Landgericht Amberg Beschluss, 09. Feb. 2015 - 11 Qs 5/15

published on 09/02/2015 00:00
Landgericht Amberg Beschluss, 09. Feb. 2015 - 11 Qs 5/15
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Previous court decisions
Amtsgericht Amberg, 6 Gs 1585/14, 17/12/2014
Landgericht Amberg, 11 Qs 55/14, 18/09/2014
Subsequent court decisions
Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 433/15, 30/06/2015

Gericht

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Tenor

1. Die Gegenvorstellung des Beschuldigten … gegen den Beschluss des Landgerichts Amberg vom 18.09.2014 - 11 Qs 55/14 - wird zurückgewiesen

2. Die Beschwerde des Beschuldigten … gegen den Beschluss des Amtsgerichts Amberg vom 17.12.2014 - 6 Gs 1585/14 - wird kostenfällig als unbegründet verworfen.

Gründe

I.

Gegen den Beschwerdeführer ist bei der Staatsanwaltschaft Amberg ein Verfahren u.a. wegen Beleidigung und wegen Verstoßes gegen das KunstUrhG anhängig. Insoweit erließ das Amtsgericht Amberg gegen den Beschwerdeführer am 18.08.2014 einen Durchsuchungsbeschluss. Hiergegen legte der Verteidiger des Beschwerdeführers mit Fax vom 26.08.2014 (datiert auf 24.08.2014) Beschwerde ein und begründete diese. Mit Beschluss der Kammer vom 18.09.2014 wurde die Beschwerde verworfen. Dass der Beschuldigte diesen Beschluss erhalten hat, zeigt sich aus dem Inhalt des Telefonats, welches er am 23.10.2014 mit Staatsanwalt S… führte. Am 06.11.2014 wurde der Beschluss auch dem Verteidiger zur Kenntnisnahme übersandt. Akteneinsicht wurde ausweislich des Akteninhalts bis zur Beschwerdeentscheidung nicht beantragt. Der Antrag des Beschuldigten auf Nachholung rechtlichen Gehörs wurde zurückgewiesen, da das rechtliche Gehör nicht verletzt wurde. Erst am 13.11.2014 ging ein Akteneinsichtsgesuch, datiert auf 24.08.2014 bei der Staatsanwaltschaft Amberg ein. Mit E-Mail vom 12.01.2015 ergänzte der Beschwerdeführer seine Beschwerde vom 24.08.2014 bzgl. des Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts Amberg vom 18.08.2014.

Am 12.12.2014 wurde bekannt, dass der Beschwerdeführer auf seinen blogs wiederholt und an mehreren Stellen wesentliche Teile der Ermittlungsakte in den gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren veröffentlicht. Wegen des Verdachts einer Straftat nach § 353 d Nr. 3 StGB erließ das Amtsgericht Amberg am 12.12.2014 einen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss, auf den wegen seines Inhalts verwiesen wird. Hiergegen richtet sich die am 12.01.2015 eingelegte Beschwerde des Beschuldigten, die umfangreich begründet wurde. Auf die Ausführungen wird insoweit Bezug genommen.

Das Amtsgericht half der Beschwerde nicht ab. Die Staatsanwaltschaft Amberg beantragte die Verwerfung der Beschwerde.

II.

1. Da über die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Amberg vom 18.08.2014 bereits am 18.09.2014 entschieden wurde, ist die Ergänzung der Beschwerde als Gegenvorstellung auszulegen und zu behandeln.

Die Gegenvorstellung bleibt erfolglos, weil sie unzulässig ist. Das Beschwerdegericht ist an seine formell rechtskräftige Entscheidung gebunden und nicht befugt, die Entscheidung zu überprüfen, aufzuheben oder zu ändern (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 22.03.2001, NStZ-RR 2002, 45). Die Voraussetzungen, unter denen die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausnahmsweise zulässig sein soll (vgl. BVerfGE 63, 77), liegen hier nicht vor. Eine Verletzung eines Verfahrensgrundrechts liegt nicht vor. Insbesondere hatte der Beschwerdeführer ausreichend Gelegenheit, zum Durchsuchungsbeschluss Stellung zu nehmen. Diese Gelegenheit hat er über seinen Verteidiger auch wahrgenommen.

2. Der zulässigen Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Amberg vom 17.12.2014 bleibt der Erfolg versagt.

Die Voraussetzungen für eine Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung nach §§ 102, 94, 98, 111 b Abs. 1, 111 c StPO lagen vor.

a) Der Beschuldigte ist der verbotenen Mitteilung über Gerichtsverhandlungen gemäß § 353 d Nr. 3 StGB verdächtig. Die Anordnung der Durchsuchung und der Beschlagnahme nach den §§ 94, 98, 111 b Abs. 1, 111 c StPO setzt lediglich einen einfachen Tatverdacht voraus. Dieser war aufgrund der Gesamtumstände gegeben.

