Landgericht München I Urteil, 10. Dez. 2014 - 9 O 17263/14
Gericht
Tenor
1. Der Beklagten wird es bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu Euro 250.000,- ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft zu vollstrecken an der Geschäftsführung, für jeden Fall der Zuwiderhandlung - untersagt, in Bezug auf den Kläger zu behaupten/behaupten zu lassen und/oder verbreiten/verbreiten zu lassen:
a. ... Manchmal soll S. sogar wieder selbstständig atmen“
b. „M. ist ansprechbar und kommuniziert sogar - durch seine Augen“
so wie dies in der Illustrierten „F.“ Nr. 27/2014 vom 25.06.2014 und dort auf Seite 6 geschehen ist.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von Euro 580,95 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von Euro 710,40 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
IL
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
II.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,00 Euro vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zulässigkeit einer Berichterstattung über den Kläger durch das von der Beklagten verlegte Magazin „F.“.
Der Kläger ist ein bekannter deutscher Motorsportler.
Die Beklagte ist Verlegerin des streitgegenständlichen Magazins; die streitgegenständliche Veröffentlichung erfolgte im Heft Nr. .../2014 vom 25.06.2014 auf Seite 6.
In der streitgegenständlichen Berichterstattung wird unter Anderem ausgeführt: „Manchmal soll S. sogar wieder selbstständig atmen.“ sowie „M.“ ist ansprechbar und kommuniziert sogar - durch seine Augen“. Die streitgegenständliche Berichterstattung ist weiterhin überschrieben mit der Titelseite „M. S. sensationelle Fortschritte“ und als Untertitel wird ausgeführt: „Riesen Erfolge mit einer Therapie aus Deutschland?“. Im Übrigen befasst sich der Artikel mit den gesundheitlichen Folgen des schweren Skiunfalls des Klägers Ende 2013.
Der Kläger trägt vor,
die streitgegenständliche Berichterstattung sei rechtswidrig. Sie stelle einen unzulässigen Eingriff in den räumlich und thematisch gefassten Schutzbereich der Privatsphäre des Klägers dar. Zu diesem Bereich gehöre insbesondere der Gesundheitszustand eines Betroffenen. Er stelle sogar gleichsam eine Grundfeste des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar.
Die Berichterstattung thematisiere daher in unzulässiger Weise seinen genauen Gesundheitszustand. Ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit an einer Berichterstattung über diese Umstände sei nicht ersichtlich. Das gelte ganz gleich, ob man die Nachricht nun als relativ positiv oder negativ einordnen wolle. Jedenfalls werde der Kläger so beschrieben, als habe man ihn gleichsam im Krankenzimmer beobachtet und diesen Eindruck öffentlich niedergelegt. Darin unterscheide sich der Beitrag auch von den aus der Sphäre des Klägers getätigten Verlautbarungen. Diese allgemeinem Angaben seien damit auch nicht geeignet, die Privatheitserwartung des Klägers zu senken.
Weiterhin könne er auch Ersatz der im Klageantrag zu 2. geltend gemachten außergerichtlichen Abmahnkosten verlangen. Er begehre diese aus einem Gegenstandswert von 30.000,- Euro und in Höhe einer 0,65 Geschäftsgebühr zzgl. Auslagenpauschale.
Schließlich könne er auch den Ersatz der im durch die erneute Inanspruchnahme des Klägervertreters für die Einforderung einer Abschlusserklärung entstandenen Rechtsanwaltskosten verlangen. Auch diese stellten sich als Rechtsverfolgungskosten dar. Insoweit mache er eine 0,8 Gebühr aus dem Streitwert von 30.000,- Euro geltend. Den Übergang vom einstweiligen Verfahren hin zur Hauptsache habe er erst nach ausdrücklicher und gesonderter Rücksprache vollzogen.
Der Kläger beantragt,
I.
es der Beklagten bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu Euro 250.000,- ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft zu vollstrecken an der Geschäftsführung, für jeden Fall der Zuwiderhandlung - zu untersagen, in Bezug auf den Kläger zu behaupten/behaupten zu lassen und/oder verbreiten/verbreiten zu lassen:
I.
„Manchmal soll S. sogar wieder selbstständig atmen“
2. M. ist ansprechbar und kommuniziert sogar - durch seine Augen“
so wie dies in der Illustrierten „F.“ Nr. 27/2014 vom 25.06.2014 und dort auf Seite 6 geschehen ist.
