Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche nach Beendigung eines gewerblichen Mietverhältnisses über Praxisräume.
Die Parteien schlossen am 28.05.2004 einen Mietvertrag über Praxisräume (Anlage K 1) samt Nachtrag vom 28.05.2004 (Anlage K 28 = Anlage 1 der Beklagten). Der Mietvertrag enthält u.a. folgende Klausel:
„§ 3 Mietbeginn, Mietdauer
(1) Das Mietverhältnis beginnt mit Praxiseröffnung am 01.09.2004, spätestens am 01.10.2004 und endet am 31.08.2014 bzw. am 30.09.2014 [...]
(2) Die Parteien beabsichtigen eine Verlängerung des vorliegenden Vertrages jeweils um 5 Jahre (Option für 4 × 5 Jahre). Sofern der Mieter eine Verlängerung des Vertrages um weitere 5 Jahre wünscht, ist dies dem Vermieter schriftlich mindestens 6 Monate vor Ablauf der Mietzeit mitzuteilen. Die Einzelheiten bezüglich der verlängerten Mietzeit, z.B. Änderung oder Anpassung bestehender Vertragsmodalitäten, insbesondere zur Mietzinshöhe nach dem Index des statistischen Bundesamtes, werden in einem Nachtrag zum vorliegenden Mietvertrag geregelt [...].“
Während die Klägerin die Verlängerungsoption wahrnehmen wollte (Anlagen K 2 bis K 4), kündigte der Beklagte mit Schreiben vom 28.02.2014 das Mietverhältnis „wegen Eigenbedarfs“ (Anlage K 5) sowie nochmals mit anwaltlichem Schriftsatz vom 08.08.2014. Über die Fragen der wirksamen Ausübung des Optionsrechts und die Rechtmäßigkeit der Kündigungen führten die Parteien sodann einen Rechtsstreit vor dem Landgericht Ingolstadt (Az. 33 O 1082/14) mit Berufung zum Oberlandesgericht München (Az: 32 U 1981/15).
Mit rechtskräftigem Endurteil vom 26.11.2015 (Anlage K 14) entschied das Oberlandesgericht München bei teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Landgerichts wie folgt:
„„1. Es wird festgestellt, dass das Mietverhältnis zwischen den Parteien über die Geschäftsräume K. Straße 50, I., diese bestehend aus Praxisräumen im Erdgeschoss rechts inkl. 2 WC, 1 Röntgenraum und 1 oberirdischen Kfz.-Stellplatz, durch die Kündigung des Beklagten vom 28.02.14 nicht beendet worden ist.
2. Es wird festgestellt, dass sich das Mietverhältnis zwischen den Parteien über die Geschäftsräume K. Straße 50, I., diese bestehend aus Praxisräumen im Erdgeschoss rechts inkl. 2 WC, 1 Röntgenraum und 1 oberirdischen Kfz.-Stellplatz, durch Ausübung der Option verlängert hat.
3. Es wird festgestellt, dass das Mietverhältnis zwischen den Parteien über die Geschäftsräume K. Straße 50, I., diese bestehend aus Praxisräumen im Erdgeschoss rechts inkl. 2 WC, 1 Röntgenraum und 1 oberirdischen Kfz.-Stellplatz, durch die Schriftsatzkündigung des Beklagten vom 08.08.2014, zugestellt am 15.08.2014, nicht beendet worden ist. [...]“
Bereits zuvor schlossen die Parteien mit Datum vom 09.10.2007 eine aus zwei Seiten bestehende und auf jeweils beiden Seiten von beiden Parteien unterschriebene „Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag vom 28.05.2004“ (Anlage K 29 = Anlage 2 der Beklagten). Mit Schreiben vom 29.10.2010 wandte sich der Beklagte an die Klägerin und erklärte eine Mieterhöhung für die Praxisräume (Anlage 3 der Beklagten). Mit weiterem Schriftverkehr vom 18.02.2015 (Anlage 4 der Beklagten) bzw. 25.02.2015 (Anlage 5 der Beklagten) korrespondierten die Parteien über weitere Änderungen der Mietzahlungen sowie Nachzahlungen ausstehender Beträge.“
Mit Schreiben vom 30.03.2015 (Anlage K 15) erklärte die Klägerin schließlich ihrerseits die Kündigung der gemieteten Praxisräume bis zum 31.10.2015.