Bei den Strafverfolgungsbehörden ist bekannt, dass der Beschwerdeführer die Internetseiten http: …hopkins-blog.blogspot.de und http: …schweinestaat.wordpress.com betreibt. Auf diesen Internetseiten fanden sich Auszüge aus den Ermittlungsakten. Dabei ist die Länge der veröffentlichten Texte für die Beurteilung des Kriteriums „in wesentlichen Teilen“ irrelevant. Wesentliche Teile eines amtlichen Schriftstücks sind vielmehr dann veröffentlicht, wenn gerade Partien, die - sei es auch nur mittelbar - für den Verfahrensgegenstand oder seine verfahrensmäßige Behandlung von Bedeutung sind oder sein können, insoweit wiedergegeben werden, dass sie Anlass und Grundlage einer öffentlichen Diskussion über die sachliche Berechtigung getroffener Entscheidungen oder Maßnahmen, den möglichen Ausgang des Verfahrens, den Beweiswert von Zeugenaussagen usw. bilden können (Schönke/Schröder, StGB, 29. Auflage, § 353 d Rn. 47). Dies ist hier der Fall. Es wurden Aktenauszüge veröffentlicht und dann über die sachliche Berechtigung der Durchsuchungsmaßnahme und über die Strafbarkeit diskutiert.

Da eine Gerichtsverhandlung noch nicht stattgefunden hat und das Ermittlungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, sind auch die weiteren Voraussetzungen des § 353 d Nr. 3 StGB erfüllt.

Die Vorschrift des § 353 d Nr. 3 StGB ist auch mit dem Grundgesetz, insbesondere mit Artikel 5 GG vereinbar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.12.1985 - 1 BvL 15/84, BVerfG, Beschluss vom 27.06.2014 - 2 BvR 429/12). § 353 d Nr. 3 StGB schützt die Unbefangenheit von Verfahrensbeteiligten, namentlich von Laienrichtern und Zeugen. Gerade letzteren sind die Internetseiten des Beschwerdeführers bekannt, wie dieser selbst vorträgt. In einem solchen Fall muss die Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers zurücktreten.

Der Tatvorwurf als solches wurde auch hinreichend konkret bezeichnet. Es handelt sich nicht um ein Sonderdelikt. Die Tat kann von jedermann begangen werden.

b) Die Beweismittel, nach denen gesucht werden sollte, waren aus dem Durchsuchungsbeschluss entnehmbar. Es bestand die berechtigte Erwartung, dass eine Durchsuchung beim Beschuldigten zum Auffinden von Ablichtungen aus den Ermittlungsakten, Computern, Laptop, Speichermedien samt Dateien bzgl. der Ermittlungsakten führen wird. Angesichts des Tathergangs, der Erstellung der Blogs, kamen derartige Gegenstände als Beweismittel in Betracht. Angesichts des Umstandes, dass der Beschuldigte die Tat von sich weist - insofern ist auf den Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der Entscheidung des Amtsgerichts Amberg abzustellen -, sind weitere Ermittlungen und insbesondere eine Sicherstellung und Auswertung der PCs und Speichermedien erforderlich. Im Übrigen kommen PC, Laptop und Speichermedien vorliegend als Tatmittel und mithin als Einziehungsgegenstand nach § 74 StGB in Betracht. Insofern wurde die Beschlagnahme auch nach § 111 b StPO ausdrücklich angeordnet. Sämtliche aufgeführten Gegenstände sind Einziehungsgegenstände, insbesondere auch Laptops und Computer. Denn das Veröffentlichen im Internet war nur mit Hilfe dieser technischen Mittel möglich. Die Entscheidung des OLG Düsseldorf 31.08.1992 ist damit nicht einschlägig. Die dem Beschwerdeführer angelastete Straftat war durch den gegebenen Internetbezug vom Einsatz eines Computers, Laptops und Speichermediums abhängig.

c) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt. Die angeordnete Maßnahme stand im angemessenen Verhältnis zur Schwere der Tat und zur Stärke des Tatverdachts und war notwendig. Es handelt sich nicht um eine Bagatelltat. Das Gesetz droht für die Tat eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 1 Jahr an. Der Beschuldigte ist auch erheblich vorbestraft. Die Durchsuchungsmaßnahme stützte sich nicht auf bloße Vermutungen, sondern es lagen ausreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat vor.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 S. 1 StPO.

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(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc
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(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc
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published on 30/06/2015 00:00

Tenor Der Beschluss des Landgerichts Amberg vom 9. Februar 2015 - 11 Qs 5/15 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes. Er wird aufgehoben, und
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Annotations

(1) Gegenstände, die durch eine vorsätzliche Tat hervorgebracht (Tatprodukte) oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind (Tatmittel), können eingezogen werden.

(2) Gegenstände, auf die sich eine Straftat bezieht (Tatobjekte), unterliegen der Einziehung nach der Maßgabe besonderer Vorschriften.

(3) Die Einziehung ist nur zulässig, wenn die Gegenstände zur Zeit der Entscheidung dem Täter oder Teilnehmer gehören oder zustehen. Das gilt auch für die Einziehung, die durch eine besondere Vorschrift über Absatz 1 hinaus vorgeschrieben oder zugelassen ist.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.