II.
Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von Euro 580,95 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. III. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von Euro 710,40 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt dazu vor:
Bei dem Skiunfall des Klägers handele es sich um ein „Jahrhundertereignis“. Es sei selbstverständlich, dass daran ein ganz erhebliches gesteigertes öffentliches Interesse bestehe. Entsprechend dürfe auch über dessen nähere Umstände, Folgen, und Konsequenzen berichtet werden. Diese Umstände nehmen an der Einordnung als zeitgeschichtliches Ereignis teil. Bei alldem sei zu beachten, dass es sich um eine Wort-, nicht aber eine Bildberichterstattung gehandelt habe.
Privatheitserwartungen hätten entsprechend auch auf der Abwägungsebene zurückzutreten. Dies gelte besonders, weil ja nicht detailreiche Schilderungen erfolgten, sondern nur einzelne Umstände dargestellt würden.
Schließlich habe sich der Kläger insoweit auch des Schutzes begeben, da seine Managerin, Frau K., eine Erklärung abgegeben habe, die sich ebenfalls zu der gesundheitlichen Entwicklung des Klägers verhalte. Auch sei die von der Frau des Klägers abgegebene Stellungnahme für die Fans von Relevanz.
Endlich handele es sich um relativ positive Nachrichten.
Gründe
I.
Die Klage erweist sich als zulässig und begründet. Der Kläger kann nach §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 1004 Abs. 1 analog BGB die Unterlassung der im Streit stehenden Berichterstattung verlangen.
1. Die Berichterstattung betrifft das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers.
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, welches sich aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG herleitet, schützt die innere persönliche Lebenssphäre und soll die Erhaltung ihrer Grundbedingungen gewährleisten, die sich durch die traditionellen konkreten Freiheitsgarantien nicht abschließend erfassen lassen (Prinz/Peters, a. a. O., Rn. 50). Insbesondere steht jedermann das Recht auf einen autonomen Bereich der eigenen Lebensgestaltung zu, in dem er seine Individualität unter Ausschluss anderer entwickeln und wahrnehmen kann („Privatsphäre“, vgl. a. a. O., Rn. 61). Die Intimsphäre umfasst weitergehend die innere Gedanken- und Gefühlswelt mit ihren äußeren Erscheinungsformen wie vertrauliche Briefe, Tagebuchaufzeichnungen, sowie die Angelegenheiten, die für ihrer Natur nach Anspruch auf Geheimhaltung besteht, z. B. Gesundheitszustand, Einzelheiten über das Sexualleben. Die Intimsphäre genießt grundsätzlich absoluten Persönlichkeitsschutz.
Der Bundesgerichtshof hat insoweit ausgeführt (BGH, Urt. v. 16.09.2012, VI ZR 291/10, Abs. 12): „Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des erkennenden Senats umfasst das allgemeine Persönlichkeitsrecht das Recht auf Achtung der Privatsphäre, das jedermann einen autonomen Bereich der eigenen Lebensgestaltung zugesteht, in dem er seine Individualität unter Ausschluss anderer entwickeln und wahrnehmen kann. Dazu gehört in diesem Bereich auch das Recht, für sich zu sein, sich selber zu gehören und den Einblick durch andere auszuschließen (vgl. BVerfGE 34, 238, 245; 35, 202, 220; BVerfG, AfP 2010, 562 Rn. 55 f.; Senatsurteile vom 19. Dezember 1995 - VI ZR 15/95
Auf den Fall des Klägers bezogen heißt das: Der Bericht über die Vitalfunktionen des Klägers sowie die Ansprechbarkeit des Klägers betrifft dessen Intimsphäre. Die Beklagte berichtet Umstände, die jedem Blick der Öffentlichkeit entzogen sind und nur durch jemanden berichtet werden können, der sich entweder bei dem Kläger am Krankenlager befindet oder von dort durch einen Dritten - gleichsam als verlängertes Auge und Ohr - berichtet wurden.
2. Für die Beklagte streitet die Pressefreiheit.
3. Bei Abwägung der Interessen tritt das Berichtsinteresse der Beklagten gegenüber dem Interesse des Klägers an der Aufrechterhaltung seiner Privatheit zurück.
