Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 03. Aug. 2012 - L 4 P 5324/11

published on 03/08/2012 00:00
Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 03. Aug. 2012 - L 4 P 5324/11
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Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 7. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt Pflegegeld nach der Pflegestufe II ab 1. Dezember 2008.
Der am 1987 geborene Kläger ist seit 4. November 1996 Mitglied der beklagten Pflegekasse. Bei ihm wurde im sechsten Lebensmonat ein Hydrocephalus festgestellt, der im November 1989 mit einer Shunt-Operation versorgt wurde. Es besteht eine spastische Tetraparese. Von Oktober 2005 bis Juli 2008 absolvierte er in der kaufmännischen Berufsausbildungsstätte des Diakonischen Werks L. eine Ausbildung als "Bürohelfer". Danach bestand Arbeitslosigkeit. Beim Kläger sind seit 10. Dezember 2008 ein Grad der Behinderung von 100 und die Merkzeichen G und B sowie nach seinen Angaben seit 17. März 2010 auch das Merkzeichen H festgestellt. Die Pflegekasse, deren Mitglied der Kläger vor dem 4. November 1996 war, bewilligte ihm ab 1. April 1995 Pflegegeld nach der Pflegestufe I (Bescheid vom 8. April 1995). Nach dem Wechsel zur Beklagten bewilligte diese ab 4. November 1996 Pflegegeld nach der Pflegestufe I (Bescheid vom 13. Dezember 1996). Dieser Bewilligung ging nach Angabe der Beklagten keine gutachterliche Untersuchung voraus.
Vom 27. November bis 24. Dezember 2008 befand sich der Kläger in einer stationären medizinischen Rehabilitationsbehandlung, welche ihm vom Rentenversicherungsträger bewilligt worden war. Im intensiven stationären Setting habe eine Verbesserung der Kraft, Ausdauerbelastbarkeit und Beweglichkeit sowie der Pflegebedürftigkeit erreicht werden können. Der Kläger sei selbstständig beim Essen und Trinken sowie bei der persönlichen Pflege. Er benötige lediglich noch leichte Unterstützung beim Baden und beim An- und Ausziehen. Zur Verbesserung des Gangs seien zwei Redredynschienen (Knöchel-Fuß-Orthesen) verordnet worden. Der Kläger sei in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine überwiegend sitzende Tätigkeit in Vollzeit auszuüben. Geeignet erscheine ein angepasster Arbeitsplatz, z.B. in einer Werkstätte für behinderte Menschen. Ein Antrag auf Höherstufung der Pflegestufe lasse sich nicht ausreichend begründen (Entlassungsbericht des Arztes für Neurologie Dr. L. vom 24. Dezember 2008).
Der Kläger beantragte am 1. Dezember 2008 eine Höherstufung. Arzt Dr. G., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK), nannte im Gutachten nach Aktenlage vom 19. Dezember 2008 als pflegebegründende Diagnose einen Hydrocephalus mit Gehschwäche und schätzte den grundpflegerischen Hilfebedarf auf 55 Minuten täglich (Körperpflege 35 Minuten, Ernährung fünf Minuten, Mobilität 15 Minuten). Der Kläger habe Spastiken in den Beinen und feinmotorische Störungen in den Händen. Er sei nicht bettlägerig, nicht verwirrt und habe keine Schluckstörungen sowie keine Blasen- oder Darmschwäche. Er benötige Hilfe beim Waschen, Kämmen, Rasieren, auf der Toilette und beim Kleiden. Die Beklagte lehnte es mit Bescheid vom 20. Februar 2009 ab, höheres Pflegegeld nach der Pflegestufe II zu zahlen.
Der Kläger erhob Widerspruch und legte mehrere Befundberichte vor. Sein Hilfebedarf betrage ca. sechs Stunden täglich, Körperpflege ca. drei Stunden, Ernährung und hauswirtschaftliche Versorgung ca. ein bis zwei Stunden und Mobilität ca. zwei Stunden. Wegen starken Zitterns und mangelhafter Feinmotorik benötige er kontinuierliche Hilfestellung beim Waschen (jeweils morgens Baden), bei der Zahnpflege, beim Rasieren, beim Kämmen, beim Schneiden der Nägel, beim Ankleiden und Umziehen sowie beim Anlegen der verordneten Gehschienen. Wegen starken Schwitzens müssten Rücken und Oberkörper mindestens einmal am Tag mit einem feuchten Lappen abgewischt und mindestens zweimal täglich müsse er deshalb neu angekleidet werden. Nach jedem Stuhlgang (mindestens dreimal täglich) müssten die Genitalien gewaschen werden. Ferner müssten Lebensmittel geschnitten und besonders aufbereitet sowie Verpackungen geöffnet werden. Wegen eines Tremors sei er nicht in der Lage, ein Glas Wasser ordentlich einzuschenken. Heiße Getränke könne er wegen Verletzungsgefahr nicht zu sich nehmen. Er verschmutze bei jedem Essen die Oberbekleidung, so dass diese danach fünfmal täglich gewechselt werden müsse. Die hauswirtschaftliche Versorgung erledige sein Vater. Sein Bewegungsmuster sei erheblich eingeschränkt. Er brauche wegen häufiger Stürze beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung eine Begleitperson. Es bestehe Verletzungsgefahr beim Gehen, Treppensteigen, An- und Auskleiden. Pflegefachkraft E. nannte in ihrem Gutachten vom 7. April 2009 nach einer Untersuchung des Klägers als pflegebegründende Diagnose einen Hydrocephalus internus mit Gehschwäche sowie motorische Störungen beider Hände und schätzte den Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf 65 Minuten täglich (Körperpflege 44 Minuten, Ernährung fünf Minuten, Mobilität 16 Minuten). Der Kläger stehe selbstständig auf und gehe kleinschrittig und ausreichend sicher. Aus dem Bett könne er alleine aufstehen. Beim Transfer in die Badewanne seien Hilfen erforderlich. Er sei kontinent mit regelmäßiger Verdauung. Die Reinigung nach Darmentleerung führe er unzureichend durch, weshalb nachgereinigt werden müsse. Abends werde eine Intimwäsche durchgeführt. Erforderlich sei Hilfe beim Waschen von Rücken und Unterkörper. Die Zahnputzutensilien würden vor- und nachbereitet. Die Zähne würden nachgebürstet. Die Nassrasur werde komplett übernommen. Bei Toilettengängen würden Hosenknopf oder Gürtel geöffnet und geschlossen. Fleisch und Obst werde in Stücke geschnitten. Mehrmals täglich würden Getränke eingegossen. Das Kleiden "von unten" (gemeint wohl des Unterkörpers) werde übernommen. Hemdknöpfe würden geschlossen. Zweimal wöchentlich erfolge Hilfe beim Ein- und Aussteigen in den bzw. aus dem Pkw für die Fahrt zur Krankengymnastik. Die im Widerspruch überwiegend geltend gemachten Hilfen bezögen sich hauptsächlich auf die hauswirtschaftliche Versorgung, die mit 60 Minuten ausreichend berücksichtigt sei. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 21. Juli 2009). Die Voraussetzungen der Pflegestufe II seien in den eingeholten Gutachten des MDK verneint worden. Diese hätten den Hilfebedarf vollständig erfasst und im Bereich der Grundpflege von ca. 65 Minuten weitestgehend korrekt bewertet. Die vom Kläger angegebenen Zeiten für die Hilfen bei der Grundpflege seien nicht nachvollziehbar hoch angesetzt. Auch die Rehabilitationsklinik, in der der Kläger vom 27. November bis 24. Dezember 2008 stationär behandelt worden sei, habe keinen Hilfebedarf erkennen können, der eine Höherstufung rechtfertige.
Der Kläger erhob am 28. Juli 2009 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG). Die Rehabilitationsklinik dürfe keine Aussage über seine Pflegebedürftigkeit treffen. Pflegepersonal sei nicht anwesend gewesen, weil sein Vater für die Versorgung und persönliche Pflege zuständig gewesen sei. Es bestehe ein Hilfebedarf in allen drei Bereichen der Grundpflege von 337 Minuten (Körperpflege 192 Minuten, Ernährung 15 Minuten, Mobilität 130 Minuten). Der pflegerische Bedarf bestehe nicht nur in Form einer Teilübernahme, sondern in Form einer vollständigen Übernahme. Aufgrund starken Schwitzens, eines Schilddrüsenleidens und Übergewichts werde er morgens täglich gebadet (25 Minuten). Ferner erfolge einmal täglich eine Ganzkörperwäsche (25 Minuten) und mehrmals täglich eine Teilwäsche (Oberkörper einmal täglich zehn Minuten, Unterkörper dreimal täglich insgesamt 45 Minuten, Hände/Gesicht viermal täglich insgesamt vier Minuten). Auch sei nach jeder Mahlzeit eine Zahnpflege notwendig (fünfmal täglich insgesamt 25 Minuten). Beim Wasserlassen (sechs- bis siebenmal täglich) und Stuhlgang (dreimal täglich) sei die volle Übernahme der Reinigung der Toilette erforderlich (insgesamt 36 Minuten) erforderlich. Drei Hauptmahlzeiten und zwei Zwischenmahlzeiten inklusive Getränke müssten ihm zubereitet und mundgerecht serviert werden (insgesamt 15 Minuten). Voll übernommen werden müssten auch das täglich fünfmalige An- und Auskleiden des Oberkörpers (insgesamt 68 Minuten) sowie das täglich dreimalige An- und Auskleiden des Unterkörpers (insgesamt 30 Minuten). Bei der Verrichtung des Stehens sei der für die dreimal täglich erfolgende Reinigung des Unterkörpers erforderliche Transfer in und aus der Badewanne zu berücksichtigen (insgesamt acht Minuten). Schließlich seien auch Therapiebesuche (Krankengymnastik zweimal wöchentlich als Einzelbehandlung und einmal wöchentlich als Gruppenbehandlung) zu berücksichtigen (insgesamt acht Minuten). Der Kläger legte vor mehrere ausführliche Stellungnahmen zu seinem Hilfebedarf, verschiedene Bestätigungen des Therapiezentrums Grauer, Heilbronn, über insgesamt 20 Behandlungstermine in der Zeit vom 14. Mai bis 11. September 2009 und vom 11. Januar bis 11. Mai 2010 sowie die anlässlich eines von ihm gestellten Antrags auf Rente wegen Erwerbsminderung erstellten Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. W. vom 25. September 2009 und des Orthopäden Dr. Gr. vom 29. Oktober 2009, wonach der Kläger nicht mehr in der Lage sei, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts mehr als drei Stunden täglich zu verrichten.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Der vom Kläger behauptete Hilfebedarf lasse sich mit den vorliegenden Beeinträchtigungen der Fähigkeiten und Störungen nicht begründen. Zum Hilfebedarf mache der Kläger immer neue, einander teilweise erheblich widersprechende und inhaltlich nicht nachvollziehbare Angaben. Nach ihren Abrechnungsunterlagen sei lediglich von Januar bis Dezember 2009 sechsmal Krankengymnastik durchgeführt worden, nicht jedoch regelmäßig und auf Dauer. Die Therapien müssten nicht in Heilbronn, sondern könnten in den Nachbargemeinden des Wohnorts des Klägers erfolgen. Berücksichtige man die Begleitung zu den Therapien, führe dies lediglich zu einer nicht relevanten Erhöhung der Pflegezeit um täglich ca. fünf Minuten.
Ärztin für Allgemeinmedizin Gra. gab auf Anfrage des SG als sachverständige Zeugin an (Auskunft vom 18. Dezember 2009), durch die spastische Tetraparese sei der Kläger zur selbstständigen Mobilität ohne Hilfe anderer nicht in der Lage. Auch eine selbstständige Nahrungsaufnahme sei ohne Hilfe nicht möglich. Ihrer Auskunft fügte sie ihr zugegangene Arztbriefe sowie das Gutachten des Dr. Ge., MDK, vom 21. April 2009 zur Prüfung weiterhin bestehender Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Folgen eines Sturzes mit Beteiligung der Brustwirbelsäule am 13. Januar 2009 bei.
Im Auftrag des SG erstattete Pflegesachverständige Ga.-Ge., Fachschwester für Anästhesie und Intensivmedizin, das Gutachten vom 25. August 2010. Sie schätzte den täglichen Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf 122 Minuten (Körperpflege 58 Minuten, Ernährung zehn Minuten, Mobilität 33 Minuten, An- und Ablegen der Orthesen 21 Minuten).
10 
Verrichtung
Anzahl
Zeit in Minuten
Baden 
Zweimal täglich
40    
Zahnpflege
Zweimal täglich
2       
Kämmen
Zweimal täglich
4       
Rasieren
Einmal täglich
5       
Stuhlgang
Einmal täglich
4       
Richten der Bekleidung
Sechsmal täglich
3       
mundgerechte Zubereitung
der Nahrung
Achtmal täglich
10    
Ankleiden gesamt
Einmal täglich
6       
Ankleiden Ober-/Unterkörper
Einmal täglich
3       
Entkleiden gesamt
Einmal täglich
4       
Entkleiden Ober-/Unterkörper
Einmal täglich
1       
Stehen
Zweimal täglich
4       
Verlassen/Wiederaufsuchen
der Wohnung
Zweimal wöchentlich
15    
Anlegen der Orthesen
Einmal täglich
15    
Ablegen der Orthesen
Einmal täglich
6       
11 
Der Kläger müsse zweimal täglich gebadet werden, da eine ausreichende Intimhygiene und Intimwäsche wegen der Spastik und der starken Körperbehaarung im Intimbereich nicht möglich sei. Die Zahnpflege sei teilweise zu übernehmen in Form von Auftragen der Zahnpasta auf die Bürste, das Befüllen des Zahnbechers mit Wasser und das Anreichen der vorbereiteten Zahnbürste. Wegen Zitterns der Hände schon bei kleinster Anstrengung müsse die Rasur voll übernommen werden. Nach dem Stuhlgang sei eine Teilhilfe in Form von Intimhygiene oder Intimwäsche erforderlich. Die Mahlzeiten müssten mundgerecht zubereitet sowie Getränke über den Tag hinweg bereitgestellt und eingeschenkt werden. Beim Vorrichten der benötigten Kleidung sei der Kläger zu unterstützen. Das Über-den-Kopfziehen der Oberteile sowie das An- und Entkleiden des Unterkörpers sei teilweise zu übernehmen. Zweimal wöchentlich sei Hilfe beim Treppensteigen (vier Minuten) und beim Ein- und Aussteigen in den bzw. aus dem Pkw für Fahrten zur Physiotherapie (vier Minuten) einschließlich Wartezeiten (45 Minuten) erforderlich. Unter Würdigung der zwischenzeitlichen gesundheitlichen Entwicklung, die sich seit der letzten Begutachtung im April 2009 stetig verschlechtert habe, bestehe der festgestellte Hilfebedarf seit dem letzten Sturzereignis im Juni 2010. Der Kläger fühle sich beim Gehen nur noch mit personeller Hilfe relativ sicher. Pflegeerschwerende Faktoren seien die Tetraparese mit Spastik sowie trotz Schmerztherapie dauerhaft bestehende Schmerzen.
12 
Die Beklagte erhob gegen das Gutachten Einwände hinsichtlich des von der Sachverständigen angenommenen zweiten Bades, der Wartezeit der Pflegeperson während des Aufenthalts in der Praxis des Krankengymnasten sowie des An- und Ablegens der Orthesen. Sie (die Beklagte) habe zudem zwischenzeitlich neben einem Krankenpflegebett auch eine Toilettensitzerhöhung und einen Badewannenlift genehmigt, was die von der Sachverständigen angegebenen Pflegezeiten weiterhin erheblich vermindere. Die verordneten Orthesen seien nach der (vorgelegten) Produktinformation einfach zu handhaben.
13 
Die Sachverständige Ga.-Ge. schätzte in ihrer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 12. Oktober 2010 den täglichen Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf 125 Minuten. Ein Pflegebett, dessen Bettrost manuell zu verstellen sei, führe zu einer Erhöhung im Bereich der Mobilität bei der Verrichtung des Umlagerns (dreimal täglich) um drei Minuten. Das zweite Vollbad sei im Zusammenhang mit den individuellen Lebensgewohnheiten des Klägers sowie seiner Neigung zu starkem Schwitzen zu sehen. Der behandelnde Physiotherapeut sei auf die Auskünfte der Pflegeperson (der Vater des Klägers) für eine sinnvolle und ziel- gerichtete Therapie angewiesen. Die theoretisch einfache Handhabung der dem Kläger verordneten Gehschienen stehe außer Frage. Der ermittelte Zeitwert für das Anlegen der Gehschienen begründe sich auch aus der Zeit, die benötigt werde, um eine Spastik zu lösen. Spastiken, deren Auftreten und Häufigkeit im Tagesverlauf nicht vorhersehbar sei, behinderten in hohem Maße die Pflegehandlungen und würden Probleme bei der Hygiene, Sitzhaltung und anderem schaffen.
14 
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 7. Oktober 2011 ab. Es (das SG) könne dem Gutachten der Sachverständigen nicht in vollem Umfang folgen. Unter kritischer Würdigung des Gutachtens ergebe sich ein täglicher grundpflegerischer Hilfebedarf von 101 Minuten. Wegen des starken Schwitzens und der mangelnden Intimhygiene nach dem Stuhlgang lasse sich die Notwendigkeit eines zweiten Vollbades begründen. Der hierfür angesetzte Zeitwert von 20 Minuten sei zumindest um drei Minuten zu reduzieren. Eine zweite Haarwäsche pro Tag lasse sich auch wegen des starken Schwitzens weder medizinisch noch pflegerisch begründen. Zudem lasse sich weder den Ausführungen der Sachverständigen noch denen des Klägers entnehmen, dass am Abend noch einmal die Haare gewaschen würden. Es erschließe sich nicht, weshalb für das Kämmen der Haare jeweils zweimal zwei Minuten in Ansatz gebracht würden. Nach den Ausführungen der Sachverständigen könne sich der Kläger die Zähne weitgehend alleine putzen. Ein Hilfebedarf (beim Kämmen) von jeweils einer Minuten sei ausreichend und angemessen. Der Hilfebedarf von vier Minuten für die Intimhygiene nach Stuhlgang sei nicht berücksichtigungsfähig, da nach dem Stuhlgang weder durch den Kläger selbst noch durch die Pflegeperson eine Reinigung stattfinde, sondern ein zweites Bad am Abend erfolge, mit welchem die objektiv erforderliche Intimhygiene nach Stuhlgang kompensiert werde. Der von der Sachverständigen in ihrer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme angenommene Hilfebedarf für das Umlagern von drei Minuten sei widersprüchlich, da sie in ihrem Gutachten hierfür keinen Hilfebedarf festgestellt habe, obwohl der Kläger zu diesem Zeitpunkt lediglich mit einem handelsüblichen Bett versorgt gewesen sei. Ebenfalls habe sie keinen Hilfebedarf für das Aufstehen und Zubettgehen aufgeführt. Die von der Sachverständigen angenommene Wartezeit bei den Therapiebesuchen könne nicht berücksichtigt werden. Es sei nicht erkennbar, dass der Kläger die Situation nicht erfassen oder die Behandlungen nicht eigenständig durchführen könne. Zudem sei eine kurze Information seitens der Pflegeperson zum Gesundheitszustand des Klägers zu Beginn jeder Behandlung als ausreichend anzusehen und der Physiotherapeut sei aufgrund seiner Sachkunde auch selbst in der Lage, Fort- oder Rückschritte während der Behandlung in Erfahrung zu bringen. Weiter sei es der Pflegeperson (dem Vater des Klägers) durchaus möglich und zumutbar, während der Behandlungen Einkäufe oder Behördengänge zu erledigen. Der tägliche Hilfebedarf pro Therapiebesuch betrage 38 Minuten, bei zwei Therapiebesuchen pro Woche mithin aufgerundet elf Minuten. Schließlich sei bei großzügiger Betrachtung ein Hilfebedarf für das Anlegen der Orthesen von zehn Minuten und für das Ablegen der Orthesen von drei Minuten angemessen. Der von der Sachverständigen hierfür angenommene Hilfebedarf sei im Vergleich zu dem von ihr für das An- und Entkleiden in Ansatz gebrachten Zeitwert von insgesamt zehn Minuten widersprüchlich.
15 
Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 3. November 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 2. Dezember 2011 Berufung eingelegt. Er verweist auf das Gutachten der Sachverständigen Ga.-Ge.. Den bei ihm bestehenden Hilfebedarf hat er zuletzt auf 207 Minuten täglich (Körperpflege 94 Minuten, Ernährung zehn Minuten, Mobilität 103 Minuten) beziffert. Mehrmaliges Haarewaschen am Tag (manchmal dreimal täglich) sei aufgrund des Asthma und außerordentlich fettiger Haare unabdingbar. Der Zeitaufwand für das Baden betrage 26 Minuten. Wegen der fehlenden Fein- und Grobmotorik müsse beim Reinigen der Zähne nachgereinigt werden. Deswegen könne er sich auch nicht richtig kämmen. Nach dem zweimal täglichen Stuhlgang erfolge eine grobe Reinigung, weil er nicht in der Lage sei, sich ausreichend vornüber zu beugen, um den Genitalbereich komplett säubern zu lassen. Hierfür seien insgesamt acht Minuten anzusetzen. Während der Therapien (seit 1991 Krankengymnastik, seit 2010 zweimal wöchentlich), die mindestens 25 Minuten dauerten, könne die Pflegeperson keiner anderen Tätigkeit nachgehen, weil deren Präsenz aus medizinischen Sicherheitsgründen notwendig sei sowie die Wartezeit zu kurz sei, um Einkäufe oder Behördengänge zu erledigen. Zudem nehme er seit Mitte 2008 einmal wöchentlich mit Ausnahme der Ferienzeiten an physiotherapeutischen Maßnahmen als Gruppenbehandlung bei der Volkshochschule teil. Die von der Sachverständigen Ga.-Ge. angenommenen Zeitwerte für das An- und Entkleiden seien zu gering und müssten verdoppelt werden. Das An- und Ablegen der Orthesen seien sehr komplexe Vorgänge (29 Minuten). Des Weiteren seien die von der Sachverständigen Ga.-Ge. auch bei anderen Verrichtungen angesetzten Zeitwerte zu gering oder sie habe - wie bei der Teilwäsche des Unterkörpers mit acht Minuten - vergessen, einen Hilfebedarf zu berücksichtigen. Der Kläger hat den Arztbrief des Arztes für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. B. vom 26. Juli 2011 vorgelegt, der u.a. eine milbenallergische Rhinitis diagnostiziert hat.
16 
Der Kläger beantragt,
17 
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 7. Oktober 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 20. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Juli 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. Dezember 2008 Pflegegeld nach der Pflegestufe II zu zahlen.
18 
Die Beklagte beantragt,
19 
die Berufung zurückzuweisen.
20 
Sie ist der Auffassung, es ergebe sich ein Zeitaufwand für die Grundpflege von maximal ca. 90 Minuten täglich. Nicht plausibel sei die vollständige Übernahme des Kämmens, der Zeitansatz für das An- und Ablegen der Orthesen sowie der Zeitaufwand von täglich acht Minuten für die Intimwäsche nach Stuhlgang und zusätzlich ein zweites Vollbad mit täglich 20 Minuten. Selbst wenn die Notwendigkeit einer weiteren, abendlichen Intimtoilette in der Badewanne bestehen sollte, wäre hierfür kein Vollbad notwendig. Hinsichtlich des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung zu Therapien könne der damit zusammenhängende Hilfebedarf frühestens ab Dezember 2010 berücksichtigt werden, weil erst ab diesem Zeitpunkt von einem regelmäßig anfallenden Hilfebedarf auszugehen sei. Fahrzeiten zu den Therapien könnten nicht berücksichtigt werden, weil die Pflegekraft des Klägers (sein Vater) als "Fahrer" tätig sei. Auch gebe es näher gelegene Behandlungsmöglichkeiten. Berücksichtigungsfähig sei allenfalls ein Zeitaufwand von ca. fünf Minuten täglich. Die Beklagte hat eine Aufstellung der von Dezember 2008 bis Januar 2012 ärztlich verordneten und abgerechneten krankengymnastischen Behandlungen vorgelegt (28. Januar bis 9. Dezember 2009 46 Therapien, 11. Januar 2010 bis 3. Januar 2011 72 Therapien, 5. Januar 2011 bis 17. Januar 2012 116 Therapien).
21 
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
22 
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
23 
Die Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) entschieden hat, ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch statthaft. Der Kläger begehrt (höhere) Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
24 
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 20. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Juli 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn er hat für die Zeit seit 1. Dezember 2008 keinen Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe II. Gegenüber der Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I ist eine wesentliche Änderung nicht eingetreten. Es mag sein, dass sich der Zeitaufwand des Hilfebedarfs seit der Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I durch die Beklagte am 4. November 1996 erhöht hat. Der Hilfebedarf erreicht aber mit ca. 100 Minuten, ab dem Jahr 2011 mit ca. 103 Minuten derzeit nicht den für die Pflegestufe II notwendigen Zeitaufwand von mindestens 120 Minuten.
25 
Nach § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist die Änderung, soweit der ursprüngliche Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen so, wie er ergangen ist, nicht mehr erlassen werden dürfte (Bundessozialgericht [BSG], Urteile vom 19. Februar 1986 - 7 RAr 55/84 - SozR 1300 § 48 Nr. 22 und 8. September 2010 - B 11 AL 4/09 R - in juris). Zu vergleichen sind nach § 48 Abs. 1 SGB X stets die zum Zeitpunkt der Aufhebung bzw. des Aufhebungstermins bestehenden tatsächlichen Verhältnisse mit jenen, die zum Zeitpunkt der letzten Leistungsbewilligung, bei der die Anspruchsvoraussetzungen vollständig geprüft worden sind, vorhanden gewesen sind (BSG, Urteil vom 7. Juli 2005 - B 3 P 8/04 R - SozR 4-1300 § 48 Nr. 6). Die letzte vollständige Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen und damit der maßgebliche Vergleichszeitpunkt ist vorliegend die durch Bescheid vom Bescheid der Beklagten vom 13. Dezember 1996 erfolgte Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I. Diese Bewilligung erfolgte, ohne dass die Beklagte ein Gutachten eingeholt hatte.
26 
Pflegebedürftige können nach § 37 Abs. 1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) anstelle der Pflegesachleistungen ein Pflegegeld erhalten. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe II mindestens drei Stunden betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 SGB XI). Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (§ 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI) und der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, der Zahnpflege, dem Kämmen, Rasieren, der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und dem Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven ("abstrakten") Maßstab zu beurteilen. Maßgebend für den zeitlichen Aufwand ist grundsätzlich die tatsächlich bestehende Pflegesituation unter Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse des zu Pflegenden, allerdings am Maßstab des allgemein Üblichen. § 14 SGB XI stellt allein auf den "Bedarf" an Pflege und nicht auf die im Einzelfall unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs oder die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. BSG, Urteil 21. Februar 2002 - B 3 P 12/01 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 19). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Richtlinie der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI (Begutachtungs-Richtlinie) zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 Begutachtungs-Richtlinie; vgl. dazu BSG, Urteil vom 22. Juli 2004 - B 3 P 6/03 R - SozR 4-3300 § 23 Nr. 3 m.w.N.). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft. Die Zeiten für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen beruhen regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 2010 - B 3 P 10/08 R - SozR 4-3300 § 15 Nr. 4).
27 
1. Beim Kläger besteht ein Hydrocephalus, der mit einem Shunt operativ versorgt ist, mit zentralen nervösen Ausfallerscheinungen in Form einer spastischen Tetraparese. Wegen der aufgrund dieser Erkrankung bestehenden Spastiken in den unteren Extremitäten und Gleichgewichtsstörungen ist die Gehfähigkeit des Kläger eingeschränkt. Das Gangbild ist kleinschrittig und ataktisch. Das unsichere Gangbild führte auch zu Stürzen mit Verletzungen im Bereich der Wirbelsäule. Zur Verbesserung des Gangbildes erhielt der Kläger in der stationären Rehabilitationsbehandlung im Dezember 2008 Orthesen (Redredynschienen) verordnet. Des Weiteren ist die Feinmotorik der rechten Hand eingeschränkt. Dies ergibt sich aus den Gutachten des Dr. G. vom 19. Dezember 2008, der Pflegefachkraft E. vom 7. April 2009 und der Sachverständigen Ga.-Ge. vom 25. August 2010 sowie aus denen Akten befindlichen ärztlichen Berichten, insbesondere der sachverständigen Zeugenauskunft der Ärztin Gra. sowie dem Entlassungsbericht des Dr. L. vom 24. Dezember 2008.
28 
Aufgrund der genannten Erkrankungen bedarf der Kläger bei der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe. Der erforderliche Hilfebedarf beträgt seit 1. Dezember 2008 jedoch weniger als 120 Minuten täglich. Der Senat folgt der Schätzung des zeitlichen Hilfebedarfs durch die Sachverständige Ga.-Ge. (a), mit Ausnahme der Schätzung des Zeitaufwands hinsichtlich des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung (b), des Anlegens der Orthesen (c) und des Umlagerns (d).
29 
a) Der Senat folgt der Sachverständigen Ga.-Ge. darin, dass bei der Ganzkörperwäsche, die durch Baden erfolgt, ein Hilfebedarf von 40 Minuten täglich besteht. Insoweit ist eine vollständige Übernahme durch die Pflegefachkraft erforderlich. Die Sachverständige Ga.-Ge. hat im Hinblick auf die beim Kläger bestehende Tetraparese und die Folgen von Verletzungen der Wirbelsäule nach Stürzen nachvollziehbar dargelegt, der Kläger könne sich nur in die Badewanne hineinlegen, jedoch keine aufrechte Sitzposition einnehmen. Insoweit ist auch die Schätzung des Zeitaufwands der Sachverständigen mit 20 Minuten pro Baden plausibel und entspricht dem Orientierungswert in der Begutachtungs-Richtlinie von 20 bis 25 Minuten. Wie die Sachverständige Ga.-Ge. nimmt auch der Senat einen Hilfebedarf für zweimal Baden täglich an. Jedenfalls erscheint es nicht völlig abwegig, dass aufgrund der beim Kläger bestehenden Spastiken auch abends eine gründliche Reinigung des Intimbereichs erforderlich ist. Auch seine Behauptung, er schwitze stark, wird im Entlassungsbericht des Dr. L. vom 24. Dezember 2008 bestätigt, der eine vermehrte Schweißsekretion beschrieb.
30 
Bei einem zweimaligen Baden täglich kann dann aber kein Hilfebedarf mehr bei der Teilwäsche des Oberkörpers oder des Unterkörpers angenommen werden, wie dies folgerichtig auch seitens der Sachverständigen Ga.-Ge. erfolgte. Denn ausgehend von dem Vortrag des Klägers, die Reinigung des Intimbereichs sei erschwert, weil er die Beine nicht auseinander bekomme und sich nicht ausreichend vornüber beugen könne sowie wegen der Spastiken, erfolgt die gründliche Reinigung des Intimbereichs abends mit dem zweiten Bad. Gleichzeitig kann dann auch die Reinigung wegen des starken Schwitzens erfolgen sowie weiter auch die Haarwäsche.
31 
Ein wesentlich abweichender Zeitaufwand ergäbe sich allerdings nicht, wenn man die Notwendigkeit des zweiten Bades am Abend verneinte. Der Kläger behauptete erstmals im Klageverfahren, zweimal am Tag zu baden. Noch in der ergänzenden Begründung des Widerspruchs war nur von einer einmal täglichen Ganzkörperwäsche in die Rede. Hinsichtlich des starken Schwitzens behauptete der Kläger dort, Rücken und Oberkörper würden mit einem feuchten Lappen abgewischt. Auch im Berufungsverfahren trug er insoweit wieder vor, es erfolge eine Teilwäsche des Unterkörpers wegen des starken Schwitzens. Ginge man davon aus, dass nur ein Bad täglich erforderlich wäre, müsste dann aber ein Zeitaufwand für einen Hilfebedarf bei der Teilwäsche des Unterkörpers zur Reinigung des Intimbereichs und des Oberkörpers wegen des starken Schwitzens berücksichtigt werden. Unter Berücksichtigung der Orientierungswerte der Begutachtungs-Richtlinie (Teilwäsche Unterkörper zwölf bis 15 Minuten; Teilwäsche Oberkörper acht bis zehn Minuten) würde der Zeitaufwand für diese Teilwäschen den Zeitaufwand für das angenommene zweite Bad am Abend von 20 Minuten nicht oder nur geringfügig überschreiten. Der Kläger selbst nannte zuletzt für die Teilwäsche des Unterkörpers zweimal täglich einen Zeitaufwand von 16 Minuten.
32 
Der vom Kläger in den zahlreichen Stellungnahmen angegebene Hilfebedarf bei den Verrichtungen der Grundpflege ist überzogen. Der Kläger übersieht, dass für die Ermittlung des Zeitaufwands des Hilfebedarfs in der soziale Pflegeversicherung nicht alle anfallenden Tätigkeiten berücksichtigungsfähig sind. Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 SGB XI ergänzen bei häuslicher und teilstationärer Pflege die Leistungen der Pflegeversicherung die familiäre, nachbarschaftliche oder sonstige ehrenamtliche Pflege und Betreuung. § 4 Abs. 2 SGB XI als Grundnorm verdeutlicht, dass die Leistungen der Pflegeversicherung (lediglich) eine soziale Grundsicherung in Form von unterstützenden Hilfeleistungen darstellen sollen, eine Vollversorgung des Pflegebedürftigen indessen nicht angestrebt wird. Im ambulanten Bereich obliegt es den Versicherten, einen durch die Leistungen der Pflegeversicherung nicht gedeckten Pflege- und Betreuungsaufwand selbst sicherzustellen (vgl. Bundestags-Drucksachen 12/5262 S. 90 und 16/7439, S. 44; siehe auch BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 - B 12 R 6/09 R - SozR 4-2600 § 3 Nr. 5). So gehört etwa zur mundgerechten Zubereitung der Nahrung im Sinne des § 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI, dass die zubereitete Nahrung so aufbereitet wird, dass der Pflegebedürftige sie greifen, zum Mund führen, zerkauen und schlucken kann. Es geht mithin um die letzte Maßnahme vor der Nahrungsaufnahme (BSG, Urteile vom 17. Juni 1999 - B 3 P 10/98 R - SozR 3-3300 § 15 Nr. 7 und 28. Juni 2001 - B 3 P 12/00 R - in juris; Abschnitt D 4.2 Nr. 8 Begutachtungs-Richtlinie). Dazu gehört etwa das mundgerechte Zerkleinern von Nahrung, das Heraustrennen von Knochen und Gräten sowie das Einschenken von Getränken in ein Trinkgefäß. Daraus ergibt sich, dass zahlreiche auf Seite 2/3 der dem SG vorgelegten Stellungnahme vom 31. Mai 2010 genannte Tätigkeiten nicht dieser Verrichtung zugeordnet werden können und deshalb insoweit auch kein Zeitaufwand berücksichtigungsfähig ist. Soweit der Kläger in der zuletzt im Berufungsverfahren vorgelegten Aufstellung (Bl. 59 der LSG-Akte) nach den dort gemachten Bemerkungen beim An- und Entkleiden des Unterkörpers einen Zeitaufwand von insgesamt sechs Minuten nach jedem Stuhlgang berücksichtigt haben will, kann dies nicht erfolgen. Dies ist bereits bei der Verrichtung des Richten der Bekleidung mit diesem Zeitaufwand erfolgt. Aufgrund der beim Kläger vorliegenden Funktionsstörungen ist auch nicht bei jeder Verrichtung eine vollständige Übernahme durch die Pflegeperson notwendig, sondern es besteht ein Hilfebedarf in Form einer teilweisen Übernahme durch die Pflegeperson, weil der Kläger in der Lage ist, bei den überwiegenden Verrichtungen einzelne Tätigkeit selbst auszuführen. Es ist deshalb schlüssig, dass die Sachverständige bei den überwiegenden Tätigkeiten lediglich von einem solchen Hilfebedarf ausging. So hat beispielsweise die Sachverständige schlüssig dargelegt, dass der Kläger in der Lage ist, trotz eines Zittern der Hände sich die Zähne selbstständig zu reinigen. Erforderlich ist insoweit, dass ihm die Utensilien für die Zahnpflege gerichtet und gereicht werden. Der von der Sachverständigen geschätzte Zeitaufwand des Hilfebedarfs bei der Zahnpflege von zwei Minuten täglich ist nachvollziehbar.
33 
b) Ein Hilfebedarf beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung ist erst ab 28. Januar 2009 dem Grunde nach berücksichtigungsfähig, zunächst bis zum Ende des Jahres 2010 mit drei Minuten täglich, ab dem Jahr 2011 mit sechs Minuten täglich. Der Senat vermag der Schätzung des Zeitaufwands durch die Sachverständige Ga.-Ge. schon aus rechtlichen Gründen nicht zu folgen.
34 
Hinsichtlich der Verrichtung des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung hat das BSG bereits mehrmals entschieden, dass Hilfeleistungen auf Wegen außerhalb der Wohnung nur in begrenztem Maße im Bereich der Mobilität zu berücksichtigen sind, weil sie in der Regel anderen Lebensbereichen zuordnen sind (BSG, Urteile vom 24. Juni 1998 - B 3 P 4/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 5, vom 6. August 1998 - B 3 P 17/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 6, vom 10. Oktober 2000 - B 3 P 15/99 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 16, vom 21. Februar 2002 - B 3 P 12/01 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 19 und vom 28. Mai 2003 - B 3 P 6/02 R - SozR 4-3300 § 15 Nr. 1 sowie Beschluss vom 18. August 2011 - B 3 P 10/11 B -, nicht veröffentlicht). Hilfe im Bereich der Mobilität außerhalb der eigenen Wohnung bei der Verrichtung Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung ist als Pflegebedarf der sozialen Pflegeversicherung nur berücksichtigungsfähig, wenn sie erforderlich ist, um das Weiterleben in der eigenen Wohnung zu ermöglichen, also Krankenhausaufenthalte und die stationäre Pflege in einem Pflegeheim zu vermeiden (grundlegend dazu BSG, Urteile vom 24. Juni 1998 - B 3 P 4/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 5 und 6. August 1998 - B 3 P 17/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 6 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist u.a. nur dann gegeben, wenn ein mindestens einmal wöchentlicher Hilfebedarf beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung für Arztbesuche oder das Aufsuchen ärztlich verordneter Behandlungen gegeben ist, weil nur dann dieser Hilfebedarf "regelmäßig" im Sinne von § 14 SGB XI ist (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 1999 - B 3 P 7/98 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 10; Urteil vom 12. August 2010 - B 3 P 3/09 R -).
35 
Für die Zeit vor dem 28. Januar 2009 bestand kein Hilfebedarf bei der Verrichtung des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung, weil bis zu diesem Tag krankengymnastische Behandlungen aufgrund ärztlicher Verordnung nicht belegt sind. Weder aus der von der Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegten Zusammenstellung (Bl. 38 LSG-Akte) noch aus den vom Kläger im Klageverfahren vorgelegten Bestätigungen des Herrn Grauer (Bl. 20/21 SG-Akte) ergeben sich solche, sondern erst ab 28. Januar 2009 (Aufstellung der Beklagten) oder Mai 2009 (Bestätigungen des Herrn Grauer). Erst ab 28. Januar 2009 lässt sich eine mindestens einmal wöchentliche ärztlich verordnete krankengymnastische Behandlung feststellen. Der Senat geht von der Aufstellung der Beklagten aus. Diese stimmt hinsichtlich des Zeitraums vom 14. Mai bis 11. September 2009 mit der Bestätigung des Herrn Grauer überein. Vom 28. Januar 2009 bis 9. Dezember 2009 (46 Wochen) erfolgten 46 Therapien. Auch für das Jahr 2010 lässt sich allenfalls eine wöchentliche ärztlich verordnete krankengymnastische Behandlung feststellen. In der Zeit vom 1. Januar 2010 bis 3. Januar 2011 (51 Wochen) erfolgten 72 Therapien, mithin 1,4 pro Woche. Im Hinblick auf die sich aus der Aufstellung der Beklagten ergebenden zum Teil längeren Therapiepausen (z.B. 19. Juni bis 8. August 2010) mag zwar in zahlreichen Wochen die krankengymnastische Behandlung zweimal erfolgt sein. Da § 14 Abs. 1 SGB XI aber einen auf Dauer bestehenden Hilfebedarf, d.h. voraussichtlich mindestens sechs Monate (vgl. BSG, Urteil vom 12. August 2010 - B 3 P 3/09 R - SozR 4-3300 § 45b Nr. 1), verlangt, hält es der Senat für angemessen, auf den durchschnittlichen Anfall der krankengymnastischen Behandlungen eines Jahres abzustellen. Dies begünstigt den Kläger. Denn angesichts der Therapiepausen müsste ansonsten die Dauerhaftigkeit des Hilfebedarfs infrage gestellt werden. Erst für das Jahr 2011 lässt sich eine Frequenz der ärztlich verordneten krankengymnastischen Behandlungen von zweimal wöchentlich feststellen. Denn im Zeitraum vom 5. Januar 2011 bis 17. Januar 2012 (54 Wochen) erfolgten 116 Therapien, mithin gerundet 2,2 wöchentlich.
36 
Die vom Kläger behauptete Teilnahme an wöchentlichen physiotherapeutischen Maßnahmen in einer Gruppe (Krankengymnastik für behinderte Menschen bei der Volkshochschule) kann keinen berücksichtigungsfähigen Hilfebedarf begründen. Insoweit fehlt es bereits an einer ärztlichen Verordnung.
37 
Der erforderliche Hilfebedarf im Zusammenhang mit einer krankengymnastischen Behandlung beträgt 23 Minuten, mithin wöchentlich bei einer Therapie gerundet drei Minuten (23 : 7) und sechs Minuten bei zwei Therapien wöchentlich. Für die Wege zu einer krankengymnastischen Behandlung benötigt der Kläger Hilfe beim Treppensteigen (Zugang zur Wohnung nur über Treppen) sowie beim Ein- und Aussteigen aus dem Pkw. Die Schätzung des Zeitaufwands der Sachverständigen von jeweils insgesamt vier Minuten ist nachvollziehbar. Hinsichtlich der Wegezeit kann allerdings nicht diejenige für die Fahrten zu dem in Anspruch genommenen Therapeuten Grauer, der in Heilbronn niedergelassen ist, berücksichtigt werden, sondern nur der Zeitaufwand für den Hilfebedarf beim nächsterreichbaren Behandler. Denn der Hilfebedarf richtet sich nach objektiven Kriterien und nicht, wie er tatsächlich gedeckt wird. Demgemäß kann nur der Weg zur Krankengymnastik in die Nachbargemeinden des Wohnorts des Klägers (E.), von denen z.B. W. ca. vier km entfernt ist. Die Fahrzeit für Hin- und Rückweg von insgesamt acht km beträgt insgesamt ca. 15 Minuten (vgl. Routenplaner des ADAC). Eine Wartezeit der Pflegeperson ist nicht berücksichtigungsfähig. Für die Bemessung des zeitlichen Umfangs des Pflegebedarfs ist von der zeitlichen und örtlichen Gebundenheit der Pflegeperson auszugehen; d.h. maßgebend ist die Zeit, die die Pflegeperson ausschließlich für die Abwicklung einer Hilfeleistung benötigt und während der sie keiner anderen Tätigkeit - etwa auch keiner solchen im Bereich der allgemeinen Haushaltsführung - nachgehen kann (vgl. BSG, Urteil vom 6. August 1998 - B 3 P 17/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 6). Wenn die Behandlungen mindestens 25 Minuten dauern, so die Behauptung des Klägers im Berufungsverfahren, steht der Pflegeperson ausreichend Zeit zur Verfügung, andere Tätigkeiten auszuführen. In der Regel kann nach allgemeiner Lebenserfahrung davon ausgegangen werden, dass eine Pflegeperson das Zeitfenster der Wartezeit während einer krankengymnastischen Behandlung sinnvoll für sich nutzen kann (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 28. September 2011 - L 8 P 38/10 - in juris). Auch ist nicht bei jeder Behandlung erforderlich, dass der Therapeut zusätzliche Informationen über erhebliche Veränderungen erhält. Bei zweimal wöchentlich stattfindenden Behandlungen ist auszuschließen, dass innerhalb dieses kurzen Zeitraumes sich wesentliche Änderungen ergeben, die für die Ausführung oder Fortführung der Behandlung von Bedeutung sind. Zudem muss der Behandler aufgrund seiner Ausbildung auch bei einem komplexen Krankheitsbild in der Lage sein, seine Behandlung auf ein solches Krankheitsbild und die sich daraus möglicherweise ergebenden Änderungen einzustellen sowie die sich aus dem jeweiligen Krankheitsbild ergebenden Besonderheiten (z.B. eine Sturzgefahr) bei der Behandlung zu berücksichtigen.
38 
c) Hinsichtlich der Schätzung des Zeitaufwands für das Anlegen der Orthesen ist der von der Sachverständigen geschätzte Zeitaufwand zu hoch. Der Senat hält allenfalls die Hälfte des von der Sachverständigen geschätzten Zeitaufwands von insgesamt 21 Minuten, mithin 10,5 Minuten für angemessen. Sie berücksichtigt insoweit zwar, dass beim Kläger Spastiken auftreten können, die vor dem Anlegen oder Ablegen zunächst gelöst werden müssen. Aus ihrem Gutachten und aus den vorliegenden ärztlichen Berichten ergibt sich nicht, dass der Kläger ständig an Spastiken leidet, die vor jedem Anlegen oder Ablegen der Orthese gelöst werden müssen. Vielmehr können diese nur auftreten. Die Beklagte und auch das SG verweisen insoweit zutreffend darauf, dass die Sachverständige beim Ankleiden einen deutlich geringeren Zeitwert berücksichtigt hat, obgleich auch insoweit sich die Problematik des Lösung von Spastiken stellen kann. Das Anlegen und Ablegen der Orthese ist sehr einfach. Dies ergibt sich aus der von der Beklagten vorgelegten Produktinformation, die ausdrücklich als einen der Vorteile dieser Orthesen die einfachste Handhabung im täglichen Gebrauch bezeichnet.
39 
d) Der von der Sachverständigen Ga.-Ge. in ihrer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 12. Oktober 2010 zusätzlich angenommene Zeitaufwand von drei Minuten für Umlagern in einem Pflegebett, ist, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, nicht nachvollziehbar. Sie sah keinen Hilfebedarf bei der Verrichtung des Aufstehen und Zubettgehens. Ein solcher ist auch vom Kläger nicht behauptet worden. Daraus ist zu schließen, dass der Kläger sich selbstständig aus dem Bett erheben und in das Bett gehen kann. Weshalb dann Hilfe beim Umlagern erforderlich sein soll, erschließt sich nicht.
40 
e) Von dem von der Sachverständigen Ga.-Ge. geschätzten Zeitaufwand von 125 Minuten sind somit 39 Minuten (15 Minuten für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung, 21 Minuten für das Anlegen und Ablegen der Orthesen sowie drei Minuten für das Umlagern) abzuziehen, so dass sich ein Zeitaufwand von 86 Minuten ergibt. Hinzuzurechnen sind stattdessen 10,5 Minuten für das Anlegen der Orthesen sowie für die Jahre 2009 und 2010 drei Minuten für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung, so dass sich ein Zeitaufwand von gerundet 100 Minuten ergibt. Ab dem Jahr 2011 kommen weitere drei Minuten hinzu, so dass sich ein Zeitaufwand von gerundet 103 Minuten ergibt.
41 
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
42 
Gründe die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Gründe

 
23 
Die Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) entschieden hat, ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch statthaft. Der Kläger begehrt (höhere) Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
24 
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 20. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Juli 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn er hat für die Zeit seit 1. Dezember 2008 keinen Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe II. Gegenüber der Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I ist eine wesentliche Änderung nicht eingetreten. Es mag sein, dass sich der Zeitaufwand des Hilfebedarfs seit der Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I durch die Beklagte am 4. November 1996 erhöht hat. Der Hilfebedarf erreicht aber mit ca. 100 Minuten, ab dem Jahr 2011 mit ca. 103 Minuten derzeit nicht den für die Pflegestufe II notwendigen Zeitaufwand von mindestens 120 Minuten.
25 
Nach § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist die Änderung, soweit der ursprüngliche Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen so, wie er ergangen ist, nicht mehr erlassen werden dürfte (Bundessozialgericht [BSG], Urteile vom 19. Februar 1986 - 7 RAr 55/84 - SozR 1300 § 48 Nr. 22 und 8. September 2010 - B 11 AL 4/09 R - in juris). Zu vergleichen sind nach § 48 Abs. 1 SGB X stets die zum Zeitpunkt der Aufhebung bzw. des Aufhebungstermins bestehenden tatsächlichen Verhältnisse mit jenen, die zum Zeitpunkt der letzten Leistungsbewilligung, bei der die Anspruchsvoraussetzungen vollständig geprüft worden sind, vorhanden gewesen sind (BSG, Urteil vom 7. Juli 2005 - B 3 P 8/04 R - SozR 4-1300 § 48 Nr. 6). Die letzte vollständige Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen und damit der maßgebliche Vergleichszeitpunkt ist vorliegend die durch Bescheid vom Bescheid der Beklagten vom 13. Dezember 1996 erfolgte Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I. Diese Bewilligung erfolgte, ohne dass die Beklagte ein Gutachten eingeholt hatte.
26 
Pflegebedürftige können nach § 37 Abs. 1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) anstelle der Pflegesachleistungen ein Pflegegeld erhalten. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe II mindestens drei Stunden betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 SGB XI). Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (§ 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI) und der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, der Zahnpflege, dem Kämmen, Rasieren, der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und dem Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven ("abstrakten") Maßstab zu beurteilen. Maßgebend für den zeitlichen Aufwand ist grundsätzlich die tatsächlich bestehende Pflegesituation unter Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse des zu Pflegenden, allerdings am Maßstab des allgemein Üblichen. § 14 SGB XI stellt allein auf den "Bedarf" an Pflege und nicht auf die im Einzelfall unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs oder die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. BSG, Urteil 21. Februar 2002 - B 3 P 12/01 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 19). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Richtlinie der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI (Begutachtungs-Richtlinie) zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 Begutachtungs-Richtlinie; vgl. dazu BSG, Urteil vom 22. Juli 2004 - B 3 P 6/03 R - SozR 4-3300 § 23 Nr. 3 m.w.N.). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft. Die Zeiten für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen beruhen regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 2010 - B 3 P 10/08 R - SozR 4-3300 § 15 Nr. 4).
27 
1. Beim Kläger besteht ein Hydrocephalus, der mit einem Shunt operativ versorgt ist, mit zentralen nervösen Ausfallerscheinungen in Form einer spastischen Tetraparese. Wegen der aufgrund dieser Erkrankung bestehenden Spastiken in den unteren Extremitäten und Gleichgewichtsstörungen ist die Gehfähigkeit des Kläger eingeschränkt. Das Gangbild ist kleinschrittig und ataktisch. Das unsichere Gangbild führte auch zu Stürzen mit Verletzungen im Bereich der Wirbelsäule. Zur Verbesserung des Gangbildes erhielt der Kläger in der stationären Rehabilitationsbehandlung im Dezember 2008 Orthesen (Redredynschienen) verordnet. Des Weiteren ist die Feinmotorik der rechten Hand eingeschränkt. Dies ergibt sich aus den Gutachten des Dr. G. vom 19. Dezember 2008, der Pflegefachkraft E. vom 7. April 2009 und der Sachverständigen Ga.-Ge. vom 25. August 2010 sowie aus denen Akten befindlichen ärztlichen Berichten, insbesondere der sachverständigen Zeugenauskunft der Ärztin Gra. sowie dem Entlassungsbericht des Dr. L. vom 24. Dezember 2008.
28 
Aufgrund der genannten Erkrankungen bedarf der Kläger bei der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe. Der erforderliche Hilfebedarf beträgt seit 1. Dezember 2008 jedoch weniger als 120 Minuten täglich. Der Senat folgt der Schätzung des zeitlichen Hilfebedarfs durch die Sachverständige Ga.-Ge. (a), mit Ausnahme der Schätzung des Zeitaufwands hinsichtlich des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung (b), des Anlegens der Orthesen (c) und des Umlagerns (d).
29 
a) Der Senat folgt der Sachverständigen Ga.-Ge. darin, dass bei der Ganzkörperwäsche, die durch Baden erfolgt, ein Hilfebedarf von 40 Minuten täglich besteht. Insoweit ist eine vollständige Übernahme durch die Pflegefachkraft erforderlich. Die Sachverständige Ga.-Ge. hat im Hinblick auf die beim Kläger bestehende Tetraparese und die Folgen von Verletzungen der Wirbelsäule nach Stürzen nachvollziehbar dargelegt, der Kläger könne sich nur in die Badewanne hineinlegen, jedoch keine aufrechte Sitzposition einnehmen. Insoweit ist auch die Schätzung des Zeitaufwands der Sachverständigen mit 20 Minuten pro Baden plausibel und entspricht dem Orientierungswert in der Begutachtungs-Richtlinie von 20 bis 25 Minuten. Wie die Sachverständige Ga.-Ge. nimmt auch der Senat einen Hilfebedarf für zweimal Baden täglich an. Jedenfalls erscheint es nicht völlig abwegig, dass aufgrund der beim Kläger bestehenden Spastiken auch abends eine gründliche Reinigung des Intimbereichs erforderlich ist. Auch seine Behauptung, er schwitze stark, wird im Entlassungsbericht des Dr. L. vom 24. Dezember 2008 bestätigt, der eine vermehrte Schweißsekretion beschrieb.
30 
Bei einem zweimaligen Baden täglich kann dann aber kein Hilfebedarf mehr bei der Teilwäsche des Oberkörpers oder des Unterkörpers angenommen werden, wie dies folgerichtig auch seitens der Sachverständigen Ga.-Ge. erfolgte. Denn ausgehend von dem Vortrag des Klägers, die Reinigung des Intimbereichs sei erschwert, weil er die Beine nicht auseinander bekomme und sich nicht ausreichend vornüber beugen könne sowie wegen der Spastiken, erfolgt die gründliche Reinigung des Intimbereichs abends mit dem zweiten Bad. Gleichzeitig kann dann auch die Reinigung wegen des starken Schwitzens erfolgen sowie weiter auch die Haarwäsche.
31 
Ein wesentlich abweichender Zeitaufwand ergäbe sich allerdings nicht, wenn man die Notwendigkeit des zweiten Bades am Abend verneinte. Der Kläger behauptete erstmals im Klageverfahren, zweimal am Tag zu baden. Noch in der ergänzenden Begründung des Widerspruchs war nur von einer einmal täglichen Ganzkörperwäsche in die Rede. Hinsichtlich des starken Schwitzens behauptete der Kläger dort, Rücken und Oberkörper würden mit einem feuchten Lappen abgewischt. Auch im Berufungsverfahren trug er insoweit wieder vor, es erfolge eine Teilwäsche des Unterkörpers wegen des starken Schwitzens. Ginge man davon aus, dass nur ein Bad täglich erforderlich wäre, müsste dann aber ein Zeitaufwand für einen Hilfebedarf bei der Teilwäsche des Unterkörpers zur Reinigung des Intimbereichs und des Oberkörpers wegen des starken Schwitzens berücksichtigt werden. Unter Berücksichtigung der Orientierungswerte der Begutachtungs-Richtlinie (Teilwäsche Unterkörper zwölf bis 15 Minuten; Teilwäsche Oberkörper acht bis zehn Minuten) würde der Zeitaufwand für diese Teilwäschen den Zeitaufwand für das angenommene zweite Bad am Abend von 20 Minuten nicht oder nur geringfügig überschreiten. Der Kläger selbst nannte zuletzt für die Teilwäsche des Unterkörpers zweimal täglich einen Zeitaufwand von 16 Minuten.
32 
Der vom Kläger in den zahlreichen Stellungnahmen angegebene Hilfebedarf bei den Verrichtungen der Grundpflege ist überzogen. Der Kläger übersieht, dass für die Ermittlung des Zeitaufwands des Hilfebedarfs in der soziale Pflegeversicherung nicht alle anfallenden Tätigkeiten berücksichtigungsfähig sind. Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 SGB XI ergänzen bei häuslicher und teilstationärer Pflege die Leistungen der Pflegeversicherung die familiäre, nachbarschaftliche oder sonstige ehrenamtliche Pflege und Betreuung. § 4 Abs. 2 SGB XI als Grundnorm verdeutlicht, dass die Leistungen der Pflegeversicherung (lediglich) eine soziale Grundsicherung in Form von unterstützenden Hilfeleistungen darstellen sollen, eine Vollversorgung des Pflegebedürftigen indessen nicht angestrebt wird. Im ambulanten Bereich obliegt es den Versicherten, einen durch die Leistungen der Pflegeversicherung nicht gedeckten Pflege- und Betreuungsaufwand selbst sicherzustellen (vgl. Bundestags-Drucksachen 12/5262 S. 90 und 16/7439, S. 44; siehe auch BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 - B 12 R 6/09 R - SozR 4-2600 § 3 Nr. 5). So gehört etwa zur mundgerechten Zubereitung der Nahrung im Sinne des § 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI, dass die zubereitete Nahrung so aufbereitet wird, dass der Pflegebedürftige sie greifen, zum Mund führen, zerkauen und schlucken kann. Es geht mithin um die letzte Maßnahme vor der Nahrungsaufnahme (BSG, Urteile vom 17. Juni 1999 - B 3 P 10/98 R - SozR 3-3300 § 15 Nr. 7 und 28. Juni 2001 - B 3 P 12/00 R - in juris; Abschnitt D 4.2 Nr. 8 Begutachtungs-Richtlinie). Dazu gehört etwa das mundgerechte Zerkleinern von Nahrung, das Heraustrennen von Knochen und Gräten sowie das Einschenken von Getränken in ein Trinkgefäß. Daraus ergibt sich, dass zahlreiche auf Seite 2/3 der dem SG vorgelegten Stellungnahme vom 31. Mai 2010 genannte Tätigkeiten nicht dieser Verrichtung zugeordnet werden können und deshalb insoweit auch kein Zeitaufwand berücksichtigungsfähig ist. Soweit der Kläger in der zuletzt im Berufungsverfahren vorgelegten Aufstellung (Bl. 59 der LSG-Akte) nach den dort gemachten Bemerkungen beim An- und Entkleiden des Unterkörpers einen Zeitaufwand von insgesamt sechs Minuten nach jedem Stuhlgang berücksichtigt haben will, kann dies nicht erfolgen. Dies ist bereits bei der Verrichtung des Richten der Bekleidung mit diesem Zeitaufwand erfolgt. Aufgrund der beim Kläger vorliegenden Funktionsstörungen ist auch nicht bei jeder Verrichtung eine vollständige Übernahme durch die Pflegeperson notwendig, sondern es besteht ein Hilfebedarf in Form einer teilweisen Übernahme durch die Pflegeperson, weil der Kläger in der Lage ist, bei den überwiegenden Verrichtungen einzelne Tätigkeit selbst auszuführen. Es ist deshalb schlüssig, dass die Sachverständige bei den überwiegenden Tätigkeiten lediglich von einem solchen Hilfebedarf ausging. So hat beispielsweise die Sachverständige schlüssig dargelegt, dass der Kläger in der Lage ist, trotz eines Zittern der Hände sich die Zähne selbstständig zu reinigen. Erforderlich ist insoweit, dass ihm die Utensilien für die Zahnpflege gerichtet und gereicht werden. Der von der Sachverständigen geschätzte Zeitaufwand des Hilfebedarfs bei der Zahnpflege von zwei Minuten täglich ist nachvollziehbar.
33 
b) Ein Hilfebedarf beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung ist erst ab 28. Januar 2009 dem Grunde nach berücksichtigungsfähig, zunächst bis zum Ende des Jahres 2010 mit drei Minuten täglich, ab dem Jahr 2011 mit sechs Minuten täglich. Der Senat vermag der Schätzung des Zeitaufwands durch die Sachverständige Ga.-Ge. schon aus rechtlichen Gründen nicht zu folgen.
34 
Hinsichtlich der Verrichtung des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung hat das BSG bereits mehrmals entschieden, dass Hilfeleistungen auf Wegen außerhalb der Wohnung nur in begrenztem Maße im Bereich der Mobilität zu berücksichtigen sind, weil sie in der Regel anderen Lebensbereichen zuordnen sind (BSG, Urteile vom 24. Juni 1998 - B 3 P 4/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 5, vom 6. August 1998 - B 3 P 17/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 6, vom 10. Oktober 2000 - B 3 P 15/99 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 16, vom 21. Februar 2002 - B 3 P 12/01 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 19 und vom 28. Mai 2003 - B 3 P 6/02 R - SozR 4-3300 § 15 Nr. 1 sowie Beschluss vom 18. August 2011 - B 3 P 10/11 B -, nicht veröffentlicht). Hilfe im Bereich der Mobilität außerhalb der eigenen Wohnung bei der Verrichtung Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung ist als Pflegebedarf der sozialen Pflegeversicherung nur berücksichtigungsfähig, wenn sie erforderlich ist, um das Weiterleben in der eigenen Wohnung zu ermöglichen, also Krankenhausaufenthalte und die stationäre Pflege in einem Pflegeheim zu vermeiden (grundlegend dazu BSG, Urteile vom 24. Juni 1998 - B 3 P 4/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 5 und 6. August 1998 - B 3 P 17/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 6 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist u.a. nur dann gegeben, wenn ein mindestens einmal wöchentlicher Hilfebedarf beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung für Arztbesuche oder das Aufsuchen ärztlich verordneter Behandlungen gegeben ist, weil nur dann dieser Hilfebedarf "regelmäßig" im Sinne von § 14 SGB XI ist (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 1999 - B 3 P 7/98 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 10; Urteil vom 12. August 2010 - B 3 P 3/09 R -).
35 
Für die Zeit vor dem 28. Januar 2009 bestand kein Hilfebedarf bei der Verrichtung des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung, weil bis zu diesem Tag krankengymnastische Behandlungen aufgrund ärztlicher Verordnung nicht belegt sind. Weder aus der von der Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegten Zusammenstellung (Bl. 38 LSG-Akte) noch aus den vom Kläger im Klageverfahren vorgelegten Bestätigungen des Herrn Grauer (Bl. 20/21 SG-Akte) ergeben sich solche, sondern erst ab 28. Januar 2009 (Aufstellung der Beklagten) oder Mai 2009 (Bestätigungen des Herrn Grauer). Erst ab 28. Januar 2009 lässt sich eine mindestens einmal wöchentliche ärztlich verordnete krankengymnastische Behandlung feststellen. Der Senat geht von der Aufstellung der Beklagten aus. Diese stimmt hinsichtlich des Zeitraums vom 14. Mai bis 11. September 2009 mit der Bestätigung des Herrn Grauer überein. Vom 28. Januar 2009 bis 9. Dezember 2009 (46 Wochen) erfolgten 46 Therapien. Auch für das Jahr 2010 lässt sich allenfalls eine wöchentliche ärztlich verordnete krankengymnastische Behandlung feststellen. In der Zeit vom 1. Januar 2010 bis 3. Januar 2011 (51 Wochen) erfolgten 72 Therapien, mithin 1,4 pro Woche. Im Hinblick auf die sich aus der Aufstellung der Beklagten ergebenden zum Teil längeren Therapiepausen (z.B. 19. Juni bis 8. August 2010) mag zwar in zahlreichen Wochen die krankengymnastische Behandlung zweimal erfolgt sein. Da § 14 Abs. 1 SGB XI aber einen auf Dauer bestehenden Hilfebedarf, d.h. voraussichtlich mindestens sechs Monate (vgl. BSG, Urteil vom 12. August 2010 - B 3 P 3/09 R - SozR 4-3300 § 45b Nr. 1), verlangt, hält es der Senat für angemessen, auf den durchschnittlichen Anfall der krankengymnastischen Behandlungen eines Jahres abzustellen. Dies begünstigt den Kläger. Denn angesichts der Therapiepausen müsste ansonsten die Dauerhaftigkeit des Hilfebedarfs infrage gestellt werden. Erst für das Jahr 2011 lässt sich eine Frequenz der ärztlich verordneten krankengymnastischen Behandlungen von zweimal wöchentlich feststellen. Denn im Zeitraum vom 5. Januar 2011 bis 17. Januar 2012 (54 Wochen) erfolgten 116 Therapien, mithin gerundet 2,2 wöchentlich.
36 
Die vom Kläger behauptete Teilnahme an wöchentlichen physiotherapeutischen Maßnahmen in einer Gruppe (Krankengymnastik für behinderte Menschen bei der Volkshochschule) kann keinen berücksichtigungsfähigen Hilfebedarf begründen. Insoweit fehlt es bereits an einer ärztlichen Verordnung.
37 
Der erforderliche Hilfebedarf im Zusammenhang mit einer krankengymnastischen Behandlung beträgt 23 Minuten, mithin wöchentlich bei einer Therapie gerundet drei Minuten (23 : 7) und sechs Minuten bei zwei Therapien wöchentlich. Für die Wege zu einer krankengymnastischen Behandlung benötigt der Kläger Hilfe beim Treppensteigen (Zugang zur Wohnung nur über Treppen) sowie beim Ein- und Aussteigen aus dem Pkw. Die Schätzung des Zeitaufwands der Sachverständigen von jeweils insgesamt vier Minuten ist nachvollziehbar. Hinsichtlich der Wegezeit kann allerdings nicht diejenige für die Fahrten zu dem in Anspruch genommenen Therapeuten Grauer, der in Heilbronn niedergelassen ist, berücksichtigt werden, sondern nur der Zeitaufwand für den Hilfebedarf beim nächsterreichbaren Behandler. Denn der Hilfebedarf richtet sich nach objektiven Kriterien und nicht, wie er tatsächlich gedeckt wird. Demgemäß kann nur der Weg zur Krankengymnastik in die Nachbargemeinden des Wohnorts des Klägers (E.), von denen z.B. W. ca. vier km entfernt ist. Die Fahrzeit für Hin- und Rückweg von insgesamt acht km beträgt insgesamt ca. 15 Minuten (vgl. Routenplaner des ADAC). Eine Wartezeit der Pflegeperson ist nicht berücksichtigungsfähig. Für die Bemessung des zeitlichen Umfangs des Pflegebedarfs ist von der zeitlichen und örtlichen Gebundenheit der Pflegeperson auszugehen; d.h. maßgebend ist die Zeit, die die Pflegeperson ausschließlich für die Abwicklung einer Hilfeleistung benötigt und während der sie keiner anderen Tätigkeit - etwa auch keiner solchen im Bereich der allgemeinen Haushaltsführung - nachgehen kann (vgl. BSG, Urteil vom 6. August 1998 - B 3 P 17/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 6). Wenn die Behandlungen mindestens 25 Minuten dauern, so die Behauptung des Klägers im Berufungsverfahren, steht der Pflegeperson ausreichend Zeit zur Verfügung, andere Tätigkeiten auszuführen. In der Regel kann nach allgemeiner Lebenserfahrung davon ausgegangen werden, dass eine Pflegeperson das Zeitfenster der Wartezeit während einer krankengymnastischen Behandlung sinnvoll für sich nutzen kann (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 28. September 2011 - L 8 P 38/10 - in juris). Auch ist nicht bei jeder Behandlung erforderlich, dass der Therapeut zusätzliche Informationen über erhebliche Veränderungen erhält. Bei zweimal wöchentlich stattfindenden Behandlungen ist auszuschließen, dass innerhalb dieses kurzen Zeitraumes sich wesentliche Änderungen ergeben, die für die Ausführung oder Fortführung der Behandlung von Bedeutung sind. Zudem muss der Behandler aufgrund seiner Ausbildung auch bei einem komplexen Krankheitsbild in der Lage sein, seine Behandlung auf ein solches Krankheitsbild und die sich daraus möglicherweise ergebenden Änderungen einzustellen sowie die sich aus dem jeweiligen Krankheitsbild ergebenden Besonderheiten (z.B. eine Sturzgefahr) bei der Behandlung zu berücksichtigen.
38 
c) Hinsichtlich der Schätzung des Zeitaufwands für das Anlegen der Orthesen ist der von der Sachverständigen geschätzte Zeitaufwand zu hoch. Der Senat hält allenfalls die Hälfte des von der Sachverständigen geschätzten Zeitaufwands von insgesamt 21 Minuten, mithin 10,5 Minuten für angemessen. Sie berücksichtigt insoweit zwar, dass beim Kläger Spastiken auftreten können, die vor dem Anlegen oder Ablegen zunächst gelöst werden müssen. Aus ihrem Gutachten und aus den vorliegenden ärztlichen Berichten ergibt sich nicht, dass der Kläger ständig an Spastiken leidet, die vor jedem Anlegen oder Ablegen der Orthese gelöst werden müssen. Vielmehr können diese nur auftreten. Die Beklagte und auch das SG verweisen insoweit zutreffend darauf, dass die Sachverständige beim Ankleiden einen deutlich geringeren Zeitwert berücksichtigt hat, obgleich auch insoweit sich die Problematik des Lösung von Spastiken stellen kann. Das Anlegen und Ablegen der Orthese ist sehr einfach. Dies ergibt sich aus der von der Beklagten vorgelegten Produktinformation, die ausdrücklich als einen der Vorteile dieser Orthesen die einfachste Handhabung im täglichen Gebrauch bezeichnet.
39 
d) Der von der Sachverständigen Ga.-Ge. in ihrer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 12. Oktober 2010 zusätzlich angenommene Zeitaufwand von drei Minuten für Umlagern in einem Pflegebett, ist, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, nicht nachvollziehbar. Sie sah keinen Hilfebedarf bei der Verrichtung des Aufstehen und Zubettgehens. Ein solcher ist auch vom Kläger nicht behauptet worden. Daraus ist zu schließen, dass der Kläger sich selbstständig aus dem Bett erheben und in das Bett gehen kann. Weshalb dann Hilfe beim Umlagern erforderlich sein soll, erschließt sich nicht.
40 
e) Von dem von der Sachverständigen Ga.-Ge. geschätzten Zeitaufwand von 125 Minuten sind somit 39 Minuten (15 Minuten für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung, 21 Minuten für das Anlegen und Ablegen der Orthesen sowie drei Minuten für das Umlagern) abzuziehen, so dass sich ein Zeitaufwand von 86 Minuten ergibt. Hinzuzurechnen sind stattdessen 10,5 Minuten für das Anlegen der Orthesen sowie für die Jahre 2009 und 2010 drei Minuten für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung, so dass sich ein Zeitaufwand von gerundet 100 Minuten ergibt. Ab dem Jahr 2011 kommen weitere drei Minuten hinzu, so dass sich ein Zeitaufwand von gerundet 103 Minuten ergibt.
41 
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
42 
Gründe die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha
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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha
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published on 08/09/2010 00:00

