Finanzgericht Nürnberg Urteil, 23. Okt. 2014 - 6 K 441/14

published on 23/10/2014 00:00
Finanzgericht Nürnberg Urteil, 23. Okt. 2014 - 6 K 441/14
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Tenor

1. Der Aufhebungsbescheid vom 22.01.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.03.2014 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, Kindergeld für S ab September 2013 weiter zu bewilligen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob dem Kläger für seinen in China studierenden Sohn ab September 2013 Kindergeld zusteht.

Am 13.10.2012 beantragte der Kläger die Weiterbewilligung von Kindergeld über die Vollendung des 18. Lebensjahres seines Sohnes S (geb. am xx.02.1994) hinaus. Er teilte u. a. mit, dass S seine Schulausbildung voraussichtlich im Juli 2012 beenden werde. Nach der Aufforderung, anspruchsbegründende Unterlagen für eine Bewilligung von Kindergeld ab August 2012 vorzulegen, reichte der Kläger eine Bescheinigung der „Central Academy of Drama, Peking“, ein, wonach S einen einjährigen Sprachkurs in der Zeit vom 10.09.2012 bis 15.07.2013 absolviere.

In der Kindergeldverfügung (Kassenanschlag) vom 07.01.2013 ist für S vermerkt:

„Befristungstermin: 07.2013;

Bescheid versenden: Festsetzungsbescheid“.

Der Kläger übermittelte der beklagten Familienkasse weiterhin mit Schreiben vom 07.07.2013 eine Bescheinigung der University of China, wonach sein Sohn S als Bachelor Student zu einem von September 2013 bis Juli 2017 dauernden Studiengang in der Fakultät für Theater, Film und Fernsehen aufgenommen wurde.

Die Familienkasse setzte daraufhin mit Bescheid vom 16.07.2013 Kindergeld für S ab August 2013 fest. Das Kindergeld für S wurde nach Vollendung des 18. Lebensjahres durchgehend gezahlt.

In der Kindergeldverfügung (Kassenanschlag) vom 15.07.2013 ist für S vermerkt:

„Befristungsgrund: Ende der Übergangszeit;

Befristungstermin: 10.2013,

Bescheid versenden: Festsetzungsbescheid“.

Mit Schreiben vom 18.11.2013 fragte die Familienkasse beim Kläger an, ab wann und bei wem sein Sohn S in China lebe, wie lange er sich im Ausland aufhalte und wie oft er nach Deutschland zurückkehre.

Der Kläger gab daraufhin an, sein Sohn habe zunächst an der University of China an einem Sprachkurs teilgenommen (10.09.2012 – 15.07.2013) und dann im September 2013 das eigentliche Studium aufgenommen. Er werde sich bis zum Juli 2017 in China aufhalten und voraussichtlich einmal im Jahr für ca. ein bis eineinhalb Monate nach Deutschland zurückkehren und sich zu Hause aufhalten.

Der Kläger legte Flugtickets seines Sohnes vor, wonach dieser wie folgt geflogen sei:

05.09.2012   Frankfurt – Peking

15.07.2013   Peking – München

30.08.2013   München – Peking

10.07.2014   Peking - München

Auf Nachfrage der teilte der Kläger mit, sein Sohn habe sich nach einem chinesischen Sprachtest entschieden, das Studium in China aufzunehmen. Während des Sprachkurses hätten nur Winterferien von Mitte Januar bis Mitte Februar 2013 stattgefunden. Die studienfreien Zeiten in China seien generell von Mitte Januar bis Mitte Februar und von Mitte Juli bis Ende August.

Die Familienkasse hob daraufhin mit Bescheid vom 22.01.2014 die Festsetzung des Kindergeldes ab September 2013 gem. § 70 Abs. 2 EStG auf, da der Sohn seinen Wohnsitz nicht mehr im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung finde, habe, und forderte das für den Zeitraum von September bis Oktober 2013 gezahlte Kindergeld i. H. v. 368 € zurück.

Der Kläger legte gegen diesen Bescheid Einspruch ein und gab zur Begründung an, dass sein Sohn weiterhin seinen Wohnsitz in Deutschland habe. Der Bundesfinanzhof habe in einem Fall, in dem sich das Kind fünf Monate pro Jahr in Deutschland aufgehalten habe, die Beibehaltung des Wohnsitzes angenommen (BFH-Urteil vom 28.04.2010 III R 52/09, BStBl II 2010, 1013). Die dort genannten fünf Monate seien keine starre Grenze. Die eineinhalb Monate dauernden Sommerferien verbringe sein Sohn zu Hause. Es sei unmöglich, für die kürzeren Winterferien nach Deutschland zurückzukehren. Auch ein Auslandsstudium sei als Ausbildung anzusehen.

Mit Einspruchsentscheidung vom 07.03.2014 wies die Familienkasse den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Sohn lebe in China und habe daher keinen Wohnsitz in Deutschland mehr. Ein jährlicher Aufenthalt von ein bis eineinhalb Monaten in der elterlichen Wohnung sei nicht ausreichend. Solche Aufenthalte hätten keinen Wohncharakter.

Mit seiner Klage wendet sich der Kläger gegen die Aufhebung der Festsetzung und die Rückforderung des Kindergeldes. Er trägt vor, sein Sohn sei deutscher Staatsbürger und habe die Absicht, nach dem Studium nach Deutschland zurückzukehren. Er habe seinen Wohnsitz weiterhin bei den Eltern. Er legt eine Bescheinigung der Schule für Internationale Kommunikationsausbildung der University of China vom 16.05.2014 vor, wonach der Sohn des Klägers dort an der Fakultät für Radio- und Fernsehregie eingeschrieben ist und die Ferien von Ende Januar bis Anfang März und von Ende Juli bis Anfang September dauern.

Ergänzend legt er den Reiseplan für folgende inzwischen gebuchte weitere Flüge vor:

28.08.2014   München – Peking

11.01.2015   Peking - München

Der Kläger weist auf die hohen Flugkosten hin. Trotzdem wolle er, dass sein Sohn zweimal im Jahr nach Deutschland zurückkehre. Um dies zu ermöglichen, sei er aber auf das Kindergeld angewiesen.

Der Sohn sei während seiner Inlandsaufenthalte in der elterlichen Wohnung in seinem eigenen Zimmer untergebracht. Während der Aufenthalte in China lebe er dort in einem Studentenwohnheim. Verwandte, bei denen er wohnen könne, seien in China nicht vorhanden.

Der Kläger beantragt, den Aufhebungsbescheid vom 22.01.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.03.2014 aufzuheben und die Familienkasse zu verpflichten, Kindergeld für das Kind S ab September 2013 weiter zu zahlen.

Die Vertreterin der Beklagten beantragt, die Klage abzuweisen und für den Fall des Unterliegens die Revision zum BFH zuzulassen.

Nach Ansicht der Familienkasse ist die deutsche Staatsangehörigkeit des Sohnes des Klägers steuerlich ohne Belang. Sie verweist auf Urteile des Bundesfinanzhofs, in denen dieser die Frage, ob im Ausland in Ausbildung befindliche Kinder ihren inländischen Wohnsitz beibehalten, geklärt habe (BFH-Urteile jeweils vom 23.11.2000 VI R 165/99, BStBl II 2001, 279, und VI R 107/99, BStBl II 2001, 294). Nach diesen Entscheidungen sage der bloße Wille zur Rückkehr nichts darüber aus, ob der Wohnsitz im Inland während der Dauer der Auslandsausbildung beibehalten oder aufgegeben werde. Je jünger das ins Ausland fortziehende Kind sei, desto eher sei von einer endgültigen Aufgabe des Wohnsitzes auszugehen.

Des Weiteren müsse sich das Kind, je länger der Auslandsaufenthalt dauere, desto länger jährlich im Inland aufhalten. Außerdem reichten bei von vornherein auf mehr als Jahr angelegte Auslandsaufenthalten kurzzeitige Besuche in Deutschland nicht aus, um den Inlandswohnsitz zu behalten. Die jährlichen Inlandsaufenthalte des Sohnes des Klägers von rd. 6 ½ bis 7 Wochen in den Jahren 2013 und 2014 seien bei einer geplanten Studiendauer von fünf Jahren nicht ausreichend, zumal der Sohn die Winterferien jeweils von Januar bis März in den Jahren 2013 und 2014 nicht in Deutschland verbracht habe.

Gründe

Die Klage ist begründet.

I. Der Kläger hat für den Streitzeitraum (September 2013 bis März 2014) Anspruch auf Kindergeld für seinen Sohn S.

Der Sohn des Klägers hat auch über den Studienbeginn im September 2013 hinaus seinen Wohnsitz in Deutschland beibehalten.

1. Nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) hat derjenige, der im Inland über einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt verfügt, einen Kindergeldanspruch nur für diejenigen Kinder, die ebenfalls im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt innehaben. China zählt nicht zu den in § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG genannten Staaten.

a) Die Frage, ob eine natürliche Person im Inland einen Wohnsitz hat, beurteilt sich nach § 8 der Abgabenordnung (AO). Danach kommt es darauf an, ob die betreffende Person im Inland eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass sie die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Melderechtliche Normen sowie bürgerlich-rechtliche Vorschriften zur Begründung, Beibehaltung und Aufgabe eines Wohnsitzes sind für die Auslegung dieser Vorschriften nicht maßgeblich (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 17.05.1995 I R 8/94, BStBl II 1996, 2). Die Begründung eines Wohnsitzes erfolgt durch tatsächliches Handeln, der bloße Wille des Steuerpflichtigen ist dagegen nicht entscheidend. Von ausschlaggebender Bedeutung ist vielmehr die tatsächliche Gestaltung der Verhältnisse, d. h. der objektive Zustand (vgl. BFH-Urteile vom 07.04.2011 III R 77/09, BFH/NV 2011, 1351, und vom 22.04.1994 III R 22/92, BFHE 174, 523, BStBl II 1994, 887).

b) Der Wohnsitzbegriff i. S. von § 8 AO setzt neben zum dauerhaften Wohnen geeigneten Räumlichkeiten das Innehaben der Wohnung in dem Sinne voraus, dass der Betreffende tatsächlich über sie verfügen kann und sie als Bleibe entweder ständig benutzt oder sie doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit - wenn auch in größeren Zeitabständen - aufsucht. Ein nur gelegentliches Verweilen während unregelmäßig aufeinander folgender kurzer Zeiträume zu Erholungszwecken oder ein Aufenthalt, der nur Besuchscharakter hat, reichen nicht aus. Außer dem Innehaben einer Wohnung setzt der Wohnsitzbegriff zunächst Umstände voraus, die darauf schließen lassen, dass die Wohnung durch den Inhaber beibehalten und als solche genutzt werden soll. Das Wesen eines Wohnsitzes im steuerrechtlichen Sinne besteht somit darin, dass objektiv die Wohnung ihrem Inhaber jederzeit (wann immer er es wünscht) als Bleibe zur Verfügung steht und von ihm subjektiv zu entsprechender Nutzung auch bestimmt ist.

c) Das Innehaben einer Wohnung unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass die Wohnung beibehalten oder benutzt wird, schließt nicht aus, dass die Wohnung vorübergehend nicht benutzt wird. Periodische Auslandsaufenthalte stellen das Innehaben eines Wohnsitzes auch dann nicht in Frage, wenn sie sich über einen Zeitraum von etlichen Jahren erstrecken. Im Einzelfall können auch zwei Wohnsitze nebeneinander bestehen (vgl. auch § 19 Abs. 1 Satz 2 AO), wenn nach den äußeren Umständen der Lebensmittelpunkt zeitlich und örtlich zwei Wohnungen in verschiedenen Orten zuzuordnen ist und so zwei Schwerpunkte der Lebensverhältnisse gebildet worden sind (vgl. BFH-Urteil vom 23.11.2000 VI R 107/99, BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294, m. w. N., und BFH-Beschluss vom 27.12.2011 III B 24/10, BFH/NV 2012, 917).

d) Die Rechtsgrundsätze, nach denen zu entscheiden ist, ob ein Kind, das sich zum Zweck des Studiums längerfristig im Ausland aufhält, seinen inländischen Wohnsitz beibehält, hat der BFH bereits mehrfach dargelegt. Kinder, die sich zum Zwecke des Studiums für mehrere Jahre ins Ausland begeben, behalten ihren Wohnsitz in der inländischen elterlichen Wohnung nur dann bei, wenn sie diese in ausbildungsfreien Zeiten nutzen. Dabei kommt der Dauer der Inlandsaufenthalte erhebliche Bedeutung zu. Eine Aufenthaltsdauer von jährlich fünf Monaten in der Wohnung der Eltern genügt jedenfalls, um einen inländischen Wohnsitz beizubehalten, sie ist dafür aber nicht stets erforderlich. Soweit die Beibehaltung des inländischen Wohnsitzes durch das im Ausland studierende Kind von der Dauer der Inlandsaufenthalte abhängt, sind Zeiträume außer Betracht zu lassen, in denen sich das Kind vor dem Beginn oder nach dem Ende des Studiums ausschließlich im Inland aufhält.

Eine vorübergehende räumliche Trennung vom Wohnort steht der Beibehaltung eines Wohnsitzes nicht entgegen. Allein die mit einer Unterbringung in einem Studentenwohnheim verbundene räumliche Trennung von den Eltern bedingt keine Auflösung der familiären Bindungen und bringt keine Verlagerung des Schwerpunkts der Lebensverhältnisse an den Ort des Studiums mit sich. Am Studienort oder in der Nähe des Studienortes in einem möblierten Zimmer oder Studentenheim wohnende Studenten behalten ihren Wohnsitz bei den Eltern, soweit durch die auswärtige Unterbringung ihre Bindung zum Elternhaus bestehen bleibt. Dabei sind von der Rechtsprechung Zeiträume von drei bis fünf Jahren als unbedenklich angesehen worden (Urteil des FG München vom 13.03.2014 5 K 3450/12, juris).

e) Bei von vornherein auf mehr als ein Jahr angelegten Auslandsaufenthalten reichen kurzzeitige Besuche und sonstige kurzfristige Aufenthalte zu Urlaubs-, Berufs- oder familiären Zwecken, die nicht einem Aufenthalt mit Wohncharakter gleichkommen und daher nicht „zwischenzeitliches Wohnen“ in der bisherigen Wohnung bedeuten, nicht dazu aus, um die Aufrechterhaltung des Inlandswohnsitzes anzunehmen. Zum einen müssen die objektiven Wohnverhältnisse so geartet sein, dass sie die Möglichkeit eines längeren Wohnens des Kindes in der Wohnung der Eltern bieten. Zum anderen darf die Anwesenheit des Kindes in der elterlichen Wohnung nicht nur Besuchscharakter haben, wie das bei Aufenthalten von jeweils zwei bis drei Wochen pro Jahr der Fall ist.

Dient ein Auslandsaufenthalt ausschließlich der Durchführung einer bestimmten Maßnahme wie einem Studium, ist er deshalb von vornherein zeitlich beschränkt, und hat der Betroffene die Absicht, nach dem Abschluss der Maßnahme wieder an den bisherigen Wohnort oder gar in die elterliche Wohnung zurückzukehren, reicht dies allein jedoch nicht dafür aus, um vom Fortbestand des bisherigen Wohnsitzes während des Auslandsaufenthalts auszugehen. Die Feststellung der Rückkehrabsicht besagt grundsätzlich nichts darüber, ob der Inlandswohnsitz während des vorübergehenden Auslandsaufenthaltes beibehalten oder aber aufgegeben und nach der Rückkehr neu begründet wird. Der Inlandswohnsitz wird in solchen Fällen nur dann beibehalten, wenn der Betroffene entweder seinen Lebensmittelpunkt weiterhin am bisherigen Wohnort hat (keine Wohnsitzbegründung am Ort des Auslandsaufenthalts) oder er zwar keinen einheitlichen Lebensmittelpunkt mehr hat, er aber nunmehr über zwei Schwerpunkte der Lebensverhältnisse (zwei Wohnsitze) verfügt, von denen einer am bisherigen Wohnort liegt (vgl. BFH-Urteil vom 28.04.2010 III R 52/09, BFHE 229, 270, BStBl II 2010, 1013).

2. Unter Berücksichtigung vorstehender Rechtsgrundsätze hat im vorliegenden Fall der Sohn des Klägers seinen Wohnsitz im Inland auch über den September 2013 hinaus beibehalten.

a) Der Aufenthalt von S während des Sprachkurses war zunächst auf dessen Dauer vom 10.09.2012 bis 15.07.2013 ausgelegt, da das weitere Vorgehen vom Erfolg des Sprachkurses abhing. Für diesen Zeitraum stellte sich die Frage, ob der Inlandswohnsitz beibehalten wurde, noch nicht. Der sich daran anschließende Auslandsaufenthalt von S diente einem auf vier Jahre angelegten Studium und war von vornherein auf eine gewisse Zeitdauer befristet. Erst für dieses Studium stellt sich die Frage, ob der Inlandswohnsitz beibehalten wurde. Deutlich wird dies, da S sofort nach Beendigung des Sprachkurses nach Deutschland zurückkehrte und sich vom 15.07. bis 30.08.2013 in Deutschland aufhielt. Erst zum Studium kehrte er nach Peking zurück.

b) Der Inlandsaufenthalt des Sohnes des Klägers in den Sommerferien 2014 ist bei der beabsichtigten Studiendauer jedenfalls in der Anfangsphase des Studiums, also nach zehn Monaten, ausreichend, um von einem Wohnen und nicht von reinen Besuchsaufenthalten in Deutschland auszugehen. Der Sohn des Klägers hat die länger dauernden Sommerferien bei seinen Eltern verbracht. Eine Rückkehr auch während der kürzeren Winterferien 2014 ist im vorliegenden Fall allein aus finanziellen Gründen – und nicht etwa aufgrund einer familiären oder sonstigen Einbindung in China – unterblieben. Die Rückkehr in den Winterferien 2014 war zumindest in der Anfangsphase des Studiums im Hinblick auf die große Entfernung zwischen Peking und dem Wohnsitz der Eltern, die erheblichen Flugkosten und den für eine solche Reise erforderlichen Zeitaufwand nach Überzeugung des Senats nicht zwingend erforderlich.

c) Der Senat hält es durchaus für möglich, dass die zeitlichen Anforderungen an die Inlandsaufenthalte im Laufe eines längeren Studiums zunehmen können. Im vorliegenden Fall ist über den Kindergeldanspruch für die Zeit von September 2013, also dem Studienbeginn, bis zum März 2014, also dem Monat, in dem die Einspruchsentscheidung ergangen ist, zu entscheiden. Auch unter Berücksichtigung des vorangegangenen Sprachkurses in China handelt es sich immer noch um ein gerade erst begonnenes Auslandsstudium. Gründe für einen so frühzeitigen Verlust des inländischen Wohnsitzes kann der Senat nicht erkennen. Diese Einschätzung wird dadurch bestätigt, dass der Sohn des Klägers bereits im Januar 2015 wieder nach Deutschland kommen und offenbar künftig auch die Winterferien in Deutschland verbringen wird.

d) Auch die Art der Unterbringung spricht aus Sicht des Senats für ein weiteres Innehaben einer inländischen Wohnung. Der Sohn des Klägers verfügt in der Wohnung seiner Eltern, in der auch sein Bruder lebt, über ein eigenes Zimmer. In China hingegen steht ihm lediglich ein Platz in einem Wohnheim zur Verfügung, der von vornherein nur zur Unterbringung der notwendigsten Kleidungsstücke und Unterrichtsmaterialen geeignet ist.

e) Unerheblich ist, dass der Kläger und sein Sohn zwar deutsche Staatsbürger sind, es sich bei China aber um das Herkunftsland des Klägers handelt. Verwandte, bei denen der Sohn des Klägers wohnen könnte, sind in Peking nicht vorhanden. Die Wahl Chinas als Studienland ist bei einem entsprechenden Migrationshintergrund durchaus nahliegend. Bei im Ausland Studierenden besteht jedoch unabhängig hiervon immer die Möglichkeit, dass diese aufgrund sich dort bietender beruflicher Perspektiven oder aufgrund der Wahl eines ausländischen Ehepartners nicht dauerhaft nach Deutschland zurückkehren. Dies ändert nach Auffassung des Senats aber nichts daran, dass während des Studiums – insbesondere im ersten Jahr – die zunächst noch enge Bindung an das Elternhaus beibehalten wird und sich erst allmählich lockert. Verglichen mit den häufig wechselnden Kontakten am Studienort haben die Bindungen im elterlichen Wohnort jedenfalls in der Anfangsphase des Studiums dauerhafteren und daher gewichtigeren Charakter.

Der Sohn des Klägers hat daher weiterhin im Inland eine Wohnung unter Umständen innegehabt, die auf eine dauerhaft künftige Nutzung schließen lassen, und seinen Wohnsitz daher in Deutschland. Der Kläger hat somit Anspruch auf Kindergeld ab September 2013.

Die Aufhebung der Festsetzung und die Rückforderung des für September und Oktober 2013 gezahlten Kindergeldes sind daher rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten.

Der Bescheid vom 22.01.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.03.2014 war daher aufzuheben und die zur Weiterzahlung des Kindergeldes ab September 2013 zu verpflichten.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

III. Die Revision ist zuzulassen, weil die Rechtssache aufgrund der Vielzahl ähnlicher Fälle grundsätzliche Bedeutung i. S. d. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO hat. Außerdem besteht im Hinblick auf die Zulassung der Revision im Verfahren III R 10/14 durch den Bundesfinanzhof das Erfordernis der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.

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(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu
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(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

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published on 13/03/2014 00:00

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger. Tatbestand I. Der verheiratete Kläger stammt aus der Türkei, besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit und hat drei Töchter, A.,
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Tenor Das Verfahren wird bezüglich der Festsetzung des kindergeldbezogenen Entgeltbestandteils als Besitzstandszulage gemäß § 11 TVÜ-L eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen..
published on 23/06/2015 00:00

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 23. Oktober 2014  6 K 441/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Annotations

(1)1Das Kindergeld nach § 62 wird von den Familienkassen durch Bescheid festgesetzt und ausgezahlt.2Die Auszahlung von festgesetztem Kindergeld erfolgt rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist.3Der Anspruch auf Kindergeld nach § 62 bleibt von dieser Auszahlungsbeschränkung unberührt.

(2)1Soweit in den Verhältnissen, die für den Anspruch auf Kindergeld erheblich sind, Änderungen eintreten, ist die Festsetzung des Kindergeldes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben oder zu ändern.2Ist die Änderung einer Kindergeldfestsetzung nur wegen einer Anhebung der in § 66 Absatz 1 genannten Kindergeldbeträge erforderlich, kann von der Erteilung eines schriftlichen Änderungsbescheides abgesehen werden.

(3)1Materielle Fehler der letzten Festsetzung können durch Aufhebung oder Änderung der Festsetzung mit Wirkung ab dem auf die Bekanntgabe der Aufhebung oder Änderung der Festsetzung folgenden Monat beseitigt werden.2Bei der Aufhebung oder Änderung der Festsetzung nach Satz 1 ist § 176 der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden; dies gilt nicht für Monate, die nach der Verkündung der maßgeblichen Entscheidung eines obersten Bundesgerichts beginnen.

(4) (weggefallen)

(1)1Als Kinder werden berücksichtigt

1.
Kinder im Sinne des § 32 Absatz 1,
2.
vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommene Kinder seines Ehegatten,
3.
vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommene Enkel.
2§ 32 Absatz 3 bis 5 gilt entsprechend.3Voraussetzung für die Berücksichtigung ist die Identifizierung des Kindes durch die an dieses Kind vergebene Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung).4Ist das Kind nicht nach einem Steuergesetz steuerpflichtig (§ 139a Absatz 2 der Abgabenordnung), ist es in anderer geeigneter Weise zu identifizieren.5Die nachträgliche Identifizierung oder nachträgliche Vergabe der Identifikationsnummer wirkt auf Monate zurück, in denen die Voraussetzungen der Sätze 1 bis 4 vorliegen.6Kinder, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, haben, werden nicht berücksichtigt, es sei denn, sie leben im Haushalt eines Berechtigten im Sinne des § 62 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe a.7Kinder im Sinne von § 2 Absatz 4 Satz 2 des Bundeskindergeldgesetzes werden nicht berücksichtigt.

(2) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu bestimmen, dass einem Berechtigten, der im Inland erwerbstätig ist oder sonst seine hauptsächlichen Einkünfte erzielt, für seine in Absatz 1 Satz 3 erster Halbsatz bezeichneten Kinder Kindergeld ganz oder teilweise zu leisten ist, soweit dies mit Rücksicht auf die durchschnittlichen Lebenshaltungskosten für Kinder in deren Wohnsitzstaat und auf die dort gewährten dem Kindergeld vergleichbaren Leistungen geboten ist.

Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.

(1) Für die Besteuerung natürlicher Personen nach dem Einkommen und Vermögen ist das Finanzamt örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines Wohnsitzes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Wohnsitzfinanzamt). Bei mehrfachem Wohnsitz im Geltungsbereich des Gesetzes ist der Wohnsitz maßgebend, an dem sich der Steuerpflichtige vorwiegend aufhält; bei mehrfachem Wohnsitz eines verheirateten oder in Lebenspartnerschaft lebenden Steuerpflichtigen, der von seinem Ehegatten oder Lebenspartner nicht dauernd getrennt lebt, ist der Wohnsitz maßgebend, an dem sich die Familie vorwiegend aufhält. Für die nach § 1 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes und nach § 1 Abs. 2 des Vermögensteuergesetzes unbeschränkt steuerpflichtigen Personen ist das Finanzamt örtlich zuständig, in dessen Bezirk sich die zahlende öffentliche Kasse befindet; das Gleiche gilt in den Fällen des § 1 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes bei Personen, die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes erfüllen, und in den Fällen des § 1a Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes.

(2) Liegen die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht vor, so ist das Finanzamt örtlich zuständig, in dessen Bezirk sich das Vermögen des Steuerpflichtigen und, wenn dies für mehrere Finanzämter zutrifft, in dessen Bezirk sich der wertvollste Teil des Vermögens befindet. Hat der Steuerpflichtige kein Vermögen im Geltungsbereich des Gesetzes, so ist das Finanzamt örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Tätigkeit im Geltungsbereich des Gesetzes vorwiegend ausgeübt oder verwertet wird oder worden ist. Hat ein Steuerpflichtiger seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes aufgegeben und erzielt er im Jahr des Wegzugs keine Einkünfte im Sinne des § 49 des Einkommensteuergesetzes, ist das Finanzamt örtlich zuständig, das nach den Verhältnissen vor dem Wegzug zuletzt örtlich zuständig war.

(3) Gehören zum Bereich der Wohnsitzgemeinde mehrere Finanzämter und übt ein Steuerpflichtiger mit Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder freiberuflicher Tätigkeit diese Tätigkeit innerhalb der Wohnsitzgemeinde, aber im Bezirk eines anderen Finanzamts als dem des Wohnsitzfinanzamts aus, so ist abweichend von Absatz 1 jenes Finanzamt zuständig, wenn es nach § 18 Abs. 1 Nr. 1, 2 oder 3 für eine gesonderte Feststellung dieser Einkünfte zuständig wäre. Einkünfte aus Gewinnanteilen sind bei Anwendung des Satzes 1 nur dann zu berücksichtigen, wenn sie die einzigen Einkünfte des Steuerpflichtigen im Sinne des Satzes 1 sind.

(4) Steuerpflichtige, die zusammen zu veranlagen sind oder zusammen veranlagt werden können, sind bei Anwendung des Absatzes 3 so zu behandeln, als seien ihre Einkünfte von einem Steuerpflichtigen bezogen worden.

(5) Durch Rechtsverordnung der Landesregierung kann bestimmt werden, dass als Wohnsitzgemeinde im Sinne des Absatzes 3 ein Gebiet gilt, das mehrere Gemeinden umfasst, soweit dies mit Rücksicht auf die Wirtschafts- oder Verkehrsverhältnisse, den Aufbau der Verwaltungsbehörden oder andere örtliche Bedürfnisse zweckmäßig erscheint. Die Landesregierung kann die Ermächtigung auf die für die Finanzverwaltung zuständige oberste Landesbehörde übertragen.

(6) Das Bundesministerium der Finanzen kann zur Sicherstellung der Besteuerung von Personen, die nach § 1 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes beschränkt steuerpflichtig sind und Einkünfte im Sinne von § 49 Abs. 1 Nr. 7 und 10 des Einkommensteuergesetzes beziehen, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates einer Finanzbehörde die örtliche Zuständigkeit für den Geltungsbereich des Gesetzes übertragen. Satz 1 gilt auch in den Fällen, in denen ein Antrag nach § 1 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes gestellt wird.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.