Auch insoweit hat sich die Kammer von der obergerichtlichen Rechtsprechung leiten lassen (BGH, Urt. v. 16.09.2012, VI2R291/10, Abs. 12):
„Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind (vgl. Senatsurteile vom 9. Dezember 2003 -VIZR 373/02, a. a. O. S. 523; vom 11. März 2008 - VI ZR 189/06
Hiernach gilt für den streitgegenständlichen Fall Folgendes:
a. Zum Berichtsinteresse:
Für das Berichtsinteresse der Beklagten streitet die überlegene Bekanntheit des Klägers. Der Kläger dürfte einer der bekanntesten lebenden deutschen Staatsbürger sein. Er hat herausragende Erfolge in Motorsport-Wettbewerben erzielt. Er wurde dadurch - maßgeblich medial begleitet - einer ganz erheblichen Zahl von Menschen bekannt. Personen, die deutschsprachige Medien wahrnehmen, konnten seiner Bekanntheit praktisch nicht ausweichen. Die Bekanntheit setzte sich auch nach dem Ausstieg aus der Formel-1-Tätigkeit fort. Durch den tragischen Unfall hat die Bekanntheit des Klägers einen weiteren (freilich bedauerlichen) Höhepunkt erreicht.
Das Berichtsinteresse wird unter anderem dadurch genährt, dass der Kläger beim Skifahren gestürzt ist und sich das Sturzereignis daher in einer für viele Menschen nachvollziehbaren Weise ereignet hat. Darüber hinaus hat nicht nur die allgemeine Anteilnahme, sondern auch die Anteilnahme Prominenter dazu geführt, dass nicht nur das Sturzereignis selbst, sondern auch der Krankenhausaufenthalt bzw. der Heilungsprozess insgesamt öffentlich thematisiert wurden.
Die Familie sowie die Pressesprecherin des Klägers haben das Berichtsinteresse durch einzelne Bulletins begleitet; auch die dadurch vermittelte Reaktualisierung des zunächst nur anfangs bekannten Zustands schaffen ein Berichtsinteresse.
Dies im Sinne einer Niveaukontrolle inhaltlich zu bewerten, ist nicht Aufgabe des Gerichts. Indes streitet für das Berichtsinteresse wohl nur eine sehr zurückhaltend zu bewertende Orientierungsfunktion für den Leser; die Kammer sieht ein deutliches Überwiegen eines breiten Voyeurismus.
b. Zum Schutzinteresse des Klägers:
Die Berichterstattung beschränkt sich nicht auf Allgemeinplätze zum Zustand eines hirnverletzten und lange neurochirurgisch behandelten Menschen, sondern beschreibt konkrete Gesundheitsdaten, indem sie die Atemtätigkeit des Klägers sowie dessen Ansprechbarkeit bzw. Kommunikationsfähigkeit beschreibt. Sie betrifft in ihrer Detailgenauigkeit nicht nur Dinge, die nur durch eine Person in unmittelbarer Nähe des Klägers, wahrscheinlich sogar mit medizinischer Grundbildung, festgestellt werden können, sondern darüber hinaus auch noch so grundlegende Fähigkeiten des Klägers, dass sie dessen für die breite Öffentlichkeit gar nicht konkret vorstellbare Einschränkungen nach der schweren Verletzung plastisch erscheinen lassen.
Sie machen damit - obgleich nur Textberichterstattung - das aufgrund der Mitteilungen der Familie und der Ärzte nur diffus bekannte Zustandsbild des Klägers („Momente des Erwachens“) in einer Weise für den Laien verständlich und begreiflich, die über die allenfalls durch fiktive Fernsehserien vermittelte Vorstellung eines Erwachens aus dem Koma, die freilich der Realität nur punktuell gleichkommen dürfte, hinausgeht.
Der Kläger ist aber auch räumlich in seinem Persönlichkeitsrecht betroffen. Er hat durch die heimliche Verlegung in sein privates Anwesen nämlich eigentlich alle denkbaren Vorkehrungen getroffen, um sich -in seiner Unfall bedingten Versehrtheit - dem Öffentlichen Blick zu entziehen. Die Berichterstattung beginnt durch das plastische Schildern, insbesondere der Kommunikation durch die Augen, gleichsam die Situation des Klägers an seinem (privaten) Krankenlager zu zeichnen.
c. Zur Abwägung:
Bei der Abwägung überwiegt damit das Schutzinteresse des Klägers gegenüber dem Berichtsinteresse der Beklagten.