Tenor Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des hessischen Landessozialgerichts vom 19. Dezember 2008 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landes
published on 12/08/2010 00:00

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.
published on 05/05/2010 00:00

Tatbestand 1 Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin seit dem 10.2.2005 als nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson in der gesetzlichen Rentenversicherung
published on 10/03/2010 00:00

Tatbestand 1 Streitig ist die Bemessung des Zeitaufwandes für die Hilfe beim Gehen im Rahmen des Anspruchs auf Zuerkennung von Leistungen nach der Pflegestufe II im Zeit
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published on 26/10/2016 00:00

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 29. Juni 2016 wird zurückgewiesen.Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Gründe
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Annotations

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 können anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen. Der Anspruch setzt voraus, dass der Pflegebedürftige mit dem Pflegegeld dessen Umfang entsprechend die erforderlichen körperbezogenen Pflegemaßnahmen und pflegerischen Betreuungsmaßnahmen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung in geeigneter Weise selbst sicherstellt. Das Pflegegeld beträgt je Kalendermonat

1.
316 Euro für Pflegebedürftige des Pflegegrades 2,
2.
545 Euro für Pflegebedürftige des Pflegegrades 3,
3.
728 Euro für Pflegebedürftige des Pflegegrades 4,
4.
901 Euro für Pflegebedürftige des Pflegegrades 5.

(2) Besteht der Anspruch nach Absatz 1 nicht für den vollen Kalendermonat, ist der Geldbetrag entsprechend zu kürzen; dabei ist der Kalendermonat mit 30 Tagen anzusetzen. Die Hälfte des bisher bezogenen Pflegegeldes wird während einer Kurzzeitpflege nach § 42 für bis zu acht Wochen und während einer Verhinderungspflege nach § 39 für bis zu sechs Wochen je Kalenderjahr fortgewährt. Das Pflegegeld wird bis zum Ende des Kalendermonats geleistet, in dem der Pflegebedürftige gestorben ist. § 118 Abs. 3 und 4 des Sechsten Buches gilt entsprechend, wenn für die Zeit nach dem Monat, in dem der Pflegebedürftige verstorben ist, Pflegegeld überwiesen wurde.

(3) Pflegebedürftige, die Pflegegeld nach Absatz 1 beziehen, haben in folgenden Intervallen eine Beratung in der eigenen Häuslichkeit abzurufen:

1.
bei den Pflegegraden 2 und 3 halbjährlich einmal,
2.
bei den Pflegegraden 4 und 5 vierteljährlich einmal.
Pflegebedürftige des Pflegegrades 1 haben Anspruch, halbjährlich einmal eine Beratung in der eigenen Häuslichkeit abzurufen. Beziehen Pflegebedürftige von einem ambulanten Pflegedienst Pflegesachleistungen, können sie ebenfalls halbjährlich einmal eine Beratung in der eigenen Häuslichkeit in Anspruch nehmen. Auf Wunsch der pflegebedürftigen Person erfolgt im Zeitraum vom 1. Juli 2022 bis einschließlich 30. Juni 2024 jede zweite Beratung abweichend von den Sätzen 1 bis 3 per Videokonferenz. Bei der Durchführung der Videokonferenz sind die nach § 365 Absatz 1 Satz 1 des Fünften Buches vereinbarten Anforderungen an die technischen Verfahren zu Videosprechstunden einzuhalten. Die erstmalige Beratung nach den Sätzen 1 bis 3 hat in der eigenen Häuslichkeit zu erfolgen.

(3a) Die Beratung nach Absatz 3 dient der Sicherung der Qualität der häuslichen Pflege und der regelmäßigen Hilfestellung und praktischen pflegefachlichen Unterstützung der häuslich Pflegenden. Die Pflegebedürftigen und die häuslich Pflegenden sind bei der Beratung auch auf die Auskunfts-, Beratungs- und Unterstützungsangebote des für sie zuständigen Pflegestützpunktes sowie auf die Pflegeberatung nach § 7a hinzuweisen.

(3b) Die Beratung nach Absatz 3 kann durchgeführt werden durch

1.
einen zugelassenen Pflegedienst,
2.
eine von den Landesverbänden der Pflegekassen nach Absatz 7 anerkannte Beratungsstelle mit nachgewiesener pflegefachlicher Kompetenz oder
3.
eine von der Pflegekasse beauftragte, jedoch von ihr nicht beschäftigte Pflegefachkraft, sofern die Durchführung der Beratung durch einen zugelassenen Pflegedienst vor Ort oder eine von den Landesverbänden der Pflegekassen nach Absatz 7 anerkannte Beratungsstelle mit nachgewiesener pflegefachlicher Kompetenz nicht gewährleistet werden kann.

(3c) Die Vergütung für die Beratung nach Absatz 3 ist von der zuständigen Pflegekasse, bei privat Pflegeversicherten von dem zuständigen privaten Versicherungsunternehmen zu tragen, im Fall der Beihilfeberechtigung anteilig von dem zuständigen Beihilfeträger. Die Höhe der Vergütung für die Beratung durch einen zugelassenen Pflegedienst oder durch eine von der Pflegekasse beauftragte Pflegefachkraft vereinbaren die Pflegekassen oder deren Arbeitsgemeinschaften in entsprechender Anwendung des § 89 Absatz 1 und 3 mit dem Träger des zugelassenen Pflegedienstes oder mit der von der Pflegekasse beauftragten Pflegefachkraft unter Berücksichtigung der Empfehlungen nach Absatz 5. Die Vergütung kann nach Pflegegraden gestaffelt werden. Über die Höhe der Vergütung anerkannter Beratungsstellen und von Beratungspersonen der kommunalen Gebietskörperschaften entscheiden die Landesverbände der Pflegekassen unter Zugrundelegung der im jeweiligen Land nach den Sätzen 2 und 4 vereinbarten Vergütungssätze jeweils für die Dauer eines Jahres. Die Landesverbände haben die jeweilige Festlegung der Vergütungshöhe in geeigneter Weise zu veröffentlichen.

(4) Die Pflegedienste und die anerkannten Beratungsstellen sowie die beauftragten Pflegefachkräfte haben die Durchführung der Beratungseinsätze gegenüber der Pflegekasse oder dem privaten Versicherungsunternehmen zu bestätigen sowie die bei dem Beratungsbesuch gewonnenen Erkenntnisse über die Möglichkeiten der Verbesserung der häuslichen Pflegesituation dem Pflegebedürftigen und mit dessen Einwilligung der Pflegekasse oder dem privaten Versicherungsunternehmen mitzuteilen, im Fall der Beihilfeberechtigung auch der zuständigen Beihilfefestsetzungsstelle. Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen und die privaten Versicherungsunternehmen stellen ihnen für diese Mitteilung ein einheitliches Formular zur Verfügung. Erteilt die pflegebedürftige Person die Einwilligung nicht, ist jedoch nach Überzeugung der Beratungsperson eine weitergehende Beratung angezeigt, übermittelt die jeweilige Beratungsstelle diese Einschätzung über die Erforderlichkeit einer weitergehenden Beratung der zuständigen Pflegekasse oder dem zuständigen privaten Versicherungsunternehmen. Diese haben eine weitergehende Beratung nach § 7a anzubieten. Der beauftragte Pflegedienst und die anerkannte Beratungsstelle haben dafür Sorge zu tragen, dass für einen Beratungsbesuch im häuslichen Bereich Pflegekräfte eingesetzt werden, die spezifisches Wissen zu dem Krankheits- und Behinderungsbild sowie des sich daraus ergebenden Hilfebedarfs des Pflegebedürftigen mitbringen und über besondere Beratungskompetenz verfügen. Zudem soll bei der Planung für die Beratungsbesuche weitestgehend sichergestellt werden, dass der Beratungsbesuch bei einem Pflegebedürftigen möglichst auf Dauer von derselben Pflegekraft durchgeführt wird.

(5) Die Vertragsparteien nach § 113 beschließen gemäß § 113b bis zum 1. Januar 2018 unter Beachtung der in Absatz 4 festgelegten Anforderungen Empfehlungen zur Qualitätssicherung der Beratungsbesuche nach Absatz 3. Die Empfehlungen enthalten Ausführungen wenigstens

1.
zu Beratungsstandards,
2.
zur erforderlichen Qualifikation der Beratungspersonen sowie
3.
zu erforderlichenfalls einzuleitenden Maßnahmen im Einzelfall.
Fordert das Bundesministerium für Gesundheit oder eine Vertragspartei nach § 113 im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit die Vertragsparteien schriftlich zum Beschluss neuer Empfehlungen nach Satz 1 auf, sind diese innerhalb von sechs Monaten nach Eingang der Aufforderung neu zu beschließen. Die Empfehlungen gelten für die anerkannten Beratungsstellen entsprechend.

(5a) Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen beschließt mit dem Verband der privaten Krankenversicherung e. V. bis zum 1. Januar 2020 Richtlinien zur Aufbereitung, Bewertung und standardisierten Dokumentation der Erkenntnisse aus dem jeweiligen Beratungsbesuch durch die Pflegekasse oder das private Versicherungsunternehmen. Die Richtlinien werden erst wirksam, wenn das Bundesministerium für Gesundheit sie genehmigt. Die Genehmigung gilt als erteilt, wenn die Richtlinien nicht innerhalb von zwei Monaten, nachdem sie dem Bundesministerium für Gesundheit vorgelegt worden sind, beanstandet werden. Beanstandungen des Bundesministeriums für Gesundheit sind innerhalb der von ihm gesetzten Frist zu beheben.

(6) Rufen Pflegebedürftige die Beratung nach Absatz 3 Satz 1 nicht ab, hat die Pflegekasse oder das private Versicherungsunternehmen das Pflegegeld angemessen zu kürzen und im Wiederholungsfall zu entziehen.

(7) Die Landesverbände der Pflegekassen haben neutrale und unabhängige Beratungsstellen zur Durchführung der Beratung nach den Absätzen 3 bis 4 anzuerkennen. Dem Antrag auf Anerkennung ist ein Nachweis über die erforderliche pflegefachliche Kompetenz der Beratungsstelle und ein Konzept zur Qualitätssicherung des Beratungsangebotes beizufügen. Die Landesverbände der Pflegekassen regeln das Nähere zur Anerkennung der Beratungsstellen.

(8) Die Beratungsbesuche nach Absatz 3 können auch von Pflegeberaterinnen und Pflegeberatern im Sinne des § 7a oder von Beratungspersonen der kommunalen Gebietskörperschaften, die die erforderliche pflegefachliche Kompetenz aufweisen, durchgeführt werden. Absatz 4 findet entsprechende Anwendung. Die Inhalte der Empfehlungen zur Qualitätssicherung der Beratungsbesuche nach Absatz 5 sind zu beachten.

(9) Beratungsbesuche nach Absatz 3 dürfen von Betreuungsdiensten im Sinne des § 71 Absatz 1a nicht durchgeführt werden.

(1) Pflegebedürftig im Sinne dieses Buches sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen können. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, und mit mindestens der in § 15 festgelegten Schwere bestehen.

(2) Maßgeblich für das Vorliegen von gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten sind die in den folgenden sechs Bereichen genannten pflegefachlich begründeten Kriterien:

1.
Mobilität: Positionswechsel im Bett, Halten einer stabilen Sitzposition, Umsetzen, Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs, Treppensteigen;
2.
kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Erkennen von Personen aus dem näheren Umfeld, örtliche Orientierung, zeitliche Orientierung, Erinnern an wesentliche Ereignisse oder Beobachtungen, Steuern von mehrschrittigen Alltagshandlungen, Treffen von Entscheidungen im Alltagsleben, Verstehen von Sachverhalten und Informationen, Erkennen von Risiken und Gefahren, Mitteilen von elementaren Bedürfnissen, Verstehen von Aufforderungen, Beteiligen an einem Gespräch;
3.
Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: motorisch geprägte Verhaltensauffälligkeiten, nächtliche Unruhe, selbstschädigendes und autoaggressives Verhalten, Beschädigen von Gegenständen, physisch aggressives Verhalten gegenüber anderen Personen, verbale Aggression, andere pflegerelevante vokale Auffälligkeiten, Abwehr pflegerischer und anderer unterstützender Maßnahmen, Wahnvorstellungen, Ängste, Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage, sozial inadäquate Verhaltensweisen, sonstige pflegerelevante inadäquate Handlungen;
4.
Selbstversorgung: Waschen des vorderen Oberkörpers, Körperpflege im Bereich des Kopfes, Waschen des Intimbereichs, Duschen und Baden einschließlich Waschen der Haare, An- und Auskleiden des Oberkörpers, An- und Auskleiden des Unterkörpers, mundgerechtes Zubereiten der Nahrung und Eingießen von Getränken, Essen, Trinken, Benutzen einer Toilette oder eines Toilettenstuhls, Bewältigen der Folgen einer Harninkontinenz und Umgang mit Dauerkatheter und Urostoma, Bewältigen der Folgen einer Stuhlinkontinenz und Umgang mit Stoma, Ernährung parenteral oder über Sonde, Bestehen gravierender Probleme bei der Nahrungsaufnahme bei Kindern bis zu 18 Monaten, die einen außergewöhnlich pflegeintensiven Hilfebedarf auslösen;
5.
Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen:
a)
in Bezug auf Medikation, Injektionen, Versorgung intravenöser Zugänge, Absaugen und Sauerstoffgabe, Einreibungen sowie Kälte- und Wärmeanwendungen, Messung und Deutung von Körperzuständen, körpernahe Hilfsmittel,
b)
in Bezug auf Verbandswechsel und Wundversorgung, Versorgung mit Stoma, regelmäßige Einmalkatheterisierung und Nutzung von Abführmethoden, Therapiemaßnahmen in häuslicher Umgebung,
c)
in Bezug auf zeit- und technikintensive Maßnahmen in häuslicher Umgebung, Arztbesuche, Besuche anderer medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, zeitlich ausgedehnte Besuche medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, Besuch von Einrichtungen zur Frühförderung bei Kindern sowie
d)
in Bezug auf das Einhalten einer Diät oder anderer krankheits- oder therapiebedingter Verhaltensvorschriften;
6.
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Gestaltung des Tagesablaufs und Anpassung an Veränderungen, Ruhen und Schlafen, Sichbeschäftigen, Vornehmen von in die Zukunft gerichteten Planungen, Interaktion mit Personen im direkten Kontakt, Kontaktpflege zu Personen außerhalb des direkten Umfelds.

(3) Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, die dazu führen, dass die Haushaltsführung nicht mehr ohne Hilfe bewältigt werden kann, werden bei den Kriterien der in Absatz 2 genannten Bereiche berücksichtigt.

(1) Pflegebedürftige erhalten nach der Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten einen Grad der Pflegebedürftigkeit (Pflegegrad). Der Pflegegrad wird mit Hilfe eines pflegefachlich begründeten Begutachtungsinstruments ermittelt.

(2) Das Begutachtungsinstrument ist in sechs Module gegliedert, die den sechs Bereichen in § 14 Absatz 2 entsprechen. In jedem Modul sind für die in den Bereichen genannten Kriterien die in Anlage 1 dargestellten Kategorien vorgesehen. Die Kategorien stellen die in ihnen zum Ausdruck kommenden verschiedenen Schweregrade der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten dar. Den Kategorien werden in Bezug auf die einzelnen Kriterien pflegefachlich fundierte Einzelpunkte zugeordnet, die aus Anlage 1 ersichtlich sind. In jedem Modul werden die jeweils erreichbaren Summen aus Einzelpunkten nach den in Anlage 2 festgelegten Punktbereichen gegliedert. Die Summen der Punkte werden nach den in ihnen zum Ausdruck kommenden Schweregraden der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten wie folgt bezeichnet:

1.
Punktbereich 0: keine Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
2.
Punktbereich 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
3.
Punktbereich 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
4.
Punktbereich 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten und
5.
Punktbereich 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten.
Jedem Punktbereich in einem Modul werden unter Berücksichtigung der in ihm zum Ausdruck kommenden Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten sowie der folgenden Gewichtung der Module die in Anlage 2 festgelegten, gewichteten Punkte zugeordnet. Die Module des Begutachtungsinstruments werden wie folgt gewichtet:
1.
Mobilität mit 10 Prozent,
2.
kognitive und kommunikative Fähigkeiten sowie Verhaltensweisen und psychische Problemlagen zusammen mit 15 Prozent,
3.
Selbstversorgung mit 40 Prozent,
4.
Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen mit 20 Prozent,
5.
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte mit 15 Prozent.

(3) Zur Ermittlung des Pflegegrades sind die bei der Begutachtung festgestellten Einzelpunkte in jedem Modul zu addieren und dem in Anlage 2 festgelegten Punktbereich sowie den sich daraus ergebenden gewichteten Punkten zuzuordnen. Den Modulen 2 und 3 ist ein gemeinsamer gewichteter Punkt zuzuordnen, der aus den höchsten gewichteten Punkten entweder des Moduls 2 oder des Moduls 3 besteht. Aus den gewichteten Punkten aller Module sind durch Addition die Gesamtpunkte zu bilden. Auf der Basis der erreichten Gesamtpunkte sind pflegebedürftige Personen in einen der nachfolgenden Pflegegrade einzuordnen:

1.
ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
2.
ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
3.
ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
4.
ab 70 bis unter 90 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
5.
ab 90 bis 100 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 5: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung.

(4) Pflegebedürftige mit besonderen Bedarfskonstellationen, die einen spezifischen, außergewöhnlich hohen Hilfebedarf mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung aufweisen, können aus pflegefachlichen Gründen dem Pflegegrad 5 zugeordnet werden, auch wenn ihre Gesamtpunkte unter 90 liegen. Der Medizinische Dienst Bund konkretisiert in den Richtlinien nach § 17 Absatz 1 die pflegefachlich begründeten Voraussetzungen für solche besonderen Bedarfskonstellationen.

(5) Bei der Begutachtung sind auch solche Kriterien zu berücksichtigen, die zu einem Hilfebedarf führen, für den Leistungen des Fünften Buches vorgesehen sind. Dies gilt auch für krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen. Krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen sind Maßnahmen der Behandlungspflege, bei denen der behandlungspflegerische Hilfebedarf aus medizinisch-pflegerischen Gründen regelmäßig und auf Dauer untrennbarer Bestandteil einer pflegerischen Maßnahme in den in § 14 Absatz 2 genannten sechs Bereichen ist oder mit einer solchen notwendig in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang steht.

(6) Bei pflegebedürftigen Kindern wird der Pflegegrad durch einen Vergleich der Beeinträchtigungen ihrer Selbständigkeit und ihrer Fähigkeiten mit altersentsprechend entwickelten Kindern ermittelt. Im Übrigen gelten die Absätze 1 bis 5 entsprechend.

(7) Pflegebedürftige Kinder im Alter bis zu 18 Monaten werden abweichend von den Absätzen 3, 4 und 6 Satz 2 wie folgt eingestuft:

1.
ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 2,
2.
ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 3,
3.
ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 4,
4.
ab 70 bis 100 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 5.

(1) Pflegebedürftig im Sinne dieses Buches sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen können. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, und mit mindestens der in § 15 festgelegten Schwere bestehen.

(2) Maßgeblich für das Vorliegen von gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten sind die in den folgenden sechs Bereichen genannten pflegefachlich begründeten Kriterien:

1.
Mobilität: Positionswechsel im Bett, Halten einer stabilen Sitzposition, Umsetzen, Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs, Treppensteigen;
2.
kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Erkennen von Personen aus dem näheren Umfeld, örtliche Orientierung, zeitliche Orientierung, Erinnern an wesentliche Ereignisse oder Beobachtungen, Steuern von mehrschrittigen Alltagshandlungen, Treffen von Entscheidungen im Alltagsleben, Verstehen von Sachverhalten und Informationen, Erkennen von Risiken und Gefahren, Mitteilen von elementaren Bedürfnissen, Verstehen von Aufforderungen, Beteiligen an einem Gespräch;
3.
Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: motorisch geprägte Verhaltensauffälligkeiten, nächtliche Unruhe, selbstschädigendes und autoaggressives Verhalten, Beschädigen von Gegenständen, physisch aggressives Verhalten gegenüber anderen Personen, verbale Aggression, andere pflegerelevante vokale Auffälligkeiten, Abwehr pflegerischer und anderer unterstützender Maßnahmen, Wahnvorstellungen, Ängste, Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage, sozial inadäquate Verhaltensweisen, sonstige pflegerelevante inadäquate Handlungen;
4.
Selbstversorgung: Waschen des vorderen Oberkörpers, Körperpflege im Bereich des Kopfes, Waschen des Intimbereichs, Duschen und Baden einschließlich Waschen der Haare, An- und Auskleiden des Oberkörpers, An- und Auskleiden des Unterkörpers, mundgerechtes Zubereiten der Nahrung und Eingießen von Getränken, Essen, Trinken, Benutzen einer Toilette oder eines Toilettenstuhls, Bewältigen der Folgen einer Harninkontinenz und Umgang mit Dauerkatheter und Urostoma, Bewältigen der Folgen einer Stuhlinkontinenz und Umgang mit Stoma, Ernährung parenteral oder über Sonde, Bestehen gravierender Probleme bei der Nahrungsaufnahme bei Kindern bis zu 18 Monaten, die einen außergewöhnlich pflegeintensiven Hilfebedarf auslösen;
5.
Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen:
a)
in Bezug auf Medikation, Injektionen, Versorgung intravenöser Zugänge, Absaugen und Sauerstoffgabe, Einreibungen sowie Kälte- und Wärmeanwendungen, Messung und Deutung von Körperzuständen, körpernahe Hilfsmittel,
b)
in Bezug auf Verbandswechsel und Wundversorgung, Versorgung mit Stoma, regelmäßige Einmalkatheterisierung und Nutzung von Abführmethoden, Therapiemaßnahmen in häuslicher Umgebung,
c)
in Bezug auf zeit- und technikintensive Maßnahmen in häuslicher Umgebung, Arztbesuche, Besuche anderer medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, zeitlich ausgedehnte Besuche medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, Besuch von Einrichtungen zur Frühförderung bei Kindern sowie
d)
in Bezug auf das Einhalten einer Diät oder anderer krankheits- oder therapiebedingter Verhaltensvorschriften;
6.
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Gestaltung des Tagesablaufs und Anpassung an Veränderungen, Ruhen und Schlafen, Sichbeschäftigen, Vornehmen von in die Zukunft gerichteten Planungen, Interaktion mit Personen im direkten Kontakt, Kontaktpflege zu Personen außerhalb des direkten Umfelds.

(3) Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, die dazu führen, dass die Haushaltsführung nicht mehr ohne Hilfe bewältigt werden kann, werden bei den Kriterien der in Absatz 2 genannten Bereiche berücksichtigt.

(1) Die Leistungen der Pflegeversicherung sind Dienst-, Sach- und Geldleistungen für den Bedarf an körperbezogenen Pflegemaßnahmen, pflegerischen Betreuungsmaßnahmen und Hilfen bei der Haushaltsführung sowie Kostenerstattung, soweit es dieses Buch vorsieht. Art und Umfang der Leistungen richten sich nach der Schwere der Pflegebedürftigkeit und danach, ob häusliche, teilstationäre oder vollstationäre Pflege in Anspruch genommen wird.