Die Klägerin behauptet, aufgrund diverser, von ihr als rufschädigend empfundener Äußerungen des Beklagten im vorgehenden Verfahren des Landgerichts Ingolstadt, Az. 33 O 1082/14, und des weiteren Verhaltens des Beklagten zur Kündigung veranlasst worden zu sein. Trotz der Feststellungen des Oberlandesgerichts München, dass sich das Mietverhältnis durch Ausübung des Optionsrechtes verlängert habe, habe sie deshalb nicht weiter in den Praxisräumen verbleiben können, sondern sich neue Praxisräume suchen müssen. Für die Suche neuer Praxisräume, den Umzug dorthin und die Einrichtung der neuen Räumlichkeiten seien ihr Schäden in Höhe von 416.381,51 € und 2.131,59 €, zusammen 418.513,10 € entstanden.
Die Klägerin beantragt daher, den Beklagten zu verurteilen,
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1.an die Klägerin 416.381,51 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.03.2016 zu bezahlen,
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2.an die Klägerin weitere 2.131,59 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen, sowie
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3.an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 4.623,33 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.03.2016 zu bezahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte sieht bei der Klägerin keinen Kündigungsgrund für deren Kündigung vom 30.03.2015 gegeben. Vielmehr hält er sich selbst zur Kündigung berechtigt, nachdem der Nachtrag vom 28.05.2004 zum Mietvertrag, die Zusatzvereinbarung vom 09.10.2007, das Schreiben des Beklagten vom 29.10.2010 und die weitere Korrespondenz der Parteien vom 18.02.2015 bzw. 25.02.2015 nicht die erforderliche Schriftform für Nachträge, Zusätze bzw. Änderungen des ursprünglichen Mietvertrages eingehalten habe. Infolge dessen erachtet der Beklagte seine eigene Kündigung vom 28.02.2014 nach wie vor für wirksam, ohne dass dem die Rechtskraft des Endurteils des Oberlandesgerichts München vom 26.11.2005 (Az.: 32 U 1981/15) entgegen stünde. Zumindest hätte dem Beklagten ein eigenes Kündigungsrecht gemäß § 580a Abs. 2 BGB zugestanden.
Schließlich wendet sich der Beklagte gegen die Höhe der geltend gemachten Schadenspositionen, indem er insbesondere nach Maßgabe seiner Ausführungen in den Schriftsätzen vom 09.12.2016 (Bl. 122/139 d.A.) und vom 24.07.2017 (Bl. 213/220 d.A.) teilweise den Anfall einzelner Schadenspositionen bestreitet, teilweise deren Zusammenhang mit der Kündigung der Klägerin und teilweise deren Bezahlung durch die Klägerin. Daneben bezweifelt er die Erforderlichkeit und Angemessenheit einzelner Kostenpositionen oder sieht sich aus weiteren Gründen nicht zur Zahlung verpflichtet.
Die Kammer hat die Parteien am 26.02.2018 formlos angehört und das Vorverfahren des Landgerichts Ingolstadt, 33 O 1082/14 (bzw. des Oberlandesgericht München, Az.: 32 U 1981/15) beigezogen. Insoweit wird auf das Protokoll vom 26.02.2018 und den Inhalt der beigezogenen Verfahrensakten Bezug genommen sowie auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Die zulässige Klage erweist sich dem Grunde nach als berechtigt.
I.
Die Kammer hat in Ausübung ihres Ermessens gemäß § 304 Abs. 1 ZPO durch Grundurteil entschieden, da der geltend gemachte Anspruch dem Grunde und der Höhe nach im Streit steht, die Frage über den Anspruchsgrund bereits unter allen rechtlichen Gesichtspunkten entscheidungsreif ist (nachfolgend Ziff. II.) und es nach gegenwärtigem Sach- und Streitstand (hoch- bzw. hinreichend) wahrscheinlich erscheint, dass der Anspruch in irgendeiner Höhe besteht (vgl. Elzer in BeckOK ZPO, 27. Edition, Stand: 01.12.2017, § 304 ZPO Rn. 5 u. 5a). So ist insbesondere davon auszugehen, dass zumindest Ersatzansprüche z.B. für Umzugskartons (S. 31 oben des klägerischen Schriftsatzes vom 30.09.2016 Bl. 74 d.A.), Umzugsunternehmen (S. 45/46 des klägerischen Schriftsatzes vom 30.09.2016, Bl. 88/89 d.A.) oder Zeitungsanzeigen über den Praxisumzug (etwa S. 32 u. 37/38 des klägerischen Schriftsatzes vom 30.09.2016, Bl. 75 u. 80/81 d.A.) mit hoher Wahrscheinlichkeit bestehen und Rechtsgründe ihrer Erstattung nicht entgegenstehen.
