Die Parteien streiten darum, wer Eigentümer des im Tenor unter Ziffer 1. genannten Kraftfahrzeugs ist.
Das Fahrzeug BMW X5, Fahrgestellnummer und amtl. Kennzeichen wie im Tenor, war bei der Klägerin haftpflicht- und kaskoversichert. Ursprünglicher Eigentümer des Fahrzeugs war seit 03.07.2012 die Firma S…, vertreten durch ihren Geschäftsführer B… (Anlage HFB 4). Diesem wurde das Fahrzeug in Italien in der Nähe von Salerno am 10.08.2012 zusammen mit zwei Originalschlüsseln geraubt. Die Klägerin hat die Ansprüche des Versicherungsnehmers befriedigt durch den Kauf und Übergabe eines Ersatz-Pkws. Der BMW hatte im Zeitpunkt des Raubes einen Wert von € 83.779,52 brutto bzw. € 77.354,72 netto (Anlage HFB 5a, die insoweit Schweizer Franken ausweist). Das Fahrzeug wurde am 19.11.2013 durch die Polizei sichergestellt und befindet sich derzeit in amtlicher Verwahrung in München. Mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 04.04.2014 (Anlage HFB 1) wurde der Klägerin aufgegeben, binnen einer Frist von 2 Monaten nach Zugang des Beschlusses ihre Rechte an dem streitgegenständlichen BMW X5 vor dem zuständigen Zivilgericht geltend zu machen. Die Klägerin erhob daraufhin am 06.06.2014 die hiesige Klage.
Der Beklagte hat mit einem Herrn M… einen schriftlichen Kaufvertrag über den Erwerb des Fahrzeugs BMW X5 zum Preis von € 29.000,00 geschlossen, nachdem das Fahrzeug zuvor auf www.autoscout24.de für € 35.000,00 angeboten worden war (Kaufvertrag Anlage B9, Anlage HFB 15, Inserat auf Autoscout24). Im Kaufvertrag ist als Datum des Vertragsschlusses der 21.10.2013 angegeben. Der Wert des Fahrzeugs wurde vom Gutachter R… für den Zeitpunkt des Kaufvertrages (21.10.2013) auf SF 85.722,00 geschätzt, was € 70.420,22 entspricht.
Der Klägerin entstanden durch die außergerichtliche Aufforderung zur Schadensregulierung Anwaltskosten in Höhe von € 2.085,95 (1,3 Gebühr aus € 74.524,87 zzgl. Porto und Mehrwertsteuer).
Der Verkäufer M… ist an der im Kaufvertrag angegebenen Anschrift nicht gemeldet und dort unbekannt.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie Eigentümerin des streitgegenständlichen Fahrzeugs sei. Das von ihr nach der Schadensregulierung erworbene Eigentum habe sie nicht dadurch verloren, dass der Beklagte das Fahrzeug gutgläubig erworben habe. Auf den zwischen dem Beklagten und Herrn M… geschlossenen Kaufvertrags sei Deutsches Recht anwendbar, da der Vertrag in München geschlossen worden sei. Selbst wenn Italienisches Recht anwendbar sei, so habe im vorliegenden Fall kein gutgläubiger Erwerb statt gefunden, da die Sache wie „heiße Ware“ veräußert worden sei. Maßgebliches Indiz hierfür sei der niedrige Kaufpreis von € 29.000,00. Die vorgelegten italienischen Papiere seien kein Indiz dafür, dass der Verkäufer Eigentümer sei, ebenso wie die vorgelegten Originalschlüssel. Auch seien die Umstände des Vertragsschlusses an sich ungewöhnlich. Die im Rahmen der Widerklage erstmals behaupteten Beschädigungen am Fahrzeug seien nicht im Kaufvertrag aufgenommen, auch sei es ungewöhnlich, dass als Zahlungsmodus Überweisung vereinbart worden sein soll, zumal die Abholung des Fahrzeuges im Ausland statt gefunden habe.
Die Klägerin beantragt,
I. Es wird festgestellt, dass die Klägerin Alleineigentümerin des BMW X5 mit der Fahrgestellnummer WBAZW61090L572557, derzeitiges amtl. Kennzeichen M-XX 1725 ist.
II. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine 1,3 Geschäftsgebühr nach 2300 VVRVG in Höhe von € 2.085,95 zu bezahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage wird abgewiesen und erhebt Widerklage mit dem Antrag:
I. Die Klägerin wird verurteilt, der Herausgabe des Pkw BMW X5 mit der Fahrzeugidentitätsnummer WBAZW61090L572557 mit derzeitigen amtl. Kennzeichen M-XX 1725 an den Beklagten zuzustimmen.
II.
Die Klägerin wird verurteilt, den Beklagten von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von € 1.358,86 freizustellen.
III. Der Beklagte, der von sich behauptet, dass Autos sein Hobby seien und er sich mit Fahrzeugen ziemlich gut auskenne, ist der Ansicht, dass er durch den Kaufvertrag mit Herrn M… Eigentümer des streitgegenständlichen Fahrzeugs geworden sei. Der Verkäufer habe ihm Fotos der italienischen Papiere sowie der Originalschlüssel und seines Personalausweises vorab zukommen lassen. Er habe dann den Kaufvertrag ausgefüllt und vorab an Herrn M… per E-Mail geschickt. Man habe sich auf € 1.000,00 Anzahlung geeinigt, der Rest sollte per SEPA-Überweisung erfolgen. Im Anschluss sei er dann nach Neapel geflogen, habe das Fahrzeug dort besichtigt. Vor Ort habe man noch die Unterschrift unter den Kaufvertrag geleistet. Der Verkäufer, Herr M…, habe aber nunmehr auf Barzahlung bestanden, weshalb sein Bruder am nächsten Tag mit dem Geld nach Neapel gekommen sei. Sodann seien die Unterschriften zur Übergabe auf den Kaufvertrag erfolgt. Auf dem Kaufvertrag sei daher italienisches Recht anzuwenden, für das Art. 1153 des Codice Civile anzuwenden sei. Das Fahrzeug habe mehrere Schäden aufgewiesen, so sei die Radleiste weggestanden, der hintere Stoßfänger habe einen tiefen Kratzer aufgewiesen, überall seien Beulen gewesen. Die Beseitigung der Schäden verursache in einer Vertragswerkstatt Kosten von ca. € 10.000,00, in einer freien Werkstatt von € 6.000,00. Den Schaden habe er vor der Sicherstellung bereits teilweise in Eigenleistung repariert. Die Schäden seien auch auf den Fotos des sichergestellten Fahrzeugs erkennbar. Der Kaufpreis habe nicht außer Verhältnis zum objektiven Marktwert gestanden. Es sei irrelevant, was die Klägerin als Kaskoentschädigung abgerechnet habe. Es sei auch nicht berücksichtigt, dass das Fahrzeug ein dreiviertel Jahr vor der Zulassung an die Firma S… nicht genutzt gewesen sei. Zu berücksichtigen sei desweiteren dass es sich um ein Fahrzeug aus der Auslaufserie L70 gehandelt habe. Das Fahrzeug habe kein Headupdisplay sowie kein ADC, was erheblich wertmindernd zu berücksichtigen sei. Die vorgelegten Papiere seien einwandfrei gewesen, daher sei auch dann auf Grund dieser Papiere die Zulassung in Deutschland problemlos erfolgt.
Die Klägerin beantragt die Widerklage abzuweisen und verweist darauf, dass der Beklagte nicht gutgläubig erworben habe.
A.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Landgericht München I örtlich zuständig, da sich das sichergestellte Fahrzeug im Bezirk des Landgerichts München I befindet. Das erforderliche Feststellungsinteresse ist auf Grund des Beschlusses des Amtsgericht München gegeben.
B.
I.
Die Klage ist in Ziffer 1. begründet, die Klägerin ist Eigentümerin des streitgegenständlichen Fahrzeugs, der Beklagte ist nicht Eigentümer geworden.
1. Die Klägerin ist nach der Regulierung des Schadens Eigentümerin des Kfz geworden. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig und gilt sowohl nach Deutschem wie nach Schweizer Recht.
