Landgericht Nürnberg-Fürth Beschluss, 27. Nov. 2018 - 2 HK O 10103/12
Gericht
Tenor
A HINWEISE
Die Kammer hatte nunmehr Gelegenheit die Angelegenheit abschließend zu beraten und hält folgende Hinweise für veranlasst:
1. Die Kammer erachtet die Voraussetzungen für einen Ausgleichsanspruch der Klägerin für gegeben.
Die Kammer hegt keine Zweifel, dass der Vertrag, der streitgegenständlich ist, vom Typus her einem Vertragshändlervertrag entspricht und hierauf das deutsche Recht Anwendung findet. Dies bedeutet, dass diejenigen Regularien gelten, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung für einen Ausgleichsanspruch eines Vertragshändlers nach deutschem Recht maßgeblich sind.
Die Beurteilung wird natürlich dadurch erschwert, dass insoweit nur richterrechtliche Regelungen im Sinne einer Analogie existieren.
Aufgrund der Beobachtungen der Kammer in den letzten Jahren lässt sich allerdings die Tendenz feststellen, dass nicht zuletzt durch die Entscheidung des BGH (siehe zuletzt Urteil vom 25.02.2016 - VII ZR 102/15) eine immer größere Annäherung des Ausgleichsanspruchs für Vertragshändler an denjenigen von Handelsvertretern und insbesondere eine faktische Überlagerung des Richterechts durch die, nur für Waren-Vertreter direkt geltende EU-Handelsvertreterrichtlinie Anwendung stattfindet.
Demzufolge ist für die Frage, ob ein Ausgleichsanspruch dem Grunde nach besteht nach Ansicht der Kammer einzig und allein im Sinne einer Analogie maßgeblich, ob die Beklagte einen Unternehmervorteil aus der Geschäftsbeziehung mit der Klägerin gezogen hat. Es soll über die gezahlten Provisionen hinaus ein Ausgleich dafür vom Unternehmer geschuldet sein, dass er aus den Geschäftsbeziehungen mit Kunden, die der Vertriebshändler beigebracht hat einen „Goodwill“ dh. eine begründete Gewinnerwartung hat - sehr instruktiv hierzu Szpunar, Schlussantrag vom 10.09.2015 - C-315/14.
Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme und der vorliegenden Urkunden ist der Subsumtionsschluss, dass hier ein Goodwill im Sinne eines materiellen Gewinnerwartungsanspruchs aus den greifbaren Kundendaten auszugleichen ist, zwingend.
Die Kammer kann sich der Ansicht der Beklagten nicht anschließen, dass die Aussagen zu diffus sein. Wenn diese beweiswürdigend (dies wird ausführlich im Urteil zu geschehen haben) abgeschichtet werden, bleibt als Restbestand wohl bestehen, dass die Beklagte die entsprechenden Kunden der Klägerin mit Name und Anschrift griffbereit auf dem Rechner hatte und über diese Daten frei verfügen konnte.
Dass diese dann möglicherweise nicht verwendet werden konnten, weil die Produkte nicht mehr eigenständig vertrieben wurden, dies aber möglicherweise als geldwerter Vorteil bei der Übernahme des Sortiments durch eine Drittfirma eingeflossen ist, hindert ein Ausgleichsanspruch prinzipiell nicht.
Nach alldem kommt nach der, von der Kammer vertretenen Rechtsansicht unter Würdigung der tatsächlichen Aspekte aus der Beweisaufnahme ein Ausgleichsanspruch der Klägerin dem Grunde nach in Betracht.
2. Der Kammer ist Entscheidung BGH, Urteil vom 29. Mai 1967 - VII ZR 297/64 bekannt. Nach dieser Entscheidung, die nach wie vor bei den Instanzgerichten Anwendung findet, wäre ein Grundurteil über die Frage, ob dem Kläger einen Ausgleichsanspruch als Vertragshändler zusteht, wohl möglich, weil aufgrund der bisherigen Feststellungen der Schluss naheliegt, dass erhebliche Vorteile im Sinn von § 89 b Abs. 1 Nummer 1 HGB (analog) anzunehmen sind und auch, dass die Zahlung eines Ausgleichs im Rahmen der abschließend gebotenen Gesamtwürdigung der Billigkeit entsprechen würde - § 89 b Abs. 1 Nummer 3 HGB - analog.
Dennoch meint die Kammer, dass durch die nachfolgend anberaumte - einfach strukturierte - Beweisaufnahme der, Rechtsstreit zeitnah abgeschlossen werden kann und die Entscheidung dann im Instanzenzug zur Überprüfung gestellt werden kann bzw. wird. Dem Kläger und auch der Beklagten ist demzufolge damit eher gedient, wenn der Fall auch betragsmäßig in der 1. Instanz abgeschlossen wird.
B BEWEISBESCHLUSS
1. Es ist Beweis zu erheben über die Behauptungen des Klägers, dass die in Anlage K4 aufgelisteten Umsätze (seit 2005 entstandene Gewinne und Umsätze) den Tatsachen entsprechen durch
Parteivernehmung des Geschäftsführers der Klägerin ... (Beweisantritt im Schriftsatz KV vom 1.12.2015)
Diese Beweisaufnahme bedarf es, weil die Beklagte das Zahlenwerk wohl prozessual zulässig mit Nichtwissen bestreitet (die Zahlen sollen ihr nicht zugänglich gewesen sein bzw. zugänglich sein).
Demzufolge war durch Beweiserhebung die Richtigkeit der, unzweifelhaft die Anspruchshöhe tangierenden Parameter zu erforschen. Nachdem kein anderes Beweismittel zur Verfügung steht, kommt hier die Parteivernehmung von Amts wegen gem. § 448 ZPO in Betracht, nachdem aufgrund der detaillierten Auflistung eine Anfangswahrscheinlichkeit dafür besteht, dass durch die Beweisaufnahme die Tatsachen für die Klägerin bewiesen werden können.
2. Es wird um Stellungnahme gebeten, welcher Termin für die Beweisaufnahme realisierbar ist. KV wird gebeten, dies auch mit Herrn Antonios Delendas abzuklären.
Zur Auswahl stehen - Beginn der Sitzung jeweils um 10.30 Uhr:
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•31.1.19
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•12.2.19
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•12.3.19
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•22.3.19
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•29.3.19
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•24.5.19
Es wird bis 17.12.18 um Stellungnahme gebeten, welcher Termin realisierbar ist. Geht innerhalb der Frist keine Mitteilung ein, so wird davon ausgegangen, dass alle Termine passen.
Die Kammer wird am 18.12.18 den Termin bestimmen-somit können dann gesperrte Termine sodann freigegeben werden. Ein Dolmetscher für Griechisch wird zu laden sein - es wäre wünschenswert, wenn Kläger bereits vor dem 17.12.18 den erforderlichen Vorschuss von 300 EUR einbezahlt.
Annotations
Auch ohne Antrag einer Partei und ohne Rücksicht auf die Beweislast kann das Gericht, wenn das Ergebnis der Verhandlungen und einer etwaigen Beweisaufnahme nicht ausreicht, um seine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer zu erweisenden Tatsache zu begründen, die Vernehmung einer Partei oder beider Parteien über die Tatsache anordnen.