I.
Die Betroffene erstellte am 25.01.1998 eine christliche Patientenverfügung, in der u.a. geregelt ist, dass lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben sollen, wenn medizinisch eindeutig festgestellt ist, dass keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht. Hinsichtlich des genauen Wortlauts der Patientenverfügung wird auf diese (Blatt 5 d.A.) Bezug genommen.
Im Jahr 2008 erlitt die Betroffene einen Schlaganfall. Seither befindet sie sich in einem wachkomatösen Zustand (ICD-10:F03). Mit Beschluss vom 30.05.2012 ordnete das Amtsgericht Freising eine Betreuung mit umfassendem Aufgabenkreis an. Als alleinvertretungsberechtige Betreuer wurden der Sohn der Betroffenen G.R. und der Ehemann der Betroffenen F.R. bestellt.
Mit Schriftsatz vom 16.09.2014 (Blatt 42/45 d.A.) beantragten die vom Sohn der Betroffenen beauftragten Verfahrensbevollmächtigten der Betroffenen unter Berufung auf deren Patientenverfügung eine Therapiezieländerung dahingehend gerichtlich zu genehmigen, das Sterben der Patientin an ihrer Erkrankung zuzulassen und die Zufuhr von Nahrung und Flüssigkeit einzustellen.
Der Ehemann der Betroffenen lehnt dies ab.
Das Betreuungsgericht erholte ein Sachverständigengutachten des Klinikums der Universität R.. Die Gutachter Dr. med. R. und Prof. Dr. med. H. kamen in ihrem schriftlichen Gutachten vom 24.11.2014 (Blatt 66/79 d.A.) u.a. zu dem Ergebnis, dass nach derzeitigem medizinisch-wissenschaftlichen Stand eine Verbesserung des seit Jahren konstanten Befundes der schwersten Hirnschädigung als äußerst unwahrscheinlich anzusehen ist.
Das Betreuungsamt Freising nahm mit Schreiben vom 17.10.2014 (Blatt 51/52 d.A.) und der Verfahrenspfleger mit Schreiben vom 10.12.2014 (Blatt 81/82 d.A.) Stellung.
Der Verfahrensbevollmächtigte der Betroffenen Rechtsanwalt P. nahm zu dem Gutachten mit Schriftsatz vom 16.12.2014 Stellung und wiederholte den Antrag auf gerichtliche Genehmigung gemäß § 1904 BGB. Dem Schriftsatz (Blatt 83/86 d.A.) war eine Stellungnahme von Frau Prof. Dr. B. vom 14.12.2014 beigefügt.
Der Betreuungsrichter hörte die Betroffene am 26.02.2015 im Beisein der beiden Betreuer, der Verfahrensbevollmächtigten des Ehemannes der Betroffenen Rechtsanwältin S., des Rechtsanwalts P., des Verfahrenspflegers Rechtsanwalt A. und Frau B. von der Hospizgruppe an (Blatt 97/98 d.A.). Rechtsanwältin S. nahm für den Ehemann der Betroffenen mit Schriftsatz vom 22.06.2015 (Blatt 109/121 d.A.) Stellung und trat dem Antrag des Sohnes der Betroffenen entgegen.
Mit Beschluss vom 29.06.2015 (Blatt 122/125 d.A.) lehnte das Amtsgericht den Antrag des Betreuers G.R. auf Genehmigung der Einstellung der Zufuhr von Flüssigkeit und Nahrung ab. Gegen diesen ihm am 02.07.2015 zugestellten Beschluss legte der Verfahrensbevollmächtigte der Betroffenen mit Schriftsatz vom 08.07.2015, bei Gericht eingegangen am 10.07.2015, (Blatt 127/131 d.A.) Beschwerde ein.
Das Amtsgericht Freising hat der Beschwerde mit Beschluss vom 10.07.2015 nicht abgeholfen und die Akte dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Auf den Hinweis der Beschwerdekammer vom 24.07.2015 (Blatt 136 d.A.) nahm der Verfahrensbevollmächtigte der Betroffenen mit Schriftsatz vom 19.08.2015 (Blatt 137/141 d.A.) Stellung und benannte darin Zeugen zu den Behandlungswünschen der Betroffenen. Die Verfahrensbevollmächtigte des Ehemannes der Betroffenen beantragte mit Schriftsatz vom 20.08.2015 (Blatt 142/143 d.A.) Zurückweisung der Beschwerde. Eine weitere Stellungnahme erfolgte darüber hinaus mit Schriftsatz vom 08.10.2015 (Blatt 152/156 d.A.). Der Verfahrenspfleger gab am 21.08.2015 eine schriftliche Stellungnahme ab (Blatt 144 d.A.). Am 16.10.2015 führte die Beschwerdekammer eine Anhörung durch. Angehört wurden die beiden Betreuer, die geladenen Zeugen R.F., E.O., D.R., C.S., A.W. und F.K., sowie die mitgebrachten Zeugen E.F. und F.S.. Auf das Sitzungsprotokoll (Blatt 158/179 d.A.) wird verwiesen. Die Verfahrensbevollmächtigte des Ehemannes der Betroffenen nahm mit Schriftsatz vom 12.11.2015 (Blatt 181/186) zur Beweisaufnahme Stellung.
Mit Beschluss vom 17.11.2015 (Bl. 187/198 d.A.) wies das Landgericht Landshut die Beschwerde zurück. Die Rechtsbeschwerde wurde zugelassen.
Mit Schriftsatz vom 15.12.2015 legten die Verfahrensbevollmächtigten der Betroffenen und des Betreuers G.R. Rechtsbeschwerde ein.
Mit Beschluss vom 08.02.2017 hob der Bundesgerichtshof den Beschluss des Landgerichts vom 17.11.2015 auf und verwies die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück.
Mit Beschluss vom 30.06.2017 (Bl. 240/242 d.A.) ordnete das Landgericht Landshut die Erholung eines Sachverständigengutachtens zur Fragestellung an, ob der konkrete Zustand der Betroffenen im Wachkoma ihr Bewusstsein entfallen lässt und ob in diesem Fall eine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht. Als Sachverständiger wurde Prof. Dr. med. Dipl. Psych. F.E. bestellt.
Dieser erstattete sein schriftliches Gutachten am 10.08.2017 (Bl. 243/261 d.A.).
Am 19.01.2018 ließ sich die Kammer das schriftliche Gutachten von Prof. Dr. E. mündlich erläutern und der Sachverständige beantwortete die mit Schriftsatz der Rechtsanwältin S. vom 25.10.2017 gestellten Ergänzungsfragen. Auf das Sitzungsprotokoll wird Bezug genommen.
II.
Die Entscheidung des Amtsgerichts, dass der Antrag des Betreuers auf Genehmigung der Einstellung der Zufuhr von Flüssigkeit und Nahrung abgelehnt wird, erweist sich - ausgehend vom Tenor - als richtig. Allerdings war die Maßgabe veranlasst, dass eine gerichtliche Entscheidung nicht erforderlich ist (sog. Negativattest). Damit verändert sich die Bedeutung der Entscheidung allerdings grundlegend.
Die Kammer geht bei erneuter Auslegung unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bundesgerichtshofes davon aus, dass die Patientenverfügung der Betroffenen vom 25.01.1998 wirksam ist und eine Entscheidung der Betroffenen dahingehend enthält, dass sie in den Abbruch der künstlichen Ernährung und Flüssigkeitsversorgung einwilligt, wenn bei ihr ein Zustand eingetreten ist, der ihr Bewusstsein entfallen lässt und auch keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins mehr besteht. Nachdem diese in der Patientenverfügung genannte Lebens- und Behandlungssituation nach den Ermittlungen der Kammer vorliegt, ist eine Einwilligung des Betreuers in die Maßnahme, die dem betreuungsgerichtlichen Genehmigungserfordernis unterfällt, nicht erforderlich. Die Betroffene hat diese Entscheidung nämlich bereits selbst in einer alle Beteiligten bindenden Weise getroffen. Diesem in der Patientenverfügung niedergelegten Willen der Betroffenen ist durch die Betreuer Geltung zu verschaffen. In einem solchen Fall ist durch das Gericht nur noch ein sog. Negativattest zu erteilen.
Im Einzelnen:
1. Wie der BGH ausgeführt hat, bedarf der Abbruch einer lebensverlängernden Maßnahme dann nicht der betreuungsgerichtlichen Genehmigung nach § 1904 Abs. 2 BGB, wenn der Betroffene einen entsprechenden eigenen Willen bereits in einer wirksamen Patientenverfügung niedergelegt hat und diese auf die konkrete Lebens- und Behandlungssituation zutrifft, vgl. Randziffer 14 des Beschlusses des Bundesgerichtshofes vom 08.02.2017 (wird im Folgenden nur noch mit der jeweiligen Randziffer zitiert).
Voraussetzung für eine wirksame Patientenverfügung nach § 1901a BGB ist, dass der Errichtende volljährig und einwilligungsfähig ist. Die Patientenverfügung muss zudem eigenhändig unterschrieben sein. Diese Voraussetzungen liegen hier unproblematisch vor.
Ferner muss die Patientenverfügung dem Bestimmtheitserfordernis genügen. Die Patientenverfügung verlangt konkrete Entscheidungen des Betroffenen darüber, in welcher Behandlungssituation welche ärztlichen Maßnahmen durchgeführt werden bzw. unterbleiben sollen, wobei der Wille ggf. durch eine Gesamtschau und zusammenfassende Würdigung der verschiedenen Erklärungen zu würdigen ist. Allgemeine Richtlinien und Wünsche des Betroffenen, etwa dafür zu sorgen, dass er würdevoll sterben könne, genügen nicht. Ebenso wenig wie Pauschalverbote z.B. von lebensverlängernden Maßnahmen. Andererseits dürfen die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Patientenverfügung auch nicht überspannt werden. Erforderlich ist daher die Benennung ärztlicher Maßnahmen und die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen, wenn der Betroffene damit umschreibend hinreichend genau festlegt, was er in diesen Situationen will und was nicht, vgl. für den gesamten Absatz Götz in Palandt, BGB, 77. Auflage 2018, § 1901a Rn. 5.
Ferner wird auf die umfassenden Ausführungen des Bundesgerichtshofs unter Rn. 16 - 19 Bezug genommen.
2. Unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bundesgerichtshofs hält die Kammer an ihrer bisher geäußerten Ansicht, dass die Patientenverfügung nicht als Grundlage für den angestrebten Behandlungsabbruch in Frage kommt, nicht mehr fest.
Bei einer erneuten Auslegung der Patientenverfügung kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass die Patientenverfügung hinreichend bestimmt ist.
Bei der Auslegung ist zunächst vom Wortlaut der Erklärung auszugehen. Nach der Ermittlung des Wortsinns sind in einem zweiten Schritt die außerhalb des Erklärungsaktes liegenden Begleitumstände in die Auslegung einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Auch späteres Verhalten des Erklärenden kann als Indiz für die Auslegung von Bedeutung sein, vgl. Ellenberger in Palandt, BGB, 77. Auflage 2018, § 133 Rn. 14-17.
2.1. 2.1.1.
Ausgehend vom Wortlaut, dass die Betroffene keine lebensverlängernden Maßnahmen wünscht, wenn medizinisch eindeutig feststeht, dass keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht, ist festzustellen, dass die Anordnung „keine lebensverlängernden Maßnahmen“ zwar recht pauschal ist. Aus der Bezugnahme auf die Behandlungssituation „keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins“ ergibt sich jedoch ganz konkret, wann, also in welcher medizinischen Situation der Wunsch Geltung haben soll. Soweit die Verfahrensbevollmächtigte des Ehemanns der Betroffenen im Schriftsatz vom 28.12.2017 (Bl. 276/285 d.A.) die Meinung vertritt, das Kriterium „Bewusstsein“ sei zu vage und genüge dem Bestimmtheitsgrundsatz nicht, teilt die Kammer diese Auffassung nicht. Es handelt sich hier um einen Begriff der durchaus medizinisch definiert ist. Auch der Bundesgerichtshof hat sich an der in der Patientenverfügung genannten Lebens- und Behandlungssituation „keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins“ nicht gestört. Der Bundesgerichtshof führt in Rn. 24 vielmehr aus, dass die genannte Lebens- und Behandlungssituation an eine medizinisch eindeutige Feststellung anknüpft. Zwar ist der Verfahrensbevollmächtigten darin zuzustimmen, dass das Wort „Aussicht“ tatsächlich vage ist. Allerdings ergibt sich für die Kammer in Kombination mit dem Wort „keine“ eine ausreichende Bestimmtheit. Vom Wortsinn her ist „keine Aussicht“ gleichzusetzen mit „ausgeschlossen“. Dies ist ausreichend bestimmt. Die Anforderungen an die Bestimmtheit dürfen auch nicht überspannt werden.
Der Wortlaut spricht dafür, dass in einem solchen Behandlungsszenario jedwede ärztliche Maßnahme, die üblicherweise als lebensverlängernd angesehen wird, abgelehnt wird, also auch das künstliche Zuführen von Flüssigkeit und Nahrung über eine Magensonde. Zu berücksichtigen ist auch, dass gerade für dieses Behandlungsszenario nicht nur angeordnet wird was nicht gewünscht wird, sondern auch was gewünscht wird, nämlich Linderung von Schmerzen, Unruhe und Angst, selbst wenn durch die notwendige Schmerzbehandlung eine Lebensverkürzung nicht auszuschließen ist.
Zumindest der Wortlaut dieser Teile der Patientenverfügung deutet darauf hin, dass die Betroffene damit auch die Einwilligung erteilt hat, dass derartige Maßnahmen abgebrochen werden, wenn das beschriebene Behandlungsszenario eintritt. Dass die Ablehnung von lebensverlängernden Maßnahmen nur für die Frage des erstmaligen Eintritts in lebensverlängernde Maßnahmen, nicht aber für den Abbruch solcher, wenn diese bereits über längere Zeit erfolgt sind, Geltung haben soll, kann dem Wortlaut jedenfalls nicht entnommen werden.
2.1.2.
Der Passus „Aktive Sterbehilfe lehne ich ab“, könnte dem jedoch widersprechen.
Soweit im Schriftsatz vom 28.12.2017 (Bl. 276/285 d.A.) die Meinung vertreten wird, der Satz stehe drucktechnisch vereinzelt und werde dadurch hervorgehoben und markiere eine Grenzziehung, kann die Kammer diese Ansicht nicht teilen. Der Satz steht weder eingerückt noch ist er vom Schriftbild besonders auffällig gestaltet. Dass dieser Satz schon aufgrund seiner Stellung innerhalb der Patientenverfügung als bedeutungsvoller als der Rest der Patientenverfügung angesehen werden müsste, kann die Kammer deshalb nicht nachvollziehen.
Geht man wiederum vom Wortlaut aus, stellt sich die Frage, welche Bedeutung der Ausdruck „aktive Sterbehilfe“ hat. Maßgebend ist grundsätzlich der allgemeine Sprachgebrauch, vgl. Ellenberger in Palandt, BGB, 77. Auflage 2018, § 133 Rn. 14.
Dies ist allerdings wenig hilfreich, da der Ausdruck „aktive Sterbehilfe“ ausgesprochen vielschichtig ist und sowohl eine juristische, theologische und moralische Komponente enthält. Viele Menschen dürften ihre eigene Wertung, was sie als aktive Sterbehilfe empfinden, beim Sprachgebrauch einfließen lassen. Einen eindeutigen allgemeinen Sprachgebrauch kann die Kammer daher nicht feststellen und auch nicht zugrunde legen.
Betrachtet man den Ausdruck „aktive Sterbehilfe“ unter einem juristischen Aspekt, wäre eindeutig, dass der Abbruch der künstlichen Ernährung nicht unter diesen Begriff gefasst werden kann. Auf die Ausführungen des Bundesgerichtshofes unter Rn. 38 wird Bezug genommen.
Bei einer juristischen Betrachtungsweise stünde der Passus der oben unter II. 2.1.1. dargelegten Wortlautauslegung nicht entgegen.
Betrachtet man den Ausdruck „aktive Sterbehilfe“ allerdings unter einem theologischen Aspekt, dürfte sich ein etwas anderes Bild ergeben.
Papst Johannes Paul II hat das katholische Leitbild mit Blick auf die künstliche Ernährung 2004 dahingehen präzisiert: „Der Kranke im vegetativen Zustand, der die Wiederherstellung oder das natürliche Ende erwartet, hat das Recht auf eine grundlegende ärztliche Betreuung (Versorgung mit Nahrung und Flüssigkeit, Hygiene, Wärme usw.) und auf die Vorsorge gegen Komplikationen, die mit der Bettlägerigkeit verbunden sind. Er hat auch das Recht auf einen gezielten rehabilitativen Eingriff und auf die Überwachung der klinischen Zeichen einer eventuellen Besserung. - Insbesondere möchte ich unterstreichen, dass die Verabreichung von Wasser und Nahrung, auch wenn sie auf künstlichen Wegen geschieht, immer ein natürliches Mittel der Lebenserhaltung und keine medizinische Handlung ist. Ihre Anwendung ist deshalb prinzipiell als normal und angemessen und damit als moralisch verpflichtend zu betrachten, in dem Maß, in dem und bis zu dem sie ihre eigene Zielsetzung erreicht, die im vorliegenden Fall darin besteht, dem Patienten Ernährung und Linderung der Leiden zu verschaffen. - Denn die Pflicht, dem Kranken in solchen Fällen die gebotenen normalen Behandlungen nicht vorzuenthalten, umfasst auch die Versorgung mit Nahrung und Wasser“, vgl. Päpstl. Rat für die Pastoral im Krankendienst, Charta für den Krankendienst, Nr. 120, recherchiert im Internet unter www.openpr.de/news/158721/Katholische-Kirche-Keine-Beendigung-der-Versorgung-der-Kranken-durch-Magensonde.html.
Die Ansicht der katholischen Kirche dürfte im Jahre 1998 nicht liberaler gewesen sein.
Konsequenterweise müsste der Abbruch der künstlichen Ernährung aus Sicht der katholischen Kirche in der Tat als aktive Sterbehilfe gewertet werden.
Vor diesem Hintergrund könnte der Passus „Aktive Sterbehilfe lehne ich ab“ - zumindest bei einer katholisch theologischen Betrachtungsweise der unter II. 2.1.1. gefundenen Wortauslegung widersprüchlich entgegenstehen.
2.1.3.
Soweit in der Patientenverfügung noch erklärt wird, nach Möglichkeit in vertrauter Umgebung sterben zu können, kann dem nicht entnommen werden, dass sich die Betroffene gegen einen Abbruch der künstlichen Ernährung entschieden hat, wenn mit dem Abbruch ein Verlassen der vertrauten Umgebung auf eine Palliativstation verbunden wäre. Die Einschränkung „nach Möglichkeit“ zeigt, dass der Verbleib in der vertrauten Umgebung für die Betroffene nicht an oberster Stelle steht und insbesondere nicht bedeutet, dass der Wunsch, dass lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben sollen, wenn keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht, zurücktritt, wenn damit ein Verlassen der vertrauten Umgebung verbunden sein sollte.
2.2.
Nachdem die reine Wortlautauslegung - zumindest für den Fall dass man den Passus „Aktive Sterbehilfe lehne ich ab“ in einem katholisch theologischen Sinn betrachtet - widersprüchlich ist, müssen in einem zweiten Schritt weitere Umstände bei der Auslegung miteinbezogen werden, um zu klären, was die Betroffene mit ihren Worten tatsächlich sagen wollte.
Die von der Kammer durchgeführten Ermittlungen haben ergeben, dass die Betroffene vielfach gegenüber Dritten geäußert hat, dass sie nicht künstlich ernährt werden will. So sagte die Schwägerin der Betroffenen, R.F. aus, die Betroffene habe ihr gegenüber anlässlich eines Besuchs der Tante - im Pflegeheim erklärt, sie wolle nicht künstlich ernährt werden. Sie wolle dies in einer Patientenverfügung bestätigen. Auch der Bruder der Betroffenen, E.F. berichtete, die Betroffene habe immer gesagt, sie wolle nicht künstlich ernährt werden und wolle nicht so da liegen wie die Tante - und H.H.. Selbiges berichtet die Schwester der Betroffenen, C.S.. Sie berichtete sogar, dass die Betroffene sie aufgefordert habe, eine Patientenverfügung zu machen, und dass ihr, der Betroffenen, nichts passieren könne, da sie vorgesorgt habe. Sie habe immer wieder gesagt, dass sie keine künstliche Ernährung wolle. Ebenso berichtete die Tochter der Betroffenen, A.W., dass die Betroffene ihr gegenüber geäußert habe, dass sie eine Patientenverfügung gemacht habe und nicht künstlich ernährt werden wolle und nicht am Leben gehalten werden wolle.
Vor diesem Hintergrund geht die Kammer davon aus, dass die Betroffene einer künstlichen Ernährung ablehnend gegenüber stand. Zwar haben alle Zeugen übereinstimmend berichtet, dass nie darüber gesprochen wurde, ob dies auch gilt, wenn eine künstliche Ernährung schon längere Zeit stattgefunden hat. Jedoch bedeutet dies nicht, dass daraus geschlossen werden könnte, die Betroffene hätte es abgelehnt eine bereits eingeleitete künstliche Ernährung abzubrechen.
Die Kammer ist aufgrund der Zeugenaussagen überzeugt, dass die Betroffene mit dem Passus „aktive Sterbehilfe lehne ich ab“ nicht ausdrücken wollte, dass sie einen Abbruch der künstlichen Ernährung ablehnt und den Passus auch nicht in einer katholisch theologischen Weise verstanden hat bzw. verstanden wissen wollte. Würde die Argumentation im Schriftsatz vom 28.12.2017 zutreffen, dass der Abbruch der künstlichen Ernährung als Initiierung des Todes durch den Passus ausgeschlossen ist, dann würde dies letztlich bedeuten, dass die Patientenverfügung gerade für das der Betroffenen sehr wichtige Thema der „künstliche Ernährung“ überhaupt keinen Anwendungsbereich hätte.
Die katholische Kirche lehnt nämlich nicht nur den Abbruch einer solchen Maßnahme, sondern auch das Versagen der erstmaligen Einleitung einer künstlichen Ernährung ab.
Und auch unabhängig von der Sichtweise der katholischen Kirche gilt: Ist ein Mensch aufgrund seiner gesundheitlichen Situation nicht mehr dazu in der Lage, Nahrung und Flüssigkeit selbst aufzunehmen, wäre auch der anfängliche Verzicht, in die künstliche Ernährung einzutreten eine sichere Initiierung des Todes.
Nachdem die Betroffene aber derart vielen Menschen immer wieder gesagt hat, dass sie keine künstliche Ernährung will und durch eine Patientenverfügung vorgesorgt hat, kann deshalb ausgeschlossen werden, dass sie ihren erklärten Wunsch durch den Passus „Aktive Sterbehilfe lehne ich ab“ unterlaufen hätte. Dafür gibt es nicht den geringsten Hinweis.
Vor diesem Hintergrund kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass eine Auslegung der Patientenverfügung ergibt, dass die Betroffene in einer bindenden Weise die Einwilligung erteilt hat, dass eine künstliche Ernährung - als zweifelsohne lebensverlängernde Maßnahme - abgebrochen wird, wenn die Behandlungssituation „keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins“ eingetreten ist.
3. Nach den weiter durchgeführten Ermittlungen der Kammer steht auch fest, dass die Lebens- und Behandlungssituation „keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins“ bei der Betroffenen vorliegt.
Der Sachverständige Prof. Dr. med. Dipl. Psych. F.E., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Leitender Arzt an der Universitätsklinik N. ist zu dem Ergebnis gekommen, dass bei der Betroffenen keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht. Der Sachverständige hat für die Kammer detailliert und nachvollziehbar dargelegt, dass es am 22.06.2008 aufgrund eines Herz-Kreislaufstillstands mit einer 10minütigen Reanimation zu einer globalen Minderversorgung des Gehirns mit Sauerstoff gekommen ist. Die Prognose der Hirnschädigung sei bereits damals aufgrund der erhobenen Befunde als aussichtslos zu bezeichnen gewesen. Dies ergebe sich daraus, dass über 72 Stunden eine Aufwachtendenz nicht bestanden habe. SEP-Potentiale seien bei der Betroffenen bereits im Sommer 2008 auch bei 2-maliger Messung nicht erhältlich gewesen. Dies bedeute, dass bereits damals keine Anzeichen einer erhaltenen Reizleitungsverbindung für sensorische Reize zwischen dem oberen Rückenmark und dem Großhirn bestanden, was als ein klarer Indikator dafür gelte, dass eine Wiedererlangung des Bewusstseins nahezu unmöglich sei.
Auch das extrem niedergespannte EEG sei ein Prädikator für eine schlechte Prognose gewesen.
Auch der sehr hohe NSE-Wert von 214 µg/l sei bereits alleine ein valider negativer Prädikator.
In der MRT-Bildgebung seien die für eine ausgeprägte Sauerstoffmangelschädigung typischen Zellstörungen im Bereich unterschiedlicher Lokalisationen des Gehirns vorgelegen.
Mit den ausgefallenen SEP's sei nicht nur der belastbarste Prognoseparameter in negativer Ausprägung vorgelegen, sondern auch alle weiteren Parameter. Bereits im Sommer 2008 sei die Erstellung einer aussichtslosen Prognose mit einem extrem geringen Irrtum von 2 zu 100.000 behaftet gewesen.
Fälle, in denen noch Bewusstseins“inseln“ aufgetreten sind, beträfen fast ausschließlich Patienten nach unfallbedingter (traumatischer) Hirnschädigung und nicht Patienten nach Reanimation.
Die bereits aus den Befunden zu erwartende ausbleibende Verbesserung des Zustandes der Gehirnfunktionen der Betroffenen hätten sich auch in den gutachterlichen Befunden sowohl von Dr. L. 2012 nach 4 Jahren Wachkoma bzw. durch den Gutachter Dr. R. 2014 nach 6 Jahren im Wachkoma gezeigt.
Auch die von ihm selbst durchgeführte Untersuchung 9 Jahre nach der Wiederbelebung habe einen Befund gezeigt, der sich weder substantiell noch im Detail - was die Hirnfunktionen anlangt - von den Vorbefunden unterscheidet. Bei der Betroffenen ließen sich keinerlei Anzeichen für eine bewusste - d.h. durch das Großhirn prozessierte - spontane oder durch Reize in Gang gesetzte Reaktionen feststellen. Es gäbe auch keine Anzeichen, dass bei der Betroffenen noch „Bewusstseinsreste“ vorhanden wären, die einem „Minimalbewusstsein“ entsprechen würden.
Aus neurologischer Sicht bestehe bei der Betroffenen eindeutig ein Zustand mit schwerster Gehirnschädigung, bei der die Funktionen des Großhirns - zumindest was dessen Fähigkeit zu bewusster Wahrnehmung, bewusster Verarbeitung und bewusster Beantwortung von Reizen anlangt, komplett ausgelöscht sind. Dagegen seien Strukturen und Funktionen des Gehirnstamms, die die Wachheit - ablesbar an den geöffneten Augen - generieren, erhalten und führen zu den beobachteten Spontanbewegungen und Reflexen auf äußere Reize, die jedoch keiner bewussten Steuerung unterliegen.
In der Anhörung vom 19.01.2018 hat der Sachverständige betont, dass das Ergebnis seiner Begutachtung letztlich auf drei Säulen beruht, nämlich dem damaligen Geschehen, der vergangenen Zeit und die Erkenntnisse aus seiner eigenen Untersuchung. Jede Säule wäre bereits für sich tragfähig gewesen für das Ergebnis, dass bei der Betroffenen keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht. In der Gesamtschau ergebe sich das Ergebnis erst recht.
Der Sachverständige hat für die Kammer nachvollziehbar dargelegt, dass insbesondere die vom Ehemann der Betroffenen berichteten Wahrnehmungen (Anschauen, Lachen, Weinen etc.) Interpretationen seien, weil er eine emotionale Beziehung zur Betroffenen hat. Als Untersucher müsse er diese Phänomene als rein reflexartige, zufällige Reaktionen betrachten, die nicht von Bewusstsein getragen sind.
Soweit seitens der Verfahrensbevollmächtigten des Ehemanns immer wieder darauf hingewiesen wurde, dass es in der Fachliteratur Fälle gegeben habe, in denen es durch Reizstimulationen zu einer Bewusstseinserhöhung gekommen ist, hat der Sachverständige für die Kammer plausibel dargelegt, dass diese Fälle aber absolut nicht vergleichbar mit dem hiesigen Fall sind, da es sich um Traumapatienten gehandelt hat.
Im Ergebnis ist die Kammer aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen davon überzeugt, dass bei der Betroffenen keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht. Der Sachverständige ist ein ausgewiesener Spezialist auf dem Gebiet des Wachkomas. Die Kammer konnte sich in der Anhörung selbst ein Bild von dem Sachverständigen machen. Seine Ausführungen zeugten von großem Fachwissen. Anhaltspunkte dafür, dass sich der Sachverständige eventuell zu früh auf sein eindeutiges Ergebnis festgelegt haben könnte, haben sich für die Kammer an keiner einzigen Stelle ergeben (drei Säulen).
Im Ergebnis war damit das sog. Negativattest zu erteilen.
Soweit mit Schriftsatz vom 30.08.2017 (Bl. 266/267) seitens des Verfahrensbevollmächtigten der Betroffenen beantragt wurde, die rechtliche Betreuung für die gebotene Beendigung der künstlichen Ernährung einem Berufsbetreuer zu übertragen, war darüber nicht durch die Kammer zu entscheiden. Diese Entscheidung wird durch das Amtsgericht zu treffen sein.
III.
Die Rechtsbeschwerde war nach § 70 Abs. 2 FamFG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen.
IV.
Die Beteiligten haben ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst zu tragen. Die Kammer sieht vorliegend keine Veranlassung, die außergerichtlichen Kosten entweder einem der Beteiligten oder der Staatskasse aufzuerlegen.
V.
Der Gegenstandswert wurde gemäß §§ 36,79 I Nr.1 GNotKG festgesetzt.