Streitig ist, ob bei Bearbeitung einer elektronisch übermittelten Einkommensteuererklärung eine fehlerhafte Dateneingabe eine offenbare Unrichtigkeit nach § 129 AO sein kann und im Streitfall tatsächlich war.
Der Kläger ist verheiratet. Die Ehegatten haben im Streitjahr getrennte Veranlagung beantragt. Der Kläger erzielte u.a. Einkünfte aus Kapitalvermögen.
Seine Einkommensteuererklärung 2010 reichte der Kläger elektronisch via Elster ein und übersandte außerdem die komprimierte Steuererklärung an das Finanzamt. Dabei erklärte er unter Kennziffer „210“ Kapitalerträge, die dem inländischen Steuerabzug unterliegen, i.H.v. 5.733 €. In der Kennziffer „201“, „Ich beantrage die Günstigerprüfung für sämtliche Kapitalerträge“, gab er die Zahl „1“ für „ja“ ein. Hinsichtlich der weiteren erklärten Kapitalerträge wird auf die Einkommensteuererklärung verwiesen.
Im Einkommensteuerbescheid 2010 vom 04.01.2012 legte das Finanzamt bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens Kapitalerträge i.H.v. 11 € anstatt der erklärten 5.733 € zugrunde. In der Verfügung am Ende der in Papierform übersandten Einkommensteuererklärung kreuzte der Bearbeiter an „4. Belege zurückgeben“. Die Nr. 5 („Änderung/Berichtigung vermerken“) wurde nicht angekreuzt, ebenso wenig Nr. 6, „Von der Steuererklärung wurde abgewichen: nein/ja“.
Mit Bescheid vom 11.09.2014 berichtigte das Finanzamt den inzwischen ergangenen Änderungsbescheid vom 12.12.2012 nach § 129 AO und erhöhte die Einkünfte aus Kapitalvermögen um 5.722 €. In den Erläuterungen zur Festsetzung führte es aus, die Änderung beruhe auf einer Berichtigung fehlerhafter Dateneingaben im Bereich der Einkünfte aus Kapitalvermögen. Die Einkünfte würden nunmehr mit den in der Steuererklärung angegebenen Werten der Besteuerung zugrunde gelegt.
Im Einspruchsverfahren führte der Kläger aus, die Daten der Einkommensteuererklärung hätten dem Finanzamt in elektronischer Form vorgelegen. Eine Änderung sei somit bewusst und aus rechtlichen Überlegungen erfolgt. Eine Berichtigung nach § 129 AO sei nicht möglich.
Es gebe keinen Grund, dass bei elektronisch übermittelten Daten noch manuelle Eingaben durch Bearbeiter beim Finanzamt vorgenommen würden. Hierzu bedürfe es rechtli cher Überlegungen, da ansonsten eine abweichende Eingabe keinen Sinn ergebe. Es hätte überhaupt keine Eingabe erfolgen müssen, die Erklärung hätte am Bildschirm durchgesehen werden können. Er gehe davon aus, dass diese Vorgehensweise so beim Finanzamt gelebt werde. Stelle sich bei der Durchsicht am Bildschirm heraus, dass z.B. Eingaben nicht wie erklärt berücksichtigt werden könnten, greife der Sachbearbeiter bewusst ein und korrigiere die Eingabe. Im vorliegenden Fall seien keine Änderungen erforderlich gewesen, um wie beantragt zu veranlagen.
Ähnlich gelagerte BFH-Urteile von 1986 bzw. 1974 seien zu einer Zeit ergangen, als noch die sogenannte Kennziffernwerterfassung unter MS-DOS der Standard gewesen sei. Bei dieser Erfassung habe der zuständige Beamte die in den Zeilen des Formulars erfassten Beträge manuell am Computer in einer Zeile mit einer Kennziffer und dem dazugehörigen Wert erfassen müssen. Heute müsse der Finanzbeamte aufgrund der elektronischen Datenübermittlung an das Finanzamt gar nichts mehr erfassen.
Der Kläger verweist auf einen Beschluss des Finanzgerichts Niedersachsen vom 28.07.2014 (Az. 3 V 226/14). Danach werde dem Bearbeiter bei Abweichung der Daten ein Hinweis gegeben. Die Hinweisbearbeitung erfolge dann im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens des Bearbeiters. Im Streitfall habe der Bearbeiter somit bewusst den Hinweis auf abweichende Daten hingenommen. Da nicht mehr nur ein mechanisches Versehen vorliegen könne, sei für eine Berichtigung nach § 129 AO kein Raum.
Das Finanzamt entgegnete, zwar hätte es zur Durchführung der Einkommensteuerveranlagung grundsätzlich keiner weiteren Eingabe durch den Sachbearbeiter bedurft. Der fehlerhafte Ansatz sei aber wie folgt zu erklären: Obwohl es - mangels Abweichung von der Erklärung - nicht nötig gewesen wäre, Daten einzugeben, sei vom Sachbearbeiter im Sachbereich 54 (Einkünfte aus Kapitalvermögen) die Kennziffer „201“ mit dem Wert „1“ erfasst worden (Günstigerprüfung). Bei dieser Dateneingabe sei - aus welchem Grund auch immer - nicht beachtet worden, dass die „2“ der Kennziffer „201“ bereits vorbelegt sei, sodass die Eingabe der vollständigen Kennziffer „201“ mit Wert „1“ dazu geführt habe, dass die Kennziffer „220“ („korrigierter Betrag“) mit dem Wert „11“ generiert worden sei; die Eingabe der Ziffern „2011“ ergebe bei einer Vorbelegung der Ziffer „2“ die Ziffern „22011“. Dies habe zur Folge gehabt, dass die Kapitaleinkünfte statt mit dem in der Kennziffer 210 erklärten Wert „5.733“ nur mit dem vermeintlich korrigierten Wert „11“ der Besteuerung zugrunde gelegt worden seien.
Nicht nachvollziehbar sei insbesondere, weshalb die Kapitalerträge mit inländischem Steuerabzug anstatt mit dem erklärten Betrag mit dem Wert „11“ hätten angesetzt werden sollen. Als einzig plausible Erklärung für diese Werteingabe komme nur eine versehentliche Dateneingabe in Betracht. So könne es beim Überprüfen der einzelnen Kennziffern am Bildschirm verhältnismäßig leicht zu einer ungewollten Eingabe von Werten kommen. Nach Prüfung einer Kennziffer könne - was bei zutreffenden Kennziffern eigentlich nicht erforderlich sei - mit „Enter“ bestätigt und die nächste Kennziffer eingegeben werden.
Anhaltspunkte für eine bewusste Korrektur des Wertes könnten der Akte nicht entnommen werden. Im Ausdruck der Elster-Erklärung seien vom Bearbeiter keinerlei handschriftliche Bemerkungen gemacht worden, die auf eine gewollte Nichterfassung der Kapitalerträge schließen ließen. Die Abweichung sei auch nicht im Bescheid erläutert worden. Schließlich sei bei jeder Eingabe einer Steuererklärung vom jeweiligen Bearbeiter zwingend eine interne Kennziffer über eventuelle Abweichungen von den erklärten bzw. überspielten Daten einzugeben. Im Streitfall sei die Kennziffer mit dem Text „gegenüber der Erklärung ergeben sich keine Abweichungen“ vom Bearbeiter eingegeben worden. Es sei somit zum Ausdruck gebracht worden, dass von den überspielten Daten nicht habe abgewichen werden sollen. Es handele sich um ein mechanisches Versehen (Tippfehler).
Mit seiner Einspruchsentscheidung wies das Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück. Das Finanzamt führte aus, nach § 129 Satz 1 AO könne die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen seien, jederzeit berichtigen. „Ähnliche offenbare Unrichtigkeiten“ seien einem Schreib- oder Rechenfehler ähnliche mechanische Versehen. Mechanisch in diesem Sinne sei ein Fehler, der aus einem bloßen Vertun bestehe, das auf Gedankenlosigkeit, Flüchtigkeit, Unachtsamkeit oder Abgelenktsein beruhe. Dabei sei eine solche Änderung nicht von Verschuldenserwägungen abhängig und könne auch dann erfolgen, wenn der Sachbearbeiter notwendige Überlegungen nicht anstelle und sein Versehen bei gehöriger Sorgfalt hätte erkennen können. So könne ein mechanisches Versehen insbesondere in der Eintragung oder Eingabe einer unrichtigen Kennziffer liegen. Keine mechanischen Fehler seien dagegen grundsätzlich solche, die das Denken, Sub-summieren und Schlussfolgern beträfen.
Die Rechtsprechungsgrundsätze zu § 129 AO gälten auch bei elektronischen Steuererklärungen. Danach sei im Streitfall eine einem Schreib- oder Rechenfehler ähnliche Unrichtigkeit i.S.d. § 129 Satz 1AO gegeben. Dies belege die bearbeitete Steuererklärung. Der Bearbeiter habe zum Ausdruck gebracht, dass von den überspielten Daten nicht habe abgewichen werden sollen.
In dem vom Kläger angeführten Beschluss des Finanzgerichts Niedersachsen sei im Gegensatz zum Streitfall bewusst eine Änderung der Daten vorgenommen worden. In der Kennziffer „220“ sei normalerweise der Korrekturbetrag zu den Kapitalerträgen der Kennziffer „210“ einzutragen. In der Anlage KAP werde darauf hingewiesen, dass zu diesem Korrekturbetrag zusätzliche Erläuterungen auf einem besonderen Blatt erforderlich seien. Die Beträge laut der Steuerbescheinigung könnten z.B. unzutreffend sein, weil die Anschaffungskosten veräußerter Aktien dem Anlageinstitut nicht bekannt seien. Hierfür gebe es im Streitfall keinerlei Anhaltspunkte. Die Eingabe der Kennziffer „220“ ergebe somit auch keinen Sinn. Da die Kennziffer „220“ somit versehentlich eingegeben worden sei, handele es sich um ein mechanisches Versehen.
Der Kläger hat gegen diese Einspruchsentscheidung Klage erhoben. Er wiederholt sein Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren und betont nochmals, dass das System so gesteuert sei, dass der Bearbeiter einen Warnhinweis auf geänderte Daten erhalte, wenn er Daten ändere. Der Bearbeiter müsse sodann den Hinweis als zur Kenntnis genommen bestätigen. Hieraus werde offenkundig, dass der Bearbeiter im Streitfall bewusst die Datenänderung vorgenommen haben müsse.
Der Kläger beantragt, den Einkommensteuerbescheid vom 11.09.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.03.2016 dahin zu ändern, dass die Kapitaleinkünfte des Klägers mit einem um 5.722 € geminderten Betrag zu berücksichtigen sind.
Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Finanzamt verweist auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.
Die Klage ist unbegründet.
Der Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 11.09.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.03.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seine Rechten. Das Finanzamt durfte den Einkommensteuerbescheid nach § 129 AO berichtigen.
I. Nach § 129 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen.
1. Solche offenbare Unrichtigkeiten sind insbesondere mechanische Versehen, beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehler (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 01.07.2010 IV R 56/07, BFH/NV 2010, 2004; BFH-Beschluss vom 28.05.2015 VI R 63/13, juris; FG Düsseldorf, Urteil vom 24.03.2015 13 K 553/14 E, juris). So können Fehler bei der Eingabe von Kennziffern oder Werten als rein mechanische Versehen ähnliche offenbare Unrichtigkeiten sein, etwa bei einem unbeabsichtigten, unrichtigen Ausfüllen der Kennziffern oder bei Verwendung falscher Kennziffern.
2. Dagegen zählen zu solchen offenbaren Unrichtigkeiten nicht Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung, die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts oder Fehler, die auf mangelnder Sachaufklärung bzw. Nichtbeachtung feststehender Tatsachen beruhen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 27.03.1987 VI R 63/84, BFH/NV 1987, 480; BFH-Beschluss vom 28.05.2015 VI R 63/13, juris).
3. Ob bei Eingabefehlern ein bloßes mechanisches Versehen oder aber ein die Berichtigung nach § 129 AO ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum des Sachbearbeiters vorliegt, muss nach den Verhältnissen des Einzelfalles beurteilt werden. Dabei handelt es sich um eine Tatfrage, die der revisionsgerichtlichen Prüfung nur in eingeschränktem Umfang unterliegt und nur auf Verstöße gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze überprüft werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 05.02.1998 IV R 17/97, BStBl II 1998, 535; BFH-Beschluss vom 10.05.2002 VII B 179/01, BFH/NV 2002, 1316; FG München, Urteil vom 06.08.2015 15 K 35/14, juris).
a) Sobald die Möglichkeit besteht, dass der Fehler auf Mängel bei der Ermittlung oder Würdigung des Sachverhalts zurückgeht, auf einem sonstigen sachver haltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler gründet oder auf einem Rechtsirrtum beruht, kommt eine Berichtigung nach § 129 AO nicht in Betracht. Diese Möglichkeit darf allerdings nicht nur theoretischer Natur sein. Vielmehr muss sie sich durch vom Gericht festgestellte Tatsachen belegen lassen (BFH-Urteil vom 02.08.1974 VI R 137/71, BStBl II 1974, 727; BFH-Urteil vom 22.11.1974 VI R 138/72, BStBl II 1975, 350; BFH-Beschluss vom 05.01.2005 III B 79/04, BFH/NV 2005, 1013; FG München, Urteil vom 06.08.2015 15 K 35/14, juris).
b) Deuten die Gesamtumstände des Falles auf ein mechanisches Versehen hin und liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Fehler auf rechtliche oder tatsächliche Erwägungen zurückzuführen ist, so kann berichtigt werden (ständige Rechtsprechung, BFH-Urteil vom 04.02.1972 III R 28/68, BStBl II 1972, 679; BFH-Urteil vom 27.05.2009 X R 47/08, BStBl II 2009, 946; BFH-Urteil vom 13.06.2012 VI R 85/10, BStBl II 2013, 5; zuletzt FG München, Urteil vom 06.08.2015 15 K 35/14, juris).
4. Offenbare Unrichtigkeiten, die dem Bearbeiter im Finanzamt bei der Bearbeitung von auf Papier eingereichten Steuererklärungen oder Steueranmeldungen unterlaufen, wie z.B. Rechen-, Eingabe- oder Übertragungsfehler, können auch bei der Bearbeitung elektronisch übermittelter Steuererklärungen vorkommen. Denn im ELSTER-Verfahren eingereichte Steuererklärungen werden wie solche auf Papier vom Sachbearbeiter geprüft (von Wedelstädt, AO-StB 2015, 99). Dementsprechend können Fehler bei Überprüfung einer elektronisch eingereichten Einkommensteuererklärung rein mechanische Versehen und also offenbare Unrichtigkeiten i.S. des § 129 Satz 1 AO sein. Es ist aber auch denkbar, dass fehlerhafte Eingaben auf einem Rechtsirrtum beruhen, denn durch die Zuordnung von Daten zu bestimmten Kennziffern wird auch der Wille zu einer bestimmten rechtlichen Behandlung dieser Daten durch das festgelegte Datenverarbeitungsprogramm dokumentiert (vgl. BFH-Beschluss vom 10.05.2002 VII B 179/01, BFH/NV 2002, 1316; BFH-Urteil vom 05.02.1998 IV R 17/97, BStBl II 1998, 535).
5. Da der Wortlaut des § 129 Satz 1 AO auf offenbare Unrichtigkeiten abstellt, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, kommt es entscheidend auf die Umstände bei der Entscheidungsfindung und demzufolge vornehmlich auf den Akteninhalt an (vgl. BFH-Urteil vom 11.7.2007 XI R 17/05, BFH/NV 2007, 1810; zuletzt FG Düsseldorf, Urteil vom 24.03.2015 13 K 553/14 E, juris).
4. II. Nach Maßgabe dieser Grundsätze steht im Streitfall zur Überzeugung des Senats fest, dass der Fehler des Finanzamts, dessen Korrektur streitig ist, auf einer fehlerhaften manuellen Programmeingabe der Kennziffer „201“ und der dadurch ausgelösten Generierung der Kennziffer „220“, die an sich für einen korrigierten Betrag bei den Kapitalerträgen einzugeben ist, beruhte.
1. Zur Überzeugung des Gerichts liegt darin ein mechanisches Versehen i.S. des § 129 AO; ein Tatsachen- oder Rechtsirrtum kann ausgeschlossen werden.
a) Der Sachbearbeiter selbst konnte laut Auskunft des Finanzamts auf Nachfrage nicht erklären und sich auch nicht erinnern, aus welchem Grund er eine abweichende Zahl bei den Kapitalerträgen eingegeben hat. Er habe nichts ändern wollen.
b) Nach Würdigung aller Umstände des Einzelfalles kann zur Überzeugung des Senats die Fehlerursache im Streitfall nur darin liegen, dass der Bearbeiter im Veranlagungsbezirk bei der Überprüfung der elektronisch übermittelten Daten die Kennziffer „201“ und den Wert „1“ für die Günstigerprüfung trotz elektronischer Übermittlung erneut eingeben wollte und dabei übersah, dass die erste Ziffer der Kennzahl „201“, die „2“, bereits vorbelegt war, so dass er dadurch tatsächlich eine andere Kennziffer, nämlich die „220“ eingab. Dadurch rutschte die weitere Eingabe der letzten Ziffer der Kennziffer „201“, die „1“, bereits in das Feld für die Eingabe des Betrags und mit der zusätzlich (für die Günstigerprüfung) eingegebenen Zahl „1“ gab der Bearbeiter tatsächlich die Zahl „11“ ein.
Diese umfassende Erklärung des Amtes überzeugt den Senat. Denn allein mit diesem Geschehensablauf ist erklärbar, wieso der Sachbearbeiter gerade den Wert „11“ eingab. Es ist keine andere Ursache ersichtlich. Auch der Kläger hat nicht dargelegt, wieso es sonst zu dem eingegebenen Wert gekommen sein kann.
c) Dagegen lassen sich der Akte keinerlei Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Fehler auf einem Rechtsirrtum oder auf einer unvollständigen Sachverhaltsaufklärung beruhte und das Finanzamt von den Angaben des Klägers in der Einkommensteuererklärung abweichen und einen niedrigeren Kapitalertrag als erklärt erfassen wollte. Insbesondere gibt es keine Hinweise darauf, dass der Sachbearbeiter im Veranlagungsbezirk einen Willen im Tatsachenoder Rechtsbereich dahingehend gebildet hätte, dass der zutreffende Wert der Kapitalerträge nur 11 € statt der erklärten 5.733 € beträgt. So weist die Steuererklärung keine Anzeichen einer Bearbeitung dergestalt auf, dass der Sachbearbeiter den eingetragenen Wert von 5.733 € gestrichen und durch den tatsächlich angesetzten Betrag von 11 € ersetzt hätte. Zudem hat er auf der Verfügung am Ende der papierenen Erklärung zwar handschriftlich eingegeben, dass er die Belege zurückgibt, nicht aber, dass von der Erklärung abgewichen wurde. Schließlich hat er die elektronisch zwingend erforderliche Kennziffer am Ende der Bearbeitung dahingehend eingegeben, dass er nicht von der Erklärung abgewichen ist.
Daher steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Bearbeiter unnötiger Weise die Kennziffer und den Wert erneut manuell eintippte, bei der Eingabe der Werte davon ausging, den vom Steuerpflichtigen elektronisch übermittelten Wert eingegeben zu haben, und so aufgrund der Vorbelegung der ersten Ziffer der Kennziffer „201“ eine neue Kennziffer, nämlich die für einen korrigierten Betrag, generierte. Dabei hat der Senat auch berücksichtigt, dass die Bearbeitung der elektronischen Einkommensteuererklärung erst seit noch nicht langer Zeit ohne manuelle Eingaben nur durch Kontrolle der Werte am Bildschirm erfolgen kann, aber eine Eingabe von Kennziffern und Werten weiterhin möglich ist. Für die Sachbearbeiter bedeutet das also eine Umstellung ihrer bisherigen Arbeitsweise. Gerade in einer Übergangsphase ist davon auszugehen, dass die Bearbeiter aus Gewohnheit tendenziell an der alten Eingabemethode festhalten.
Die Eingabe der Kennziffer „201“ ohne Beachtung der Vorbelegung der ersten Ziffer („2“) stellt damit eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne eines Schreibfehlers dar. Die Tatsache, dass eine solche Eingabe bei der elektronischen Übermittlung der Einkommensteuererklärung nicht nötig gewesen wäre, führt zu keiner anderen Bewertung.
2. Eine offenbare Unrichtigkeit i.S.d. § 129 Satz 1 AO ist schließlich nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Veranlagungsbeamte einen automatisierten Prüfhinweis unbeachtet gelassen hat (BFH-Beschluss vom 28.05.2015 VI R 63/13, ju ris). Denn auch bei einem eventuell ergangenen Prüfhinweis kann ein möglicher Rechtsanwendungsfehler ausgeschlossen werden.
a) Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass das Übersehen eines Prüfhinweises oder eine besonders oberflächliche Behandlung des Steuerfalls durch die Behörde unabhängig von Verschuldenserwägungen eine Berichtigung des Steuerbescheids nicht ausschließt, solange die diesbezügliche Überprüfung nicht zu einer neuen Willensbildung des zuständigen Veranlagungsbeamten im Tatsachen- oder Rechtsbereich geführt hat (BFH-Urteil vom 18.04.1986 VI R 4/83, BStBl II 1986, 541; BFH-Urteil vom 11.07.2007 XI R 17/05, BFH/NV 2007, 1810; BFH-Urteil vom 07.11.2013 IV R 13/11, BFH/NV 2014, 657). Bleibt ein Prüfhinweis unbeachtet, perpetuiert sich lediglich der Eingabefehler des Sachbearbeiters. Es bleibt eine offenbare Unrichtigkeit durch Versehen auch dann, wenn dem Beamten mehrmals die Flüchtigkeit unterlaufen ist (BFH-Urteil vom 18.04.1986 VI R 4/83, BStBl II 1986, 541). Die Frage, ob ein mechanisches Versehen oder ein die Berichtigung nach § 129 AO ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliegt, beurteilt sich auch insoweit nach den Verhältnissen des Einzelfalls, insbesondere nach der Aktenlage (BFH-Urteil vom 07.11.2013 IV R 13/11, BFH/NV 2014, 657, m.w.N.).
b) Das Gericht ist der Überzeugung, dass auch nach Ergehen eines Prüfhinweises keine Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Willensbildung durch den Veranlagungsbeamten vorliegen. Auch wenn der Bearbeiter einen entsprechenden Prüfhinweis erhalten hat, sieht es der Senat als ausgeschlossen an, dass ein Sachbearbeiter im Veranlagungsbezirk bewusst einen entsprechenden Hinweis ignoriert, ohne dass er zumindest Gründe für die eigene entgegenstehende Rechtsauffassung dokumentiert. Zudem kann ein geschulter Veranlagungsbeamter nicht die unzutreffende Rechtsansicht entwickeln, bei erklärten Kapitalerträgen i.H.v. 5.733 € seien ohne weitere Anhaltspunkte tatsächlich nur 11 € zu berücksichtigten; dies liegt außerhalb des Vorstellbaren. Angesichts dessen sind die tatsächlich berücksichtigten Kapitalerträge i.H.v. 11 € nur erklärlich, wenn man davon ausgeht, dass der Veranlagungsbeamte entgegen einem entsprechenden Prüfhinweis die inhaltliche Kontrolle der geänderten Kapitalerträge pflichtwidrig unterlassen hat. Ein solches pflichtwidriges Unterlassen bedeutet aber nicht, dass der Veranlagungsbeamte die fehlerhafte Berücksichtigung auch rechtlich gebilligt hat. Vielmehr liegt in einem solchen Fall lediglich ein besonders nachlässiges Verhalten vor, das aber nicht die Annahme rechtfertigt, der Veranlagungsbeamte ist einem Rechtsirrtum unterlegen (vgl. BFH-Beschluss vom 28.05.2015 VI R 63/13, juris).
Nach alldem war die Klage mithin abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung.