Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 09. Okt. 2014 - 6 K 2249/12
Gericht
Tenor
I. Der Bescheid über die Ablehnung der Änderung der Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2005 bis 2008 vom 12. April 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. August 2012 wird aufgehoben.
Der Beklagte wird verpflichtet, die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2005 bis 2008 dahingehend zu ändern, dass die steuerpflichtigen Umsätze 0 Euro betragen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
- 1
Streitig ist, ob die Umsätze aus dem Betrieb einer Kampfsportschule von der Umsatzsteuer befreit sind.
- 2
Der Kläger betreibt in G die Kampfsportschule "B". In den Streitjahren bot der Kläger folgende Lehrgangsinhalte/Kurse an (Bl. 68 d. PrA.):
- 3
- Karate
- Kickboxen
- Brazilian Jiu Jitsu
- Selbstverteidigung
- Leitfaden für angehende Kampfsporttrainer
- berufsvorbereitende Kurse für Fitness Fachleute und Sicherheitskräfte.
- 4
Bei der Kampfsportschule handelt es sich daneben um einen staatlich anerkannten Ausbildungsbetrieb (IHK) für Sport und Fitness Kaufmann/Kauffrau und Sport und Fitness Fachmann/Fachfrau. Hinsichtlich der einzelnen Lehrinhalte wird auf den Lehrplan der Kampfsportschule verwiesen (Bl. 68 ff. d. PrA.).
- 5
Im Rahmen der Kurse werden auch nicht alkoholische Getränke und die zwingend benötigte Kleidung zum Selbstkostenpreis während der Kursdauer angeboten bzw. verkauft (Bl. 20 d. PrA.).
- 6
Der Kläger erklärte in seinen Steuererklärungen die Umsätze zunächst zum allgemeinen Umsatzsteuersatz. Der Beklagte verarbeitete die Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre 2005 bis 2008 ohne Abweichung. Die Steuerfestsetzung erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
- 7
Am 27. Oktober 2010 erteilte die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Rheinland-Pfalz eine Bescheinigung, ausweislich der die vom Kläger durchgeführten und noch durchzuführenden Aus-, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen
- zum/zur Sport- und Fitnesskaufmann/-frau
- zum/zur Sport- und Fitnessfachmann/-frau
- in Selbstverteidigung und Gewaltprävention für Sicherheitsberufe
ordnungsgemäß auf einen Beruf vorbereiten und Leistungen im Sinne von § 4 Nr. 21 a, bb UStG darstellen (Bl. 26 d. PrA.). Die Bescheinigung wurde für den Zeitraum 1.1.2005 bis 31. Dezember 2010 erstellt.
- 8
Unter Vorlage der Bescheinigung der ADD beantragte der Kläger mit Schreiben vom 12. Februar 2010, die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2005 bis 2008 zu ändern (Bl. 1 d. USt-Akte, "Änderungsantrag"). Die berichtigten Jahresabschlüsse und die korrigierten Umsatzsteuererklärungen fügte er bei. In den berichtigten Umsatzsteuererklärungen erklärte er jeweils Umsätze zum allgemeinen Steuersatz und Vorsteuern in Höhe von 0 Euro.
- 9
Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 12. April 2010 den Antrag auf Änderung der Umsatzsteuerbescheide 2005 bis 2008 ab (Bl. 82 d. Umsatzsteuerakte, "Änderungsantrag"). Die Bescheinigung der ADD beschränke sich auf die dort genannten berufsvorbereitenden Maßnahmen. Der Kläger erziele jedoch überwiegend Umsätze, die nicht auf einen der dort genannten Berufe vorbereiteten, sondern vielmehr der Freizeitgestaltung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen gleichermaßen dienten. Die Erlöse aus Lehrtätigkeit seien bereits als umsatzsteuerfreie Erlöse ausgewiesen. Es sei davon auszugehen, dass es sich hierbei um jene Umsätze handele, die von der ADD als steuerfrei bescheinigt worden seien.
- 10
Gegen den Ablehnungsbescheid legte der Kläger Einspruch ein (Bl. 84 d. Umsatzsteuerakte, "Änderungsantrag"). Zur Begründung führte er aus, er biete nur Kurse mit mindestens zehn Lehrveranstaltungen an, die jeweils mit einem ordentlichen Abschluss endeten (Bl. 88 d. Umsatzsteuerakte, "Änderungsantrag"). Die Kurse seine keine Freizeitbeschäftigung bzw. Kinderbetreuung.
- 11
Am 1. März 2011 ergänzte die ADD ihre Bescheinigung dahingehend, dass neben den bereits mit Bescheinigung vom 27. Oktober 2010 genannten Aus-, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen auch die zu Selbstverteidigung und Gewaltprävention für Kinder und Jugendliche ordnungsgemäß auf einen Beruf vorbereiten und Leistungen im Sinne von § 4 Nr. 21 a, bb UStG darstellen (Bl. 128 d. Umsatzsteuerakte, "Änderungsantrag").
- 12
Mit Einspruchsentscheidung vom 8. August 2012 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück (Bl. 179 d. Umsatzsteuerakte, "Änderungsantrag"). Eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 a, aa UStG scheide aus, da es sich mangels Bescheinigung der Schulaufsichtsbehörde im Streitfall nicht um eine Ersatzschule i.S.d. der Vorschrift handele. Ebenso scheide eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 a bb UStG aus. Zwar liege eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde vor, allerdings entbinde eine solche Bescheinigung die Finanzbehörde lediglich zu prüfen, ob die Leistungen des Unternehmers auf einen Beruf vorbereiten. Die Frage, ob eine allgemein- oder berufsbildende Schule oder Einrichtung vorliege, sei nicht Gegenstand der Bescheinigung und von den Finanzbehörden in eigener Zuständigkeit zu prüfen. Soweit der Kläger in seiner Schule in den Berufen zum Sportkaufmann bzw. Sportfachmann ausbilde, trete er hier als Arbeitgeber auf. Hinsichtlich der restlichen von ihm erbrachten Leistungen stelle die Kampfsportschule keine berufsbildende Einrichtung dar. Hierzu sei erforderlich, dass die angebotenen Lehrinhalte Teil einer gesetzlich geregelten Berufsausbildung oder Berufsfortbildung seien. Letzteres sei vorliegend nicht der Fall, da die vermittelten Kampfkunsttechnikern nicht zur Ausübung eines bestimmten Berufs notwendig seien. Der Umstand, dass einige Mitglieder der Kampfsportschule eine Ausbildung zum Kampfsporttrainer anstrebten, sei für die Qualifikation der Schule als berufsbildende Einrichtung unerheblich (Bl. 183 d. Umsatzsteuerakte,"Änderungsantrag"). Ebenso sei unerheblich, dass andere Berufsgruppen wie Polizisten und Sportlehrer an den Unterrichtseinheiten der Kampfsportschule teilnähmen. Die vermittelten Kampfkunsttechniken seien keine unbedingte Voraussetzung für die genannte Berufe. Der Umstand, dass sich die erworbenen Kampfkünste positiv auf die Berufsausübung auswirkten, sei für die Anerkennung als berufsbildende Einrichtung nicht ausreichend. Soweit Selbstverteidigung und Gewaltprävention für Sicherheitsberufe und Kinder und Jugendliche angeboten werde, diene dies der bloßen Freizeitgestaltung. Soweit der Kläger als selbständiger Lehrer an öffentlichen gemeinbildenden Schulen Leistungen erbringe, seien diese Leistungen von der Bescheinigung der ADD umfasst und steuerfrei (Bl. 184 d. Umsatzsteuerakte, "Änderungsantrag").
- 13
Mit seiner am 7. September 2012 beim Finanzgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die Umsatzsteuerpflicht seiner Umsätze. Die Bescheinigungen der ADD vom 27. Januar 2010 und 1. März 2011 seien Grundlagenbescheide zur Beurteilung der Steuerbefreiung von Leistungen im Sinne des § 4 Nr. 21 a bb UStG. Der Kläger unterrichte in straff organisierten Unterrichtseinheiten verschiedene Arten von Konzentrationsübungen und Körperbeherrschung. Jede Lehrveranstaltung ende mit einem Abschluss, der Voraussetzung für die nächste Stufe sei. Die einzelnen Stufen stellten zugleich den Lehrplan dar und seien wie folgt:
- 14
- Prüfungsprogramm 5.KYO
- Prüfungsprogramm 4.KYO
- Prüfungsprogramm 3.KYO
- Prüfungsprogramm 2.KYO
- Prüfungsprogramm 1.DAN
- Prüfungsprogramm 2. DAN
- Prüfungsprogramm 3. DAN
- Prüfungsprogramm 4. DAN.
- 15
Die einzelnen Kurse, z.B. zwischen 5. KYO und 4. KYO dauerten ca. 9 Monate und seinen abhängig von der persönlichen Leistungsfähigkeit des einzelnen Lehrgangsteilnehmers und dem Prüfungserfolg (Bl. 113 d. PrA.). Der einfache Polizist werde beispielsweise bis 1.KYO ausgebildet, während das Mitglied eines Sondereinsatzkommandos in der Regel bis 4. DAN ausgebildet werde (Bl. 113 d. PrA.). Aus den Abschlüssen ergäben sich einige weiterführende Berufsbilder, wie z.B. bei der Polizei, des SEK, des Fitnessberaters und anderen Berufsbildern, bei denen Konzentration und Körperbeherrschung Voraussetzung seien. Personenzielgruppen seien Studenten im Bereich Sport- und Fitnessmanagement (Duales Studium), Sport- und Fitnesskaufleute, Sicherheitskräfte, selbständige Unternehmer im Bereich Kampfsportschule, Vollstreckungsbehörden (JVA), Übungsleiter in Sportvereinen und Polizeibehörden (Bl. 113 d. PrA.).
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Unerheblich sei, inwieweit jeder einzelne Schüler die erworbenen Qualifikationen in der Folge für seine berufliche Tätigkeit nutze. Entscheidend sei die Möglichkeit, die einzelnen Berufsbilder auszuüben. Die Umsätze mit Bekleidung und Getränken unterlägen nach § 19 Abs.1 UStG nicht der Besteuerung, da sie in den Gesamtumsatz einzuberechnen seien und nicht mehr als 17.500 Euro betrügen.
- 17
Der Kläger führe auch Kurse zur Selbstverteidigung und Gewaltprävention in Schulen durch (Bl. 113 d. PrA.). Diese auswärtigen Lehrveranstaltungen entsprächen den Lehrinhalten in der Kampfsportschule.
- 18
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides über die Ablehnung der Änderung der Umsatzsteuer 2005 bis 2008 vom 12. April 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. August 2012 den Beklagten zu verpflichten, die Umsätze des Klägers für die Jahre 2005 bis 2008 von der Umsatzsteuer zu befreien,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
- 19
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
- 20
Der Beklagte verweist klageerwidernd auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung (Bl. 44 d. PrA.). Im Streitfall spreche das breit gefächerte Kursangebot des Klägers für Leistungen, die im Freizeitbereich angeboten würden (Bl. 84 d. PrA.). Die vorgetragenen Kurse der TU Berlin seien nicht heranzuziehen, da sie gegen Entgelt als Ausgleich zum Studium angeboten würden.
Entscheidungsgründe
- 21
Die Klage ist begründet. Der Bescheid über die Ablehnung der Änderung der Umsatzsteuerbescheide 2005 bis 2008 ist rechtswidrig. Zutreffend geht der Kläger davon aus, dass die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Umsatzsteuerbescheide dahingehend zu ändern sind, dass die bisher als steuerpflichtigen Umsätze aus der Kampfsportschule 0 Euro betragen.
- 22
Die Umsätze aus der Kampfsportschule sind umsatzsteuerfrei, soweit die erbrachten Leistungen der Kampfsportschule als anerkannter Einrichtung im Sinne des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe i. der Richtlinie 77/388/EWG bzw. Art. 132 Abs. 1 Buchstabe i MwStSystRL nicht lediglich den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben und vergleichbare Leistungen an Schulen und Hochschulen erbracht werden. Die übrigen Umsätze aus dem Verkauf von Sportartikeln und Getränken sind in den Streitjahren so gering, dass sie nach § 19 Abs. 1 UStG insgesamt außer Betracht bleiben.
I.
- 23
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhof kann sich der Steuerpflichtige grundsätzlich unmittelbar auf die Umsatzsteuerfreiheit der streitigen Leistungen nach Art. 13 A Abs. 1 Buchstabe i der Richtlinie 77/388/EWG bzw. Art. 132 Abs. 1 Buchstabe i MwStSystRL berufen, ohne dass es einer Entscheidung bedarf, ob die Steuerfreiheit aus § 4 Nr. 21a Doppelbuchstabe bb UStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung folgt und inwieweit eine richtlinienkonforme Auslegung dieser Vorschrift möglich ist (BFH Urteil vom 28. Mai 2013, XI R 35/11, BStBl. II 2013, 879).
- 24
1. Der Kläger erfüllt die persönlichen Voraussetzungen des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe i der Richtlinie 77/388/EWG, weil es sich bei ihm um eine "andere Einrichtung mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung" handelt.
- 25
Der Kläger hat eine Bescheinigung der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion vorgelegt, die bestätigt, dass die vom Kläger durchgeführten und noch durchzuführenden Aus-, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen
- zum Sport- und Fitnesskaufmann/-frau,
- zum Sport- und Fitnessfachmann/-frau,
- in Selbstverteidigung und Gewaltprävention für Sicherheitsberufe und
- in Selbstverteidigung und Gewaltprävention für Kinder und Jugendliche
ordnungsgemäß auf einen Beruf vorbereiten und Leistungen im Sinne von § 4 Nr. 21a Doppelbuchstabe bb Umsatzsteuergesetz darstellen. Die Bescheinigung gilt für den Zeitraum vom 1.1.2005 bis 31.12.2012 und umfasst damit die Streitjahre 2005 bis 2008.
- 26
Eine derartige Bescheinigung genügt nach der Rechtsprechung für die Anerkennung als Einrichtung mit vergleichbarer Zielsetzung im Sinne des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe i der Richtlinie 77/388/EWG (BFH Urteil vom 28. Mai 2013, XI R 35/11, BStBl. II 2013, 879). Wegen der Sachnähe ist die Entscheidung der jeweiligen Fachbehörde vorbehalten. Die Bescheinigung der ADD ist als Grundlagenbescheid sowohl für das Finanzamt als auch die Finanzgerichte dahingehend bindend, dass es sich bei der anerkannten Einrichtung um eine solche mit vergleichbarer Zielsetzung handelt (BFH Urteil vom 20. August 2009, V R 25/08, BStBl. II 2010, 15).
- 27
2. Die angebotenen Kurse fallen auch sachlich unter die Befreiungsvorschrift des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe i der Richtlinie 77/388/EWG bzw. Art. 132 Abs. 1 Buchstabe i MwStSystRL.
- 28
Für die streitigen Leistungen kommt in Betracht, dass die Kampfsportschule mit ihrem Kursprogramm als Schule im Sinn von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe i der Richtlinie 77/388/EWG eingeordnet wird bzw. die angebotenen Kurse der Erziehung von Kinder und Jugendlichen dienen bzw. Aus- und Fortbildung in Sinne dieser Vorschrift darstellen. Nach der Rechtsprechung beschränkt sich der Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe i der Richtlinie 77/388/EWG nicht auf Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt, sondern er schließt andere Tätigkeiten ein, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler und Studenten zu entwickeln, sofern diese Tätigkeit nicht den Charakter reiner Freizeitgestaltung haben (BFH Urteil vom 28. Mai 2013, XI R 35/11, BStBl. II 2013, 879).
- 29
Vorliegend ist daher entscheidend, ob die vom Kläger angebotenen Kampfsportkurse den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben, oder ob sie Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln, die in Schulen und Hochschulen erteilt werden.
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Dabei ist bei der Auslegung der Tatbestandsmerkmale der Steuerbefreiung zu berücksichtigen, dass die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiung nach Art. 13 der Richtlinie 77/388/EWG umschrieben sind, zwar grundsätzlich eng auszulegen sind, weil sie Ausnahmen vom allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt. Der EuGH hat sich in seiner Rechtsprechung zum Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts i.S.d. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe j der Richtlinie 77/388/EWG jedoch gegen eine zu enge Auslegung des Begriffs "Schul- und Hochschulunterricht" ausgesprochen (EuGH Urteil C-445/05 vom 14. Juni 2007, "Haderer"). Aufgrund der unterschiedlichen Unterrichtssysteme in den Mitgliedstaaten bestehe anderenfalls Gefahr, dass das Mehrwertsteuersystem je nach Unterrichtssystem unterschiedlich angewendet werde (EuGH Urteil C-445/05 vom 14. Juni 2007, "Haderer"). Der BFH folgt dieser Auffassung auch für den Begriff des "Schul- und Hochschulunterrichts" im Sinne von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe i der Richtlinie 77/388/EWG (BFH Urteil vom 24. Januar 2008, V R 3/05, BStBl. II 2012, 267). Weder ist daher ein direkter Bezug zu einem Beruf erforderlich, noch müssen die angebotenen Kurse Teil einer gesetzlich geregelten Berufsaus- oder Berufsfortbildung sein (BFH Urteil vom 28. Mai 2013, XI R 35/11, BStBl. II 2013, 879).
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Überdies ist nach der Rechtsprechung zu beachten, dass die Bescheinigungen der zuständigen Landesbehörde nicht nur für die Frage der Anerkennung einer Einrichtung als solcher im Sinne des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe i der Richtlinie 77/388/EWG bzw. Art. 132 Abs. 1 Buchstabe i MwStSystRL von Bedeutung sind, sondern die Bescheinigungen auchein Indiz dafür sind, dass Leistungen, die tatsächlich dem Anforderungsprofil der Bescheinigung entsprechen, nicht den Charakter einer bloßen Freizeitgestaltung haben, sofern keine gegenteiligen Anhaltspunkte vorliegen (BFH Urteil vom 28. Mai 2013, XI R 35/11, BStBl. II 2013, 879; BFH Urteil vom 24. Januar 2008, V R 3/05, BStBl. II 2012, 267). Solche gegenteiligen Anhaltspunkte können sich nach der Rechtsprechung aus dem Teilnehmerkreis oder aus der thematischen Zielsetzung eines Kurses ergeben. So sind Kurse, die von ihrer Zielrichtung auf reine Freizeitgestaltung gerichtet sind, ausgeschlossen. Die Rechtsprechung erfasst hiervon zum Beispiel Kurse, die sich an Eltern von Schülern richten, um die Wartezeit während des Unterrichts der Kinder sinnvoll zu nutzen, oder Kurse für Senioren oder allgemein am Tanz interessierte Menschen (BFH Urteil vom 24. Januar 2008, V R 3/05, BStBl. II 2012, 267).
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a. Die vom Kläger in den Streitjahren angebotenen Kurse Karate, Kickboxen, Brazilian Jiu Jitsu, Selbstverteidigung und die Kurse für Fitnessfachleute und Sicherheitskräfte sind alle unter die in der Bescheinigung der ADD aufgeführten Aus- und Fortbildungsmaßnahmen
- zum Sport- und Fitnesskaufmann/-frau,
- zum Sport- und Fitnessfachmann/-frau,
- in Selbstverteidigung und Gewaltprävention für Sicherheitsberufe und
- in Selbstverteidigung und Gewaltprävention für Kinder und Jugendliche
zu subsumieren.
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Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung diesbezüglich nochmals anschaulich ausgeführt, dass in jedem Kampfsportkurs, der von ihm angeboten wird, eine der Hauptkomponenten die Selbstverteidigung sei. Dies gelte auch für Kickboxen, das fachübergreifend für alle Kampfsportarten angeboten werde. Soweit die Schule Kurse zur Fitness anbiete, seien diese Fitnesskurse mit den Kampfsportkursen inhaltlich miteinander verwoben und dienten damit auch der Selbstverteidigung und Gewaltprävention.
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b. Anhaltspunkte, die entgegen der Bescheinigung der ADD die Annahme rechtfertigten, der Kläger habe in den Streitjahren Kurse angeboten, die der reinen Freizeitgestaltung dienen, liegen nach Durchführung der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Senats nicht vor.
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c. Die vom Kläger vermittelten Kenntnisse in Gewaltprävention und Selbstverteidigung werden auch vergleichbar an Schulen erbracht. Dies ist bereits aus der Tatsache ersichtlich, dass der Kläger unbestritten vergleichbare Kurse auch an Schulen gegen Entgelt anbietet. Er hat hierzu in der mündlichen Verhandlung ergänzend ausgeführt, dass an Schulen das Fach "Gewaltprävention" als ordentliches Schulfach regelmäßig für ein Jahr angeboten und von ihm unter einer eigenen Personalnummer unterrichtet werde.
II.
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Soweit der Kläger Umsätze aus dem Verkauf von Sportkleidung für seine Kurse und aus dem Verkauf von nicht alkoholischen Getränken erzielt, sind diese grundsätzlich umsatzsteuerpflichtig, unterfallen aber der Kleinunternehmerregelung nach § 19 UStG.
- 37
Der Kläger erzielt damit folgende - in der mündlichen Verhandlung unstreitig gestellten -Umsätze ausweislich seiner Aufstellung im Einspruchsverfahren (Bl. 144 ff. d. Umsatzsteuerakte):
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2005
2006
2007
2008
Erlöse Bistro
7.071,62 €
4.920,23 €
3.849,39 €
3.802,47 €
Erlöse Sportartikel
3.528,21 €
8.174,26 €
13.535,32 €
12.652,75 €
Summe
10.599,83 €
13.094,49 €
17.384,71 €
16.455,22 €
- 39
Gemäß § 19 Abs. 1 UStG nach der in den Streitjahren geltenden Fassung wird die Umsatzsteuer nicht erhoben, wenn die Umsätze im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 Euro nicht überstiegen haben und im laufenden Kalenderjahr 50.000 Euro voraussichtlich nicht übersteigen werden. Da die Umsatzgrenzen vorliegend eingehalten wurden, wird die Umsatzsteuer hierauf nicht erhoben.
III.
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Annotations
(1) Die für Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 geschuldete Umsatzsteuer wird von Unternehmern, die im Inland oder in den in § 1 Abs. 3 bezeichneten Gebieten ansässig sind, nicht erhoben, wenn der in Satz 2 bezeichnete Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 22 000 Euro nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50 000 Euro voraussichtlich nicht übersteigen wird. Umsatz im Sinne des Satzes 1 ist der nach vereinnahmten Entgelten bemessene Gesamtumsatz, gekürzt um die darin enthaltenen Umsätze von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens. Satz 1 gilt nicht für die nach § 13a Abs. 1 Nr. 6, § 13b Absatz 5, § 14c Abs. 2 und § 25b Abs. 2 geschuldete Steuer. In den Fällen des Satzes 1 finden die Vorschriften über die Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchstabe b, § 6a), über den Verzicht auf Steuerbefreiungen (§ 9), über den gesonderten Ausweis der Steuer in einer Rechnung (§ 14 Abs. 4), über die Angabe der Umsatzsteuer-Identifikationsnummern in einer Rechnung (§ 14a Abs. 1, 3 und 7) und über den Vorsteuerabzug (§ 15) keine Anwendung.
(2) Der Unternehmer kann dem Finanzamt bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung (§ 18 Abs. 3 und 4) erklären, dass er auf die Anwendung des Absatzes 1 verzichtet. Nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung bindet die Erklärung den Unternehmer mindestens für fünf Kalenderjahre. Sie kann nur mit Wirkung von Beginn eines Kalenderjahres an widerrufen werden. Der Widerruf ist spätestens bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung des Kalenderjahres, für das er gelten soll, zu erklären.
(3) Gesamtumsatz ist die Summe der vom Unternehmer ausgeführten steuerbaren Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 abzüglich folgender Umsätze:
- 1.
der Umsätze, die nach § 4 Nr. 8 Buchstabe i, Nr. 9 Buchstabe b und Nummer 11 bis 29 steuerfrei sind; - 2.
der Umsätze, die nach § 4 Nr. 8 Buchstabe a bis h, Nr. 9 Buchstabe a und Nr. 10 steuerfrei sind, wenn sie Hilfsumsätze sind.
(4) Absatz 1 gilt nicht für die innergemeinschaftlichen Lieferungen neuer Fahrzeuge. § 15 Abs. 4a ist entsprechend anzuwenden.
(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.