicht ebenfalls Gegenstand des Verfahrens geworden. Lediglich sofern der Träger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gänzlich ablehnt, können zulässiger Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens - je nach Klageantrag - Leistungen für den gesamten bis zur Entscheidung verstrichenen Zeitraum sein (stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, RdNr 30). Ist dagegen - wie soeben dargelegt - nur die Höhe der laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts streitig, kann einer Entscheidung des Trägers der Grundsicherung wegen der in § 41 Abs 1 S 4 SGB II vorgesehenen abschnittsweisen Bewilligung von Leistungen grundsätzlich keine Bindungswirkung für künftige Bewilligungsabschnitte zukommen(so ausdrücklich zum Mehrbedarf BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 59/09 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 9 RdNr 16). Da der Beklagte hier die Erhöhung der Regelleistung durch eine Mehrbedarfsleistung gänzlich abgelehnt hat, bedurfte es aus seiner Sicht auch keiner Entscheidung für weitere Zeiträume. Zu dieser wäre er, ohne die konkrete Höhe oder den Zeitpunkt des Anfalls des geltend gemachten Bedarfs zu kennen und wegen der in § 41 Abs 1 S 4 SGB II vorgesehenen abschnittsweisen Bewilligung von Leistungen, auch nicht berechtigt gewesen(vgl hierzu BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 49/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 10 RdNr 14). Dies war als Wille der Behörde für einen verständigen Beteiligten auch zu erkennen (BSG Urteil vom 28.6.1990 - 4 RA 57/89 - BSGE 67, 104, 110 = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11). Vernünftigerweise ergibt sich für den Bescheidempfänger in einem solchen Fall, dass eine (ablehnende) Regelung des Beklagten über eine höhere Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung des geltend gemachten Mehrbedarfs nur für solche Bewilligungsabschnitte erfolgt, die im Zeitpunkt der Behördenentscheidung in der Vergangenheit lagen bzw in der Gegenwart liegen.

13

Da die Klägerin im Hinblick auf die Höhe der Regelleistung einschließlich der Mehrbedarfe die Bewilligungsbescheide für die weiteren Abschnitte zudem nicht fristgerecht mit einem Rechtsbehelf angegriffen hat, sind sie nach Aktenlage zumindest bezüglich der Höhe der Regelleistung bestandskräftig geworden (vgl § 77 SGG). Ihre Einbeziehung in das laufende Klage- bzw Berufungsverfahren im Wege der Klageänderung (§ 99 SGG) scheidet daher ebenfalls aus. In zeitlicher Hinsicht kann sich die Leistungsklage der Klägerin damit zulässigerweise nur auf höhere laufende Leistungen für den Bewilligungsabschnitt vom 1.12.2009 bis zum 31.5.2010 ab der geltend gemachten Änderung der Verhältnisse (hier ab dem 18.1.2010) richten.

14

2. Ob der Klägerin in dem streitbefangenen Zeitraum höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zustehen, kann der Senat wegen fehlender Feststellungen des LSG nicht beurteilen. Die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist - wie schon dargelegt - unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen (BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 59/09 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 9 mwN). Die Entscheidung des LSG befasst sich jedoch nicht mit anderen Bedarfen der Klägerin als dem Mehrbedarf wegen der Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung, die möglicherweise zu einer Erhöhung des Sozialgeldes nach § 28 Abs 1 S 2 iVm § 19 Abs 1 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008 (BGBl I 2917 mWv 1.1.2009) führen könnten. Feststellungen hierzu wird das LSG im wieder eröffneten Berufungsverfahren nachzuholen haben.

15

3. Einen Anspruch auf eine Mehrbedarfsleistung wegen der Aufwendungen für die ergänzenden kieferorthopädischen Behandlungsmaßnahmen hatte die Klägerin im streitigen Zeitraum jedoch nicht. Als Anspruchsgrundlagen hierfür kommen für den Zeitraum bis zur Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - § 73 SGB XII und danach die Vorgaben des BVerfG in dieser Entscheidung in Betracht(zur Frage der Rückwirkung der Entscheidung des BVerfG s BSG Urteil vom 19.8.2010 - B 14 AS 13/10 R - SozR 4-3500 § 73 Nr 3 RdNr 23).

16

Da der Klägerin jedoch für den Zeitraum vom 18.1.2010 - dem Beginn der kieferorthopädischen Behandlung - bis zum 30.3.2010 unter Zugrundelegung der von ihr in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG vorgelegten Rechnungen keine Aufwendungen durch die ergänzenden Behandlungsmaßnahmen des Kieferorthopäden entstanden sind, konnte der Senat davon absehen, den geltend gemachten Anspruch auf der Grundlage von § 73 SGB XII zu überprüfen. Die beiden Rechnungen vom 23.12.2009 und 31.2.2010 betreffen den Versicherten- oder Eigenanteil, der nicht mehr im Streit steht.

17

Das BVerfG hatte den Gesetzgeber verpflichtet, bis spätestens zum 31.12.2010 eine Regelung im SGB II zu schaffen, die sicherstellt, dass besonderer Bedarf gedeckt wird. Zugleich hat das BVerfG bestimmt, dass die nach § 7 SGB II Leistungsberechtigten, bei denen ein derartiger besonderer Bedarf vorliegt, auch vor der Neuregelung im Hinblick auf den Gewährleistungsanspruch aus Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG die erforderlichen Sach- oder Geldleistungen erhalten müssen. Deshalb war in der Übergangszeit bis zur Einführung einer entsprechenden Härtefallklausel die verfassungswidrige Lücke für die Zeit ab der Verkündung des Urteils durch eine entsprechende Anordnung zu schließen, mit einem Anspruch zu Lasten des Bundes. Materiell-rechtlich orientiert sich der Anspruch auf eine Mehrbedarfsleistung im Härtefall nach der Entscheidung des BVerfG an den Voraussetzungen des § 73 SGB XII, wie sie in der Rechtsprechung des BSG ihre Ausformung gefunden haben(BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, RdNr 22; BSG Urteil vom 19.8.2010 - B 14 AS 13/10 R - SozR 4-3500 § 73 Nr 3 RdNr 15 ff; BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 AS 11/10 R - SozR 4-4200 § 44 Nr 2 RdNr 16). Das BVerfG konkretisiert den Härtebedarf als einen zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen, unabweisbaren Bedarf. Einen derartigen Bedarf hat die Klägerin im Hinblick auf die Aufwendungen durch die ergänzende kieferorthopädische Versorgung - soweit sie nicht von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen werden - nicht geltend gemacht.

18

Zwar fehlt es in der Entscheidung des LSG an einer umfassenden Feststellung des Zeitpunkts der Entstehung und der Höhe der Bedarfe der Klägerin durch die Aufwendungen für die ergänzende kieferorthopädische Versorgung im Bewilligungszeitraum. Für die Leistungsgewährung reicht - im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin - ein rein prognostischer Bedarf, wie hier aufgrund eines Heil- und Kostenplans für eine für mehrere Jahre geplante Behandlung, nicht. Dass der Bedarf prognostisch auch in Zukunft wiederkehren muss, damit es sich um einen laufenden Bedarf handelt, ändert nichts daran, dass er sich im Zeitpunkt der Leistungsgewährung selbst bereits realisiert haben muss. Dies folgt für die Zeit vor dem Inkrafttreten des § 21 Abs 6 SGB II aus dem Leistungssystem des SGB II und seit dem Inkrafttreten des § 21 Abs 6 SGB II am 3.6.2010 (s Art 4 Abs 2 des Gesetzes zur Abschaffung des Finanzplanungsrates und zur Übertragung der fortzuführenden Aufgaben auf den Stabilitätsrat sowie zur Änderung weiterer Gesetze vom 27.5.2010, BGBl I 671) ausdrücklich aus dem Wortlaut der Vorschrift. Nach dessen Satz 1 muss der Bedarf bestehen.

19

Im vorliegenden Fall entsteht der Bedarf, der durch SGB II-Leistungen zu decken sein könnte, erst mit den Rechnungsstellungen durch den behandelnden Kieferorthopäden. Die Leistungsberechtigte muss der Forderung tatsächlich ausgesetzt sein; sie darf nicht erst zukünftig entstehen. Dies gilt auch, wenn sie ihre Grundlage in einer vertraglichen Beziehung hat. Nach Aktenlage ist für den hier streitigen Bewilligungszeitraum lediglich erkennbar, dass der Kieferorthopäde am 31.3.2010 gegenüber der Klägerin eine Forderung in Höhe von 133,46 Euro geltend gemacht hat. Daher scheitert der Anspruch auf die begehrte Leistung im vorliegenden Fall nicht bereits daran, dass noch gar kein Bedarf entstanden war.

20

Die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen aus den oben dargelegten Vorgaben des BVerfG sind jedoch nicht erfüllt. Der von der Klägerin geltend gemachte Bedarf ist zumindest nicht unabweisbar. Es kann daher dahinstehen, ob es sich im konkreten Fall um einen laufenden und besonderen Bedarf handelt.

21

Nach der Kodifizierung der Härteleistung durch § 21 Abs 6 SGB II wird Unabweisbarkeit ua als gegeben angesehen, wenn der Bedarf insbesondere nicht durch Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist. Die Voraussetzungen für eine Härteleistung vor der Kodifizierung waren insoweit keine anderen. Die Subsidiarität der Leistungserbringung nach dem SGB II folgt bereits aus § 5 Abs 1 S 1 SGB II. Insbesondere die Leistungen anderer Sozialleistungsträger sind danach zur Bedarfsdeckung in Anspruch zu nehmen. § 3 Abs 3 S 1 Halbs 1 SGB II stellt den allgemeinen Grundsatz auf, dass Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nur erbracht werden dürfen, soweit die Hilfebedürftigkeit nicht anderweitig beseitigt werden kann, also auch nicht durch den Einsatz eigener Mittel des Leistungsberechtigten oder die Dritter.

22

Unabweisbar im Sinne des Grundsicherungsrechts kann wegen der Subsidiarität dieses Leistungssystems ein medizinischer Bedarf demnach grundsätzlich nur dann sein, wenn nicht die gesetzliche Krankenversicherung oder Dritte zur Leistungserbringung, also zur Bedarfsdeckung, verpflichtet sind (vgl Behrend in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, § 21 RdNr 111, Stand 12.11.2013; Düring in Gagel, SGB II/SGB III, § 21 SGB II, RdNr 49, Stand 11/2013; S. Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 21 RdNr 74; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 21 RdNr 88, Stand 05/2011). Dabei ist zu unterscheiden zwischen dem Fall, in dem der Ausfall der Bedarfsdeckung durch die gesetzliche Krankenversicherung aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung des Versicherten zur Zuzahlung oder vorläufigen/endgültigen Tragung eines Eigenanteils, wie etwa nach § 29 Abs 2 SGB V für die kieferorthopädische Versorgung, erfolgt und dem Fall, dass dem Leistungsberechtigten durch eine medizinisch notwendige Behandlung deswegen regelmäßig Kosten entstehen, weil Leistungen der Krankenversicherung etwa wegen ihres geringen Abgabepreises, aus sonstigen Kostengründen oder aus systematischen/sozialpolitischen Gründen von der Versorgung nach dem SGB V ausgenommen werden(vgl Behrend in jurisPK-SGB II, aaO, § 21 RdNr 114 ff, Stand 12.11.2013; S. Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 21 RdNr 74). In ersterem Fall sieht § 62 SGB V auch für Bezieher von Alg II eine Zuzahlung bis zur Belastungsgrenze vor und § 29 Abs 2 SGB V fordert den Eigenanteil an der kieferorthopädischen Versorgung als Vorleistung des Versicherten bis zum endgültigen Abschluss der Behandlung ohne Ausnahme. SGB II-Empfänger haben demnach Zuzahlungen und die Vorleistung des Eigenanteils aus dem Regelbedarf zu erbringen. Ob wegen eines ggf über mehrere Jahre zu zahlenden Eigenanteils nach § 29 Abs 2 SGB V SGB II-Leistungen zu erbringen sind - eventuell eine darlehensweise Übernahme des hierfür erforderlichen Betrags(vgl hierzu Scheibe, SozSich 2011, 352, 357 f) -, konnte hier dahinstehen. Der ursprünglich auch geltend gemachte Eigenanteil nach § 29 Abs 2 SGB V ist im vorliegenden Fall nicht mehr streitig. Werden, wie im zweiten Fall, Aufwendungen für eine medizinisch notwendige Behandlung aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, kann grundsätzlich ein Anspruch auf eine Mehrbedarfsleistung entstehen (vgl BSG Urteil vom 6.3.2012 - B 1 KR 24/10 R - BSGE 110, 183 = SozR 4-2500 § 34 Nr 9, Leitsatz 3; s auch BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 146/10 R - BSGE 108, 235 = SozR 4-4200 § 20 Nr 13, RdNr 24). Unter welchen Voraussetzungen dies zu erfolgen hat, ist bisher noch nicht abschließend geklärt. Jedenfalls scheidet eine Leistungsgewährung aus, wenn der Leistungsberechtigte wegen der Erkrankungen keine Kosten geltend macht, die über das hinausgehen, was für die übrigen Kosten für Gesundheitspflege im Regelbedarf vorgesehen ist (Bagatellgrenze; BSG Urteil vom 26.5.2011, aaO, RdNr 25 - 26) und wenn die gesetzliche Krankenversicherung die Kosten einer medizinisch notwendigen Behandlung trägt.

23

Vorliegend kann aufgrund der Feststellungen des LSG zwar nicht beurteilt werden, ob die gesetzliche Krankenkasse überhaupt die Übernahme der Kosten für die Behandlungsmaßnahmen aus dem ergänzenden Heil- und Kostenplan abgelehnt hat. Fest steht nur, dass die gesetzliche Krankenversicherung den ihr vorgelegten Behandlungsplan "genehmigt" und auf dessen Grundlage eine Kostenzusage erteilt hat. Ob der ergänzende Heil- und Kostenplan des Kieferorthopäden vom 6.10.2010, der die Grundlage für die hier geltend gemachte Forderung bildet, der gesetzlichen Krankenversicherung vorgelegt worden ist, sodass diese darüber befinden konnte, ob die von dem Kieferorthopäden darin als "medizinisch notwendig" benannten weiteren Behandlungsmaßnahmen im Rahmen der §§ 27, 29 SGB V zu übernehmen gewesen wären, ist fraglich. Die Aussage des Kieferorthopäden im Schreiben vom 30.11.2009, dass die im ergänzenden Behandlungsplan aufgeführten Behandlungsmaßnahmen nicht vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst seien, reicht insoweit nicht aus.

24

An dem Fehlen der Unabweisbarkeit des hier geltend gemachten Bedarfs ändert es jedoch auch nichts, wenn die gesetzliche Krankenkasse ihre Leistungsverpflichtung nach dem SGB V für die Behandlungsmaßnahmen aufgrund des ergänzenden Heil- und Kostenplans verneint hätte. Eine Unabweisbarkeit des Bedarfs könnte nur dann in Betracht zu ziehen sein, wenn das SGB V einen Leistungsausschluss für eine medizinisch notwendige kieferorthopädische Versorgung in der konkreten Fallgestaltung vorsähe. Zwar kennt das SGB V auch bei der kieferorthopädischen Versorgung Leistungsbeschränkungen. Wenn jedoch die gesetzliche Krankenversicherung kieferorthopädische Versorgung erbringt, leistet sie auch die medizinisch notwendige Behandlung. So liegt der Fall hier.

25

Nach § 27 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern, also Anspruch auf die medizinisch notwendige Behandlung. Von der durch die gesetzliche Krankenversicherung zu erbringenden kieferorthopädischen Versorgung teilweise oder ganz ausgeschlossen sind nach dem SGB V zwei Fallgruppen. Es sind zum einen die über 18-jährigen und diejenigen, bei denen keine Indikation zur kieferorthopädischen Behandlung gegeben ist. Nach § 28 Abs 2 S 6 und 7 SGB V erhalten Versicherte keine kieferorthopädische Behandlung, die zu Beginn der Behandlung das 18. Lebensjahr vollendet haben, es sei denn, bei ihnen liegen schwere Kieferanomalien vor, die ein Ausmaß haben, das kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlungsmaßnahmen dennoch erfordert (s auch BT-Drucks 12/3608 - Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung, S 79 zu § 28; BSG Urteil vom 9.12.1997 - 1 RK 11/97 - BSGE 81, 245 = SozR 3-2500 § 28 Nr 3). Die Klägerin war zu Beginn der Behandlung noch nicht volljährig, sodass sie insoweit keiner Beschränkung der Versorgung unterlag. Daher bedurfte es hier auch keiner weiteren Ausführungen dazu, ob überhaupt Fallgestaltungen denkbar sind, in denen volljährigen Versicherten Grundsicherungsleistungen zu erbringen wären, weil die notwendige kieferorthopädische medizinische Versorgung durch die gesetzliche Krankenversicherung versagt wird. Für minderjährige Versicherte besteht nach § 29 Abs 1 S 1 SGB V ein Anspruch auf kieferorthopädische Versorgung in medizinisch begründeten Indikationsgruppen, die nach § 29 Abs 4 SGB V vom Gemeinsamen Bundesausschuss in Richtlinien gemäß § 92 Abs 1 SGB V befundbezogen festgelegt werden und die objektiv überprüfbar sind. Medizinisch begründete Indikationen zur kieferorthopädischen Behandlung liegen nach § 28 Abs 1 SGB V vor, wenn eine Kiefer- oder Zahnfehlstellung gegeben ist, die das Kauen, Beißen, Sprechen oder Atmen erheblich beeinträchtigt oder zu beeinträchtigen droht. Einzuhaltende Standards zur kieferorthopädischen Befunderhebung und Diagnostik werden in den Richtlinien vorgegeben. Zwar trägt die Anspruchsbegründung in Abhängigkeit von den in den Richtlinien näher umschriebenen Indikationen zur kieferorthopädischen Behandlung, insbesondere dem Wirtschaftlichkeitsgebot, Rechnung. Allerdings erfolgt insoweit eine Beschränkung nur, als rein kosmetische Korrekturen von der Leistungspflicht ausgenommen werden (vgl Wagner in Krauskopf, SGB V, § 29 RdNr 9, Stand 09/2013). Von diesen Beschränkungen der Versorgung wird die Klägerin im vorliegenden Fall jedoch nicht erfasst. § 29 Abs 1 S 1 SGB V regelt nur die Beschränkung des "Zugangs" zu einer entsprechenden Behandlung. Dieser ist hier nicht streitig. Die Indikation zur vertragsärztlichen kieferorthopädischen Behandlung der Klägerin ist durch die gesetzliche Krankenkasse anerkannt worden, sodass sie - wie dargelegt - auch die medizinisch notwendige Versorgung iS des § 27 SGB V durch die gesetzliche Krankenversicherung erhält. Damit wird der Bedarf der Klägerin wegen der kieferorthopädischen Behandlung jedoch zugleich auch im Sinne des Grundsicherungsrechts gedeckt.

26

Soweit die Klägerin vorbringt, dass es sich bei den vom Kieferorthopäden darüber hinaus vorgeschlagenen Maßnahmen um medizinisch notwendige handele, sind diese nach den Feststellungen des LSG Mehrleistungen. Es kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass sie medizinisch indiziert sein können. Sie gehen jedoch über die notwendige Versorgung hinaus und sind daher nach der Grundkonzeption des SGB V vom Versicherten selbst zu tragen (Fahlbusch in jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 29 RdNr 43; s auch Blöcher in Hauck/Noftz, SGB V, K § 29 RdNr 29, Stand 09/2012; BT-Drucks 11/2237 S 171). Hieraus folgt bereits, dass sie auch nicht durch SGB II-Leistungen zu decken sind. Daher kann die Klägerin ebenfalls nicht damit gehört werden, dass die vom Kieferorthopäden in den Behandlungsplan eingestellten Maßnahmen, die nicht vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst seien, der nachhaltigen Sicherstellung des Behandlungserfolgs dienten und der Notwendigkeit einer Wiederholung der Behandlung im Erwachsenenalter vorbeugten. Dies gilt auch für die Argumentation der Klägerin, die über die gesetzlich vorgesehenen Leistungen hinausgehenden Behandlungsmaßnahmen seien durch den Schwierigkeitsgrad der Behandlung wegen der Umformung des Kiefers begründet. So hat diese Abweichung vom "Normalzustand" - wie zuvor dargelegt - überhaupt erst dazu geführt, dass der Klägerin Leistungen der kieferorthopädischen Versorgung durch die gesetzliche Krankenversicherung zugesagt worden sind. Sie haben ihren Niederschlag in der Zuordnung zu einer der Indikationsgruppen gefunden und sind damit Bestandteil der von der gesetzlichen Krankenversicherung zu übernehmenden Behandlungsmaßnahme geworden. Die Indikationen der Kieferorthopädie-Richtlinien sind befundbezogen. Genau dadurch jedoch wird eine Grenzziehung in der Übergangszone zwischen Befunden mit eindeutiger medizinischer Behandlungsnotwendigkeit und medizinisch nicht ausreichend begründeter Behandlungsnotwendigkeit gewährleistet (BT-Drucks 14/1245 S 65 - Entwurf eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 - GKV-Gesundheitsreform 2000). Die Behandlungsnotwendigkeit steht hier jedoch nicht im Streit. Einer Beweiserhebung zur medizinischen Notwendigkeit der zusätzlichen Maßnahmen des Kieferorthopäden bedurfte es daher nicht.

27

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

Tenor

1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. Februar 2012 - 20 Sa 2058/11 - wird als unzulässig verworfen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 13.079,94 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Parteien streiten - soweit für das Beschwerdeverfahren von Belang - über diverse Entgeltansprüche und die Feststellung, dass zwischen ihnen vom 1. November 2008 bis 28. Februar 2009 ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Das Arbeitsgericht hat insoweit die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 10. August 2011 einen gerichtlichen Vergleich geschlossen. Nachdem der Kläger sich auf den Standpunkt gestellte hatte, der Rechtsstreit sei durch den Vergleich nicht erledigt, hat das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen und festgestellt, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 10. August 2011 erledigt ist. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.

2

II. Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 72a Abs. 3 Satz 2 ArbGG.

3

1. Der Kläger hat eine entscheidungserhebliche Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht dargelegt.

4

a) Wird mit einer Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht, muss nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ArbGG die Beschwerdebegründung die Darlegung der Verletzung dieses Anspruchs und deren Entscheidungserheblichkeit enthalten. Die bloße Benennung eines Zulassungsgrundes genügt nicht. Der Beschwerdeführer hat vielmehr zu dessen Voraussetzungen substantiiert vorzutragen (BAG 20. Januar 2005 - 2 AZN 941/04 - BAGE 113, 195; 22. März 2005 - 1 ABN 1/05 - BAGE 114, 157). Das Revisionsgericht muss dadurch in die Lage versetzt werden, allein anhand der Lektüre der Beschwerdebegründung und des Berufungsurteils die Voraussetzungen für die Zulassung prüfen zu können.

5

b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Der Kläger zeigt kein Verhalten des Landesarbeitsgerichts auf, das überhaupt geeignet wäre, seinen Anspruch auf rechtliches Gehör zu verletzen.

6

Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das entscheidende Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen(st. Rspr. seit BVerfG 14. Juni 1960 - 2 BvR 96/60 - BVerfGE 11, 218). Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die vom Fachgericht zu treffende Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben (BVerfG 20. April 1982 - 1 BvR 1242/81 - zu B der Gründe, BVerfGE 60, 247; BAG 14. Dezember 2010 - 6 AZN 986/10 - Rn. 25, AP ArbGG 1979 § 72a Rechtliches Gehör Nr. 16 = EzA ArbGG 1979 § 72a Nr. 126). Der Anspruch auf rechtliches Gehör schützt aber nicht davor, dass den Gerichten Rechtsfehler unterlaufen (BAG 19. Februar 2008 - 9 AZN 1085/07 - Rn. 5, AP ArbGG 1979 § 72a Nr. 60 = EzA ArbGG 1979 § 72 Nr. 37) oder sie dem Vortrag der Parteien in materiellrechtlicher Hinsicht nicht die aus deren Sicht richtige Bedeutung beimessen (BAG 31. Mai 2006 - 5 AZR 342/06 (F) - Rn. 6, BAGE 118, 229).

7

Aus dem Vorbringen des Klägers in der Beschwerdebegründung ergibt sich, dass das Landesarbeitsgericht seine in der mündlichen Verhandlung vom 29. Februar 2012 gestellten Sachanträge zur Kenntnis genommen und deshalb nicht darüber entschieden hat, weil der Vergleich vom 10. August 2011 das Verfahren erledigt hat und die Anträge des Klägers erst danach gestellt wurden. Ob dem Landesarbeitsgericht dabei Rechtsfehler unterlaufen sind, könnte erst im Rahmen einer zugelassenen Revision überprüft werden.

8

Soweit der Kläger geltend macht, das Landesarbeitsgericht habe über die Anfechtung des Vergleichs nicht entschieden, trägt er auf S. 12 der Beschwerdebegründung selbst vor, die Anfechtung erst am 5. März 2012 und damit nach Verkündung der anzufechtenden Entscheidung erklärt zu haben.

9

2. Der Kläger hat eine Divergenz nicht aufgezeigt.

10

a) Zur ordnungsgemäßen Begründung einer Divergenzbeschwerde gehört, dass der Beschwerdeführer einen abstrakten Rechtssatz aus der anzufechtenden Entscheidung sowie einen hiervon abweichenden abstrakten Rechtssatz aus einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder eines anderen der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG genannten Gerichte anführt und darlegt, dass das anzufechtende Urteil auf dieser Abweichung beruht(BAG 6. Dezember 1994 - 9 AZN 337/94 - zu II 1 der Gründe, BAGE 78, 373). Nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ArbGG müssen diese Voraussetzungen in der Begründung der Beschwerde dargelegt und die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, bezeichnet werden(BAG 14. April 2005 - 1 AZN 840/04 - BAGE 114, 200). Allein die Darlegung einer fehlerhaften Rechtsanwendung bzw. fehlerhaften oder unterlassenen Anwendung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts oder eines anderen der im Gesetz genannten Gerichte reicht zur Begründung einer Divergenzbeschwerde nicht aus (vgl. BAG 23. Juli 1996 - 1 ABN 18/96 - AP ArbGG 1979 § 72a Divergenz Nr. 33 = EzA ArbGG 1979 § 72a Nr. 76). Zur ordnungsgemäßen Begründung einer Divergenzbeschwerde, die sich auf die Aufstellung eines scheinbar fallbezogenen Rechtssatzes bezieht, ist ferner in der Regel erforderlich, dass konkret und im Einzelfall begründet wird, warum das Landesarbeitsgericht von dem betreffenden Rechtssatz ausgegangen sein muss. Der Beschwerdeführer muss die Gesichtspunkte und Schlussregeln für die Ableitung des behaupteten abstrakten Rechtssatzes („Deduktion“) aus den fallbezogenen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts darlegen (BAG 6. Dezember 2006 - 4 AZN 529/06 - AP ArbGG 1979 § 72a Divergenz Nr. 51 = EzA ArbGG 1979 § 72a Nr. 111).

11

b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Der Kläger hat einen abstrakten fallübergreifenden Rechtssatz aus der anzufechtenden Entscheidung, der von solchen der angezogenen Entscheidungen (BAG 23. November 2006 - 6 AZR 394/06 - BAGE 120, 251; 5. August 1982 - 2 AZR 199/80 - BAGE 40, 17) divergieren könnte, nicht aufgezeigt.

12

3. Der Kläger hat eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht dargelegt.

13

a) Nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG kann eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt werden, dass eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat. Dies ist der Fall, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von einer klärungsfähigen und klärungsbedürftigen Rechtsfrage abhängt und die Klärung entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen zumindest eines größeren Teils der Allgemeinheit berührt (BAG 14. April 2005 - 1 AZN 840/04 - zu 2 c aa der Gründe, BAGE 114, 200). Die aufgeworfene Rechtsfrage muss sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen können und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berühren (vgl. BVerfG 4. November 2008 - 1 BvR 2587/06 - Rn. 19, NZA 2009, 53; BAG 5. Oktober 2010 - 5 AZN 666/10 - Rn. 3, AP ArbGG 1979 § 72a Nr. 74 = EzA ArbGG 1979 § 72 Nr. 43). Der Beschwerdeführer hat nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG die von ihm darzulegende entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung konkret zu benennen und ihre Klärungsfähigkeit, Klärungsbedürftigkeit, Entscheidungserheblichkeit und allgemeine Bedeutung für die Rechtsordnung und ihre Auswirkungen auf die Interessen jedenfalls eines größeren Teils der Allgemeinheit aufzuzeigen. Unzulässig ist eine Fragestellung, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalls abhängt (BAG 5. November 2008 - 5 AZN 842/08 - EzA ArbGG 1979 § 72a Nr. 119; 23. Januar 2007 - 9 AZN 792/06 - BAGE 121, 52).

14

b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Soweit der Kläger überhaupt Rechtsfragen konkret benennt, zeigt er - unbeschadet des Erfordernisses der Klärungsfähigkeit und Klärungsbedürftigkeit - jedenfalls deren Entscheidungserheblichkeit nicht ausreichend auf.

15

Entscheidungserheblich ist eine Rechtsfrage, wenn sich das Landesarbeitsgericht in der anzufechtenden Entscheidung mit ihr befasst und sie beantwortet hat und bei einer anderen Beantwortung möglicherweise eine für den Beschwerdeführer günstige Entscheidung getroffen hätte (BAG 22. Mai 2012 - 1 ABN 27/12 - Rn. 3; 13. Juni 2006 - 9 AZN 226/06 - Rn. 11, BAGE 118, 247). Das ergibt sich aus dem Vorbringen des Klägers nicht. Das Landesarbeitsgericht hat die Erledigung des Rechtsstreits durch Prozessvergleich vom 10. August 2011 angenommen. Damit können sämtliche Fragen zu einzelnen Ansprüchen oder der nach Verkündung der anzufechtenden Entscheidung erklärten Anfechtung des Prozessvergleichs nicht mehr entscheidungserheblich sein.

16

III. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, § 72a Abs. 5 Satz 5 ArbGG.

17

IV. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

18

V. Die Wertfestsetzung beruht auf § 63 GKG.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

        

        

        

                 

Gründe

1

Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Sofern der von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) behauptete Zulassungsgrund der Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO) überhaupt in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Form dargelegt wurde, liegt er jedenfalls nicht vor.

2

1. Eine Divergenz ist anzunehmen, wenn das Finanzgericht (FG) mit einem das angegriffene Urteil tragenden und entscheidungserheblichen Rechtssatz von einem eben solchen Rechtssatz einer anderen Gerichtsentscheidung abgewichen ist. Das angefochtene Urteil und die vorgebliche Divergenzentscheidung müssen dabei dieselbe Rechtsfrage betreffen und zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sein (z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 21. Oktober 2010 VIII B 107/09, BFH/NV 2011, 282).

3

2. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben.

4

a) Soweit die Klägerin vorträgt, das FG weiche in seinem Urteil von dem in der Entscheidung des Niedersächsischen FG vom 13. Januar 2010  16 K 337/09 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1011) aufgestellten Rechtssatz ab, wonach der Bescheid über die Festsetzung des Kindergeldes ein personenbezogener Verwaltungsakt sei, liegt hierin keine Divergenz, weil die genannten Entscheidungen weder die gleiche Rechtsfrage noch einen vergleichbaren Sachverhalt betreffen.

5

Im Streitfall bezog der verstorbene Kindergeldberechtigte (Erblasser) zu seinen Lebzeiten Kindergeld ohne Rechtsgrund für einen Zeitraum vor seinem Tod. Das FG entschied, dass ein solcher --bereits gegenüber dem Erblasser als Leistungsempfänger entstandener-- Erstattungsanspruch gemäß § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) auf den Erben übergehe (§ 1922 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, § 45 Abs. 1 Satz 1 AO). Gegenstand des FG-Urteils war daher in tatsächlicher Hinsicht ein gegen den Erblasser gerichteter Erstattungsanspruch, der die rechtsgrundlose Gewährung von Kindergeld für einen Zeitraum vor seinem Tod betraf. In rechtlicher Hinsicht war die Frage zu beantworten, ob dieser Erstattungsanspruch vererblich ist.

6

Im Rahmen der vorgeblichen Divergenzentscheidung forderte hingegen die Familienkasse das an den Sohn des verstorbenen Kindergeldberechtigten abgezweigte Kindergeld von dem Sohn als Leistungsempfänger zurück. Diese Entscheidung beschäftigte sich mit der Frage, ob die Verpflichtung zur Rückzahlung von Kindergeld gemäß § 37 Abs. 2 AO, das für einen Zeitraum nach dem Tode des Kindergeldberechtigten weitergezahlt wird, die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung gegenüber den Erben voraussetzt. Das FG verneinte dies, weil die Kindergeldfestsetzung mit dem Tod des Kindergeldberechtigten erlösche. Die vorgebliche Divergenzentscheidung betraf daher in tatsächlicher Hinsicht einen von Anfang an gegen den Sohn des verstorbenen Klägers --nicht gegen den Erblasser-- gerichteten Erstattungsanspruch, der sich auf eine rechtsgrundlose Gewährung von Kindergeld für einen Zeitraum nach dem Tod des Erblassers bezog. In diesem Zusammenhang war in rechtlicher Hinsicht die Frage zu klären, ob die gegenüber dem verstorbenen Kindergeldberechtigten erfolgte Kindergeldfestsetzung nach dessen Tod wirksam bleibt.

b) Eine Abweichung des FG von dem BFH-Urteil vom 13. Januar 2010 V R 24/07 (BFHE 229, 378, BStBl II 2011, 241), wonach der Rechtsnachfolger nicht in höchstpersönliche Verhältnisse oder unlösbar mit der Person des Rechtsvorgängers verknüpfte Umstände eintrete, liegt schon deshalb nicht vor, weil auch das FG diesen Grundsatz seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat.

7

3. Im Kern rügt die Klägerin die fehlerhafte Rechtsanwendung durch das FG. Dies rechtfertigt die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht (BFH-Beschluss vom 30. Mai 2008 IX B 216/07, BFH/NV 2008, 1510). Im Übrigen ist das FG zu Recht davon ausgegangen, dass ein bereits gegenüber dem Erblasser entstandener Erstattungsanspruch gemäß § 37 Abs. 2 AO als eine auf den Rechtsnachfolger übergehende Schuld i.S. des § 45 Abs. 1 Satz 1 AO zu qualifizieren ist.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 4. August 2011 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auf 1920,93 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die klagende Krankenhausträgerin ist mit ihrem Begehren, die beklagte Krankenkasse (KK) zur Zahlung weiterer 1920,93 Euro Vergütung für die Behandlung der bei der Beklagten versicherten K. und R. zu verurteilen, bei dem SG erfolgreich gewesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das SG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen: Die bei den beiden Versicherten durchgeführten Biopsien seien nach dem 2008 geltenden Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) nicht mit OPS (2008) 1-563.0 (Biopsie an Prostata und periprostatischem Gewebe durch Inzision - Prostata) zu kodieren. Dieser OPS steuere innerhalb der Diagnosis Related Groups (DRG; diagnosebezogene Fallgruppen) die höher vergütete, von der Klägerin geltend gemachte DRG M09B an. Die Biopsien seien in beiden Fällen mit OPS (2008) 1-465.1 zu kodieren (Perkutane Biopsie an Harnorganen und männlichen Geschlechtsorganen mit Steuerung durch bildgebende Verfahren - Prostata), der zu der niedriger vergüteten, von der Beklagten auch bezahlten DRG M61Z führe. Bei systematischer Auslegung des OPS erfasse die Inzision im Sinne des OPS (2008) 1-563.0 nur einen solchen Schnitt, der den Zugang durch eine operative Freilegung des Biopsiegebietes eröffne. Die Klägerin habe in beiden Fällen jeweils nur einen Hautschnitt ausgeführt, um die Biopsienadel besser einführen zu können (Urteil vom 4.8.2011).

2

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.

3

II. Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG iVm § 169 S 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 S 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung, der Divergenz und des Verfahrensfehlers(§ 160 Abs 2 SGG).

4

1. Die Klägerin legt die für eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) notwendigen Voraussetzungen nicht in der gesetzlich gebotenen Weise dar. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN).

5

a) Die Klägerin formuliert zunächst die Rechtsfrage:

"Hat der strikte Wortlaut eines OPS-Kodes Vorrang vor einer Auslegung aus dem systematischen Zusammenhang heraus?"

Die Klägerin legt die Klärungsbedürftigkeit der Frage jedoch nicht hinreichend dar. Das Bedürfnis für die Klärung einer Rechtsfrage fehlt, wenn ihre Beantwortung nach der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung keinem vernünftigen Zweifel unterliegt, die Frage also "geklärt" ist (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 51 S 52 mwN; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17; BSG Beschluss vom 21.10.2010 - B 1 KR 96/10 B - RdNr 7 mwN). Eine Rechtsfrage, über die bereits höchstrichterlich entschieden worden ist, kann dennoch klärungsbedürftig sein, wenn der Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 S 19 mwN; BSG Beschluss vom 27.1.2012 - B 1 KR 47/11 B - juris RdNr 4), was im Rahmen der Beschwerdebegründung ebenfalls darzulegen ist (vgl zB BSG Beschluss vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - juris RdNr 7). Daran fehlt es hier.

6

Die Klägerin, die die Rechtsfrage bejahen möchte, zitiert in der Beschwerdebegründung ausdrücklich das BSG (SozR 3-5565 § 15 Nr 1 S 6) wie folgt: "Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut, ergänzend auch noch nach systematischem Zusammenhang auszulegen …". An dieser Rechtsprechung hat das BSG seither festgehalten (vgl nur BSGE 107, 140 = SozR 4-2500 § 109 Nr 21, RdNr 18; SozR 4-5565 § 14 Nr 10 RdNr 14; SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 17; SozR 4-2500 § 109 Nr 11 RdNr 18; s ferner zuletzt BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 8/11 R - juris RdNr 27 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Die Klägerin legt nicht dar, wieso mit Blick auf diese ständige Rechtsprechung noch Klärungsbedarf verblieben oder neu entstanden ist.

7

b) Die Klägerin formuliert zudem die Frage, ob

der OPS 1-563.0 (2008) nur dann zu kodieren ist, wenn die Inzision nicht allein der Einführung des Biopsiewerkzeuges dient, sondern der weitergehenden (operativen) Öffnung eines Zugangs zum Biopsiegebiet dient oder die Biopsie im Rahmen eines aus anderen Gründen operativ (durch Inzision) eröffneten Zugangs zum Biopsiegebiet vorgenommen wird.

8

Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich insoweit nicht um eine medizinische Tatfrage, sondern um eine Rechtsfrage. Die Beteiligten streiten nicht über den tatsächlichen Vorgang der vom LSG unangegriffen festgestellten Gewebeentnahme - Durchtrennung der Haut am Damm zur Positionierung der Biopsienadel -, sondern darüber, ob die in die Fallpauschalenvereinbarung 2008 normenvertraglich (näher dazu unten, II. 1. b aa) eingebundene Regelung OPS (2008) 1-563.0 (1-563: Biopsie an Prostata und periprostatischem Gewebe durch Inzision, 1-563.0: Prostata) diese Vorgehensweise erfasst, namentlich was unter "Inzision" zu verstehen ist.

9

Die Klägerin legt indes weder die grundsätzliche Bedeutung (dazu aa) noch die Klärungsbedürftigkeit der Frage schlüssig dar (dazu bb).

10

aa) Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage erwächst daraus, dass ihre Klärung nicht nur für den Einzelfall, sondern im Interesse der Fortbildung des Rechts oder seiner einheitlichen Auslegung erforderlich ist (vgl zB BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 9 RdNr 7 mwN). Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist eine Rechtsnorm, bei der es sich um ausgelaufenes Recht handelt, deshalb regelmäßig nicht von grundsätzlicher Bedeutung (vgl BSG Beschluss vom 21.6.2011 - B 4 AS 14/11 B - juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 26.4.2007 - B 12 R 15/06 B - juris RdNr 9; BSG SozR 1500 § 160a Nr 19; vgl auch BSG Urteil vom 15.3.2012 - B 3 KR 13/11 R - juris RdNr 17, dort zu § 41 Abs 4 SGG). Bei Rechtsfragen zu bereits außer Kraft getretenem Recht muss für eine grundsätzliche Bedeutung entweder noch eine erhebliche Zahl von Fällen auf der Grundlage des ausgelaufenen Rechts zu entscheiden sein, oder die Überprüfung der Rechtsnorm bzw ihrer Auslegung muss aus anderen Gründen fortwirkende allgemeine Bedeutung haben (vgl BSG Beschluss vom 17.3.2010 - B 6 KA 23/09 B - juris RdNr 32; BSG Beschluss vom 16.12.2009 - B 6 KA 13/09 B - juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 22.3.2006 - B 6 KA 46/05 B - juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 20.6.2001 - B 10/14 KG 1/00 B - juris RdNr 1; BSG Beschluss vom 31.3.1999 - B 7 AL 170/98 B - juris RdNr 8; BSG SozR 1500 § 160a Nr 19). Eine Fortwirkung kann insbesondere dann vorliegen, wenn an die Stelle der bisherigen Regelung eine inhaltsgleiche getreten ist (vgl BSG Beschluss vom 11.5.1993 - 12 BK 1/93 - juris RdNr 2) oder sogar die bisherige Regelung im Wortlaut beibehalten und nur formal neu geschaffen wurde. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist, wenn dies nicht offensichtlich ist, in der Beschwerdebegründung darzulegen (§ 160a Abs 2 S 3 SGG; vgl BSG Beschluss vom 16.12.2009 - B 6 KA 13/09 B - juris RdNr 7).

11

Im Falle des DRG-basierten Vergütungssystems kommt hinzu, dass es vom Gesetzgeber als jährlich weiter zu entwickelndes (§ 17b Abs 2 S 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz; s ferner § 17 Abs 7 S 1 Nr 1 und 2 KHG) und damit als ein "lernendes" System angelegt ist, und deswegen bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen sind, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (vgl zum Ganzen BSGE 107, 140 = SozR 4-2500 § 109 Nr 21, RdNr 18; SozR 4-5565 § 14 Nr 10 RdNr 14; SozR 4-2500 § 109 Nr 11 RdNr 18; s ferner zuletzt BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 8/11 R - juris RdNr 27 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Kommt eine Einigung nicht zustande oder besteht ein Fortentwicklungsbedarf, ist das Bundesministerium für Gesundheit ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Regelungen zu treffen (§ 17 Abs 7 S 1 KHG).

12

Dieser Anpassungsmechanismus betrifft auch die Begriffsbestimmungen im OPS. Der vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebene OPS - und damit auch OPS (2008) 1- 563.0 - wird erst durch die jährlich abgeschlossene Fallpauschalenvereinbarung (FPV) für das Vergütungssystem verbindlich (vgl dazu BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 8/11 R - juris RdNr 23 f, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Namentlich durch die in die FPV einbezogenen Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) ist es den Vertragsparteien möglich, die erlöswirksame Kodierung des OPS zu steuern (zur Einbeziehung der DKR in die FPV und ihrer normativen Wirkung vgl BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 8/11 R - juris RdNr 17 f, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

13

Die aufgezeigten Eigenarten der Krankenhausvergütung verdeutlichen zugleich, dass die in der Rechtsprechung des BSG zu scheinbaren Parallelbereichen wie dem Vertragsarztrecht ausgeformten Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache nicht unbesehen auf die Darlegungsanforderungen bei Rechtsfragen der Krankenhausvergütung übertragen werden können. Denn die Ausgestaltung des Vergütungssystems für Krankenhäuser unterscheidet sich insoweit von anderen normenvertraglich gesteuerten Systemen wie etwa demjenigen des Vertragsarztrechts, die - ungeachtet ihrer ebenfalls bestehenden Anpassungsmechanismen - nicht in gleicher Weise auf ständige kurzfristige Überarbeitung angelegt sind. Gleiches gilt für die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit (vgl dazu im Übrigen unten, bb).

14

Dementsprechend entbehren Rechtsfragen der grundsätzlichen Bedeutung, wenn die Tatbestandsmerkmale einer Einzelvergütungsvorschrift mit einer normativ vorgegebenen kurzen Geltungsdauer einer rechtstatsächlich stattfindenden fortlaufenden Überprüfung und eventuellen Anpassung mit der Folge unterliegen, dass im Zeitpunkt der Befassung des Revisionsgerichts mit der Norm eine über den Einzelfall hinausweisende Bedeutung nicht mehr erkennbar ist. Bezogen auf die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung unter dem Gesichtspunkt des ausgelaufenen Rechts bedeutet dies, dass im Streit über die Anwendbarkeit einer bestimmten DRG darzulegen ist: (1) Die betroffene Einzelvorschrift (bzw das dort betroffene Tatbestandsmerkmal) hat im konkreten Fall auf die zur Ermittlung der DRG durchzuführende Groupierung Einfluss. (2) Die in der kalenderjahresbezogen anzuwendenden FPV mitgeregelte betroffene Einzelvorschrift gilt in späteren FPV im Wortlaut unverändert erlöswirksam für die Groupierung fort. (3) Ein sich daraus in einer Vielzahl von Behandlungsfällen bereits ergebender und zukünftig zu erwartender Streit konnte von den am Abschluss des FPV mitwirkenden Vertragsparteien bislang nicht einvernehmlich gelöst werden.

15

Alternativ zu den quantitativ zu verstehenden Voraussetzungen (2) und (3) kann sich auch eine "qualitative" Fortwirkung ergeben. Hierzu ist (4) darzulegen, dass der Auslegungsstreit über eine Einzelvorschrift eine strukturelle Frage des Vergütungssystems betrifft, deren Beantwortung - ungeachtet der Fortgeltung der konkret betroffenen Vorschrift - über die inhaltliche Bestimmung der Einzelvorschrift hinaus für das Vergütungssystem als Ganzes oder für einzelne Teile zukünftig von struktureller Bedeutung ist. Letzteres impliziert die Darlegung, dass die Vertragsparteien das näher zu bezeichnende Strukturproblem noch nicht gelöst haben.

16

An entsprechenden Darlegungen fehlt es im vorliegenden Fall. Die Klägerin verweist lediglich darauf, dass das BSG die Rechtsfrage noch nicht entschieden habe und die Auslegung von OPS (2008) 1-563.0 für eine Vielzahl von Krankenhäusern von grundsätzlicher Bedeutung sei.

17

bb) Die Klägerin legt auch einen Klärungsbedarf nicht hinreichend dar. Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, obwohl das BSG sie noch nicht ausdrücklich behandelt hat, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, so dass eine weitere Klärung oder Fortentwicklung des Rechts nicht mehr zu erwarten ist (vgl zB BSG Beschluss vom 16.4.2012 - B 1 KR 25/11 B - juris RdNr 7 mwN). Insbesondere wenn Beschwerdeführer nicht Rechtsfragen von struktureller Bedeutung für die Abrechnungsbestimmungen im dargelegten Sinne aufzeigen, sondern bloß die quantitative Bedeutung der Fortwirkung einer in der Vergangenheit normenvertraglich geltenden Vergütungsvorschrift darlegen, müssen sie regelmäßig besondere Sorgfalt darauf verwenden, den Klärungsbedarf darzulegen. Die gebotene substantiierte Darlegung der Klärungsbedürftigkeit von im OPS verwendeten, streitigen Begriffen erfordert, dass der Beschwerdeführer ausführt, warum ausnahmsweise noch ein über die Frage der zutreffenden Auslegung durch das Tatsachengericht hinausgehender Klärungsbedarf besteht, obwohl die Auslegung von Vergütungsvorschriften lediglich nach Wortlaut und - ergänzend - Systematik erfolgt. Die Auslegung einer der jährlichen Überprüfung und eventuellen Anpassung unterliegenden vertraglichen Einzelvergütungsvorschrift hat nämlich in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung, wenn sie keine wesentlichen Auslegungsprobleme aufwirft sowie die hierfür anzuwendenden Auslegungsmethoden einfach und geklärt sind.

18

So liegt es regelmäßig bei der Auslegung des OPS. Der vom DIMDI herausgegebene OPS ist dadurch charakterisiert, dass er Operationen und Prozeduren unter Verwendung medizinischer Begriffe definiert und strukturiert. Die Inkorporierung dieser Klassifikation in die Vergütungsvorschriften bedeutet - soweit die Vertragsparteien nicht etwas anderes ausdrücklich bestimmen -, dass den medizinischen Begriffen des OPS der Sinngehalt zukommt, der ihnen im medizinisch-wissenschaftlichen Sprachgebrauch beigemessen wird. Dieser den Regelungsgehalt determinierende Sprachgebrauch kann - wortlautorientiert - wie eine Tatsache als Vorfrage für die Auslegung im gerichtlichen Verfahren durch Beweiserhebung ermittelt werden. Insofern gilt hier nichts anderes als bei Fragen (rein) tatsächlicher Art, die nicht zur Überprüfung durch das Revisionsgericht gestellt werden können (BSG Beschluss vom 20.11.2007 - B 1 KR 118/07 B - juris RdNr 5 mwN).

19

Die Klägerin trägt nichts dazu vor, warum die Feststellung des Sinngehalts der "Inzision" im medizinisch-wissenschaftlichen Sprachgebrauch über die korrekte Ermittlung des Sprachgebrauchs hinaus durch das Revisionsgericht klärungsbedürftig ist.

20

Ein grundsätzlicher Klärungsbedarf einer Rechtssache kann etwa auch daraus erwachsen, dass eine Vergütungsvorschrift existenzgefährdende Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen bewirkt, deren Folgen eine zukünftige Korrektur nicht mehr hinreichend beseitigen kann (vgl dazu auch BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 8/11 R - juris RdNr 26 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Hieran anknüpfend können sich beispielsweise Fragen nach dem Verhältnis zwischen dem Normenvertragsrecht und höherrangigem Recht, insbesondere den Grundrechten ergeben, die allein durch eine eng am Wortlaut orientierte und ergänzende systematische Auslegung nicht zu beantworten sind. Die Darlegungen der Klägerin bieten keinen Anlass zur Annahme einer derartigen Situation.

21

2. Die Klägerin legt auch eine Rechtsprechungsdivergenz nicht hinreichend dar. Wer eine Rechtsprechungsdivergenz (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG) entsprechend den gesetzlichen Anforderungen darlegen will, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und in der herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen (vgl zB BSG Beschluss vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - juris RdNr 4 mwN; BSG Beschluss vom 28.6.2010 - B 1 KR 26/10 B - RdNr 4; BSG Beschluss vom 28.7.2009 - B 1 KR 31/09 B - RdNr 4). Erforderlich ist, dass das LSG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat (vgl zB BSG Beschluss vom 15.1.2007 - B 1 KR 149/06 B - RdNr 4; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44 f mwN). An der Darlegung eines vom LSG bewusst abweichend von höchstrichterlicher Rechtsprechung aufgestellten Rechtssatzes fehlt es. Die Klägerin bezieht sich auf den abstrakten Rechtssatz des BSG (SozR 4-2500 § 109 Nr 11 RdNr 18), dass Vergütungsregelungen, um ihren Zweck zu erfüllen, für die routinemäßige Abwicklung in zahlreichen Behandlungsfällen streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln zu handhaben sind und keinen Raum für weitere Bewertungen und Abwägungen zulassen. Hiervon ausgehend legt die Klägerin keine Divergenz dar. Denn sie stellt dem Rechtssatz des BSG den von ihr formulierten Rechtssatz des LSG gegenüber, dass eine Biopsie durch Inzision nur dann vorliege, wenn die Inzision nicht allein der Einführung des Biopsiewerkzeugs, sondern der weitergehenden (operativen) Öffnung eines Zugangs zum Biopsiegebiet diene oder die Biopsie im Rahmen eines aus anderen Gründen operativ (durch Inzision) eröffneten Zugangs zum Biopsiegebiet vorgenommen werde. Soweit die Klägerin damit inhaltlich zutreffend die Auslegung des LSG zu OPS (2008) 1-563.0 wiedergibt, legt sie nicht schlüssig dar, dass dieser Rechtssatz in Widerspruch zu dem vom BSG formulierten Auslegungsmaßstab steht. Vielmehr macht die Klägerin geltend, dass das LSG dann, wenn es den Auslegungsmaßstab des BSG herangezogen hätte, zu der von der Klägerin vertretenen Auslegung des OPS (2008) 1-563.0 hätte gelangen müssen. Hingegen habe das LSG den OPS (2008) 1-563.0 nicht streng nach seinem Wortlaut und deswegen falsch interpretiert. Damit legt die Klägerin keine Divergenz dar, sondern rügt im Kern nur die - ihrer Auffassung nach - fehlerhafte Anwendung des Auslegungsmaßstabs des BSG durch das LSG. Sie setzt sich zudem nicht hinreichend damit auseinander, dass das LSG in Einklang mit dem von der Klägerin genannten Rechtssatz des BSG ausdrücklich unter Bezugnahme auf andere Urteile des BSG (BSGE 107, 140 = SozR 4-2500 § 109 Nr 21, RdNr 18; SozR 4-5565 § 14 Nr 10 RdNr 14) davon ausgeht, dass Abrechnungsbestimmungen streng nach dem Wortlaut, den dazu vereinbarten Anwendungsregeln und allenfalls ergänzend nach dem systematischen Zusammenhang auszulegen sind.

22

3. Die Klägerin bezeichnet auch einen Verfahrensmangel nicht ausreichend. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

23

Die Klägerin stützt sich - ohne eine Rechtsnorm zu benennen - sinngemäß lediglich auf eine Verletzung der Aufklärungspflicht. Sie führt aus, das LSG habe nicht aufgrund eigener Internet-Recherche, sondern nur aufgrund eines medizinischen Gutachtens zu dem Ergebnis gelangen dürfen, dass bei jeder Biopsie ein Hautschnitt gemacht werde. Damit legt sie jedoch einen Verfahrensfehler nicht hinreichend dar. Sie bezeichnet schon keinen Beweisantrag, zumal sie in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG keinen solchen gestellt hat.

24

4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

25

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO, diejenige über den Streitwert auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG.

Gründe

1

Die Beschwerde ist nicht begründet. Weder weicht das Finanzgericht (FG) von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ab noch weist das angefochtene Urteil den gerügten Verfahrensmangel auf.

2

1. Die Revision ist nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Eine Zulassung wegen Divergenz setzt insbesondere voraus, dass das FG von der Entscheidung eines anderen Gerichts abgewichen ist, das über dieselbe Rechtsfrage entschieden hat, die abweichend beantwortete Rechtsfrage für beide Entscheidungen rechtserheblich war und die Entscheidungen zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sind (BFH-Beschluss vom 19. Oktober 2007 IV B 163/06, BFH/NV 2008, 212).

3

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall im Hinblick auf das von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) herangezogene BFH-Urteil vom 28. Februar 2001 I R 12/00 (BFHE 194, 320, BStBl II 2001, 468) nicht erfüllt. Die Kläger beziehen sich auf den amtlichen Leitsatz dieser Entscheidung, wonach "eine klare, eindeutige und im Vorhinein abgeschlossene Treuhandvereinbarung zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem Gesellschafter auch dann steuerlich anerkannt werden kann, wenn die Gesellschaft das treuhänderisch erworbene Wirtschaftsgut nicht schon in ihrer laufenden Buchhaltung, sondern erst im Jahresabschluss als Treuhandvermögen ausgewiesen hat. Das gilt jedenfalls dann, wenn die zunächst unrichtige Verbuchung nicht auf eine Maßnahme der Geschäftsleitung der Gesellschaft zurückzuführen oder mit deren Einverständnis erfolgt ist".

4

Das angefochtene Urteil teilt demgegenüber schon nicht die tatbestandliche Prämisse einer Treuhandvereinbarung. Auch im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass das FG im angefochtenen Urteil von der BFH-Entscheidung in BFHE 194, 320, BStBl II 2001, 468 in einem entscheidungserheblichen Punkt abgewichen wäre. Im Kern wenden sich die Kläger gegen die rechtliche Würdigung des konkreten Sachverhalts als verdeckte Gewinnausschüttung. Die Rüge falscher materieller Rechtsanwendung führt aber grundsätzlich nicht zur Zulassung der Revision (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 28. April 2003 VIII B 260/02, BFH/NV 2003, 1336; vom 23. Juni 2003 IX B 119/02, BFH/NV 2003, 1289).

5

2. Die Revision ist auch nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO zuzulassen, weil der geltend gemachte Verfahrensfehler ungenügender Sachaufklärung (§ 76 FGO) nicht vorliegt. Das FG war nicht gehalten, den Kläger persönlich zum schriftlichen Sachvortrag einer mangelnden Abstimmung von Buchungsvorgängen zwischen ihm und der namentlich benannten Steuerberaterin zu hören. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, welche über den schriftlichen Sachvortrag hinausgehenden entscheidungserheblichen Tatsachen sich durch eine Vernehmung des Klägers voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern diese gegebenenfalls zu einer anderen Entscheidung des FG hätten führen können (vgl. BFH-Beschluss vom 28. November 2008 VIII B 228/07, www.Bundesfinanzhof.de). Zudem ist eine Beteiligtenvernehmung regelmäßig kein sich aufdrängendes Beweismittel, weil ein Beteiligter ohnehin im Verfahren alle ihm bekannten Umstände darlegen kann und sie im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht auch darzulegen hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom 19. Juli 2005 X B 30/05, BFH/NV 2005, 1861; vom 7. Juli 2008 VIII B 106/07, BFH/NV 2008, 2028, m.w.N.).

Gründe

1

Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Sofern der von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) behauptete Zulassungsgrund der Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO) überhaupt in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Form dargelegt wurde, liegt er jedenfalls nicht vor.

2

1. Eine Divergenz ist anzunehmen, wenn das Finanzgericht (FG) mit einem das angegriffene Urteil tragenden und entscheidungserheblichen Rechtssatz von einem eben solchen Rechtssatz einer anderen Gerichtsentscheidung abgewichen ist. Das angefochtene Urteil und die vorgebliche Divergenzentscheidung müssen dabei dieselbe Rechtsfrage betreffen und zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sein (z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 21. Oktober 2010 VIII B 107/09, BFH/NV 2011, 282).

3

2. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben.

4

a) Soweit die Klägerin vorträgt, das FG weiche in seinem Urteil von dem in der Entscheidung des Niedersächsischen FG vom 13. Januar 2010  16 K 337/09 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1011) aufgestellten Rechtssatz ab, wonach der Bescheid über die Festsetzung des Kindergeldes ein personenbezogener Verwaltungsakt sei, liegt hierin keine Divergenz, weil die genannten Entscheidungen weder die gleiche Rechtsfrage noch einen vergleichbaren Sachverhalt betreffen.

5

Im Streitfall bezog der verstorbene Kindergeldberechtigte (Erblasser) zu seinen Lebzeiten Kindergeld ohne Rechtsgrund für einen Zeitraum vor seinem Tod. Das FG entschied, dass ein solcher --bereits gegenüber dem Erblasser als Leistungsempfänger entstandener-- Erstattungsanspruch gemäß § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) auf den Erben übergehe (§ 1922 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, § 45 Abs. 1 Satz 1 AO). Gegenstand des FG-Urteils war daher in tatsächlicher Hinsicht ein gegen den Erblasser gerichteter Erstattungsanspruch, der die rechtsgrundlose Gewährung von Kindergeld für einen Zeitraum vor seinem Tod betraf. In rechtlicher Hinsicht war die Frage zu beantworten, ob dieser Erstattungsanspruch vererblich ist.

6

Im Rahmen der vorgeblichen Divergenzentscheidung forderte hingegen die Familienkasse das an den Sohn des verstorbenen Kindergeldberechtigten abgezweigte Kindergeld von dem Sohn als Leistungsempfänger zurück. Diese Entscheidung beschäftigte sich mit der Frage, ob die Verpflichtung zur Rückzahlung von Kindergeld gemäß § 37 Abs. 2 AO, das für einen Zeitraum nach dem Tode des Kindergeldberechtigten weitergezahlt wird, die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung gegenüber den Erben voraussetzt. Das FG verneinte dies, weil die Kindergeldfestsetzung mit dem Tod des Kindergeldberechtigten erlösche. Die vorgebliche Divergenzentscheidung betraf daher in tatsächlicher Hinsicht einen von Anfang an gegen den Sohn des verstorbenen Klägers --nicht gegen den Erblasser-- gerichteten Erstattungsanspruch, der sich auf eine rechtsgrundlose Gewährung von Kindergeld für einen Zeitraum nach dem Tod des Erblassers bezog. In diesem Zusammenhang war in rechtlicher Hinsicht die Frage zu klären, ob die gegenüber dem verstorbenen Kindergeldberechtigten erfolgte Kindergeldfestsetzung nach dessen Tod wirksam bleibt.

b) Eine Abweichung des FG von dem BFH-Urteil vom 13. Januar 2010 V R 24/07 (BFHE 229, 378, BStBl II 2011, 241), wonach der Rechtsnachfolger nicht in höchstpersönliche Verhältnisse oder unlösbar mit der Person des Rechtsvorgängers verknüpfte Umstände eintrete, liegt schon deshalb nicht vor, weil auch das FG diesen Grundsatz seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat.

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3. Im Kern rügt die Klägerin die fehlerhafte Rechtsanwendung durch das FG. Dies rechtfertigt die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht (BFH-Beschluss vom 30. Mai 2008 IX B 216/07, BFH/NV 2008, 1510). Im Übrigen ist das FG zu Recht davon ausgegangen, dass ein bereits gegenüber dem Erblasser entstandener Erstattungsanspruch gemäß § 37 Abs. 2 AO als eine auf den Rechtsnachfolger übergehende Schuld i.S. des § 45 Abs. 1 Satz 1 AO zu qualifizieren ist.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist

1.
der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat,
2.
der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Der Widerspruchsbescheid kann auch dann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbständige Beschwer enthält. Als eine zusätzliche Beschwer gilt auch die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift, sofern der Widerspruchsbescheid auf dieser Verletzung beruht. § 78 Abs. 2 gilt entsprechend.

(1) Die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht kann durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten einzulegen.

(2) Die Beschwerde soll das angefochtene Urteil bezeichnen und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Landessozialgericht entscheidet durch Beschluss. Die Zulassung der Berufung bedarf keiner Begründung. Der Ablehnung der Beschwerde soll eine kurze Begründung beigefügt werden. Mit der Ablehnung der Beschwerde wird das Urteil rechtskräftig.

(5) Läßt das Landessozialgericht die Berufung zu, wird das Beschwerdeverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Darauf ist in dem Beschluß hinzuweisen.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.