Landesarbeitsgericht Köln Beschluss, 14. Juli 2016 - 4 Ta 145/16
Gericht
Tenor
Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Streitwertbeschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 14.04.2016 wird zurückgewiesen.
1
G r ü n d e
2Das Arbeitsgericht hat den Mehrwert für die Ausgleichsklausel (Nr. 4 des am 11.01.2016 geschlossenen Vergleichs) zu Recht nicht höher als mit 5.000,-- EUR festgesetzt.
3I. Zum Mehrwert eines Vergleichs gilt grundsätzlich Folgendes:
41. Der Wert eines Vergleichs ergibt sich aus dem Wert der rechtshängigen und nichtrechtshängigen Ansprüche, die erledigt werden und nicht aus dem Wert dessen, was die Parteien aus dem Vergleich erlangen oder welche Leistungen sie zum Zwecke der Erledigung der Streitpunkte übernehmen (vgl. hierzu Zöller/Herget § 3 ZPO Rn. 16 „Vergleich“). Daraus folgt z. B., dass – auch außerhalb des Arbeitsverhältnisses – ein vereinbarter Kapitalbetrag in einem sogenannten Abfindungsvergleich nicht für den Wert eines Vergleichs maßgeblich ist (Zöller/Herget a. a. O.). Der Streitwert eines Vergleichs ist – anders ausgedrückt – gleichbedeutend mit dem Wert der Streitgegenstände, die durch den Vergleich beigelegt werden. Er ist nicht gleichbedeutend mit dem Wert der Leistungen, die sich die Parteien in dem Vergleich im Wege des gegenseitigen Nachgebens gegenseitig versprechen (Wenzel Anm. zu LAG Köln vom 27.07.1995 – AR Blattei ES 160.113 Nr. 199).
5Wie schon der Begriff „Streitgegenstand“ nahe legt, muss es sich bei den wertbestimmenden Gegenständen um „streitige“ Gegenstände handeln (vgl. auch BGH 14.09.2005 – IV ZR 145/04). Es muss sich – was den Mehrwert anbelangt – um die Ausdehnung des Vergleichs auf bereits „rechtshängige“ oder „nichtrechtshängige Streitgegenstände“ bzw. „Miterledigung anderer Streitpunkte“ (BGH a. a. O.) handeln.
62. In einem Prozessvergleich kann aber über die Erledigung streitgegenständlicher und nichtstreitgegenständlicher Ansprüche hinaus die Ungewissheit über künftige Ansprüche, insbesondere Schadensersatzansprüche beseitigt werden. Dieses Letztere kann zu einem Mehrwert führen. Dabei ist indes der sozialpolitische Zweck des § 42 Abs. 4 S. 1 GKG zu beachten (vgl. auch LAG Hamm 27.07.2007 – 6 Ta 357/07 – juris unter Rn. 30).
7Eine Ausgleichsklausel kann in diesem Zusammenhang nur den Verfahrensgegenstand betreffen. Sie kann aber auch darüber hinaus Gewissheit über das Bestehen und Nichtbestehen von Ansprüchen begründen. Kommt der Ausgleichsklausel nur ein klarstellender Charakter zu, rechtfertigt dies regelmäßig nicht die Annahme eines Vergleichsmehrwerts (LAG Hamm a. a. O. Rn. 33).
8Im Übrigen ist darauf abzustellen, mit welcher Wahrscheinlichkeit noch künftige Forderungen auftreten werden. Die Gefahr einer Verwirklichung der künftigen Forderung bzw. die Gefahr der ernstlichen und erfolgreichen Inanspruchnahme kann im Einzelfall aber so unwahrscheinlich sein, dass der Ausgleichsklausel jede selbstständige wirtschaftliche Bedeutung fehlt und nur der Ansatz eines „Erinnerungswertes“ gerechtfertigt ist (LAG Hamm a. a. O., Rn. 34 m. w. N.).