2. Dieses Eigentum hat sie nicht durch den zwischen dem Beklagten und Herrn M… geschlossenen Kaufvertrag an den Beklagten verloren.
a. Der Beklagte und Herr M… haben einen Kaufvertrag über den streitgegenständlichen BMW geschlossen, der Kaufpreis wurde bezahlt und das Fahrzeug an den Beklagten übergeben.
b. Es kann dahinstehen, ob der Kaufvertrag bereits in München geschlossen wurde, oder erst in Italien, denn in beiden Fällen ist der Beklagte nicht gutgläubig Eigentümer des Fahrzeugs geworden.
aa. Nach Deutschem Recht, das bei einem Vertragsschluss in München anzuwenden wäre, ist bei abhanden gekommenen Sachen ein gutgläubiger Erwerb ausgeschlossen (§ 935 ZPO).
bb. Ist der Kaufvertrag erst in Neapel abgeschlossen worden, so ist nach Art. 43 I, II EGBGB italienisches Recht für die Frage der Übereignung anzuwenden. Die Parteien gehen hierbei übereinstimmend von der Anwendung des insoweit maßgeblichen Art. 1153 des Codice Civile aus. Da beide Parteien übereinstimmend zu dem ausländischen Recht vortragen, ist hiervon auzugehen, die Einholung eines Gutachtens war daher entbehrlich (§ 293 ZPO, Thomas/Putzo, Kommentar zur ZPO, 35. Auflage, § 293 Rdnr. 4). Art. 1153 CC besagt:
„Derjenige, dem bewegliche Sachen durch jemanden veräußert werden, der nicht Eigentümer ist, erwirbt daran durch den Besitz das Eigentum, wenn er zur Zeit der Übergabe in guten Glauben ist und ein zur Übertragung des Eigentums geeigneter Rechtstitel vorliegt.“
Die Voraussetzungen für einen gutgläubigen Erwerb liegen danach nicht vor, sodass der Beklagte kein Eigentum erworben hat. Zwar haben der Beklagte und Herr M… einen Kaufvertrag geschlossen und war der Beklagte bis zur Sicherstellung des Fahrzeugs durch die Polizei im Besitz des Fahrzeugs, er war jedoch nicht im guten Glauben. Der gute Glaube fehlt, wenn der Käufer die Kenntnis davon hat, dass der Verfügende nicht Eigentümer ist oder grob fahrlässig Unkenntnis von der Stellung als Nicht-Eigentümer hat. Der Käufer muss dabei als Erwerber die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohen Maße Verletzt und dasjenige unbeachtet gelassen habe, was im gegebenen Fall sich jedem hätte aufdrängen müssen (Palandt, 74. Auflage, Kommentar zum BGB, § 932 Rdnr. 9 und 10).
– Zwar streitet die Regel des § 1006 I 1 BGB zu Gunsten des Beklagten als Besitzer, diese Vermutung gilt jedoch nicht gegenüber einem früheren Besitzer, wenn diesem die Sache gestohlen worden ist (§ 1006 I 2 i.V.m. 935 BGB). Das Fahrzeug wurde hier dem früheren Eigentümer, der Firma S… vertreten durch ihren Geschäftsführer B… geraubt. Dessen Ansprüche sind durch die Befriedigung auf die Versicherung übergegangen, insoweit darf sich auch die Versicherung auf den Ausschluss der Vermutung berufen. Die Klägerin hat dargelegt, was auch nicht bestritten wurde, dass sie den Schaden reguliert und dadurch Eigentümerin des Fahrzeugs geworden ist.
– Der Beklagte hat kein Eigentum erworben. Er ist insoweit darlegungs- und beweispflichtig. Er war nicht im guten Glauben. Ein gutgläubiger Erwerb liegt dann nicht vor, wenn der Beklagte positiv die Umstände kannte, warum der Verkäufer nicht Eigentümer ist, oder hätte kennen müssen, also ernsthafte Zweifel bestehen, die auf eine fehlende Verfügungsberechtigung schließen lassen.
Allein der Kaufpreis musste beim Beklagten erhebliche Zweifel an der Verfügungsbefugnis des Verkäufers hervorrufen. Unstreitig hatte der Wagen ausweislich des Gutachtens R… im Zeitpunkt des Erwerbs durch den Beklagten noch einen Wert von € 70.420,22. Der Beklagte hat also weit weniger als die Hälfte des Wertes bezahlt. Selbst wenn man einen Kaufkraftunterschied zwischen Deutschland und Italien berücksichtigt und die vom Beklagten nunmehr erstmals behaupteten Beschädigungen mit einem Beseitigungsaufwand von € 10.000,00 als wahr unterstellt, bleibt noch ein Fahrzeugwert von um die € 55.000,00 bis € 60.000,00 übrig. Dass dem Fahrzeug einige wichtige Ausstattungsdetails fehlten, wie z.B. Headupdisplay, hat der Sachverständige R… bei der Begutachtung bereits berücksichtigt, da die Ausstattung des Fahrzeugs über die Fahrgestellnummer festgestellt und im Gutachten berücksichtigt worden ist. Sonstige Einwendungen wurden gegen das Gutachten nicht vorgebracht.
Der Beklagte kann sich für seinen guten Glauben nicht auf die vorgelegten Papiere und Originalschlüssel berufen. Denn die italienischen Papiere lassen nach unbestrittenem Vortrag der Klägerin keinen Rückschluss darauf zu, dass der Inhaber der Papiere der Eigentümer sei. Auch die Vorlage der Originalschlüssel ist nicht ungewöhnlich, zumal bei den heute modernen Fahrzeugschlössern einheitliche Rohlinge nur noch für das jeweilige Fahrzeug zu programmieren sind. Beim vorgelegten Personalausweis war das Foto abgedeckt. Jedenfalls reichen diese Umstände nicht aus, um den durch den sehr niedrigen Kaufpreis erschütterten guten Glauben wieder herzustellen.
Auch die sonstigen Umstände des Kaufvertrages sprechen nicht für einen guten Glauben, sondern hätten zu einem weiteren Misstrauen des Beklagten führen müssen. Zunächst sollte trotz eines Kaufes im Ausland, die im Gebrauchtwagenkauf ansonsten übliche Barzahlung durch eine Zahlung per Überweisung erfolgen. Die behaupteten umfangreichen Schäden sind nicht in den Kaufvertrag aufgenommen, lediglich eine Lackbeschädigung am Stoßfänger und an der Radlaufleiste, nicht jedoch die Beulen an den Türen, die wegstehende Leiste und der tiefe Kratzer. Dass die Beschädigungen auf den Fotos in den Strafakten ersichtlich sein sollen, sagt nichts darüber aus, ob die Beschädigungen beim Abschluss des Kaufvertrages bereits vorhanden waren, denn die Sicherstellung erfolgte erst knapp einen Monat nach Kaufvertragsabschluss. Deshalb konnte eine Beiziehung der Strafakten unterbleiben. Die im Kaufvertrag dokumentierten Schäden rechtfertigen jedenfalls nicht eine Herabsetzung des Wertes des Fahrzeugs und damit des Kaufpreises um mehr als die Hälfte.
Auch unter Abwägung und einer Zusammenschau aller aufgeführten Umstände und der Tatsache, dass der Beklagte sich nach eigenen Angaben gut mit Autos auskenne und diese sein Hobby seien, hätten sich beim Beklagten erhebliche Zweifel an der Verfügungsbefugnis des Verkäufers aufdrängen müssen. Der Beklagte hat das Fahrzeug daher wie eine „heiße Ware“ erworben. Er war nicht im guten Glauben und ist auch nach italienischem Recht nicht Eigentümer geworden. Damit verbleibt es bei der Eigentümerstellung der Klägerin.
II.
Die Klage war abzuweisen, soweit die Klägerin Erstattung vorgerichtlicher Kosten begehrt (Antrag Ziff. 2 der Klage). Weder befand sich der Beklagte mit der Schadensregulierung in Verzug (hierzu fehlt es an Sachvortrag), noch ergibt sich eine Pflicht zur Erstattung für die Kosten des Aufforderungsschreibens aus anderen Gründen. Da es sich insoweit nur um eine Nebenforderung handelt, war ein Hinweis des Gerichts nicht erforderlich.
C.
Die Widerklage ist zulässig, insbesondere ist der gem. § 33 ZPO erforderliche Zusammenhang gegeben, jedoch ist sie unbegründet, da die Klägerin nach wie vor Eigentümerin des Fahrzeugs ist. Zur Begründung wird auf die Ausführungen unter B. I. verwiesen.
Der Antrag auf Freistellung vorgerichtlichen Kosten ist unbegründet, es fehlt bereits an einer entsprechenden Hauptforderung, die derartige Nebenansprüche begründen könnte.
D.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 II ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 1 ZPO.
Der Streitwert wurde gem. § 3 ZPO in Höhe des Wertes des Pkws zum Zeitpunkt der Sicherstellung festgesetzt. Die Widerklage wirkt nicht streitwerterhöhend, da sie auf das gleiche Ziel, nämlich Feststellung der Eigentümerstellung gerichtet ist.