(2) Bei häuslicher und teilstationärer Pflege ergänzen die Leistungen der Pflegeversicherung die familiäre, nachbarschaftliche oder sonstige ehrenamtliche Pflege und Betreuung. Bei teil- und vollstationärer Pflege werden die Pflegebedürftigen von Aufwendungen entlastet, die für ihre Versorgung nach Art und Schwere der Pflegebedürftigkeit erforderlich sind (pflegebedingte Aufwendungen), die Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung tragen die Pflegebedürftigen selbst.

(3) Pflegekassen, Pflegeeinrichtungen und Pflegebedürftige haben darauf hinzuwirken, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

(1) Pflegebedürftig im Sinne dieses Buches sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen können. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, und mit mindestens der in § 15 festgelegten Schwere bestehen.

(2) Maßgeblich für das Vorliegen von gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten sind die in den folgenden sechs Bereichen genannten pflegefachlich begründeten Kriterien:

1.
Mobilität: Positionswechsel im Bett, Halten einer stabilen Sitzposition, Umsetzen, Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs, Treppensteigen;
2.
kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Erkennen von Personen aus dem näheren Umfeld, örtliche Orientierung, zeitliche Orientierung, Erinnern an wesentliche Ereignisse oder Beobachtungen, Steuern von mehrschrittigen Alltagshandlungen, Treffen von Entscheidungen im Alltagsleben, Verstehen von Sachverhalten und Informationen, Erkennen von Risiken und Gefahren, Mitteilen von elementaren Bedürfnissen, Verstehen von Aufforderungen, Beteiligen an einem Gespräch;
3.
Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: motorisch geprägte Verhaltensauffälligkeiten, nächtliche Unruhe, selbstschädigendes und autoaggressives Verhalten, Beschädigen von Gegenständen, physisch aggressives Verhalten gegenüber anderen Personen, verbale Aggression, andere pflegerelevante vokale Auffälligkeiten, Abwehr pflegerischer und anderer unterstützender Maßnahmen, Wahnvorstellungen, Ängste, Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage, sozial inadäquate Verhaltensweisen, sonstige pflegerelevante inadäquate Handlungen;
4.
Selbstversorgung: Waschen des vorderen Oberkörpers, Körperpflege im Bereich des Kopfes, Waschen des Intimbereichs, Duschen und Baden einschließlich Waschen der Haare, An- und Auskleiden des Oberkörpers, An- und Auskleiden des Unterkörpers, mundgerechtes Zubereiten der Nahrung und Eingießen von Getränken, Essen, Trinken, Benutzen einer Toilette oder eines Toilettenstuhls, Bewältigen der Folgen einer Harninkontinenz und Umgang mit Dauerkatheter und Urostoma, Bewältigen der Folgen einer Stuhlinkontinenz und Umgang mit Stoma, Ernährung parenteral oder über Sonde, Bestehen gravierender Probleme bei der Nahrungsaufnahme bei Kindern bis zu 18 Monaten, die einen außergewöhnlich pflegeintensiven Hilfebedarf auslösen;
5.
Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen:
a)
in Bezug auf Medikation, Injektionen, Versorgung intravenöser Zugänge, Absaugen und Sauerstoffgabe, Einreibungen sowie Kälte- und Wärmeanwendungen, Messung und Deutung von Körperzuständen, körpernahe Hilfsmittel,
b)
in Bezug auf Verbandswechsel und Wundversorgung, Versorgung mit Stoma, regelmäßige Einmalkatheterisierung und Nutzung von Abführmethoden, Therapiemaßnahmen in häuslicher Umgebung,
c)
in Bezug auf zeit- und technikintensive Maßnahmen in häuslicher Umgebung, Arztbesuche, Besuche anderer medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, zeitlich ausgedehnte Besuche medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, Besuch von Einrichtungen zur Frühförderung bei Kindern sowie
d)
in Bezug auf das Einhalten einer Diät oder anderer krankheits- oder therapiebedingter Verhaltensvorschriften;
6.
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Gestaltung des Tagesablaufs und Anpassung an Veränderungen, Ruhen und Schlafen, Sichbeschäftigen, Vornehmen von in die Zukunft gerichteten Planungen, Interaktion mit Personen im direkten Kontakt, Kontaktpflege zu Personen außerhalb des direkten Umfelds.

(3) Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, die dazu führen, dass die Haushaltsführung nicht mehr ohne Hilfe bewältigt werden kann, werden bei den Kriterien der in Absatz 2 genannten Bereiche berücksichtigt.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 können anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen. Der Anspruch setzt voraus, dass der Pflegebedürftige mit dem Pflegegeld dessen Umfang entsprechend die erforderlichen körperbezogenen Pflegemaßnahmen und pflegerischen Betreuungsmaßnahmen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung in geeigneter Weise selbst sicherstellt. Das Pflegegeld beträgt je Kalendermonat

1.
316 Euro für Pflegebedürftige des Pflegegrades 2,
2.
545 Euro für Pflegebedürftige des Pflegegrades 3,
3.
728 Euro für Pflegebedürftige des Pflegegrades 4,
4.
901 Euro für Pflegebedürftige des Pflegegrades 5.

(2) Besteht der Anspruch nach Absatz 1 nicht für den vollen Kalendermonat, ist der Geldbetrag entsprechend zu kürzen; dabei ist der Kalendermonat mit 30 Tagen anzusetzen. Die Hälfte des bisher bezogenen Pflegegeldes wird während einer Kurzzeitpflege nach § 42 für bis zu acht Wochen und während einer Verhinderungspflege nach § 39 für bis zu sechs Wochen je Kalenderjahr fortgewährt. Das Pflegegeld wird bis zum Ende des Kalendermonats geleistet, in dem der Pflegebedürftige gestorben ist. § 118 Abs. 3 und 4 des Sechsten Buches gilt entsprechend, wenn für die Zeit nach dem Monat, in dem der Pflegebedürftige verstorben ist, Pflegegeld überwiesen wurde.

(3) Pflegebedürftige, die Pflegegeld nach Absatz 1 beziehen, haben in folgenden Intervallen eine Beratung in der eigenen Häuslichkeit abzurufen:

1.
bei den Pflegegraden 2 und 3 halbjährlich einmal,
2.
bei den Pflegegraden 4 und 5 vierteljährlich einmal.
Pflegebedürftige des Pflegegrades 1 haben Anspruch, halbjährlich einmal eine Beratung in der eigenen Häuslichkeit abzurufen. Beziehen Pflegebedürftige von einem ambulanten Pflegedienst Pflegesachleistungen, können sie ebenfalls halbjährlich einmal eine Beratung in der eigenen Häuslichkeit in Anspruch nehmen. Auf Wunsch der pflegebedürftigen Person erfolgt im Zeitraum vom 1. Juli 2022 bis einschließlich 30. Juni 2024 jede zweite Beratung abweichend von den Sätzen 1 bis 3 per Videokonferenz. Bei der Durchführung der Videokonferenz sind die nach § 365 Absatz 1 Satz 1 des Fünften Buches vereinbarten Anforderungen an die technischen Verfahren zu Videosprechstunden einzuhalten. Die erstmalige Beratung nach den Sätzen 1 bis 3 hat in der eigenen Häuslichkeit zu erfolgen.

(3a) Die Beratung nach Absatz 3 dient der Sicherung der Qualität der häuslichen Pflege und der regelmäßigen Hilfestellung und praktischen pflegefachlichen Unterstützung der häuslich Pflegenden. Die Pflegebedürftigen und die häuslich Pflegenden sind bei der Beratung auch auf die Auskunfts-, Beratungs- und Unterstützungsangebote des für sie zuständigen Pflegestützpunktes sowie auf die Pflegeberatung nach § 7a hinzuweisen.

(3b) Die Beratung nach Absatz 3 kann durchgeführt werden durch

1.
einen zugelassenen Pflegedienst,
2.
eine von den Landesverbänden der Pflegekassen nach Absatz 7 anerkannte Beratungsstelle mit nachgewiesener pflegefachlicher Kompetenz oder
3.
eine von der Pflegekasse beauftragte, jedoch von ihr nicht beschäftigte Pflegefachkraft, sofern die Durchführung der Beratung durch einen zugelassenen Pflegedienst vor Ort oder eine von den Landesverbänden der Pflegekassen nach Absatz 7 anerkannte Beratungsstelle mit nachgewiesener pflegefachlicher Kompetenz nicht gewährleistet werden kann.

(3c) Die Vergütung für die Beratung nach Absatz 3 ist von der zuständigen Pflegekasse, bei privat Pflegeversicherten von dem zuständigen privaten Versicherungsunternehmen zu tragen, im Fall der Beihilfeberechtigung anteilig von dem zuständigen Beihilfeträger. Die Höhe der Vergütung für die Beratung durch einen zugelassenen Pflegedienst oder durch eine von der Pflegekasse beauftragte Pflegefachkraft vereinbaren die Pflegekassen oder deren Arbeitsgemeinschaften in entsprechender Anwendung des § 89 Absatz 1 und 3 mit dem Träger des zugelassenen Pflegedienstes oder mit der von der Pflegekasse beauftragten Pflegefachkraft unter Berücksichtigung der Empfehlungen nach Absatz 5. Die Vergütung kann nach Pflegegraden gestaffelt werden. Über die Höhe der Vergütung anerkannter Beratungsstellen und von Beratungspersonen der kommunalen Gebietskörperschaften entscheiden die Landesverbände der Pflegekassen unter Zugrundelegung der im jeweiligen Land nach den Sätzen 2 und 4 vereinbarten Vergütungssätze jeweils für die Dauer eines Jahres. Die Landesverbände haben die jeweilige Festlegung der Vergütungshöhe in geeigneter Weise zu veröffentlichen.

(4) Die Pflegedienste und die anerkannten Beratungsstellen sowie die beauftragten Pflegefachkräfte haben die Durchführung der Beratungseinsätze gegenüber der Pflegekasse oder dem privaten Versicherungsunternehmen zu bestätigen sowie die bei dem Beratungsbesuch gewonnenen Erkenntnisse über die Möglichkeiten der Verbesserung der häuslichen Pflegesituation dem Pflegebedürftigen und mit dessen Einwilligung der Pflegekasse oder dem privaten Versicherungsunternehmen mitzuteilen, im Fall der Beihilfeberechtigung auch der zuständigen Beihilfefestsetzungsstelle. Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen und die privaten Versicherungsunternehmen stellen ihnen für diese Mitteilung ein einheitliches Formular zur Verfügung. Erteilt die pflegebedürftige Person die Einwilligung nicht, ist jedoch nach Überzeugung der Beratungsperson eine weitergehende Beratung angezeigt, übermittelt die jeweilige Beratungsstelle diese Einschätzung über die Erforderlichkeit einer weitergehenden Beratung der zuständigen Pflegekasse oder dem zuständigen privaten Versicherungsunternehmen. Diese haben eine weitergehende Beratung nach § 7a anzubieten. Der beauftragte Pflegedienst und die anerkannte Beratungsstelle haben dafür Sorge zu tragen, dass für einen Beratungsbesuch im häuslichen Bereich Pflegekräfte eingesetzt werden, die spezifisches Wissen zu dem Krankheits- und Behinderungsbild sowie des sich daraus ergebenden Hilfebedarfs des Pflegebedürftigen mitbringen und über besondere Beratungskompetenz verfügen. Zudem soll bei der Planung für die Beratungsbesuche weitestgehend sichergestellt werden, dass der Beratungsbesuch bei einem Pflegebedürftigen möglichst auf Dauer von derselben Pflegekraft durchgeführt wird.

(5) Die Vertragsparteien nach § 113 beschließen gemäß § 113b bis zum 1. Januar 2018 unter Beachtung der in Absatz 4 festgelegten Anforderungen Empfehlungen zur Qualitätssicherung der Beratungsbesuche nach Absatz 3. Die Empfehlungen enthalten Ausführungen wenigstens

1.
zu Beratungsstandards,
2.
zur erforderlichen Qualifikation der Beratungspersonen sowie
3.
zu erforderlichenfalls einzuleitenden Maßnahmen im Einzelfall.
Fordert das Bundesministerium für Gesundheit oder eine Vertragspartei nach § 113 im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit die Vertragsparteien schriftlich zum Beschluss neuer Empfehlungen nach Satz 1 auf, sind diese innerhalb von sechs Monaten nach Eingang der Aufforderung neu zu beschließen. Die Empfehlungen gelten für die anerkannten Beratungsstellen entsprechend.

(5a) Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen beschließt mit dem Verband der privaten Krankenversicherung e. V. bis zum 1. Januar 2020 Richtlinien zur Aufbereitung, Bewertung und standardisierten Dokumentation der Erkenntnisse aus dem jeweiligen Beratungsbesuch durch die Pflegekasse oder das private Versicherungsunternehmen. Die Richtlinien werden erst wirksam, wenn das Bundesministerium für Gesundheit sie genehmigt. Die Genehmigung gilt als erteilt, wenn die Richtlinien nicht innerhalb von zwei Monaten, nachdem sie dem Bundesministerium für Gesundheit vorgelegt worden sind, beanstandet werden. Beanstandungen des Bundesministeriums für Gesundheit sind innerhalb der von ihm gesetzten Frist zu beheben.

(6) Rufen Pflegebedürftige die Beratung nach Absatz 3 Satz 1 nicht ab, hat die Pflegekasse oder das private Versicherungsunternehmen das Pflegegeld angemessen zu kürzen und im Wiederholungsfall zu entziehen.

(7) Die Landesverbände der Pflegekassen haben neutrale und unabhängige Beratungsstellen zur Durchführung der Beratung nach den Absätzen 3 bis 4 anzuerkennen. Dem Antrag auf Anerkennung ist ein Nachweis über die erforderliche pflegefachliche Kompetenz der Beratungsstelle und ein Konzept zur Qualitätssicherung des Beratungsangebotes beizufügen. Die Landesverbände der Pflegekassen regeln das Nähere zur Anerkennung der Beratungsstellen.

(8) Die Beratungsbesuche nach Absatz 3 können auch von Pflegeberaterinnen und Pflegeberatern im Sinne des § 7a oder von Beratungspersonen der kommunalen Gebietskörperschaften, die die erforderliche pflegefachliche Kompetenz aufweisen, durchgeführt werden. Absatz 4 findet entsprechende Anwendung. Die Inhalte der Empfehlungen zur Qualitätssicherung der Beratungsbesuche nach Absatz 5 sind zu beachten.

(9) Beratungsbesuche nach Absatz 3 dürfen von Betreuungsdiensten im Sinne des § 71 Absatz 1a nicht durchgeführt werden.

(1) Pflegebedürftig im Sinne dieses Buches sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen können. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, und mit mindestens der in § 15 festgelegten Schwere bestehen.

(2) Maßgeblich für das Vorliegen von gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten sind die in den folgenden sechs Bereichen genannten pflegefachlich begründeten Kriterien:

1.
Mobilität: Positionswechsel im Bett, Halten einer stabilen Sitzposition, Umsetzen, Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs, Treppensteigen;
2.
kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Erkennen von Personen aus dem näheren Umfeld, örtliche Orientierung, zeitliche Orientierung, Erinnern an wesentliche Ereignisse oder Beobachtungen, Steuern von mehrschrittigen Alltagshandlungen, Treffen von Entscheidungen im Alltagsleben, Verstehen von Sachverhalten und Informationen, Erkennen von Risiken und Gefahren, Mitteilen von elementaren Bedürfnissen, Verstehen von Aufforderungen, Beteiligen an einem Gespräch;
3.
Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: motorisch geprägte Verhaltensauffälligkeiten, nächtliche Unruhe, selbstschädigendes und autoaggressives Verhalten, Beschädigen von Gegenständen, physisch aggressives Verhalten gegenüber anderen Personen, verbale Aggression, andere pflegerelevante vokale Auffälligkeiten, Abwehr pflegerischer und anderer unterstützender Maßnahmen, Wahnvorstellungen, Ängste, Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage, sozial inadäquate Verhaltensweisen, sonstige pflegerelevante inadäquate Handlungen;
4.
Selbstversorgung: Waschen des vorderen Oberkörpers, Körperpflege im Bereich des Kopfes, Waschen des Intimbereichs, Duschen und Baden einschließlich Waschen der Haare, An- und Auskleiden des Oberkörpers, An- und Auskleiden des Unterkörpers, mundgerechtes Zubereiten der Nahrung und Eingießen von Getränken, Essen, Trinken, Benutzen einer Toilette oder eines Toilettenstuhls, Bewältigen der Folgen einer Harninkontinenz und Umgang mit Dauerkatheter und Urostoma, Bewältigen der Folgen einer Stuhlinkontinenz und Umgang mit Stoma, Ernährung parenteral oder über Sonde, Bestehen gravierender Probleme bei der Nahrungsaufnahme bei Kindern bis zu 18 Monaten, die einen außergewöhnlich pflegeintensiven Hilfebedarf auslösen;
5.
Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen:
a)
in Bezug auf Medikation, Injektionen, Versorgung intravenöser Zugänge, Absaugen und Sauerstoffgabe, Einreibungen sowie Kälte- und Wärmeanwendungen, Messung und Deutung von Körperzuständen, körpernahe Hilfsmittel,
b)
in Bezug auf Verbandswechsel und Wundversorgung, Versorgung mit Stoma, regelmäßige Einmalkatheterisierung und Nutzung von Abführmethoden, Therapiemaßnahmen in häuslicher Umgebung,
c)
in Bezug auf zeit- und technikintensive Maßnahmen in häuslicher Umgebung, Arztbesuche, Besuche anderer medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, zeitlich ausgedehnte Besuche medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, Besuch von Einrichtungen zur Frühförderung bei Kindern sowie
d)
in Bezug auf das Einhalten einer Diät oder anderer krankheits- oder therapiebedingter Verhaltensvorschriften;
6.
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Gestaltung des Tagesablaufs und Anpassung an Veränderungen, Ruhen und Schlafen, Sichbeschäftigen, Vornehmen von in die Zukunft gerichteten Planungen, Interaktion mit Personen im direkten Kontakt, Kontaktpflege zu Personen außerhalb des direkten Umfelds.

(3) Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, die dazu führen, dass die Haushaltsführung nicht mehr ohne Hilfe bewältigt werden kann, werden bei den Kriterien der in Absatz 2 genannten Bereiche berücksichtigt.

(1) Pflegebedürftige erhalten nach der Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten einen Grad der Pflegebedürftigkeit (Pflegegrad). Der Pflegegrad wird mit Hilfe eines pflegefachlich begründeten Begutachtungsinstruments ermittelt.

(2) Das Begutachtungsinstrument ist in sechs Module gegliedert, die den sechs Bereichen in § 14 Absatz 2 entsprechen. In jedem Modul sind für die in den Bereichen genannten Kriterien die in Anlage 1 dargestellten Kategorien vorgesehen. Die Kategorien stellen die in ihnen zum Ausdruck kommenden verschiedenen Schweregrade der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten dar. Den Kategorien werden in Bezug auf die einzelnen Kriterien pflegefachlich fundierte Einzelpunkte zugeordnet, die aus Anlage 1 ersichtlich sind. In jedem Modul werden die jeweils erreichbaren Summen aus Einzelpunkten nach den in Anlage 2 festgelegten Punktbereichen gegliedert. Die Summen der Punkte werden nach den in ihnen zum Ausdruck kommenden Schweregraden der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten wie folgt bezeichnet:

1.
Punktbereich 0: keine Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
2.
Punktbereich 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
3.
Punktbereich 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
4.
Punktbereich 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten und
5.
Punktbereich 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten.
Jedem Punktbereich in einem Modul werden unter Berücksichtigung der in ihm zum Ausdruck kommenden Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten sowie der folgenden Gewichtung der Module die in Anlage 2 festgelegten, gewichteten Punkte zugeordnet. Die Module des Begutachtungsinstruments werden wie folgt gewichtet:
1.
Mobilität mit 10 Prozent,
2.
kognitive und kommunikative Fähigkeiten sowie Verhaltensweisen und psychische Problemlagen zusammen mit 15 Prozent,
3.
Selbstversorgung mit 40 Prozent,
4.
Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen mit 20 Prozent,
5.
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte mit 15 Prozent.

(3) Zur Ermittlung des Pflegegrades sind die bei der Begutachtung festgestellten Einzelpunkte in jedem Modul zu addieren und dem in Anlage 2 festgelegten Punktbereich sowie den sich daraus ergebenden gewichteten Punkten zuzuordnen. Den Modulen 2 und 3 ist ein gemeinsamer gewichteter Punkt zuzuordnen, der aus den höchsten gewichteten Punkten entweder des Moduls 2 oder des Moduls 3 besteht. Aus den gewichteten Punkten aller Module sind durch Addition die Gesamtpunkte zu bilden. Auf der Basis der erreichten Gesamtpunkte sind pflegebedürftige Personen in einen der nachfolgenden Pflegegrade einzuordnen:

1.
ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
2.
ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
3.
ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
4.
ab 70 bis unter 90 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
5.
ab 90 bis 100 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 5: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung.

(4) Pflegebedürftige mit besonderen Bedarfskonstellationen, die einen spezifischen, außergewöhnlich hohen Hilfebedarf mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung aufweisen, können aus pflegefachlichen Gründen dem Pflegegrad 5 zugeordnet werden, auch wenn ihre Gesamtpunkte unter 90 liegen. Der Medizinische Dienst Bund konkretisiert in den Richtlinien nach § 17 Absatz 1 die pflegefachlich begründeten Voraussetzungen für solche besonderen Bedarfskonstellationen.

(5) Bei der Begutachtung sind auch solche Kriterien zu berücksichtigen, die zu einem Hilfebedarf führen, für den Leistungen des Fünften Buches vorgesehen sind. Dies gilt auch für krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen. Krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen sind Maßnahmen der Behandlungspflege, bei denen der behandlungspflegerische Hilfebedarf aus medizinisch-pflegerischen Gründen regelmäßig und auf Dauer untrennbarer Bestandteil einer pflegerischen Maßnahme in den in § 14 Absatz 2 genannten sechs Bereichen ist oder mit einer solchen notwendig in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang steht.

(6) Bei pflegebedürftigen Kindern wird der Pflegegrad durch einen Vergleich der Beeinträchtigungen ihrer Selbständigkeit und ihrer Fähigkeiten mit altersentsprechend entwickelten Kindern ermittelt. Im Übrigen gelten die Absätze 1 bis 5 entsprechend.

(7) Pflegebedürftige Kinder im Alter bis zu 18 Monaten werden abweichend von den Absätzen 3, 4 und 6 Satz 2 wie folgt eingestuft:

1.
ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 2,
2.
ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 3,
3.
ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 4,
4.
ab 70 bis 100 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 5.

(1) Pflegebedürftig im Sinne dieses Buches sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen können. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, und mit mindestens der in § 15 festgelegten Schwere bestehen.

(2) Maßgeblich für das Vorliegen von gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten sind die in den folgenden sechs Bereichen genannten pflegefachlich begründeten Kriterien:

1.
Mobilität: Positionswechsel im Bett, Halten einer stabilen Sitzposition, Umsetzen, Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs, Treppensteigen;
2.
kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Erkennen von Personen aus dem näheren Umfeld, örtliche Orientierung, zeitliche Orientierung, Erinnern an wesentliche Ereignisse oder Beobachtungen, Steuern von mehrschrittigen Alltagshandlungen, Treffen von Entscheidungen im Alltagsleben, Verstehen von Sachverhalten und Informationen, Erkennen von Risiken und Gefahren, Mitteilen von elementaren Bedürfnissen, Verstehen von Aufforderungen, Beteiligen an einem Gespräch;
3.
Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: motorisch geprägte Verhaltensauffälligkeiten, nächtliche Unruhe, selbstschädigendes und autoaggressives Verhalten, Beschädigen von Gegenständen, physisch aggressives Verhalten gegenüber anderen Personen, verbale Aggression, andere pflegerelevante vokale Auffälligkeiten, Abwehr pflegerischer und anderer unterstützender Maßnahmen, Wahnvorstellungen, Ängste, Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage, sozial inadäquate Verhaltensweisen, sonstige pflegerelevante inadäquate Handlungen;
4.
Selbstversorgung: Waschen des vorderen Oberkörpers, Körperpflege im Bereich des Kopfes, Waschen des Intimbereichs, Duschen und Baden einschließlich Waschen der Haare, An- und Auskleiden des Oberkörpers, An- und Auskleiden des Unterkörpers, mundgerechtes Zubereiten der Nahrung und Eingießen von Getränken, Essen, Trinken, Benutzen einer Toilette oder eines Toilettenstuhls, Bewältigen der Folgen einer Harninkontinenz und Umgang mit Dauerkatheter und Urostoma, Bewältigen der Folgen einer Stuhlinkontinenz und Umgang mit Stoma, Ernährung parenteral oder über Sonde, Bestehen gravierender Probleme bei der Nahrungsaufnahme bei Kindern bis zu 18 Monaten, die einen außergewöhnlich pflegeintensiven Hilfebedarf auslösen;
5.
Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen:
a)
in Bezug auf Medikation, Injektionen, Versorgung intravenöser Zugänge, Absaugen und Sauerstoffgabe, Einreibungen sowie Kälte- und Wärmeanwendungen, Messung und Deutung von Körperzuständen, körpernahe Hilfsmittel,
b)
in Bezug auf Verbandswechsel und Wundversorgung, Versorgung mit Stoma, regelmäßige Einmalkatheterisierung und Nutzung von Abführmethoden, Therapiemaßnahmen in häuslicher Umgebung,
c)
in Bezug auf zeit- und technikintensive Maßnahmen in häuslicher Umgebung, Arztbesuche, Besuche anderer medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, zeitlich ausgedehnte Besuche medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, Besuch von Einrichtungen zur Frühförderung bei Kindern sowie
d)
in Bezug auf das Einhalten einer Diät oder anderer krankheits- oder therapiebedingter Verhaltensvorschriften;
6.
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Gestaltung des Tagesablaufs und Anpassung an Veränderungen, Ruhen und Schlafen, Sichbeschäftigen, Vornehmen von in die Zukunft gerichteten Planungen, Interaktion mit Personen im direkten Kontakt, Kontaktpflege zu Personen außerhalb des direkten Umfelds.

(3) Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, die dazu führen, dass die Haushaltsführung nicht mehr ohne Hilfe bewältigt werden kann, werden bei den Kriterien der in Absatz 2 genannten Bereiche berücksichtigt.

(1) Die Leistungen der Pflegeversicherung sind Dienst-, Sach- und Geldleistungen für den Bedarf an körperbezogenen Pflegemaßnahmen, pflegerischen Betreuungsmaßnahmen und Hilfen bei der Haushaltsführung sowie Kostenerstattung, soweit es dieses Buch vorsieht. Art und Umfang der Leistungen richten sich nach der Schwere der Pflegebedürftigkeit und danach, ob häusliche, teilstationäre oder vollstationäre Pflege in Anspruch genommen wird.

(2) Bei häuslicher und teilstationärer Pflege ergänzen die Leistungen der Pflegeversicherung die familiäre, nachbarschaftliche oder sonstige ehrenamtliche Pflege und Betreuung. Bei teil- und vollstationärer Pflege werden die Pflegebedürftigen von Aufwendungen entlastet, die für ihre Versorgung nach Art und Schwere der Pflegebedürftigkeit erforderlich sind (pflegebedingte Aufwendungen), die Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung tragen die Pflegebedürftigen selbst.

(3) Pflegekassen, Pflegeeinrichtungen und Pflegebedürftige haben darauf hinzuwirken, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

(1) Pflegebedürftig im Sinne dieses Buches sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen können. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, und mit mindestens der in § 15 festgelegten Schwere bestehen.

(2) Maßgeblich für das Vorliegen von gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten sind die in den folgenden sechs Bereichen genannten pflegefachlich begründeten Kriterien:

1.
Mobilität: Positionswechsel im Bett, Halten einer stabilen Sitzposition, Umsetzen, Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs, Treppensteigen;
2.
kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Erkennen von Personen aus dem näheren Umfeld, örtliche Orientierung, zeitliche Orientierung, Erinnern an wesentliche Ereignisse oder Beobachtungen, Steuern von mehrschrittigen Alltagshandlungen, Treffen von Entscheidungen im Alltagsleben, Verstehen von Sachverhalten und Informationen, Erkennen von Risiken und Gefahren, Mitteilen von elementaren Bedürfnissen, Verstehen von Aufforderungen, Beteiligen an einem Gespräch;
3.
Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: motorisch geprägte Verhaltensauffälligkeiten, nächtliche Unruhe, selbstschädigendes und autoaggressives Verhalten, Beschädigen von Gegenständen, physisch aggressives Verhalten gegenüber anderen Personen, verbale Aggression, andere pflegerelevante vokale Auffälligkeiten, Abwehr pflegerischer und anderer unterstützender Maßnahmen, Wahnvorstellungen, Ängste, Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage, sozial inadäquate Verhaltensweisen, sonstige pflegerelevante inadäquate Handlungen;
4.
Selbstversorgung: Waschen des vorderen Oberkörpers, Körperpflege im Bereich des Kopfes, Waschen des Intimbereichs, Duschen und Baden einschließlich Waschen der Haare, An- und Auskleiden des Oberkörpers, An- und Auskleiden des Unterkörpers, mundgerechtes Zubereiten der Nahrung und Eingießen von Getränken, Essen, Trinken, Benutzen einer Toilette oder eines Toilettenstuhls, Bewältigen der Folgen einer Harninkontinenz und Umgang mit Dauerkatheter und Urostoma, Bewältigen der Folgen einer Stuhlinkontinenz und Umgang mit Stoma, Ernährung parenteral oder über Sonde, Bestehen gravierender Probleme bei der Nahrungsaufnahme bei Kindern bis zu 18 Monaten, die einen außergewöhnlich pflegeintensiven Hilfebedarf auslösen;
5.
Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen:
a)
in Bezug auf Medikation, Injektionen, Versorgung intravenöser Zugänge, Absaugen und Sauerstoffgabe, Einreibungen sowie Kälte- und Wärmeanwendungen, Messung und Deutung von Körperzuständen, körpernahe Hilfsmittel,
b)
in Bezug auf Verbandswechsel und Wundversorgung, Versorgung mit Stoma, regelmäßige Einmalkatheterisierung und Nutzung von Abführmethoden, Therapiemaßnahmen in häuslicher Umgebung,
c)
in Bezug auf zeit- und technikintensive Maßnahmen in häuslicher Umgebung, Arztbesuche, Besuche anderer medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, zeitlich ausgedehnte Besuche medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, Besuch von Einrichtungen zur Frühförderung bei Kindern sowie
d)
in Bezug auf das Einhalten einer Diät oder anderer krankheits- oder therapiebedingter Verhaltensvorschriften;
6.
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Gestaltung des Tagesablaufs und Anpassung an Veränderungen, Ruhen und Schlafen, Sichbeschäftigen, Vornehmen von in die Zukunft gerichteten Planungen, Interaktion mit Personen im direkten Kontakt, Kontaktpflege zu Personen außerhalb des direkten Umfelds.

(3) Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, die dazu führen, dass die Haushaltsführung nicht mehr ohne Hilfe bewältigt werden kann, werden bei den Kriterien der in Absatz 2 genannten Bereiche berücksichtigt.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.