9II. Im vorliegenden Fall hatte die Beklagte mit Schriftsatz vom 10.03.2016 auf einen im Dezember 2015 eingetretenen Wasserschaden hingewiesen und diesem Schriftsatz ihr Schreiben vom 09.12.2015 an den Kläger beigelegt. Darin waren konkrete Schäden benannt. Zusammenfassen hieß es:
10„Geschätzter Sachschaden an Material und Personal ca. 5.000,00 EUR.“
11Im Weiteren hieß es, das man einen Zahlungsvorschlag erwarte, wie der Kläger gedenke, den Schaden zu ersetzen. „Rein informativ“ wurde dem Kläger mitgeteilt, „dass wir den Pfändbaren Anteil ihres Lohnes von November in Höhe von 240,00 EUR bereits einbehalten werden“. Weiter hieß es:
12„Sollten Sie eine private Haftpflichtversicherung haben, stellen wir Ihnen anheim, den Schaden dort zu melden. Ersetzt ihre Versicherung den Schaden, werden wir Ihnen den Einbehalt nachträglich erstatten.“
13Hier hatte die Beklagte also bereits für einen konkreten Schaden Schadensersatz in Höhe von 5.000,00 EUR gefordert. Es ist daher nach den vorstehenden Grundsätzen richtig, der Ausgleichsklausel den Wert dieses geltend gemachten Schadens beizumessen.
14Weiter hieß es dann in dem Schriftsatz vom 10.03.2016:
15„Bereits vor diesem Schaden musste die Beklagte zu 1) verschieden vom Kläger verursachte Mängel gegenüber Kunden finanziell ausgleichen.
16Insgesamt sind der Beklagten zu 1) Schadensersatzansprüche zwischen 20.000,00 EUR und 25.000,00 EUR entstanden.“
17Hier fehlt es an jeder Konkretisierung der Schäden. Hinsichtlich der zeitlichen Dimension wird nur pauschal auf die Vergangenheit verwiesen. Aus dem Schriftsatz ergibt sich, dass die Beklagte diese angeblichen Schäden in der Vergangenheit nicht erstattet verlangt hat. Auch mit Schriftsatz vom 10.03.2016 wurden die Schäden nicht in dem Sinne gegenüber dem Kläger geltend gemacht, dass die Beklagte Ersatz forderte. Vielmehr handelte es sich insoweit erkennbar um „Säbelrasseln“, wie es der Prozessbevollmächtigte der Beklagten im Schriftsatz vom 15.06.2016 bezeichnet hat.
18Dahinstehen kann dabei, dass nichts dafür zu erkennen ist, dass diese Ansprüche jemals zuvor schriftlich geltend gemacht wurden und auch im Übrigen die Ausschlussfristen des § 54 des Rahmen-Tarifvertrags für gewerbliche Arbeitnehmer des Dachdeckerhandwerks, der allgemein verbindlich ist, eingehalten worden wären. Schließlich hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten im Schriftsatz vom 15.06.2016 darauf hingewiesen, dass er ausdrücklich im Kammertermin verneint habe, dass die Beklagte sich noch auf Schadensersatzansprüche zwischen 20.000,00 und 25.000,00 EUR berufe.
19Insgesamt war damit die Gefahr einer ernstlichen und erfolgreichen Inanspruchnahme des Klägers zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs so unwahrscheinlich, dass der Ausgleichsklausel über die genannten 5.000,00 EUR hinaus eine selbstständige wirtschaftliche Bedeutung fehlt.
20Mithin begründet sie nach den oben dargestellten Grundsätzen keinen Mehrwert.
21Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
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Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.
(1) Bei Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen aus einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis, einer Dienstpflicht oder einer Tätigkeit, die anstelle einer gesetzlichen Dienstpflicht geleistet werden kann, bei Ansprüchen von Arbeitnehmern auf wiederkehrende Leistungen sowie in Verfahren vor Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen dem Grunde oder der Höhe nach geltend gemacht oder abgewehrt werden, ist der dreifache Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistungen maßgebend, wenn nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist. Ist im Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit die Höhe des Jahresbetrags nicht nach dem Antrag des Klägers bestimmt oder nach diesem Antrag mit vertretbarem Aufwand bestimmbar, ist der Streitwert nach § 52 Absatz 1 und 2 zu bestimmen.
(2) Für die Wertberechnung bei Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist höchstens der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Arbeitsentgelts maßgebend; eine Abfindung wird nicht hinzugerechnet. Bei Rechtsstreitigkeiten über Eingruppierungen ist der Wert des dreijährigen Unterschiedsbetrags zur begehrten Vergütung maßgebend, sofern nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist.
(3) Die bei Einreichung der Klage fälligen Beträge werden dem Streitwert hinzugerechnet; dies gilt nicht in Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen. Der Einreichung der Klage steht die Einreichung eines Antrags auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe gleich, wenn die Klage alsbald nach Mitteilung der Entscheidung über den Antrag oder über eine alsbald eingelegte Beschwerde eingereicht wird.