Landgericht Landshut Beschluss, 09. Okt. 2015 - 33 T 2522/15

published on 09/10/2015 00:00
Landgericht Landshut Beschluss, 09. Okt. 2015 - 33 T 2522/15
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Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Amtsgerichts Erding vom 27.07.2015, Az. 7 C-1205/14, wird zurückgewiesen.

2. Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Beschwerdewert wird auf 546,33 € festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

Die nach §§ 11 Abs. 1 RPflG, 567 Abs. 1 Nr. 1, 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 2, 569 Abs. 1 ZPO zulässige Beschwerde ist unbegründet.

I.

Mit Klageschrift vom 22.05.2014 erhoben die Kläger Klage beim Amtsgericht Erding gegen die Beklagte, die lediglich über einen Geschäftssitz im Ausland verfügt. Begehrt wurden im Rahmen der Klage die Zahlung von jeweils 250 EUR an den Kläger zu 1) und an den Kläger zu 2) nebst entsprechenden Zinsen.

Am 22.05.2015 erging durch das Amtsgericht Erding ein klageabweisendes Endurteil im Verfahren nach § 495 a ZPO. In diesem Rahmen wurde per Beschluss der Streitwert auf 500 EUR festgesetzt.

Mit Antrag vom 08.06.2015 beantragte die in Hamburg ansässige Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Kosten wie im Antrag aufgeführt festzusetzen. Dies umfasste Gesamtflugkosten von 463,39 EUR, Taxikosten von insgesamt 78,04 EUR und ein Tage- und Abwesenheitsgeld gem. Nr. 7005 Nr. 3 VVRVG in Höhe von 40,00 EUR.

Mit Beschluss vom 27.07.2015 erließ das Amtsgericht Erding einen wie von der Beklagtenseite beantragten Kostenfestsetzungsbeschluss.

Gegen diesen Kostenfestsetzungsbeschluss erhob die Klägerseite das Rechtsmittel der Beschwerde. Hinsichtlich der Begründung wird auf den Beschwerdeschriftsatz Bezug genommen.

Die Beklagtenseite ist, wie aus dem Schriftsatz vom 22.09.2015 hervor geht, der Auffassung, dass die sofortige Beschwerde des Klägers zurückzuweisen ist.

Mit Beschluss vom 28.09.2015 hat das Amtsgericht Erding der sofortigen Beschwerde der Klägerseite gegen den Beschluss vom 27.07.2015 nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht Landshut zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Dem Rechtspfleger obliegt die Prüfung, ob angemeldete Kosten entstanden sind und ob sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren.

Zweckentsprechend ist eine Maßnahme, die eine verständige Prozesspartei bei der Führung des Rechtsstreits in dieser Lage als sachdienlich ansehen musste. Notwendig sind demnach alle Kosten, ohne welche die zweckentsprechenden Maßnahmen nicht getroffen werden könnten; es gibt also auch notwendige Kosten für nicht zweckentsprechende Maßnahmen, für zweckentsprechende können überflüssige Kosten aufgewandt werden (Zöller/Herget, ZPO, 30. Auflage 2014, § 91 Rn. 12). Zu beachten ist, dass jede Partei die Kosten ihrer Prozessführung, die sie im Falles ihres Sieges vom Gegner erstattet verlangen will, so niedrig zu halten hat, wie sich dies mit der vollen Wahrung ihrer berechtigten prozessualen Belange vereinbaren lässt (für viele BGH MDR 2003, 1140). Die Partei, die vor einem auswärtigen Gericht verklagt wird, kann in der Regel einen an ihrem Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalt beauftragen (BGH NJW 2003, 898). Eine Erstattung hingegen scheidet aus, wenn die Partei über eine Rechtsabteilung verfügt (BGH NJW 2003, 2027), ein sog. „Outsourcing“ ist demgegenüber grundsätzlich zulässig (ständige Rechtsprechung BGH; BGH NJW-RR 2004, 430). Ein Prozessgegner hat die tatsächliche Organisationsform hinzunehmen, auch wenn sie ihm kostenmäßig nachteilig ist. Weder eine langjährige Zusammenarbeit noch ein besonderes Vertrauen rechtfertigen für sich alleine gestellt die Hinzuziehung eines auswärtigen Rechtsanwalts (BGH NJW-RR 2007, 1071; MDR 2008, 946). Demgegenüber steht die weitere Rechtsprechung, die aufführt, dass ein am Geschäftsort der Partei ansässiger Rechtsanwalt durch eine an einem auswärtigen Gericht verklagte Partei im Regelfall mandatiert werden kann und dies eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverteidigung darstellt. Ein tragender Grund hierfür ist die Annahme, dass üblicherweise ein persönliches mündliches Gespräch erforderlich und gewünscht ist. Im Zeitalter der modernen Kommunikationsmittel steht aber insbesondere das Interesse der verklagten Partei im Vordergrund, sich durch einen Rechtsanwalt ihres Vertrauens auch vor auswärtigen Gerichten vertreten zu lassen (für viele BGH NJW-RR 2004, 858; NJW 2008, 2122). Für den ausländischen Prozessbeteiligten gilt dies erweitert dahingehend, dass es ihr nicht obliegt, vor Beauftragung eines Anwalts oder Prozessbevollmächtigten die Gerichtszuständigkeit für das Klageverfahren zu prüfen, um die Kosten gering zu halten. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass bei ausländischen Prozessbeteiligten ein besonderes Vertrauensverhältnis zu einem an einem entfernten Ort im hiesigen Inland ansässigen Rechtsanwalt herrscht bzw. herrschen muss. Schließlich sind die erstattungsfähigen Reisekosten des nicht am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalts der Höhe nach nicht notwendig auf diejenigen Kosten beschränkt, die durch die Beauftragung eines Terminsvertreters entstanden wären (BGH NJW-RR 2005, 1662).