Angesichts des erforderlichen Zeitaufwandes für die umfangreiche Beweisaufnahme zur Schadenshöhe bezüglich einer Vielzahl vom Beklagten bestrittener einzelner Schadensersatzpositionen - so insbesondere in den Schriftsätzen vom 09.12.2016, Bl. 122/139 d.A., und 24.07.2017, Bl. 213/220 d.A. - führt der Erlass eines Grundurteils nicht zu einer Verzögerung.
II.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten dem Grunde nach Anspruch auf Schadensersatz, da der Beklagte (zumindest) eine (Haupt-)Pflicht aus dem Mietverhältnis betreffend die Praxisräume in der K. Straße 50 in I. schuldhaft verletzt hat, nämlich die Pflicht, während der Dauer der Mietzeit uneingeschränkt - d.h. ohne rechtswidrige Kündigungen und Verweigerung der Verlängerungsoption - den Gebrauch der Mietsache zu gewähren (§ 535 Abs. 1 S. 1 BGB). Im Einzelnen:
1. Die Klägerin verlangt vom Beklagten Ersatz diverser Kostenpositionen, die anlässlich ihres Auszugs aus den bisherigen Praxisräumen und dem Umzug in neue Praxisräume angefallen seien sollen. Dabei handelt es sich um Schadensersatzansprüche (neben der Leistung) gemäß § 280 BGB und nicht um Aufwendungen im Sinne des § 284 BGB, da die klageweise geltend gemachten Einzelpositionen keine freiwillig erbrachten Vermögensopfer darstellen, welche die Klägerin gerade im Vertrauen auf den Erhalt einer Leistung gemacht hat. Es handelt sich vielmehr um Schadenspositionen, da die Klägerin nicht bis zum Ende der durch Ausübung des Optionsrechtes verlängerten Mietzeit in den angemieteten Praxisräumen verbleiben konnte. Die geltend gemachten Kosten wurden somit nicht im Hinblick auf die ursprünglich angemieteten Praxisräume in der K. Str. 50 aufgewendet, sondern beruhen darauf, dass die Klägerin diese vorzeitig verlassen musste. Diese Kosten sind Schadenspositionen. Folglich kommt als Anspruchsgrundlage § 280 BGB in Betracht.
2. Ein Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB setzt ein bestehendes Schuldverhältnis gem. § 241 Abs. 1 S. 1 BGB voraus. Dies ist der Fall, nachdem zwischen den Parteien ein Mietverhältnis über die Praxisräume in der ... in ... bestand (Anlage K1). Kraft dessen konnte die Klägerin als Mieterin vom Beklagten als Vermieter die - ungestörte - Überlassung der Mieträume fordern (§ 535 Abs. 1 S. 1 BGB).
Dieses Schuldverhältnis bestand auch zum Zeitpunkt der hier maßgeblichen Pflichtverletzungen, nämlich der rechtswidrigen Nichtverlängerung des Mietverhältnisses aufgrund der vertraglich vereinbarten Option in § 3 Abs. 2 des Mietvertrages (Anlage K1) bzw. der rechtswidrigen Kündigungen vom 28.02.2014 und 08.08.2014 (hierzu sogleich Ziff. II.3.). Auf die Frage nach der Wirksamkeit der Kündigung vom 28.02.2017 kommt es somit nicht an, da zu eben diesem Zeitpunkt das Schuldverhältnis noch bestand.
Nur vorsorglich ist mithin darauf hinzuweisen, dass die Beklagtenseite auch nicht mit ihrem Einwand nicht durchdringen könnte, das Mietverhältnis sei durch die Kündigung des Beklagten vom 28.02.2014 beendet gewesen. Diesem Einwand steht die Rechtskraft der Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 26.11.2015, Az.: 32 U 1981/15 entgegen. Dort wurde in Ziffer I. 1. des Urteilstenors ausdrücklich festgestellt, dass das Mietverhältnis nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 28.02.2014 beendet wurde. Soweit der Beklagte weiterhin darauf pocht, seine Kündigung vom 28.02.2014 sei wirksam, kann er hiermit nicht gehört werden. Denn dieses Vorbringen würde das kontradiktorische Gegenteil dessen darstellen, was das Oberlandesgericht München rechtskräftig festgestellt hat. Dabei ist unerheblich, dass sich der Beklagte zur Begründung seiner Ansicht auf die Nichteinhaltung der Schriftform bei diversen Zusätzen und Nachträgen zum ursprünglichen Mietvertrag beruft, und die Frage dieses Formmangels scheinbar nicht Gegenstand des Vorprozesses am Landgericht Ingolstadt bzw. Oberlandesgericht München war. Richtig ist insoweit, dass die Urteilsgründe nicht in Rechtskraft erwachsen. Wohl aber der Urteilstenor, der unter Ziffer I. 1. des Urteils vom 26.11.2015 ausdrücklich die Unwirksamkeit der Kündigung des Beklagten vom 28.02.2014 feststellt. Dieser Tenor erwächst in Rechtskraft und steht der gegenteiligen Behauptung des Beklagten, die Kündigung vom 28.02.2014 sei wirksam (so etwa auf Seite 3 der Klageerwiderung vom 30.06.2016, Bl. 30 d.A.) entgegen.
Soweit sich der Beklagte nunmehr auf Nichteinhaltung der Schriftform beruft, und diese nicht Gegenstand des Vorprozesses war, ist dies belanglos. Es wäre vielmehr Sache des Beklagten gewesen, alle für die Beendigung des Mietverhältnisses maßgebliche Tatsachen bereits im Vorprozess vorzubringen (BGH NJW 2004, 294, 296). So auch ein eigenes Kündigungsrecht gemäß § 580a Abs. 2 BGB infolge Verstoßes gegen das Schriftformerfordernis. Nachdem er dies nicht getan hat, ist er nunmehr mit der Behauptung des kontradiktorischen Gegenteils der vom Oberlandesgericht München getroffenen Feststellung ausgeschlossen. Dementsprechend bestand bis zur Kündigung der Klägerin vom 30.03.2015 zum 31.10.2015 ein wirksamer Mietvertrag, der wiederum ein Schuldverhältnis im Sinne des § 280 BGB darstellt.
3. Es liegt (zumindest) eine Pflichtverletzung des Beklagten vor. Insoweit kann die Kammer dahingestellt sein lassen, inwieweit die klägerseits vorgebrachten Behauptungen des Beklagten im Vorprozess tatsächlich erfolgten, unwahr oder ehrenrührig sind, und ob diese Behauptungen einzeln oder zumindest in Gesamtschau geeignet waren, eine (Neben-)Pflichtverletzung aus dem Mietverhältnis darzustellen.
Denn der Beklagte hat das Mietverhältnis selbst mit Kündigung vom 28.02.2014 und weiterer Schriftsatzkündigung vom 08.08.2014 zu Unrecht gekündigt. Die Kündigungen waren unwirksam, wie das Oberlandesgericht München mit seinem Urteil vom 26.11.2015 rechtskräftig festgestellt hat. Die Kündigungen des Beklagten erfolgten dabei schuldhaft unberechtigt und stellen als solches eine Pflichtverletzung im Sinne des § 280 BGB dar (vgl. Biber in MüKo BGB, 7. Auflage, § 542 BGB Rn. 19). Daneben hat der Beklagte, wie sich zur Überzeugung der Kammer auch aus dem klägerseits vorgelegten Schriftverkehr (Anlagen K 2 bis K 4) ergibt, über Monate hinweg nicht auf die berechtigte Wahrnehmung des Optionsrechts in § 3 Abs. 2 des Mietvertrages (Anlage K 1) durch die Klägerin reagiert, sondern seinerseits mit Schreiben vom 28.02.2014 rechtswidrig das Mietverhältnis gekündigt (Anlage K 5). Eine ordentliche Kündigung, sei es auch wegen Eigenbedarfes, ist bei einem befristeten Mietverhältnis nicht zulässig. Um ein solches handelt es sich jedoch gem. § 3 Abs. 1 des Mietvertrages (Anlage K 1). Ein sonstiges Kündigungsrecht des Beklagten gem. § 508a Abs. 2 BGB wegen Formmangels des Mietvertrages besteht dabei nicht (hierzu sogleich Ziff. II.5).
Auf die weiteren Ausführungen der Klägerin zu den - vermeintlich ehrenrührigen - Behauptungen des Beklagten kommt es mithin ebenso wenig an wie auf dessen zahlreiche Aufforderungen zur Räumung, welche die Klägerin nunmehr mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 09.03.2018 vorlegt.
4. Der Beklagte hat die Pflichtverletzung zu vertreten. Sein Verschulden wird gemäß §§ 280 Abs. 1 S. 2, 276 BGB vermutet, worauf die Kammer bereits mit Verfügung vom 20.02.2017 hingewiesen hatte (Bl. 140 d.A.). Der Beklagte hat nichts vorgebracht, was ihn entlasten würde. Es ist aus dem Vortrag des Beklagten nichts ersichtlich, weshalb die rechtswidrigen Kündigungen vom 28.02.2014 und 08.08.2014 schuldlos erfolgt wären. Vielmehr wollte er das Mietverhältnis mit der Klägerin aufgrund - behaupteten - Eigenbedarfs nicht mehr fortsetzen, obwohl er hierzu aufgrund der Verlängerungsoption (§ 3 Abs. 2 des Mietvertrages) und mangels Kündigungsrechts verpflichtet gewesen wäre.
5. Die Klägerin ist mit ihren Ansprüchen nach § 280 BGB auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil der Beklagte selbst ein Kündigungsrecht gehabt hätte. Ein eigenes Kündigungsrecht des Beklagten könnte im Sinne eines rechtmäßigen Alternativverhaltens dazu führen, dass die Klägerin keine Ansprüche im Zusammenhang mit ihrem Umzug geltend machen könnte, da ein solcher Umzug im Falle einer berechtigten Kündigung des Beklagten ebenso hätte erfolgen müssen (vgl. KG BeckRS 2001, 30451715; Blank in Blank/Börstinghaus, Miete, 5. Auflage, § 542 BGB Rn. 137).
Der Beklagte beruft sich darauf, dass das eigentlich gemäß § 3 Abs. 1 des Mietvertrages (Anlage K 1) befristete Mietverhältnis in Folge Schriftformmangels als unbefristetes Mietverhältnis anzusehen sei (§§ 550 S. 1 i.V.m. 578 Abs. 1 u. 2 BGB), mit der Folge, dass ihm ein Kündigungsrecht gemäß § 580a Abs. 2 BGB zustehe. Ein solcher Formmangel besteht jedoch nicht (b), und selbst wenn würde dies zumindest im Hinblick auf den Nachtrag vom 28.05.2004 (a), unter teleologischen Erwägungen aber auch sonst (c) nicht zur Kündbarkeit des ursprünglichen Mietvertrages führen:
a) Selbst wenn ein Formmangel vorläge, würde dies im Hinblick auf den Nachtrag vom 28.05.2004 (Anlage K 28 bzw. Anlage 1 des Beklagten) nicht zu einem Kündigungsrecht betreffend den ursprünglichen Mietvertrag vom 28.05.2004 (Anlage K1) samt darin vereinbarter Verlängerungsoption (§ 3 Abs. 2 des Mietvertrages) führen. So hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass ein Formmangel eines bloßen Verlängerungsvertrages zum eigentlichen Pacht- bzw. Mietvertrag sich nicht auf den ursprünglichen Mietvertrag auswirkt (BGH NJW 1968, 1229, 1230). Dies gilt in der vorliegenden Fallkonstellation auch für den Nachtrag vom 28.05.2004 (Anlage K 28 bzw. Anlage 1 des Beklagten), der lediglich zwei Ergänzungen vornimmt, den Bestand des ursprünglichen Mietvertrages aber sonst unberührt lässt.
b) Hierauf kommt es jedoch nicht an, da bezüglich des Nachtrags vom 28.05.2004, aber auch im Hinblick auf sonstige Ergänzungen des ursprünglichen Mietvertrags schon kein Formmangel vorliegt:
aa) Unstreitig vereinbarten die Parteien noch am selben Tag, an dem auch der Mietvertrag abgeschlossen wurde, einen Nachtrag hierzu (Anlage K 28 = Anlage 1 des Beklagten). Die Kammer verkennt nicht, dass dieser Nachtrag weder mit dem Mietvertrag fest verbunden ist, noch dass im eigentlichen Mietvertrag vom 28.05.2004 (Anlage K 1) ein Hinweis auf diesen Nachtrag enthalten ist. Soweit in § 3 Abs. 2 des Mietvertrages (Anlage K 1) ein noch zu erfolgender Nachtrag für den Fall der Ausübung des Optionsrechtes aufgeführt wird, handelt es sich bei einem solchen Nachtrag nicht um den Nachtrag vom 28.05.2004 gemäß den Anlagen K 28 bzw. Anlage 1 des Beklagten. Die dortigen Vereinbarungen befinden sich nicht im selben Dokument wie der Hauptvertrag vom 28.05.2004 (Anlage K 1).
Allerdings ist im Sinne der sog. „Auflockerungsrechtsprechung“ des BGH zu sehen, dass die Schriftform gemäß § 126 BGB nicht zwingend eine körperliche Verbindung der Ursprungsurkunde mit Anlagen, Zusätzen oder Änderungsvereinbarungen erfordert, sondern bereits eine gedankliche Verbindung genügt. Diese kann vorliegen, wenn in der Nachtragsurkunde auf den ursprünglichen Vertrag Bezug genommen wird und zum Ausdruck kommt, dass es unter Einbeziehung der Nachträge bei dem verbleibt, was zuvor formgültig niedergelegt worden war (BGH NJW 2003, 1248).
Dies ist hier bei dem Nachtrag vom 28.05.2004 der Fall. Das Schriftstück ist ausdrücklich überschrieben mit „Nachtrag zum Mietvertrag zwischen [...] und [...] zum Mietobjekt ... Praxis im Erdgeschoss“ (Anlage K 28 = Anlage 1 der Beklagten). Damit ist explizit auf den Hauptmietvertrag vom 28.05.2004 verwiesen. Dass dessen Datum in dem Nachtrag nicht ausgewiesen ist, ist dabei unschädlich. Es gibt zwischen den Parteien nur einen Mietvertrag über die streitgegenständlichen Praxisräume. Eben diese sind ausdrücklich in dem Nachtrag aufgeführt. Auch ist der nur einseitige Nachtrag von beiden Parteien mit Ort und Datum und der jeweiligen Unterschrift versehen. Unschädlich ist auch, dass nicht ausdrücklich klargestellt wird, dass im Übrigen die Regelungen aus dem Mietvertrag vom 28.05.2004 (Anlage K 1) gelten sollen. Dies ergibt sich offenkundig aus den Formulierungen im Nachtrag (Anlage K 28 = Anlage 1 des Beklagten). So heißt es dort etwa: „Betreffend § 4 Mietzins“ oder „Betreffend § 25 Sonstiges“, woraus sich bereits ersehen lässt, dass sämtliche andere Regelungen unberührt bleiben. Bei den beiden im Nachtrag vereinbarten Zusätzen handelt es sich um eine Mietsteigerungsklausel und ein Rücktrittsrecht bzw. eine Bedingung zum Vertrag insoweit, als die Klägerin eine kassenärztliche Zulassung erhält. Aus Inhalt und Formulierung dieser Klauseln bzw. des gesamten Nachtrages ist für die Kammer ohne Weiteres ersichtlich, dass die Regelungen im Nachtrag ergänzend zu den Regelungen im Hauptmietvertrag vom 28.05.2004 hinzutreten und die dortigen Regelungen uneingeschränkt fortgelten. Einer ausdrücklichen Klarstellung der Fortgeltung der übrigen Regelungen im Nachtrag bedarf es diesbezüglich nicht. Somit ist die Schriftform bezüglich des Nachtrages vom 28.05.2004 gewahrt, ein eigenes Kündigungsrecht des Beklagten lässt sich insoweit nicht begründen.
bb) Gleiches gilt für die Zusatzvereinbarung vom 09.10.2007 (Anlage K 29 = Anlage 2 des Beklagten). Auch auf diese Vereinbarung findet sich kein Hinweis in der ursprünglichen Vertragsurkunde vom 28.04.2015 (Anlage K 1). Allerdings wird in der Vereinbarung vom 09.10.2007 ausdrücklich auf den „Mietvertrag vom 28.05.2004“ zwischen den Parteien verwiesen. Es handelt sich um ein zweiseitiges Schriftstück, wobei jede der Seiten von jeder der Parteien unterschrieben ist. Inhaltlich handelt es sich ohnehin nur bei einigen der Ziffern der Zusatzvereinbarung um Ergänzungen der eigentlichen Vertragsurkunde, etwa in den Ziffern 1, 2, 3, 9, 10. Die weiteren Regelungen betreffen nur Nachzahlungen und sonstige Vereinbarungen, welche aber überhaupt keinen Einfluss auf die mietvertraglichen Regelungen haben. Soweit in der Zusatzvereinbarung vom 09.10.2007 in einigen Ziffern Änderungen oder Ergänzungen zum ursprünglichen Mietvertrag geregelt werden, ist auch hieraus ersichtlich, dass unter Einbeziehung dieses Nachtrags (BGH NJW 1992, 2283, 2284) die sonstigen ursprünglichen Regelungen weiterhin Geltung besitzen. Eine ausreichende gedankliche Verbindung liegt damit vor.
