Landgericht Berlin Urteil, 15. Apr. 2024 - 27 O 256/22

originally published: 30/11/2024 14:25, updated: 01/12/2024 13:50
Landgericht Berlin Urteil, 15. Apr. 2024 - 27 O 256/22
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Gericht

Richter

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Landgericht Berlin

Urteil vom 15. April 2024

Az.: 27 O 256/22


 

 

 

 

In dem Rechtsstreit

 

A, ______straße ___, _____ Rostock

- Kläger -

 

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Kilger & Fülleborn, Graf-Schack-Straße 14, 18055 Rostock,

 

gegen

 

1)       B, _____ Straße __, _____ Berlin

-  Beklagter -

 

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Streifler & Kollegen, Oranienburger Straße 69, 10117 Berlin,

 

2)       C, __________-Straße __, _____ _______

-  Beklagter -

 

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Dr. Backhaus & Weidemann, Otto-Intze-Straße 1, 17192 Waren,

 

 

 

hat das Landgericht Berlin II - Zivilkammer 27 - durch den Richter am Landgericht Scharf als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15.04.2024 für Recht erkannt:

 

1.                Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 213.250,81 EUR nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 22.10.2021 zu zahlen.

 

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

 

 

 

2.                Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.

 

3.                Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

 

 

 

Tatbestand

 

Die Beklagten waren Gesellschafter der ____ OHG (vgl. Anl. K1), die im Groß- und Einzelhandel mit Autoersatz- und Verschleißteilen tätig war.

 

Unter dem 10.03.2006 schlossen der Kläger und die ___ OHG einen Vertrag über eine stille Gesellschaft, nach der der Kläger eine Bareinlage von 10.000,00 EUR erbrachte (vgl. Anl. K2).

 

Am 13.04.2007 schlossen der Kläger und die ____ OHG einen Darlehensvertrag, mit dem der Kläger der ____ OHG ein Darlehen i.H.v. 50.000,00 EUR gewährte (vgl. Anl. K3).

 

Mit weiterem Vertrag vom 04.04.2008 gewährte der Kläger der ____ OHG ein weiteres Darlehen i.H.v. 35.000,00 EUR (vgl. Anl. K4). Unter dem gleichen Datum wurde das zuvor gewährte Darlehen über 50.000,00 EUR verlängert und sollte nunmehr zum 15.04.2009 fällig sein (vgl. Anl. K13).

 

Unter dem 01.04.2009 schlossen der Kläger und die ____ OHG einen Genussrechtsvertrag, nach dessen Ziffer 2.1 sich der Kläger als Investor verpflichtete, der ____ OHG als Firma ein Genussrechtskapital im Nennwert von 89.250,00 EUR zuzuführen; die Erbringung dieses Genussrechtskapitals sollte nach Ziffer 2.2 durch Umwandlung der der ____ OHG durch den Kläger gewährten Darlehen über 50.000,00 EUR zzgl. aufgelaufener Zinsen i.H.v. 2.500,00 EUR sowie über 35.000,00 EUR zzgl. Aufgelaufener Zinsen i.H.v. 1.750,00 EUR erfolgen (vgl. Anl. K5).

 

Die Genussrechtsverträge enthielten jeweils in Ziffer 8.1 folgende Regelung unter der Überschrift „Rangrücktritt“ (vgl. Anl. K5, K6):

 

„Forderungen des Investors auf Rückzahlung des Genussrechtskapitals sind nachrangig gegenüber gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen aller Gläubiger der Firma, die nicht die Kriterien für den Eigenkapitalausweis nach den Bilanzierungsgrundsätzen des Handelsgesetzbuches erfüllen, und gleichrangig mit gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen, die diese Kriterien erfüllen. Forderungen des Investors aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag sind in jedem Fall vorrangig vor Forderungen der Gesellschafter auf einen Liquidationsüberschuss oder auf einen Überschuss bei  der Schlussverteilung im Insolvenzverfahren. Im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Firma oder bei deren Liquidation erfolgt eine Rückzahlung des Genussrechtskapitals erst nach der vollständigen Befriedigung der gegenüber dem Genussrecht vorrangigen Forderungen.“

 

Unter dem 17.10.2010 schlossen der Kläger und die ____ OHG einen weiteren Genussrechtsvertrag, in dem sich der Kläger verpflichtete, der ____ OHG ein Genussrechtskapital im Nennwert von 100.000,00 EUR in bar zu erbringen (vgl. Anl. K6).

 

Unter dem 23.11.2016 beschlossen die Beklagten die Beendigung der ____ OHG zum 31.12.2016 (vgl. Anl. B1).

 

Unter dem 20.12.2016 wurde die A____ ____ KG zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet. Persönlich haftender Gesellschafter war der Beklagte zu 1), der Kläger war Gründungskommanditist mit einer Einlage (Hafteinlage) von 200.000,00 EUR (vgl. Anl. B5).

 

Am 22.12.2016 schlossen der Kläger und der Beklagte zu 1) mit Wirkung zum 01.01.2017 einen Gesellschaftsvertrag einer Kommanditgesellschaft, in dem die Hafteinlage des Kommanditisten auf 200.000,00 EUR festgesetzt wurde (vgl. Anl. B6).

 

In dem zum 31.12.2016 erstellen Jahresabschluss der ____ OHG, der Grundlage für die Auseinandersetzung über die Gesellschaft zwischen den Beklagten war, wurde in der Anlage „Kontennachweis zur Bilanz“ unter den Passiva im Konto 1 unter der Bezeichnung „Genussrechtskapital G____“ ein Betrag von 172.151,95 EUR ausgewiesen. Weiter fand sich dort im Konto 2 der Posten „Genussrechtsvergütung G____“ i.H.v. 41.088,86 EUR sowie im Konto 3 der Posten „Stille Gesellschaft G____“ i.H.v. 1.332,13 EUR (vgl. Anl. K7).

 

In der Gewinnverteilung 2016 der ____ OHG war hinsichtlich der ursprünglich von dem Kläger als stillem Gesellschafter geleisteten Einlage i.H.v. 10.000,00 EUR eine Zwischensumme von 0,00 EUR ausgewiesen (vgl. Anl. B2, B8).

 

Unter dem 16.02.2018 unterzeichneten die Beklagten einen Auseinandersetzungsvertrag, nach dem die ____ OHG dem Beklagten zu 1) sämtliche in der Anlage 1 aufgeführten, dem Teilbetrieb 1 zugeordneten Vermögensgegenstände (Aktiva und Passiva) übertrug und diese Übertragung vom Beklagten zu 1) angenommen wurde (vgl. Anl. B4). In der Anlage 1 fanden sich dabei unter anderem die Konten 1 (Genussrechtskapital G____, -172.151,95 EUR), 2 ( ____ G_____, -41.088,86 EUR) sowie 3 (Stille Gesellschaft G____, -1.332,13 EUR).

 

Im Jahr 2018 wurde die ____ OHG aus dem Handelsregister gelöscht (vgl. Anl. K1).

 

Am 07.12.2020 beschlossen der Kläger und der Beklagte zu 1) die Auflösung der A____ _____ KG mit Wirkung zum 31.12.2020. Nach der Niederschrift sollte keine Liquidation stattfinden, da die Gesellschaft über kein Vermögen mehr verfüge (vgl. Anl. B7).

 

Der Jahresabschluss zum 31.12.2020 für die A____ _____ KG wies in der im Anhang enthaltenen Bilanz ein Kommanditkapital von 210.00,00 EUR sowie ein negatives Kapitalkonto III von 5.299,81 EUR und damit eine Summe des Eigenkapitals hinsichtlich des Klägers von 204.700,19 EUR aus (vgl. Anl. K16).

 

Mit Schreiben vom 18.10.2021, den Beklagten zugegangen am 19. bzw. 21.10.2021, sprachen die Prozessbevollmächtigten des Klägers gegenüber den Beklagten die Kündigung des Vertrags über die stille Beteiligung sowie der Genussrechtsverträge aus und forderten die Beklagten zur Zahlung von 214.572,94 EUR binnen zehn Tagen auf (vgl. Anl. K8, K9). Eine Zahlung der Beklagten erfolgte nicht.

 

Mit Schreiben vom 09.12.2021 bzw. 10.12.2021 erklärten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) und 2) für die Dauer der Verhandlungen über die Forderungen aus dem Schreiben vom 18.10.2021 einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung, soweit Verjährung nicht bereits eingetreten sei (vgl. Anl. K11, K12).

 

Der Kläger ist der Auffassung, dass ihm Rückzahlungsansprüche in der geltend gemachten Höhe gegen die Beklagten wegen der von ihm geleisteten Zahlungen zustünden. Die Regelungen zum Rangrücktritt in den Genussrechtsverträgen seien als Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam. Hilfsweise macht er geltend, dass, sofern die Ansprüche des Klägers gegen die ___ OHG tatsächlich in die A____ _____ KG eingebracht worden sein sollten, dem Kläger jedenfalls ein Zahlungsanspruch gegen den Beklagten zu 1) mit Blick auf eine Verteilung des Gesellschaftsvermögens zustehe, nachdem die A____ _____ KG zum 31.12.2020 aufgelöst worden sei.

 

 

Der Kläger beantragt,

 

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 214.572,94 EUR nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 22.10.2021 zu zahlen,

 

hilfsweise: den Beklagten zu 1) zu verurteilen, an ihn seinen Kommanditanteil an der A____ E____ KG i.H.v. 201.403,57 EUR nebst Zinsen fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

 

Die Beklagten beantragen,

 

die Klage abzuweisen.

 

 

Die Beklagten behaupten, dass dem Kläger die wirtschaftlichen und rechtlichen Vorgänge im Zusammenhang mit der ____ OHG sowie der A_____ _____ KG stets bewusst gewesen seien. Ziel der Gründung der A_____ ____ KG sei es gewesen, dem Kläger die steuerlich optimierte Geltendmachung der entstandenen Verluste zu ermöglichen.

 

Der Beklagte zu 2) behauptet, der Kläger habe seine Forderungen gegenüber der ____ OHG als Sacheinlage in die A____ _____ KG eingebracht und der Steuerberater M_____ habe bei der A____ _____ KG einen Betrag von 214.572.94 EUR als Kapital des Klägers eingebucht und ausgewiesen, weil es sich dabei um die Ansprüche des Klägers gegen die OHG aus den Genussrechtsverträgen und aus der stillen Beteiligung zwischen dem Kläger und der ____ OHG gehandelt habe.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen M____. Hinsichtlich des Beweisthemas und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Beweisbeschluss vom 16.10.2023 sowie das Protokoll vom 15.04.2024 Bezug genommen.

 

 

 

Entscheidungsgründe

 

Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

 

1.   Dem Kläger stehen der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von 213.250,81 EUR gegen die Beklagten aus § 126 HGB zu.

 

Nach § 126 HGB - entspricht § 128 HGB in der bis zum 31.12.2023 geltenden Fassung - haften die Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich, wobei eine entgegenstehende Vereinbarung Dritten gegenüber unwirksam ist.

 

In § 151 Abs. 1 HGB ist geregelt, dass, wenn die Gesellschaft durch Liquidation oder auf andere Weise erloschen ist, Ansprüche gegen einen Gesellschafter aus Verbindlichkeiten der Gesellschaft in fünf Jahren verjähren, sofern nicht der Anspruch gegen die Gesellschaft einer kürzeren Verjährung unterliegt. Zweck dieser Regelung ist, es den Gesellschaftsgläubigern zu ermöglichen, ihre Forderungen auch nach Auflösung der Gesellschaft durchzusetzen und somit Missbrauch vorzubeugen (vgl. Kamanabrou, in: Oetker, HGB, 8. Aufl. 2024, § 151 Rn. 1 m.w.N.). Der Kläger kann demnach - vorbehaltlich einer Verjährung seiner Ansprüche (dazu unter e)) - auch nach Auflösung der ____ OHG die hier streitgegenständlichen Ansprüche gegen die Beklagten als deren ehemalige Gesellschafter geltend machen.

 

a)   Es bestehen Verbindlichkeiten der ____ OHG gegenüber dem Kläger in Höhe von 213.250,81 EUR.

 

Aus dem zum 31.12.2016 erstellen Jahresabschluss der ____ OHG ergibt sich zugunsten des Klägers ein Anspruch auf Zahlung von 172.151,95 EUR (Konto 1, „Genussrechtskapital G____“) sowie von weiteren 41.088,86 EUR (Konto 2, „Genussrechtsvergütung G____“).

 

Nach Ziffer 12 der Genussrechtsverträge vom 01.04.2009 sowie 17.10.2010 hat die Firma - die ____ OHG - an den Investor - den Kläger - das von dem Kläger erbrachte Genussrechtskapital abzüglich etwaiger aufgelaufener Verlustvorträge sowie sämtliche noch offenen Vergütungsansprüche, die dem Investor nach Ziffer 4 zustehen, zu bezahlen.

 

aa) Hieraus folgt unter Berücksichtigung des zum 31.12.2016 erstellen Jahresabschlusses der ____ OHG, der Grundlage für die Auseinandersetzung über die Gesellschaft war, dass dem Kläger ein Rückzahlungsanspruch hinsichtlich des von ihm ursprünglich zur Verfügung gestellten Genussrechtskapitals zusteht. Der Kläger hat der ____ OHG insgesamt Genussrechtskapital in Höhe von 185.000,00 EUR zur Verfügung gestellt, wobei dies hinsichtlich eines Teilbetrags von 85.000,00 EUR durch Umwandlung der zuvor als Darlehen gewährten Beträge erfolgt ist. Aus diesem Genussrechtskapital i.H.v. 185.000,00 EUR stand dem Kläger bei Auflösung der Gesellschaft nach dem entsprechenden Jahresabschluss, in dem auch die entsprechende Beteiligung des Klägers an Jahresfehlbeträgen gemäß Ziffer 7. berücksichtigt wurde, ein Anspruch i.H.v. 172.151,95 EUR gegen die Beklagten zu.

 

bb) Der Anspruch auf Zahlung der Genussrechtsvergütung folgt aus Ziffer 4.1 der Genussrechtsverträge und ist mit dem in dem zum 31.12.2016 erstellten Jahresabschluss angegebenen Betrag von 41.088,86 EUR anzusetzen. Dies korrespondiert auch mit dem als Anlage B4 samt Anhang eingereichten Auseinandersetzungsvertrag der Beklagten vom 16.02.2018, nach dessen § 4

(1) die ____ OHG dem von dem Beklagten zu 1) als Teilbetrieb 1 geplanten „online-Handel“ unter anderem die „sonstigen Verbindlichkeiten“ i.H.v. 41.088,86 EUR (2, ____ G____) sowie

i.H.v. 172.151,95 EUR (1, Genussrechtskapital G____) übertragen sollte.

 

b)   Der Anspruch des Klägers auf Rückzahlung des Genussrechtskapitals ist auch nicht mit Blick auf den in den Genussrechtsverträgen jeweils unter Ziffer 8.1 geregelten Rangrücktritt nachrangig gegenüber gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen aller Gläubiger der ____ OHG, die nicht die Kriterien für den Eigenkapitalausweis nach den Bilanzierungsgrundsätzen des Handelsgesetzbuches erfüllen.

 

Die Rangrücktrittsklauseln in den Ziffern 8.1 verstoßen als Allgemeine Geschäftsbedingungen ge- gen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

 

aa) Bei den Genussrechtsverträgen vom 01.04.2009 sowie 17.10.2010 handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.v. § 305 Abs. 1 BGB, die die ____ OHG als Verwenderin gestellt hat. Der damals als Steuerberater der ____ OHG tätige Zeuge M____ hat insoweit bekundet, dass er die Genussrechtsverträge als Vorlage besorgt habe und daran weiter der Syndikusanwalt beteiligt gewesen sei. Die so von der ____ OHG als Verwenderin mehrfach genutzten Genussrechtsverträge wurden sodann von dem Kläger unterzeichnet.

 

bb) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragsgegners daraus ergeben, dass eine Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Dies gilt auch für die Bestimmungen zu den Hauptleistungspflichten 307 III 2 BGB; BGHZ 220, 280 = NJW 2019, 1446 = WM 2019, 592 Rn. 35). Der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, die Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen (Senat NJW 2019, 51 = VersR 2018, 1460 Rn. 9; BGHZ 214, 204 = NJW 2017, 2119 Rn. 23, jew. mwN). Er muss einerseits die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für ihn keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen (stRspr; vgl. BGH NJW 2015, 2244 = WM 2015, 1487 Rn. 16 mwN). Der Vertragspartner soll andererseits ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach seine Rechte und Pflichten feststellen können, damit er die rechtliche Tragweite der Vertragsbedingungen bei Vertragsschluss hinreichend erfassen kann (BGHZ 106, 259 [264] = NJW 1989, 582 Rn. 22) und nicht von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird (vgl. BGHZ 218, 183 = NJW 2018, 2193 Rn. 34; BGHZ 220, 280 = NJW 2019, 1446 = WM 2019, 592 Rn. 35; BGH NJW 2008, 1438 Rn. 17; NJW 2007, 3632 Rn. 31 mwN). Der Vertragspartner soll unter anderem davor geschützt werden, infolge falscher Vorstellungen über die angebotene Leistung zu einem unangemessenen Vertragsabschluss verleitet zu werden (vgl. BGHZ 106, 259 [264] = NJW 1989, 582; Erman/Roloff, BGB, 15. Aufl. 2017, § 307 BGB Rn. 20; vgl. zur Bedeutung zutreffender Information für den Akt des Vertragsschlusses einerseits und die Vertragsabwicklung andererseits auch: Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, § 307 BGB Rn. 326). Die eindeutige und durchschaubare Vermittlung der mit einem beabsichtigten Vertragsschluss verbundenen Rechte und Pflichten ist Voraussetzung für eine informierte Sachentscheidung (Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, § 307 BGB Rn. 326). Die Klausel muss deshalb nicht nur in ihrer Formulierung verständlich sein, sondern auch die mit ihr verbundenen wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit wie möglich verdeutlichen (vgl. zum Ganzen BGH, Urteil vom 1. Oktober 2019 VI ZR 156/18, NJW-RR 2020, 112 Rn. 22 ff. m.w.N.).

 

cc) Diesen Anforderungen genügen die vorliegenden Klauseln nicht. Sie verdeutlichen dem juristisch und kaufmännisch nicht vorgebildeten Durchschnittskunden die rechtliche Tragweite der getroffenen Nachrangabrede und die mit ihr verbundenen wirtschaftlichen Nachteile nicht in ausreichendem Maße. Die Rangrücktrittsklauseln verdeutlichen nicht hinreichend, dass der Kläger als Investor im Rahmen der Genussrechtsverträge ein über das allgemeine Insolvenzrisiko hinausgehendes unternehmerisches Risiko übernimmt und es zu einer dauerhaften Aussetzung jeglicher Rückzahlung seines Genussrechtskapitals kommen kann.

 

dd) Es kommt vor diesem Hintergrund nicht darauf an, ob die von den Beklagten vorgetragenen, anderweitigen Verbindlichkeiten, etwa der Firma „I___ ____“ tatsächlich bestehen. Ebenso bedarf es keiner abschließenden Entscheidung, ob die Rangrücktrittsklausel auch auf Ansprüche gem. § 126 HGB Anwendung findet.

 

c)   Der Beklagte zu 2) kann sich gegenüber den Ansprüchen des Klägers auch nicht auf die zwischen den Beklagten vereinbarten Auseinandersetzungsvertrag vom 16.02.2018 berufen. Dies ergibt sich zum einen daraus wie auch der Beklagte zu 2) selbst vorträgt –, dass es sich hierbei um einen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter handeln würde und zum anderen daraus, dass § 126 HGB ausdrücklich statuiert, dass eine dem gesetzlichen Haftungsregime entgegenstehen- de Vereinbarung Dritten gegenüber unwirksam ist.

 

d)    Die dem Kläger zustehenden Ansprüche sind auch nicht durch Einbringung dieser Forderungen gegenüber der ____ OHG als Sacheinlage des Klägers in die A____ _____ KG mit der Folge eingebracht worden, dass der Kläger seine Ansprüche an die A____ _____ KG abgetreten hätte.

 

Bei der Abtretung nach § 398 Satz 1 BGB kann eine Forderung von dem Gläubiger durch Vertrag mit einem anderen auf diesen übertragen werden. Erforderlich für die Abtretung einer Forderung ist mithin zwingend eine Einigung über die Abtretung zwischen dem Altgläubiger als Zedent und dem Neugläubiger als Zessionar (vgl. Kieninger, in: MüKoBGB, 9. Aufl. 2022, § 398 Rn. 3 m.w.N.).

 

Auch nach der durchgeführten Beweisaufnahme ist das Gericht nicht i.S.v. § 286 ZPO davon überzeugt, dass hier eine solche Abtretung der streitgegenständlichen Ansprüche des Klägers an die A____ _____ KG stattgefunden hat.

 

aa) Der als Zeuge gehörte ehemalige Steuerberater M_____, der sowohl für die ____ OHG als auch im Rahmen der Gründung der A____ _____ KG beratend tätig war, hat insofern bekundet, dass er die Beklagten privat kennen gelernt habe und diese ihn dann wegen einer Selbstständigkeit kontaktiert hätten. Die Gründung der ____ OHG müsse um 2006 herum erfolgt sein, im Jahr 2008 ca. sei dann der Kläger ins Spiel gekommen. Er habe die Genussrechtsverträge als Vorlage besorgt. Im Rahmen der Auseinandersetzung der OHG sei es dann schwierig und kompliziert geworden. Es habe eine Debatte gegeben, ob es eine „stumpfe“ Realteilung oder eine Umwandlung nach Umwandlungsrecht und Umwandlungssteuerrecht geben solle. Er habe dabei den letzteren Weg vorgeschlagen. Die Beklagten hätten dann besprochen, wer welche Vermögensgegenstände und welche Schulden übernehme. Der Beklagte zu 1) habe dann in Aussicht gestellt, sämtliche Schulden und Verbindlichkeiten gegenüber dem Kläger zu übernehmen.

 

Ihm lägen mehrere Mails und Entwürfe aus November und Dezember 2016 vor, bei denen es sich um Vorverträge handele, die für die Auseinandersetzung der OHG und die Vereinbarung über die beabsichtigte Gründung einer KG zwischen dem Beklagten zu 1) und dem Kläger ausgearbeitet worden seien. Dabei hätten auch die Genussrechte des Klägers in Kommanditkapital umgewandelt werden sollen. Er habe zu diesen Entwürfen allerdings nie unterschriebene Ausfertigungen bekommen. Es sei dann nicht zu der geplanten Umwandlung, sondern zur Realteilung gekommen.

 

Hinsichtlich der A____ _____ KG gebe es die Eröffnungsbilanz vom 01.01.2017. In dieser seien die Genussrechte für den Kläger als Kommanditkapital eingestellt, im Übrigen als Verbindlichkeiten. Die Handhabung, dass die dem Kläger zuvor gegen die ____ OHG zustehenden Ansprüche als Eigenkapital der A____ _____ KG eingestellt worden seien, sei so von dem Beklagten zu 1) und dem Kläger gewünscht gewesen. Die Korrespondenz habe er im Wesentlichen mit dem Be- klagten zu 1) geführt, zum Teil auch mit dem Beklagten zu 2) wegen der Auseinandersetzung der OHG. Mit dem Kläger direkt habe er seiner Erinnerung nach keinen direkten Kontakt gehabt, auch nicht im Vorfeld der Erstellung der Eröffnungsbilanz der KG. Es habe aber am 22.06.2020 eine Telefonkonferenz gegeben, an der auch der Kläger teilgenommen habe. Er könne nicht mehr genau sagen, was Gegenstand dieses Telefonats gewesen sei, meine aber, dass dem Kläger in diesem Telefonat erklärt werden sollte, warum wegen der steuerlichen Vorteilhaftigkeit seine vorherigen Ansprüche gegenüber der ____ OHG in der Eröffnungsbilanz der A____ _____ KG als Eigenkapital eingestellt worden seien.

 

Es sei zutreffend, dass die Umwandlung der Genussrechte in Kommanditkapital nicht im KG-Vertrag selber erwähnt werde. Im Zusammenhang mit der Gründung der KG habe kein direkter Kontakt zwischen ihm und dem Kläger stattgefunden ihm hätten auch keine Vertragsdokumente mit einer Unterschrift des Klägers vorgelegen. Der Kläger habe ihm gegenüber vor Gründung der KG nicht erklärt, mit der Umwandlung seines Genussrechtskapitals einverstanden zu sein. Er erinnere sich aber konkret an das zuvor erwähnte Telefonat aus 2020. Seiner Erinnerung nach habe der Kläger damals nach einer Erklärung über die steuerrechtlichen Vorteile mitgeteilt, dass er damit dann einverstanden sei.

 

bb) Die vorstehenden Bekundungen des Zeugen M_____ sind im Hinblick auf die zu beweisende Tatsache nicht ergiebig, da sie nicht belegen, dass der Kläger seine ihm gegen die ____ OHG zustehenden Ansprüche im Zusammenhang mit der Gründung der A____ _____ KG an diese abgetreten und in Kommanditkapital umgewandelt hat.

 

Zwar hat der Zeuge die ihm gestellten Beweisfragen hinsichtlich der Einbringung seiner Forderungen gegenüber der ____ OHG als Sacheinlage in die A____ _____ KG sowie bezüglich der entsprechenden Einbuchung in der Bilanz der A____ _____ KG bejaht. Seinen Bekundungen lässt sich für das Gericht aber nicht mit der für § 286 ZPO erforderlichen Überzeugung der Schluss entnehmen, dass eine auf die Abtretung seiner Ansprüche gegen die ____ OHG gerichtete Willenserklärung des Klägers vorlag.

 

Der Zeuge hat insofern bekundet, mit Ausnahme eines Telefonats, welches zeitlich nach Gründung der KG stattgefunden hat, keinen direkten Kontakt mit dem Kläger gehabt zu haben. Ebenso liegen keinerlei schriftliche Unterlagen vor, welche auf eine Willensbetätigung des Klägers hinsichtlich einer Abtretung schließen lassen. Im Gegenteil ist in dem Vertrag über die Gründung der KG die Umwandlung von Genussrechten in Kommanditkapital gerade nicht erwähnt. Es ist daher davon auszugehen, dass die von dem Beklagten zu 2) behauptete Einbringung der Forderungen des Klägers gegenüber der ____ OHG als Sacheinlage in die A____ _____ KG zwar möglicherweise zwischen den Beklagten und/oder dem Beklagten zu 1) und dem Zeugen M____ erwogen worden ist. Es steht aber nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass auch der Kläger in diese Überlegungen einbezogen wurde und auf dieser Grundlage eine entsprechende Willenserklärung abgegeben hat.

 

Auch das von dem Zeugen erwähnte und in seiner Existenz auch vom Kläger bestätigte Telefongespräch vom 22.06.2020 vermag das Gericht nicht davon zu überzeugen, dass der Kläger in diesem Rahmen erklärt hätte, (nachträglich) mit der Abtretung seiner Ansprüche an die A____ _____ KG und der entsprechenden Verbuchung einverstanden zu sein. Die diesbezügliche Schilderung des Zeugen war vage und auch seiner Erinnerung nach in erster Linie darauf beschränkt, dass er dem Kläger die vermeintlichen steuerrechtlichen Vorteile der gewählten Konstruktion erklärt habe. Es steht aber nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger in diesem Zusammenhang eine auf die Abtretung seiner Ansprüche gerichtete Willenserklärung abgegeben hat und oder die bereits zuvor erfolgte Abtretung und entsprechende Verbuchung nachträglich genehmigt hat. Es bedarf insofern auch keiner abschließenden Entscheidung, welche Vorstellung der Kläger konkret bei Unterzeichnung des Vertrags über die Gründung der A____ _____ KG hinsichtlich der Leistung des dort von ihm zu erbringenden Kommanditkapitals hatte.

 

e)   Die Ansprüche sind auch nicht verjährt.

 

Gemäß § 151 HGB verjähren Ansprüche gegen einen Gesellschafter aus Verbindlichkeiten der Gesellschaft in fünf Jahren, sofern nicht der Anspruch gegen die Gesellschaft einer kürzeren Verjährung unterliegt. Dabei beginnt die Verjährung abweichend von § 199 Abs. 1 BGB, sobald der Gläubiger von dem Erlöschen der Firma Kenntnis erlangt hat oder das Erlöschen der Firma im Handelsregister eingetragen worden ist. Voraussetzung ist also jedenfalls das Erlöschen der Firma, was hier am 15.11.2018 erfolgt ist. Ausgehend hiervon waren die streitgegenständlichen Ansprüche im Zeitpunkt der Klageerhebung am 17.06.2022 noch nicht verjährt.

 

Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht daraus, dass die Ansprüche des Klägers aus den Genussrechtsverträgen einer kürzeren Verjährung unterliegt. Nach Ziffer 12.1 der Genussrechtsverträge hat die Firma bei Vertragsbeendigung an den Investor das von ihm erbrachte Genussrechtskapital abzüglich etwaiger aufgelaufener Verlustvorträge zu zahlen sowie sämtliche noch offenen Vergütungsansprüche für das Genussrechtskapital. Die Kündigung der Genussrechtsverträge ist mit außergerichtlichem Schreiben vom 18.10.2021 erfolgt, so dass auch ausgehend hiervon im Zeitpunkt der Klageerhebung die streitgegenständlichen Ansprüche noch nicht verjährt waren, ohne dass es insoweit streitentscheidend auf die Frage des von den Beklagten erklärten Verjährungsverzichts oder auf die Frage ankommt, ob die Verjährung in der Folge des außergerichtlichen Schreibens vom 18.10.2021 in Folge von Verhandlungen gemäß § 203 BGB gehemmt war.

 

f)   Die Beklagten können dem Kläger auch nicht den Einwand der Verwirkung entgegenhalten. Unabhängig von der Frage eines Zeitmoments liegen jedenfalls keine besonderen Umstände vor, die die nunmehrige Geltendmachung der streitgegenständlichen Ansprüche durch den Kläger als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen.

 

g)    Der Zinsanspruch folgt nach der Mahnung des Klägers vom 18.10.2021 aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

 

2.  Hinsichtlich eines Teilbetrages von 1.332,13 EUR ist die Klage unbegründet.

 

Dem Kläger steht kein Zahlungsanspruch gegen die Beklagten hinsichtlich des Kontos 3 (Stille Gesellschaft) zu. Zwar ist in Bezug auf dieses Konto in dem zum 31.12.2016 erstellten Jahresabschluss der entsprechende Betrag angegeben. Aus der Gewinnverteilung 2016 der ____ OHG (Anl. B2, B8) ergibt sich jedoch, dass bezüglich der ursprünglich von dem Kläger i.H.v. 10.000,00 EUR geleisteten stillen Einlage zwar einerseits ein Gewinnanteil von 3.500,00 EUR, andererseits aber auch gemäß § 6 der Vereinbarung vom 05./10.03.2006 (Anl. K2) eine Beteiligung am Verlust, maximal bis zur Höhe der Einlage, hier i.H.v. 15.271,11 EUR zu berücksichtigen ist. Da der Verlustanteil die ursprünglichen 10.000,00 EUR auch zuzüglich des Gewinnanteils von weiteren 3.500,00 EUR übersteigt, steht dem Kläger im Ergebnis aus seiner stillen Einlage kein Zahlungsanspruch gegen die Beklagten zu.

 

3.  Eine Entscheidung über den vom Kläger hilfsweise für den Fall der Erfolglosigkeit des Hauptantrags gestellten Hilfsantrag war nicht angezeigt, da dem Kläger auf seinen Hauptantrag ein Betrag zugesprochen wurde, der den Hilfsantrag übersteigt. Die innerprozessuale Bedingung für eine Entscheidung über den Hilfsantrag ist damit nicht eingetreten.

 

4.   Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das Unterliegen des Klägers hinsichtlich eines Teilbetrags von 1.332,13 EUR war verhältnismäßig geringfügig und hat keine höheren Kosten veranlasst.

 

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 ZPO.

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published on 30/11/2024 14:25

Landgericht Berlin Urteil vom 15. April 2024 Az.: 27 O 256/22         In dem Rechtsstreit   A, ______straße ___, _____ Rostock - Kläger -   Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Kilger & F&uum
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Landgericht Berlin Urteil vom 15. April 2024 Az.: 27 O 256/22         In dem Rechtsstreit   A, ______straße ___, _____ Rostock - Kläger -   Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Kilger & F&uum
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