In einem wie dem vorliegen Fall ist es nach Auffassung der Kammer und unter Berücksichtigung der bisher ergangenen obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung erforderlich, dass ein nicht völlig untergeordnetes Vertrauensverhältnis zwischen Partei und Anwalt besteht, eine Beziehung im Sinne periodisch wiederkehrender Beauftragungen in Rechtsstreitigkeiten beabsichtigt ist, die Partei ihrerseits nicht ausreichend rechtskundig ist (u.a. BGH NJW 2003, 2027, 2028; NJW-RR 2004, 857, 858) oder über eine Rechtsabteilung verfügt (die ständige Übertragung an einen Hausanwalt ohne einzelfallbezogene Instruktionen führt nicht zur Rechtskundigkeit, so MüKoZPO-Schulz, 4. Auflage 2013, § 91 Rn. 73 m.w.N.;) und die Gegebenheiten des Verfahrens unter Abwägung einzelfallbezogener Gesichtspunkte, wie etwa den im Reiserecht auf Grund der sich im Fluss befindlichen Rechtsprechung erforderlichen Spezialkenntnissen (OLG Nürnberg, NJW-RR 2014, 2967, 2968) ergeben, dass die Beauftragung eines nicht am Gerichtsstand örtlich ansässigen Anwalts gerechtfertigt, mithin kein Ausschlussgrund gegeben ist.

Die Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Insbesondere führt die Einzelfallabwägung mit dem obig Aufgeführten zu keinem abweichenden Ergebnis.

Auch unter Zugrundelegung des in der Rechtsprechung anerkannten Grundsatzes, dass bei einem Rechtsanwalt an einem Drittort die Kosten regelmäßig nur bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten eines am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalts zu erstatten sind (BGH NJW 2011, 3520).

Die Kosten der Flugreise sind in vorliegendem Fall in vollem Umfang erstattungsfähig, da sie nicht außer Verhältnis zu einer Bahnfahrt der 1. Klasse stehen (zuletzt BGH, GRUR 2015, 509), die Beklagte muss sich auch nicht auf etwaige low-budget-Angebote verweisen lassen. Auch der Einwand, die Beklagte könne sich nicht auf ihren ausländischen Sitz berufen, geht, unabhängig von der Bezugnahme auf die Homepage der am Verfahren gänzlich unbeteiligten R., gänzlich fehl.

Gleichermaßen ist die Kammer auch der Auffassung, dass bei der Beurteilung der Notwendigkeit der Prozesskosten nicht zuletzt auch darauf abzustellen ist, dass die Beklagte mit einer solchen Organisation der Wahrnehmung ihrer Interessen es gleichermaßen riskiert, für die entstandenen Kosten im Falle eines Unterliegens selbst eintreten zu müssen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen, da die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Beschwerdegerichts erfordert, § 574 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

(1) Gegen die Entscheidungen des Rechtspflegers ist das Rechtsmittel gegeben, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist. (2) Kann gegen die Entscheidung nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Recht
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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

(1) Gegen die Entscheidungen des Rechtspflegers ist das Rechtsmittel gegeben, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist. (2) Kann gegen die Entscheidung nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Recht

Annotations

(1) Gegen die Entscheidungen des Rechtspflegers ist das Rechtsmittel gegeben, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist.

(2) Kann gegen die Entscheidung nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Rechtsmittel nicht eingelegt werden, so findet die Erinnerung statt, die innerhalb einer Frist von zwei Wochen einzulegen ist. Hat der Erinnerungsführer die Frist ohne sein Verschulden nicht eingehalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Erinnerung binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Die Wiedereinsetzung kann nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, nicht mehr beantragt werden. Der Rechtspfleger kann der Erinnerung abhelfen. Erinnerungen, denen er nicht abhilft, legt er dem Richter zur Entscheidung vor. Auf die Erinnerung sind im Übrigen die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die sofortige Beschwerde sinngemäß anzuwenden.

(3) Gerichtliche Verfügungen, Beschlüsse oder Zeugnisse, die nach den Vorschriften der Grundbuchordnung, der Schiffsregisterordnung oder des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit wirksam geworden sind und nicht mehr geändert werden können, sind mit der Erinnerung nicht anfechtbar. Die Erinnerung ist ferner in den Fällen der §§ 694, 700 der Zivilprozeßordnung und gegen die Entscheidungen über die Gewährung eines Stimmrechts (§ 77 der Insolvenzordnung) ausgeschlossen.

(4) Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.