Landgericht Landshut Endurteil, 18. Mai 2015 - 12 S 2435/14
Gericht
Gründe
Landgericht Landshut
Az.: 12 S 2435/14
IM NAMEN DES VOLKES
Verkündet am
1 C 111/14
... Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
1) ...
- Kläger und Berufungsbeklagter -
2) ...
vertreten durch die Eltern
- Klägerin und Berufungsbeklagte -
3) ...
vertreten durch die Eltern
- Kläger und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte zu 1 - 3: Rechtsanwälte ...
gegen
...
- Beklagte und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt ...
wegen Forderung
erlässt das Landgericht Landshut - 1. Zivilkammer - durch den Richter am Landgericht -, die Richterin am Landgericht - und den Richter am Landgericht - aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22.04.2015 am 18.05.2015 folgendes
Endurteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgericht Erding vom 06.08.2014, Az.: 1 C 111/14
II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Das in Ziffer I. genannte Urteil des Amtsgerichts Erding ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
IV.
Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
V.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.200,- EUR festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger zu 1) und seine minderjährigen Kinder, die Kläger zu 2) und 3) machen gegen das beklagte Luftverkehrsunternehmen Ausgleichsansprüche nach Artikel 7 der Fluggastrechteverordnung geltend.
Der Kläger zu 1) und seine Ehefrau hatten für sich und ihre beiden minderjährigen Kinder, die Kläger zu 2) und 3), über das - Reisebüro in G. eine Flugreise nach Lanzarote gebucht. Die Ehefrau ist nicht Klägerin in diesem Verfahren, weil sie anders als der Rest der Familie von der Beklagten vorgerichtlich entschädigt wurde.
Ausweislich dem Reiseplan des Reisebüros vom
Die Kläger machten mit Klage vom
Wegen Säumnis im Termin am
Gegen dieses am
Im Einspruchstermin am
Der Klägervertreter rügte Verspätung und behauptete, die Kläger wären am
Mit Endurteil des Amtsgerichts Erding
Gegen das am 08.08.2014 zugestellte Endurteil legte die Beklagte mit am 08.09.2014 beim Landgericht Landshut eingegangenem Schriftsatz Berufung ein, die von ihr nach Verlängerung fristgerecht begründet wurde. Die Beklagte brachte hierzu vor, dass ihr Einwand, der Flug wäre durchgeführt worden, zu Unrecht als verspätet zurückgewiesen worden sei. Die Behauptung, das Reisebüro hätte mitgeteilt, dass der Flug nicht stattfindet, wird von der Beklagten bestritten.
Die Beklagte beantragt,
das angegriffene Urteil des Amtsgerichts Erding, Az.: 1 C 111/14
Die Kläger beantragen
die Zurückweisung der Berufung.
Die Kammer hat mit Beschluss vom 16.01.2015 darauf hingewiesen, dass das Amtsgericht die Verhandlung von Amts wegen gemäß § 156 I ZPO wieder hätte eröffnen müssen im Hinblick auf die Erklärung des Klägervertreters im Termin, dass die Kläger sich am Flugtag gar nicht am Flughafen eingefunden hatten.
Die Beklagte weist darauf hin, dass sie den Flug nicht verweigert hätte. Sollte das Reisebüro dies getan haben, was weiter bestritten bleibe, so sei die Beklagte hierfür nicht verantwortlich.
Die Kläger sind der Meinung, die Umbuchung würde von der Beklagten und nicht vom Reisebüro ausgehen, weil die Kläger keinen Pauschalreisevertrag, sondern einen Luftbeförderungsvertrag mit der Beklagten abgeschlossen hätten. Abgesehen davon müsse sich die Beklagte das Verhalten des Reisebüros als ihres Vermittlers zurechnen lassen. Im Übrigen wurde von den Klägern kurz vor der Hauptverhandlung im Berufungsverfahren ein Reiseplan vom 26.10.2012 vorgelegt (Anlage K 4), aus dem sich ergibt, dass der Hinflug nach Madrid am Abend des 27.10.2012 erfolgte, der Weiterflug von dort nach Lanzarote wie geplant am 28.10.2012 um die Mittagszeit.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einvernahme des Zeugen J., Mitarbeiter der Beklagten und der Zeugin R., Ehefrau bzw. Mutter der Kläger, im Termin am 22.04.2015. Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ebenfalls Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Erding
I.
Zwar hätte das Amtsgericht Erding entsprechend dem Hinweis der Kammer vom 16.01.2015, Blatt 35 ff. d. A., das Vorbringen der Beklagten, der Flug hätte stattgefunden, nicht zurückweisen dürfen, nachdem im Einspruchstermin erstmals bekannt wurde, dass die Kläger sich gar nicht zur Abflugzeit am Flughafen eingefunden hatten, jedoch ist das Urteil im Ergebnis gleichwohl richtig.
Der Sachverhalt konnte im Berufungsrechtszug geklärt werden. Die Kammer hat keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit der von ihr einvernommenen Zeugen R. und J., auch wenn es sich dabei um die Ehefrau bzw. Mutter der Kläger und um einen Mitarbeiter der Beklagten handelt. Die Angaben der Zeugen waren stimmig und stimmten insbesondere auch mit den bei den Akten befindlichen bzw. übergebenen Anlagen überein. Der Zeuge J. hatte zudem die Passagierliste dabei.
Ausgehend hiervon verfügten die Kläger gemäß Bescheinigung des Reisebüros vom
Weiter hat die Beweisaufnahme ergeben, dass die Kläger vom 27. auf den
Ausgehend hiervon steht den Klägern eine Entschädigung wegen Nichtbeförderung auf dem ursprünglich für den
Die Kläger verfügten auch über Buchungen. Nach der genannten Entscheidung des BGH genügt es für eine Buchung, dass dem Fluggast ein Beleg überlassen worden ist, aus dem sich verbindlich die vorgesehene Luftbeförderung mit einem bestimmten, typischerweise durch Flugnummer und Uhrzeit individualisierten Flug ergibt. Dies war hier der vom Reisebüro ausgestellte Reiseplan vom 21.09.2012. Nicht erforderlich ist, dass die Buchung von der Fluggesellschaft selbst ausgestellt wird.
Es erfolgte auch eine Umbuchung. Diese ist darin zu sehen, dass 2 Tage vor Abflug, nämlich am 26.10. ein Abflug für den Abend des nächsten Tages mitgeteilt wurde.
Offen geblieben ist letztlich, ob die Umbuchung vom Reisebüro ohne Wissen der Beklagten veranlasst wurde oder ob dies im Auftrag der Beklagten geschehen ist. Ob sich das Luftfahrtunternehmen eine derartige Umbuchung eines Reiseveranstalters zurechnen lassen muss, ist bislang nicht geklärt. Die Rechtsprechung der Instanzgerichte hierzu ist uneinheitlich (vgl. Hinweis der Kammer vom 16.01.2015, S. 7 = Bl. 42 d. A.). Die Frage wurde dem EuGH einmal vorgelegt (NJW 2009, S. 285), aber nicht entschieden. Unabhängig davon ist die Kammer der Meinung, dass jedenfalls im vorliegenden Fall davon auszugehen ist, dass die Beklagte umgebucht hat und deshalb in der Mitteilung des Reisebüros vom 26.10.2012 (Anlagen K 4 und 5) eine antizipierte Beförderungsverweigerung der Beklagten für den am 28.10.2012 gebuchten Flug zu sehen ist. Hierfür sprechen verschiedene Indizien, so die Tatsache, dass zum Einen die Beklagte dem Kläger und seiner Familie in Madrid eine Übernachtungsmöglichkeit verschafft hat und zum Anderen, dass die Beklagte der Zeugin R. eine Ausgleichszahlung geleistet hat. Darüber hinaus handelte es sich hier nicht um eine Pauschalreise, sondern entsprechend dem unstreitigen Vortrag der Kläger und auch der Erklärung der Zeugin R. im Termin um über das Reisebüro unmittelbar bei der Beklagten gebuchte Flüge. Die Kammer ist jedenfalls für den vorliegenden Fall deshalb der Ansicht, dass es nicht ausreicht, wenn die Beklagte unter diesen Umständen nicht näher zu einer Umbuchung vorträgt, sondern lediglich nebulös darauf hinweis, dass sie für das Reisebüro nicht einstehen müsste. Die Kläger können letztlich nicht überprüfen, wer hier die Flugänderung veranlasst hat, ob das Reisebüro oder die Beklagte, was entsprechend den Ausführungen des BGH in der Vorlageentscheidung vom 07.10.2008, X ZR 96/06
Die Tatsache, dass der Flug nach Madrid auf den Vorabend vorgezogen wurde, steht der Nichtbeförderung nicht entgegen. Die Kläger hatten nicht den Vorabendflug mit Übernachtung in Madrid gebucht, sondern einen Flug am 28.10.2012 nach Lanzarote mit kurzem Aufenthalt in Madrid. Zwar erreichten die Kläger ihr Urlaubsziel pünktlich, jedoch verlängerte sich die Reise um eine ganze Nacht, was für die Kläger mit Ärgernissen und Lästigkeiten verbunden war, vor denen die Fluggastrechteverordnung gerade schützen soll. Die Kammer folgt deshalb der Entscheidung des AG Hannover
II.
Die Verzugszinsen ergeben sich aus §§ 291,288 BGB
III:
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 I ZPO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.
IV.
Die Revision war gemäß § 543 II Nr. 1 ZPO zuzulassen.
Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergibt sich daraus, dass nicht geklärt ist, inwieweit sich eine Fluggesellschaft das Verhalten des Reisebüros zurechnen lassen muss. Deseiteren gibt es offensichtlich auch keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Frage, ob auch bei Vorverlegung eines Fluges Entschädigung zu gewähren ist.
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Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.