Zwar sieht die Kammer das ganz erhebliche Interesse der Öffentlichkeit an der gesundheitlichen Entwicklung des Klägers. Sie verkennt auch nicht, dass dieses auch in seiner ganz außerordentlichen Prominenz begründet liegt und der Kläger diese Prominenz durch seine Profi-Laufbahn als Motorsportler auch selbst gefördert hat. Der Fall unterscheidet sich damit deutlich von einem Patienten, der etwa erst durch den Unfall berühmt wurde.
Gleichwohl bleibt auch bei dem noch so prominenten Menschen der Kernbereich gesundheitlicher Befindlichkeit geschützt. Zwar mag etwas anderes gelten, wenn sich die Gesundheit auf die angestrebte öffentliche Verwendung der Person auswirken könnte, keinesfalls jedoch hier, wo eine weit nachwirkende Bekanntheit als Feigenblatt für die Bekanntgabe einzelner Krankheitssymptome dienen soll (vgl. Soehring, in: Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Auflage, § 19, Rz. 16).
Das Berichtsinteresse wiegt jedoch schon bereits wegen seiner nur sehr zurückhaltend anzunehmenden Orientierungsfunktion (zu deren Bedeutung vgl. BGH, Urt. v. 01.07.2008, VI ZR 67/08, Abs. 20; BGH, Urt. v.-10.03.2009, VI ZR 261/07, Abs. 14) nur wenig gegenüber dem Interesse des Klägers an seiner Privatheit. Die Beschwerdeentwicklung bei einem einzelnen Stürzpatienten mit einer schwerwiegenden Hirnverletzung kann für die Öffentlichkeit nur wenig Orientierungsfunktion leisten. Anders als bei Berichten etwa über Beziehungen Prominenter ist glücklicherweise nicht jeder Leser selber oder in seinem Umfeld von einer schweren Schädel-Hirn-Verletzung betroffen. Auch sind die Sachverhalte insoweit wenig verallgemeinerungsfähig. Dies gilt bereits wegen der Kargheit der auch von der Beklagten vermittelten Information, die nicht etwa den alltäglichen Umgang der Familie Schumacher mit dem Schicksalsschlag beschreibt. Die flashgleiche Aufnahme vom Krankenlager des Klägers ist damit zwar ohne weiteres geeignet, voyeuristischer Begierde Nahrung zu geben, nicht jedoch eine ernsthafte Orientierung zum Heilungsverlauf von Schädel-Hirn-Verletzungen oder gar zum Umgang mit schweren Krankheiten im Allgemeinen geben zu können. Hinzu kommt, dass die Konkretheit der Information gerade wegen ihrer beschränkten Aussagekraft den Anschein einer Einschätzbarkeit des klägerischen Zustandes erweckt. Damit wird der Kläger in besonders fasslicher Weise seiner Privatheit entrückt und Gegenstand der Betrachtung durch den Boulevard. Sein so verkürztes Krankheits- und Erscheinungsbild als zwar im Leserblick soeben lebender („Manchmal soll Schumi sogar wieder selbstständig atmen“) und zugleich weitgehend hilfloser („M. ist ansprechbar und kommuniziert sogar - durch seine Augen“) Patient wird damit zugleich Gegenstand spekulativer Hoffnung und voyeuristischer Betrachtung. Die wahre Komplexität einer neurologischen Schädigung, die all diesen verkürzten Blicken Einhalt gebieten würde, tritt dagegen als pauschal anmutende, wenig boulevardgeeignete Kulisse zurück, mag sie auch Anlass für die allgemein anmutenden öffentlichen Verlautbarungen der Familie Schumacher sein.
Die Kammer grenzt den Fall damit auch von anderen Entscheidungen in der Rechtsprechung ab: Mit Urteil vom 18.09.2012 (VI ZR 291/10
Die Kammer lehnt ihre Entscheidung jedoch ausdrücklich an den Erwägungen des Hanseatischen Oberlandesgerichts (Urt. v. 06.07.2010, 7 U 6/10. dort insbesondere Abs. 18 ff.) an. Dort fuhrt das Oberlandesgericht aus:
„18. Bei der Verletzung von Persönlichkeitsrechten kommt ein Entschädigungsanspruch dann in Betracht, wenn es sich um einen schweren Eingriff handelt und wenn die Beeinträchtigung in anderer Weise nicht befriedigend ausgeglichen werden kann. Dies kann insbesondere bei Eingriffen in die Privatsphäre der Fall sein, wenn es sich um Umstände handelt, deren Erörterung und Zurschaustellung als unschicklich gilt oder deren Eröffnung als peinlich empfunden wird, wobei die Frage, ob ein Entschädigungsanspruch entstanden ist, von dem Grad der Bloßstellung, aber auch von dem Verschulden des Verletzenden abhangt (HH-Ko/MedienR/Wanckel, 45, Rn.22 ff m. w. N.). Die Darstellung der schweren körperlichen Beeinträchtigungen der Klägerin als Folge der Operation und des künstlichen Komas, insbesondere ihrer Unfähigkeit zu sprechen und sich selbstständig fortzubewegen, sind in höchstem Maße peinlich und indiskret. Mit der Art der Darstellung wird dem Leser anschaulich und detailliert die Hilflosigkeit der Klägerin vor Augen geführt, der zufolge die Klägerin sogar aus dem für sie bereit gestellten „Mobilisierungs-Stuhl“ gestürzt sei, so dass sie Verwandte bei einem Besuch im Krankenzimmer am Boden liegend vorgefunden hätten. Letzteres erhält durch die großgedruckte Hervorhebung der Meldung „Zwischenfall im UKE: Angehörige fanden L. auf dem Boden liegend vor“ inmitten des Artikels einen besonderen Nachdruck und wird, einer Überschrift vergleichbar, als wesentlicher Teil der Meldung selbst dem flüchtigen Leser übermittelt.
19. Die detailreiche Schilderung eröffnet dem Leser quasi einen Blick in das Krankenzimmer und zeigt die der Öffentlichkeit als temperamentvolle Sportreporterin bekannte Klägerin als gebrechliche und hilflose Person, somit in einem peinlichen Moment, der zu den privatesten eines Menschen gehört und in dem er vor den Augen der Öffentlichkeit abgeschirmt sein möchte. Die Tatsache, dass der gewonnene Einblick bei dem Leser in erster Linie Mitgefühl hervorzurufen geeignet ist, ändert nichts an der Schwere des Eingriffs, da allein der Klägerin die Entscheidung darüber zusteht, ob sie einer breiten Öffentlichkeit gegenüber Mitgefühl erregen möchte.
20. Auch wenn es sich bei der Klägerin um eine Persönlichkeit handelte, die im Blickpunkt des öffentlichen Interesses stand, und selbst wenn aufgrund der Nachricht der A. vom 29.12009 die Krankheit der Klägerin bereits einer breiten Öffentlichkeit bekannt war, liegt es auf der Hand, dass ihre Prominenz eine solche Darstellung intimer und peinlicher Einzelheiten nicht rechtfertigte. Dies musste auch der Beklagten klar sein, der ein Krankenhausmitarbeiter unter Bruch des Vertrauensverhältnisses die Information verschafft hatte.“
Diesen Ausführungen tritt die Kammer für den Fall des Klägers ausdrücklich bei. Die Beklagte vollzieht an dem Kläger eben das vom Hanseatischen Oberlandesgericht Ausgeführte. Sie tritt damit auch ausdrücklich der in den Augen der Kammer nur schwerlich nachvollziehbaren Auffassung des Beklagten Vertreters entgegen, der Bericht erwähne doch nur Positives. Dies stimmt zwar. Auch der Bericht relativ erfreulicher Dinge rechtfertigt keinesfalls die Offenbarung fremder privater Umstände - zumal dann, wenn sie in Anbetracht der damit vermittelten Unbeholfenheit von empfundener Peinlichkeit sein mögen.
Kein Verlust der Privatheitserwartung:
Etwas anderes gilt auch nicht aufgrund der Verlautbarungen der Familie bzw. des Managers des Klägers. Der Bundesgerichtshof hat insoweit ausgeführt (BGH, Urt. v. 19.10.2004; VI ZR 292/03
Der Unfall des Klägers wurde ohne dessen Zutun bekannt. Die Familie ließ es offenbar zu, dass sich die Ärzte eingangs zum Zustand des Klägers äußerten. Gerichtsbekannt hat die Familie des Klägers dann jedoch einerseits um Wahrung einer gewissen Privatheit gebeten, um andererseits immer wieder wohl abgewogene, eher allgemein abgefasste Statements zu veröffentlichen, die allerdings auch „Momente des Bewusstseins und Erwachens“ erwähnten. Die Ehefrau des Kläger veröffentlichte zudem ein Statement für die Motorsportfans.
Die Kammer wertet dieses Verhalten der Familie und der Managerin nicht als Selbstpreisgabe. Zum einen legt die Kammer den Begriff der Selbstpreisgabe in Anbetracht des hier betroffenen Kerns der Privatsphäre eng aus. Deshalb meint sie, dass die Familie bzw. die Managerin durch die Verlautbarungen keinesfalls die Privatsphäre bis zu dem Punkt aufgegeben haben, dass einzelne Details bzw. Symptome berichtet werden dürfen. Selbst wenn man in den Worten „Momente des Bewusstseins und Erwachens“ eine detaillierte Verlautbarung sehen wollte, so hat die Familie danach allenfalls die Wiederholung eben dieser Verlautbarung ermöglicht, nicht aber die detaillierte Berichterstattung weiterer Details vom klägerischen Krankenlager.
Jedenfalls sieht die Kammer aber darüber hinaus, eine zumindest noch Situationsübergreifende und konsistente Äußerung der Familie ..., dass sie die Preisgabe gesundheitlicher Einzelheiten betreffend den Kläger nicht sehen möchte. Diese Haltung hat sie mit Beginn der Bitte um Privatheit (noch relativ zeitnah) nach dem Unfall erstmals verdeutlicht und dann - bis auf die Preisgabe der zitierten Worte „Momente des Bewusstseins und Erwachens“ - auch durchgehalten. Da aber auch den Worten „Momente des Bewusstseins und Erwachens“ ein nahezu allgemeinplatzartiger Charakter bei der Beschreibung eines zuvor komatösen Patienten zukommt, hält die Kammer diese Haltung auch weiterhin als Situation übergreifend und konsistent dargetan.
II.
Bezüglich der Anwaltskosten gilt Folgendes:
1. Entsprechend des Erfolgs in der Hauptsache kann der Kläger den Ersatz der Kosten der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung aus dem Hauptsacheverfahren verlangen.
2. Er kann darüber hinaus aber auch den Ersatz der weiteren vorgerichtlichen Kosten für den Versuch verlangen, das Hauptsacheverfahren durch Erreichen eines Abschlussschreibens abzuwenden.
Insoweit hat der Bundesgerichtshof ausgeführt (BGH, Urt. v. 04.03.2008, VI ZR 176/07, Abs. 9 f.): „Denn er will auf diese Weise die Klaglosstellung seines Auftraggebers und damit ein Ergebnis erzielen, wie es nur mit dem Hauptprozess erreicht werden kann. Damit gehört die von ihm entfaltete weitere Tätigkeit sachlich zum Hauptprozess. Sie stellt, eine Abmahnung vor Erhebung der Hauptsacheklage dar, wie sie von der Rechtsprechung zur Vermeidung von Kostennachteilen für den Fall eines sofortigen Anerkenntnisses durch den Gegner im Hinblick auf § 93 ZPO auch nach Erwirkung einer einstweiligen Verfügung gefordert wird (vgl. Senatsurteil vom 12. Dezember 2006 - VI ZR 188/05
Voraussetzung für die Vergütungspflicht des Auftraggebers und damit auch den Erstattungsanspruch gegen den Antragsgegner ist allerdings, dass dem Rechtsanwalt ein entsprechender, über die Vertretung im Verfügungsverfahren hinausgehender Auftrag erteilt worden ist. Beschränkt sich der Auftrag nur auf die Abmahnung und die Herbeiführung einer endgültigen Regelung im Verfugungsverfahren, betrifft die Tätigkeit des Rechtsanwalts nur eine Angelegenheit, denn sie wird bestimmt durch den Rahmen, innerhalb dessen sich die anwaltliche Tätigkeit abspielt, und der sich nach dem erteilten Auftrag richtet.“
Dem tritt die Kammer bei. Soweit der Beklagten Vertreter abweichend davon meinte, dass eine weitere Gebühr nur dann abgerechnet werden könne, wenn der Klageauftrag nicht von vornherein von der Mandatierung umfasst sei, gelangt man vorliegend zum gleichen Ergebnis: Der Klägervertreter hat unwidersprochen dargelegt, dass er sich vor Klageerhebung der Bereitschaft des Klägers (bzw. seiner Ehefrau), auch ein Hauptsacheverfahren zu führen, vergewissert habe.
III.
Die Kostenentscheidung und die Vollstreckbarkeitsentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
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Annotations
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.