cc) Die Mieterhöhungsanzeige des Beklagten vom 29.10.2010 (Anlage 3 der Beklagten) stellt lediglich die Ausübung des Mieterhöhungsrechtes dar, wie es die Parteien im Nachtrag vom 28.05.2004 (Anlage K 28 = Anlage 1 der Beklagten) vereinbart haben. Es handelt sich bei dem Schreiben vom 28.10.2010 nicht um die Änderung einer vertraglichen Klausel, sondern vielmehr die tatsächliche Ausübung einer mietvertraglich vereinbarten Regelung. Diese Regelung im Nachtrag vom 28.05.2004 wahrt - wie bereits dargelegt - das Schriftformerfordernis.
dd) Auch aus dem weiteren Schriftverkehr Anfang des Jahres 2015, in dem die Parteien über ausstehende Zahlungen und künftige Änderungen der Miete bzw. Nebenkostenvorauszahlungen korrespondieren (Anlagen 4 und 5 der Beklagten), ergibt sich kein Kündigungsrecht des Beklagten. Insofern liegt ebenfalls keine Änderung mietvertraglicher Regelungen vor. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Klägerin entsprechende Zahlungen sämtlich nur unter Vorbehalt geleistet hat. Ein übereinstimmender Wille auf Änderung mietvertraglicher Vereinbarungen lässt sich aus schlichten Zahlungen unter ausdrücklichem Vorbehalt nicht ersehen.
Soweit der Beklagte darauf verweist, die Klägerin habe mit Schreiben vom 25.02.2015 das Angebot der Beklagten angenommen und „sich vorbehaltslos zur Nachentrichtung des zu ihren Lasten aufgelaufenen Mietrückstandes verpflichtet“ (S. 2 des Schriftsatzes vom 09.12.2016, Bl. 113 d.A.), so erweist sich dies zur Überzeugung der Kammer als falsch. Richtig ist, dass in dem Schreiben vom 25.02.2005 (Anlage 5 der Beklagten) abgesehen vom Hinweis am Ende „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ kein Vorbehalt erklärt wird, und erst in einem Schriftsatz der Klägervertreter vom 15.04.2015 (Anlage K 19) der Hinweis erfolgte, dass die Klägerin die vom Beklagten „geforderte Nutzungsentschädigung weiterhin unter Vorbehalt bezahlen“ wird. Allerdings wird die Korrespondenz zwischen den Parteien im Vorgang zum Schreiben der Klägerseite vom 25.02.2015 (Anlage 5 des Beklagten) nur teilweise von den Parteien vorgelegt. Vorgelegt wird jedoch ein Schreiben des damaligen Beklagtenvertreters vom 13.02.2015 (Anlage K 20), in dem dieser ausdrücklich und unter Fristsetzung bis 18.02.2015 auffordert, die Klägerin möge schriftlich „erklären, dass die Zahlung nicht unter Vorbehalt erfolgt“. Eine derartige Aufforderung macht nur Sinn, wenn die Klägerin vorher Zahlungen tatsächlich unter Vorbehalt erbracht hat. Der Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 09.12.2016 (Bl. 113 d.A.) steht insoweit im Widerspruch zu dem vorgelegten Schriftverkehr (Anlage K 20). Entsprechenden Behauptungen des Beklagten schenkt die Kammer insofern keinen Glauben.
Nachdem die Klägerin Zahlungen somit nur unter ausdrücklichem Vorbehalt leistete, ergibt sich hieraus kein übereinstimmender Wille zur Änderung von mietvertraglichen Vereinbarungen. Aus dem Schriftverkehr Anlagen 4 und 5 des Beklagten ergibt sich insoweit ebenfalls kein Kündigungsrecht.
ee) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Anlagen K 28 und K 29 bzw. 1 und 2 des Beklagten dem Schriftformerfordernis genügen. Ein eigenes Kündigungsrecht des Beklagten gemäß §§ 550, 580a Abs. 2 BGB besteht insoweit nicht und kann folglich im Sinne eines rechtmäßigen Alternativverhaltens den Ansprüchen der Klägerin nicht entgegengehalten werden. Da bereits kein eigenes Kündigungsrecht des Beklagten vorliegt, kommt es auf die Frage nach einer möglichen Verwirkung dieses Einwandes, in dem der Beklagte sich im gesamten Vorprozess und auch sonst außergerichtlich nicht auf das Schriftformerfordernis berufen hat, nicht weiter an.
c) Schließlich ist zu sehen, dass im konkret vorliegenden Einzelfall jedenfalls unter teleologischen Gesichtspunkten keine Formunwirksamkeit vorläge. Die Rechtsprechung des BGH zur Formunwirksamkeit beruht auf der Erwägung, dass ein Grundstückerwerber im Hinblick auf § 571 BGB zuverlässig über Bestand und Inhalt eines langfristig abgeschlossenen Mietvertrages unterrichtet werden soll (BGH NJW 1992, 2283, 2284). Vorliegend enthält bereits § 3 Abs. 2 des (ursprünglichen) Mietvertrags den Hinweis darauf, dass „die Einzelheiten bezüglich der verlängerten Mietzeit, z.B. Änderung oder Anpassung bestehender Vertragsmodalitäten, insbesondere zur Mietzinshöhe nach dem Index des statistischen Bundesamtes, [werden] in einem Nachtrag zum vorliegenden Mietvertrag geregelt“ werden sollen. Wenn auch ein Nachtrag nach Ausübung des Optionsrechts keinen Rückschluss auf einen sonstigen Nachtrag zulässt (vgl. o. Ziff. II.5.b) aa), so enthält diese Klausel für einen potentiellen Erwerber zumindest den Hinweis darauf, dass nach Ausübung des Optionsrechts Änderungen der ursprünglichen Vertragsregelungen vorliegen können. Hinzu kommt, dass gem. § 25 Abs. 2 des Mietvertrages schriftliche Änderungen von den Parteien - zu einer beliebigen Zeit, d.h. auch schon vor Ausübung des Optionsrechts - bereits im Ursprungsvertrag gerade ausdrücklich zugelassen wurden. Ein Erwerber wird mit § 3 Abs. 2 und § 25 Abs. 2 des Mietvertrages darauf hingewiesen, sich nach Ergänzungen und Änderungen zu erkundigen. Das Risiko, dass der Veräußerer dem derart hingewiesenen Erwerber dann nachträgliche Änderungen nicht vorlegt, ist dabei nicht anders zu beurteilen als in den vom BGH entschiedenen Fällen der Auflockerungsrechtsprechung, in denen der BGH eine rein gedankliche Verbindung von Ursprungsurkunde und Nachtrag selbst dann genügen lässt, wenn im ursprünglichen Vertrag nicht auf die Existenz von Anlagen oder Nachträgen hingewiesen wurde.
Schließlich hat sich dieses Risiko im vorliegenden Fall überhaupt nicht verwirklicht, da am Rechtsstreit ausschließlich diejenigen Parteien beteiligt sind, welche den ursprünglichen Mietvertrag ebenso wie alle Nachträge und Ergänzungen geschlossen haben. Deren Existenz und Inhalt war den Parteien unzweifelhaft bekannt, wie sich schon daran zeigt, dass sie die entsprechenden Unterlagen als Anlagen zu ihren Schriftsätzen vorgelegt und darauf Bezug genommen haben. Das Mietverhältnis ist infolge Kündigung der Klägerin vom 30.03.2015 (Anlage K 15) zwischenzeitlich beendet. Die Parteien streiten noch um mögliche Schadensersatzforderungen aus dem beendeten Mietverhältnis. Eine Erwerbssituation i.S.d. § 571 BGB ist nicht eingetreten und kann auch nicht mehr eintreten. Somit greift in der vorliegenden Fallkonstellation der (Schutz-)Zweck der Rechtsprechung, wonach der ursprüngliche Vertrag samt Nachträgen und Ergänzungen der Schriftform genügen muss, nicht ein.
Jedenfalls in der vorliegenden Konstellation, in der ausschließlich Parteien streiten, die sowohl den Mietvertrag als auch sämtliche Nachträge und Ergänzungen selbst und in eigener Person geschlossen haben, und zudem das Mietverhältnis ohne Erwerbssituation nach § 571 BGB zwischenzeitlich beendet wurde, erachtet die Kammer die Berufung auf eine Formunwirksamkeit im konkreten Einzelfall als rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 242 BGB. Auch hierauf wurde am 20.02.2017 hingewiesen (Bl. 140 d.A.).
Somit scheidet ein eigenes Kündigungsrecht des Beklagten aus. Die von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzansprüche bestehen dem Grunde nach.
III.
Die Entscheidung über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit bleibt der Endentscheidung vorbehalten. Die (vorläufige) Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO.