Finanzgericht Hamburg Urteil, 17. Mai 2017 - 4 K 55/15
Gericht
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt Erlass von nacherhobenem Antidumpingzoll und Drittlandszoll.
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Die Klägerin meldete in der Zeit vom 30.07.2012 bis 05.10.2012 mit insgesamt sechs Zollanmeldungen Aluminiumheizkörper, die sie von dem in Malaysia ansässigen Unternehmen mit der Firma "A ..." (im Folgenden: Firma A) erworben hatte, unter der Position 7616 9910 910 mit einem Gesamtzollwert von rund € ... zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr mit steuerbefreiender Lieferung an. Unter Hinweis auf Ursprungszeugnisse nach Formblatt A, die vom malaysischen Ministry of International Trade and Industry (im Folgenden: MITI) ausgestellt worden waren und einen Ursprung der Ware in Malaysia bescheinigen, beantragte die Klägerin die Anwendung eines Präferenzzollsatzes. Im Einzelnen handelt es sich um die folgenden Zollanmeldungen:
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Zollanmeldung
Datum
Container
Ursprungszeugnis
1
AT/C/42/...-1
30.07.12
H...-1,
KL2012/...-1 v.
F...-2,
28.06.12
T...-3
2
AT/C/42/...-2
30.07.12
C...-4,
KL2012/...-2 v.
G...-5,
21.06.12
H...-6,
H...-7
3
AT/C/42/...-3
09.08.12
F...-8,
KL2012/...-3 v
H...-9
13.07.12
4
AT/C/42/...-4
28.08.12
H...-10,
KL2012/...-4 v.
C...-11,
13.08.12
G...-12
5
AT/C/42/...-5
19.09.12
F...-13,
KL2012/...-5 v.
T...-14,
22.08.12
G...-15
6
AT/C/42/...-6
05.10.12
H...-16,
KL2012/...-6 v.
G...-17,
03.09.12
F...-18
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Die Ursprungszeugnisse enthalten in Feld 12 eine Erklärung des Ausführers, dass die Ware in Malaysia produziert worden sei, und in Feld 11 die Erklärung des MITI, dass "on the basis of control carried out" bestätigt werde, dass die Erklärung des Ausführers zutreffend sei.
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Das Zollamt nahm die Zollanmeldungen an und erteilte anmeldungsgemäße Einfuhrabgabenbescheide unter Anwendung des Zollsatzes von 2,5% für Waren mit Ursprung aus Malaysia.
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Nach Hinweisen auf eine mögliche Umgehung von Antidumpingzollmaßnahmen unternahm das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) vom 14. bis 18.01.2013 eine Missionsreise nach Malaysia. Aufgrund der dort gewonnenen Erkenntnisse dehnte es seine Untersuchungen auf die hier in Rede stehenden Aluminiumheizkörper aus. Mit Bericht vom 07.05.2013 (THOR 11467) teilte es den Mitgliedstaaten die Ergebnisse der Umgehungsmaßnahmen im Hinblick auf Aluminiumheizkörper mit (...). Nach Auswertung der Daten über Ein- und Ausgänge von Waren aus der malaysischen "Free Commercial Zone Port Klang" (Freizone) sei festgestellt worden, dass die hier in Rede stehenden Aluminiumheizkörper aus der Volksrepublik (VR) China in die Freizone verschifft und von dort nach Umladung ohne weitere Be- oder Verarbeitung ins EU-Zollgebiet exportiert wurden.
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Der Beklagte erhob mit dem Einfuhrabgabenbescheid vom 04.11.2013 (AT/S/00/...) Zoll in Höhe von insgesamt € ... nach. Im Einzelnen handelt es sich um die Differenz zwischen dem Drittlandszollsatz von 6 % und dem ursprünglich angewandten Präferenzzollsatz von 2,5 % in Höhe von ... € sowie 61,4% Antidumpingzoll in Höhe von ... €. Grund für die Nacherhebung sei, dass die Heizkörper ihren Ursprung in der VR China hätten. Von dort aus seien sie nach Malaysia verschifft und nach Umladung ohne weitere Be- oder Verarbeitung ins EU-Zollgebiet ausgeführt worden. Die vorgelegten Ursprungszeugnisse könnten nicht anerkannt werden.
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Mit Schreiben vom 16.01.2013 legte die Klägerin Einspruch gegen den Einfuhrabgabenbescheid ein und beantragte hilfsweise Erlass der Einfuhrabgaben. Mit Schreiben vom 21.02.2014 begründete sie insbesondere den Erlassantrag nach Art. 239 ZK. Es komme ein Erlass nach Art. 900 Buchst. j und k ZKDVO in Betracht. Die Normen seien analog anzuwenden, weil hier eine wirtschaftliche Unmöglichkeit der Warenverwertung gegeben sei. Die Klägerin könne den Antidumpingzoll nicht auf den Verkaufspreis aufschlagen. Sie habe weder in betrügerischer Absicht noch offensichtlich fahrlässig gehandelt. Bei Bestellung der Ware bei der Firma A habe es keine Anhaltspunkte gegeben, dass die Heizkörper nicht in Malaysia, sondern in der VR China produziert würden. Die gesamte Bestellung sei darauf ausgerichtet gewesen, dass die Heizkörper in Malaysia hergestellt würden, und die Klägerin deshalb den Präferenzzollsatz in Anspruch nehmen könne. Von einer vermeintlich betrügerischen Abwicklung des Geschäfts habe die Klägerin nichts ahnen können. Genauso wenig habe sie gewusst, dass Malaysia ein Umschlagsort für Heizkörper aus China sei. Der Erlass sei nicht durch Art. 904 Buchst. c ZKDVO ausgeschlossen. Zwar sei die Klägerin Opfer unrichtiger Präferenzpapiere geworden. Der Erlassantrag werde jedoch nicht darauf, sondern auf die zivilrechtliche Vertragswidrigkeit der gelieferten Heizkörper gestützt.
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Mit Schreiben vom 07.05.2014 begründete die Klägerin ihren Antrag auf Erlass nach Art. 239 ZK weiter. Sie habe keinen direkten Kontakt zu dem malaysischen Lieferanten A gehabt. Der Vorschlag mit den malaysischen Heizkörpern habe von einer Zollagentur gestammt, mit der die Klägerin seit vier bis fünf Jahren sehr gut zusammengearbeitet habe. Diese Agentur habe ihr versichert, Heizkörper aus Malaysia mit malaysischem Ursprung besorgen zu können. Sie habe dieser Agentur blind vertraut und habe unter hohem Zeitdruck das Geschäft abschließen müssen, um ein bereits gemachtes Sonderangebot für einen Kunden einhalten zu können. Der Spediteur/Frachtführer hafte wegen seiner hohen Expertise unter Anwendung des Rechtsgedankens aus Art. 11 CMR und §§ 413, 454 HGB. Daher könne der Klägerin keine betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit vorgeworfen werden. Es handele sich vielmehr um einen Arbeitsfehler. Außerdem lägen besondere Umstände vor. Wenn das MITI die Ursprungsangaben der Firma A auf Plausibilität überprüft hätte, hätte es kein Ursprungszeugnis ausstellen dürfen. Diese Verfehlung könne der Klägerin nicht zur Last gelegt werden. Der Beklagte müsse beweisen, dass dem MITI kein Fehlverhalten vorgeworfen werden könne, und ob der Ausführer falsche Angaben gegenüber dem MITI gemacht habe. Dies ergebe sich aus der EuGH-Entscheidung Beemsterboer (Rs. C-293/04). Der Schutzzweck der Antidumpingmaßnahme sei durch die Einfuhr der Heizkörper nicht beeinträchtigt, da die Klägerin nicht die günstigsten Preise anbieten könne und nur eine untergeordnete Marktposition habe.
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Mit Bescheid vom 09.10.2014 lehnte der Beklagte den Antrag auf Erlass gem. Art. 239 ZK ab. Art. 900 Buchst. j ZKDVO sei nicht einschlägig, da die eingeführten Heizkörper bestimmungsgemäß verwendet worden seien. Art. 900 Buchst. k ZKDVO sei ebenfalls nicht erfüllt, weil ein Antidumpingzoll keine Maßnahme sei, die die vorgesehene Verwendung der Waren unmöglich mache. Der Erlass nach Art. 900 Buchst. f-n ZKDVO sei schon deshalb nicht möglich, weil die Ware nicht unter zollamtlicher Überwachung aus der Union wieder ausgeführt worden sei. Auch ein Erlass nach der Generalklausel des Art. 239 Abs. 1, 2. Anstricht ZK komme nicht in Betracht. Insbesondere die Tatsache, dass sich Unterlagen im Nachhinein als falsch erwiesen, gehöre zum normalen Geschäftsrisiko des Zollanmelders. Ein umsichtiger Wirtschaftsbeteiligter müsse die Risiken des Marktes, auf dem er tätig sei, berücksichtigen und im Rahmen seiner vertraglichen Beziehungen die notwendigen Vorkehrungen treffen. In Art. 904 ZKDVO seien derartige Gründe, die als normales Berufs- bzw. Geschäftsrisiko zu betrachten seien, aufgelistet. Ein Erlass komme nicht in Betracht, wenn er darauf gestützt werde, dass gutgläubig Ursprungszeugnisse vorgelegt worden seien, die sich nachträglich als falsch herausgestellt hätten. Die Fälle, auf die sich die Klägerin in ihrem Schreiben vom 07.05.2014 bezogen habe, unterschieden sich vom vorliegenden Fall dadurch, dass die ausstellenden Behörden gewusst hätten oder hätten wissen müssen, dass die Voraussetzungen für die Bescheinigungen nicht erfüllt gewesen seien. Dies lasse sich hier gerade nicht feststellen. Es läge kein Vertrauensschutz begründender Irrtum einer Behörde vor.
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Gegen den ablehnenden Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 07.11.2014 Einspruch ein, den sie mit Schreiben vom 11.12.2014 begründete. Nach der Rechtsprechung des EuG (Urteil vom 18.03.2000, T-290/97, Rn. 77) könne auch die Unbilligkeit der Nacherhebung ein besonderer Umstand darstellen. Außerdem sei die Sachlage unklar, weil man nicht wisse, ob das MITI von der Unrichtigkeit der Erklärung des Ausführers gewusst habe oder hätte wissen müssen. Der Beklagte müsse beweisen, dass die ausländische Behörde keinen Fehler gemacht habe. Die Abgabenerhebung aufgrund einer unklaren Sachlage wäre unbillig. Aus dem Urteil des EuGH vom 27.06.1991, C-348/89, Rn. 29 f, ergebe sich, dass ein gutgläubiger Wirtschaftsbeteiligter geschützt werden müsse. Die Klägerin habe berechtigterweise auf die Angaben des malaysischen Ausführers vertrauen dürfen, weil sie keinerlei Anhaltspunkte dafür gehabt habe, dass die Heizkörper keinen malaysischen Ursprung haben könnten. Aus dem Schreiben der Firma A vom 30.04.2012 ergebe sich die Gutgläubigkeit der Klägerin. Darin habe sie bestätigt, dass die Heizkörper in Malaysia produziert würden und sie das benötigte Aluminium hierfür einkaufen werde.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 26.02.2015 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Hinsichtlich der Katalogtatbestände des Art. 900 ZKDVO wiederholt er seine Ausführungen aus dem ablehnenden Bescheid. Auch ein Erlass nach der Generalklausel des Art. 239 Abs. 1, 2. Anstrich ZK komme nicht in Betracht. Das Vertrauen der Klägerin auf den malaysischen Ursprung der Heizkörper sei gem. Art. 904 ZK-DVO nicht geschützt.
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Zwar könnte ein schwerwiegendes Fehlverhalten der Zollbehörden einen besonderen Umstand begründen. Im EuGH-Verfahren C-222/01 sei jedoch die Zollschuldentstehung auf betrügerische Machenschaften eines als verdeckten Ermittler tätig gewordenen Zollfahndungsbeamten zurückzuführen. Ein ähnlich gelagertes Fehlverhalten der Zollbehörden habe die Klägerin nicht vorgetragen. Auch die angeblich unklare Sachlage führe nicht zum Erlass. Zunächst sei zwischen dem Antidumpingzoll und dem Drittlandszoll zu unterscheiden. Antidumpingzollrechtlich komme es nicht auf dem Präferenzstatus der Ware, sondern lediglich auf ihren außenwirtschaftlichen Ursprung an. Durch die spezifische Form der Abwicklung von Ein- und Ausfuhren aus der Freizone hätten die Container, die die Klägerin eingeführt habe, eindeutig als über Malaysia umgeleitete chinesische Ausfuhren identifiziert werden können.
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Hinsichtlich der Zollpräferenzen gelte grundsätzlich, dass Einfuhrabgaben nicht erlassen würden, wenn die einzige Begründung für den Antrag darin bestehe, dass der Einführer gutgläubig Präferenzpapiere vorgelegt habe, die sich später als unrichtig erwiesen hätten. Allerdings könne eine schwerwiegende Verfehlung der zuständigen Zollbehörden oder der Kommission einen besonderen Umstand i. S. v. Art. 239 ZK begründen. Das Handeln drittländischer Zollbehörden könne einen solchen Umstand begründen, wenn sie gewusst hätten oder hätten wissen müssen, dass die ausgestellten Bescheinigungen inhaltlich unrichtig seien. Hierfür gebe es jedoch keinerlei Anhaltspunkte. Die Daten, die zur Aufdeckung des Betrugs geführt hätten, seien von der malaysischen Hafenbehörde erhoben worden. Hinweise auf ein Fehlverhalten des MITI, das bei der OLAF-Ermittlung aktiv mitgewirkt habe, seien nicht erkennbar. In Ziff. Nr. 4 des Abschlussberichts zu OF/2012/0522/B1 habe OLAF festgestellt, dass keine Informationen vorlägen, die den Schluss nahelegten, die malaysischen Behörden hätten gewusst oder wissen müssen, dass die betreffenden Waren nicht die Ursprungskriterien erfüllten. Der Beklagte habe durch den Abgleich der ZB1- und ZB2-Daten bewiesen, dass der Ausführer unzutreffende Angaben gegenüber dem MITI gemacht habe. Der Abgabenschuldner müsse den ihm günstigen Umstand darlegen und beweisen, dass der ausstellenden Behörde die fehlende Ursprungseigenschaft bekannt gewesen sei bzw. offensichtlich hätte bekannt sein müssen.
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Mit der am 23.03.2015 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie wiederholt ihren Vortrag aus dem Einspruchsverfahren und führt ergänzend aus: Es sei unklar, wer für die Ausstellung des unrichtigen Präferenzpapiers ein Mitverschulden trage. Nach der Rechtsprechung des EuGH trage der Beklagte die Beweislast dafür, dass die ausländische Behörde keinen Fehler gemacht habe. Der Beklagte hätte aufgrund der OLAF-Untersuchungen ein Nachprüfungsersuchen nach Art. 97t ZK-DVO einleiten müssen, um herauszufinden, wie die unrichtigen Ursprungszeugnisse zu Stande gekommen seien. Dass sie dies pflichtwidrig unterlassen habe, stelle einen besonderen Umstand dar. Nach den REM-Entscheidungen der Kommission 25/00, 27/00, 33/00 und 35/00 vom 29.10.2001 (Abs. 22 ff.) ergebe sich, dass auch in Fällen, in denen der Ausführer gegenüber der Zollbehörde falsche Angaben gemacht habe, ein besonderer Umstand i. S. v. Art. 239 ZK vorliegen könne. Aus dem OLAF-Bericht ergebe sich, dass die malaysischen Behörden ein Mitverschulden an der Ausstellung der unrichtigen Ursprungszeugnisse treffe, weil die Zusammenarbeit vor Ort zwischen dem MITI, den malaysischen Zollbehörden und der Hafenbehörde in Port Klang offensichtlich unzureichend gewesen sei. Gerade auf eine solche unzureichende Zusammenarbeit habe die Kommission in Rn. 25 und 27 der genannten REM-Entscheidungen einen besonderen Umstand gesehen.
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Der Beklagte habe den chinesischen Ursprung auch deshalb nicht bewiesen, weil sich im OLAF-Bericht lediglich entnehmen lasse, dass die Waren aus China nach Malaysia verschifft worden seien. Dies reiche nicht als Beleg für den chinesischen Ursprung.
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Bei Ausstellung der Ursprungszeugnisse, um die es hier gehe, sei dem MITI hier bereits bekannt gewesen, dass es zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei. Gerade deshalb träfe es ein Mitverschulden.
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Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 09.10.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.02.2015 zu verpflichten,
1. ihr auf ihren Erstattungsantrag gem. Art. 239 Abs. 1, 1. Anstrich ZK Antidumpingzoll und Drittlandszoll in Höhe von ... € zu erlassen;
2. hilfsweise, ihren Erstattungsantrag gemäß Art. 239 Abs. 1, 2. Anstrich ZK i. V. m. Art. 905 Abs. 1 ZKDVO der Europäischen Kommission zur Entscheidung vorzulegen.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Er bezieht sich auf die Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass das Ursprungszeugnis nur im Hinblick auf den Präferenzzollsatz von Bedeutung sein könne. Hinsichtlich des nichtpräferentiellen Ursprungs der Waren, der für die Anwendung des Antidumpingzolls relevant sei, hätten ausländische Behörden keine Aufgaben zu erfüllen, so dass die Zollbehörden der Mitgliedstaaten nicht an Ursprungszeugnisse gebunden sind. Aus den vorgelegten Unterlagen insbesondere den malaysischen Zollanmeldungen gehe eindeutig hervor, dass die Ware aus der VR China stamme.
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Für eine schwerwiegende Verfehlung des MITI, die im Rahmen von Art. 239 ZK berücksichtigt werden könnte, gebe es keine Anhaltspunkte. Die ausstellende Behörde des präferentiellen Ursprungszeugnisses sei nicht verpflichtet, über eine Schlüssigkeitsprüfung der Angaben des Ausführers hinaus weitere eigene Ermittlungen anzustellen. Es sei nichts dafür ersichtlich, dass das MITI wusste oder hätte wissen müssen, dass die Waren die Voraussetzungen für die Erteilung des Ursprungszeugnisses nicht erfüllten. Zwar hätten die malaysischen Behörden Kenntnis von dem Verfahren OF/2012/0117 gehabt. In jenem Verfahren sei es jedoch um andere Waren und andere malaysische Unternehmen gegangen. Es gebe keine Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten des MITI. Es habe mit OLAF kooperiert und mehrere Datensätze aus den Datenbanken der malaysischen Zollbehörden und der Freizone zusammengestellt und an OLAF übermittelt. Erst hierdurch sei es möglich gewesen, den Containerlauf nachzuvollziehen. Ohnehin greife der Ausschlusstatbestand des Art. 904 Buchst. c ZKDVO, weil sich die Klägerin auf die Unrichtigkeit des Ursprungszeugnisses stütze. Unerheblich sei, ob der Schutzzweck des Antidumpingzolls durch die Einfuhren beeinträchtigt worden sei.
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Bei der Entscheidung hat die Sachakte des Beklagten (2 Ordner mit 696 S.) vorgelegen, auf deren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Verpflichtungsklage hat auf der Grundlage des anwendbaren Rechts (dazu I.) weder mit dem Haupt- (dazu II.) noch mit dem Hilfsantrag (dazu III.) Erfolg.
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I.
Die Beurteilung des Rechtsstreits richtet sich nach den Vorschriften des Zollkodex.
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Zwar ist bei Verpflichtungsklagen (§ 101 FGO), die - wie hier - auf eine gebundene Entscheidung gerichtet sind, grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen (BFH, Urt. v. 06.08.2013, VII R 15/12, juris Rn. 10; Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, 138. EL Okt. 2014, § 101 FGO Rn. 8 m. w. N.; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, 226. EL Febr. 2014, § 101 FGO Rn. 25 m. w. N.). Dies gilt allerdings dann nicht, wenn sich aus dem materiellen Recht eine andere Wertung ergibt (BFH, Urt. v. 06.08.2013, VII R 15/12, juris Rn. 10). Dies ist hier der Fall.
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Auch wenn mit Wirkung zum 01.05.2016 die Verordnung (EU) Nr. 952/2013 vom 09.10.2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269/1, berichtigt durch ABl. 2016 L 267/2; Unionszollkodex - UZK) vollständig in Kraft getreten und zeitgleich die Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12.10.1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. EG L 302/1; Zollkodex - ZK) aufgehoben wurde (Art. 286 Abs. 2 i. V. m. Art. 288 Abs. 2 UZK), finden auf den vorliegenden Rechtsstreit die Art. 239 ZK sowie die entsprechenden Vorschriften der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 02.07.1993 mit Durchführungsvorschriften zum Zollkodex (ABl. L 253/1; zuletzt geändert durch Durchführungsverordnung (EU) 2015/2064 vom 17.11.2015 [ABl. L 301/12] - ZKDVO) Anwendung. Hierbei ist nach der Salumi-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Ausgangspunkt davon auszugehen, dass Verfahrensvorschriften auf alle zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens anhängigen Rechtsstreitigkeiten anwendbar sind. Materiell-rechtliche Vorschriften werden dagegen im allgemeinen so ausgelegt, dass sie für vor ihrem Inkrafttreten entstandene Sachverhalte nur gelten, wenn aus ihrem Wortlaut, ihrer Zielsetzung oder ihrem Aufbau eindeutig hervorgeht, dass ihnen eine solche Wirkung beizumessen ist (EuGH, Urt. v. 12.11.1981 verb. Rs. 212-217/80, Rn. 9 f.).
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Für die Erstattungs- bzw. Erlassvorschriften hat das Europäische Gericht Erster Instanz hinsichtlich des Übergangs von der Verordnung (EWG) 1430/79 vom 02.07.1979 über die Erstattung oder den Erlass von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben (ABl. L 175/1) zum Zollkodex entschieden, dass die materiell-rechtlichen Erstattungsvorschriften des Zollkodex erst für Einfuhren nach dessen Inkrafttreten anzuwenden sind (EuG, Urt. v. 10.5.2001, verb. Rs. T-186, 187, 190-192, 210, 211, 216-218, 279, 280, 293/97 und T-147/99, Rn. 26; siehe auch EuGH, Urt. v. 13.03.2003, C-156/00, Rn. 35 f.). Bezogen auf den Übergang vom Zollkodex zum Unionszollkodex lässt sich Letzterem, insbesondere den Art. 116 ff. UZK, nicht entnehmen, dass seine materiell-rechtlichen Vorschriften auf Einfuhren anzuwenden sind, die vor dem 01.05.2016 stattgefunden haben. Was die Verfahrensvorschriften angeht, sind sie auf alle zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Rechts anhängigen Rechtsstreitigkeiten anwendbar (EuG, Urt. v. 10.5.2001, verb. Rs. T-186, 187, 190-192, 210, 211, 216-218, 279, 280, 293/97 und T-147/99, Rn. 35; EuG, Urt. v. 09.06.1998, T-10, 11/97, Rn. 18 f. [bestätigt durch EuGH, Urt. v. 09.12.1999, C-299/98]). Entschieden wurde, dass hiervon die Verfahren erfasst werden, in denen die Anträge nach Inkrafttreten des neuen Rechts gestellt wurden. Nicht "anhängig" im Sinne dieser Rechtsprechung sind jedoch abgeschlossene Verwaltungsverfahren. Es würde nämlich keinen Sinn ergeben, Verwaltungsbehörden und Wirtschaftsbeteiligte an Verfahrensvorschriften zu messen, denen sie wegen Abschluss des Verwaltungsverfahrens im gerichtlichen Verfahren nicht mehr nachkommen können.
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II.
Die Klage ist mit dem Hauptantrag unbegründet. Die Ablehnung des beantragten Erlasses ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 FGO), weil sie keinen Anspruch auf Erstattung von... € Zoll und ... € Antidumpingzoll aus Art. 239 Abs. 1, 1. Anstrich ZK i. V. m. Art. 900 Abs. 1 ZKDVO hat.
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Nach Art. 239 Abs. 1, 1. Anstrich ZK können Einfuhrabgaben in anderen als den in den Art. 236-238 ZK genannten Fällen, die nach dem Ausschussverfahren festgelegt werden (Art. 899 ff. ZKDVO), erstattet werden. Der Beklagte ist zur Entscheidung hierüber gemäß Art. 899 Abs. 1 ZKDVO berufen.
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Die Voraussetzungen der in Art. 900 Abs. 1 ZKDVO genannten Tatbestände sind vorliegend nicht erfüllt. Unmittelbar ist - was auch die Klägerin einräumt - keiner der dort genannten Tatbestände einschlägig. Die Heizkörper können weiterhin bestimmungsgemäß verwendet werden (Buchst. j), und sie unterliegen auch keinen allgemeinen sonstigen Verwaltungsmaßnahmen (Buchst. k). Da es sich um eine abschließende Aufzählung von spezifischen Fallgruppen handelt, kommt eine entsprechende Anwendung dieser Tatbestände nicht in Betracht (FG Hamburg, Urt. v. 12.10.2016, 4 K 160/14, juris Rn. 48; vgl. Gellert in Dorsch, Zollrecht, 135. EL März 2012, Art. 239 ZK Rn. 91). Darüber hinaus ist ein Anspruch auf Erlass gemäß Art. 904 Buchst. c ZKDVO ausgeschlossen. Danach werden Einfuhrabgaben nämlich nicht erlassen, wenn die einzige für den Antrag angeführte Begründung darin besteht, dass gutgläubig Papiere zur Erlangung einer Zollpräferenzbehandlung für zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldeten Waren vorgelegt worden sind, die sich später als falsch erweisen. So liegt der Fall hier. Die Klägerin beruft sich darauf, dass sie auf die inhaltliche Richtigkeit der Ursprungszeugnisse vertraut habe. Mit dem Vortrag, der Erlassantrag werde auf die zivilrechtliche Vertragswidrigkeit der gelieferten Heizkörper gestützt, kann die Klägerin ebenfalls nicht durchdringen. Zivilrechtliche Regressansprüche mögen nicht unter die Ausschlusstatbestände von Art. 904 ZKDVO fallen. Sie erfüllen jedoch offensichtlich nicht die Voraussetzungen eines Katalogtatbestandes nach Art. 900 Abs. 1 ZKDVO.
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III.
Die Klage hat auch mit dem Hilfsantrag keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vorlage ihres Erstattungsantrags an die Europäische Kommission gemäß Art. 239 Abs. 1, 2. Anstrich ZK.
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Nach Art. 905 Abs. 1 ZKDVO, der insoweit Art. 239 Abs. 1, 2. Anstrich S. 1 ZK konkretisiert, muss es sich um einen besonderen Fall handeln, der sich aus Umständen ergibt, die nicht auf betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten zurückzuführen sind. Diese Vorschrift ist eine auf Billigkeitserwägungen beruhende Generalklausel, die andere als die praktisch am häufigsten vorkommenden Fälle, für die eine besondere Regelung (siehe oben II.) geschaffen wurde, erfassen soll (BFH, Urt. v. 24.04.2001, VII R 114/99, juris Rn. 20).
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Da die Klägerin den Erlass von Einfuhrabgaben begehrt, deren Nacherhebung sich aus den Ergebnissen gemeinschaftlicher Ermittlungen im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 515/97 ergibt und deren Höhe € ...,- übersteigt, dürfte der Beklagte über den auf Art. 239 Abs. 1, 2. Anstrich ZK gestützten Erstattungsantrag nicht selbst entscheiden, sondern wäre gemäß Art. 899 Abs. 2 Unterabs. 1 i. V. m. Art. 905 Abs. 1, 2. und 3. Anstrich ZKDVO verpflichtet, ihn der Europäischen Kommission zur Entscheidung vorzulegen. Eine solche Vorlageverpflichtung besteht schon dann, wenn der Antrag genügend Anhaltspunkte dafür bietet, dass sich der Antragsteller in einer außergewöhnlichen Situation befindet, und nicht erst in solchen Fällen, in denen das Vorliegen besonderer Umstände eindeutig zu bejahen ist (BFH, Urt. v. 24.04.2001, VII R 114/99, juris Rn. 21). Nach diesem Maßstab ist der Beklagte vorliegend nicht verpflichtet, den Erstattungsantrag der Europäischen Kommission vorzulegen. Der Erstattungsantrag bietet nicht genügend Anhaltspunkte für das Vorliegen einer außergewöhnlichen Situation. Es liegen keine besonderen Umstände vor (dazu 1.). Die Klägerin handelte auch offensichtlich fahrlässig (dazu 2.).
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1. Der Antrag bietet keine hinreichenden Anhaltspunkte für das Vorliegen besonderer Umstände. Dies ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs der Fall, wenn im Lichte des an der Billigkeit ausgerichteten Regelungszweckes des Art. 239 ZK Umstände festgestellt werden, aufgrund deren sich der Antragsteller in einer Lage befindet, die gegenüber derjenigen anderer Wirtschaftsteilnehmer, die die gleiche Tätigkeit ausüben, außergewöhnlich ist (vgl. EuGH, Urt. v. 27.09.2001, C-253/99, Rn. 56; Urt. v. 25.02.1999, C-86/97, Rn. 22). Ferner stellen die Erstattung und der Erlass von Einfuhrabgaben, die nur unter bestimmten Voraussetzungen und in den eigens dafür vorgesehenen Fällen gewährt werden können, eine Ausnahme vom gewöhnlichen Einfuhr- und Ausfuhrsystem dar, so dass die Vorschriften, die eine solche Erstattung oder einen solchen Erlass vorsehen, eng auszulegen sind (vgl. EuGH, Urt. v. 13.03.2003, C-156/00, Rn. 91; Urt. v. 11.11.1999, C-48/98, Rn. 52; EuG, Urt. v. 12.02.2004, T-282/01, Rn. 55). Besondere Umstände liegen mithin vor, wenn das normale berufliche und geschäftliche Risiko des Beteiligten überschritten wird (FG Hamburg, Urt. v. 26.06.2014, 4 K 149/13, juris Rn. 22).
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Das Vertrauen in die Gültigkeit von Ursprungszeugnissen, die sich als falsch erweisen, stellt als solches keinen besonderen Umstand dar, der den Erlass der Abgaben rechtfertigt (EuG, Urt. v. 16.04.2015, T-576/11, Rn. 62 m. w. N. aus der Rspr.). Nachträgliche Kontrollen wären nämlich zu einem großen Teil nutzlos, wenn die Verwendung solcher Zeugnisse allein einen Erlass rechtfertigen könnte. Die entgegengesetzte Lösung könnte den Wirtschaftsteilnehmern den Anreiz für sorgfältiges Vorgehen nehmen und dem öffentlichen Haushalt ein Risiko aufbürden, das in erster Linie die in der Wirtschaft Tätigen zu tragen haben (a. a. O.). Im Übrigen stellt die Nacherhebung von Zöllen, wenn Ursprungszeugnisse sich aufgrund einer nachträglichen Kontrolle als ungültig erwiesen haben, ein normales Geschäftsrisiko dar, dem jeder umsichtige und mit der Rechtslage vertraute Wirtschaftsteilnehmer Rechnung tragen muss (a. a. O., Rn. 63 m. w. N.). Beim Erlass von Antidumpingzöllen kommt hinzu, dass die Behörden eines Drittlands nicht an der Umsetzung der Antidumping-Verordnung beteiligt oder mit irgendwelchen Kontroll- oder Überwachungsaufgaben betraut sind, aufgrund derer der Abgabenschuldner davon ausgehen könnte, dass diese Behörden im Hinblick auf die unter eine solche Unionsregelung fallenden Aspekte "zuständig" seien (a. a. O., Rn. 64). Bei Anwendung dieser Grundsätze liegt hier kein besonderer Fall vor. Die malaysischen Ursprungszeugnisse haben sich als falsch erwiesen. Die von OLAF nachträglich durchgeführten Kontrollen ergaben, dass sie nicht den wahren Ursprung der Heizkörper bescheinigten, sondern die Heizkörper tatsächlich ihren Ursprung in der VR China hatten. Diese Feststellung hält der Einzelrichter für überzeugend (siehe hierzu ausführlich FG Hamburg, Urt. v. 12.05.2017, 4 K 147/15, Ziff. 1.2). Der Umstand, dass sich die Zeugnisse als inhaltlich unrichtig erwiesen haben, begründet auch vorliegend für sich genommen keinen besonderen Fall. Wenn die Klägerin sich zum Nachweis des Ursprungs der bei den Zollbehörden angemeldeten Waren auf diese Zeugnisse stützt, trifft sie eine Wahl, auf welche Weise sie ihre Pflicht erfüllt, den Zollbehörden gegenüber den Ursprung der Einfuhren nachzuweisen. Diese Wahl bringt Risiken mit sich, die der Teilnahme am Außenhandel innewohnen und daher von der Klägerin und nicht vom öffentlichen Haushalt zu tragen sind. Wären die Umstände, die die Klägerin geltend macht, für den Abgabenschuldner als ein besonderer Fall anzusehen, der den Erlass der Zölle rechtfertigt, hätten die Wirtschaftsteilnehmer keinerlei Interesse daran, sich zu vergewissern, dass die den Zollbehörden vorgelegten Anmeldungen und Dokumente zutreffend sind.
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Auch wenn man unterstellt, dass bei Ausstellung der Ursprungszeugnisse die Unterlagen vorlagen, die die Klägerin in der mündlichen Verhandlung zur Akte gereicht hat, ergibt sich keine andere Betrachtung. In diesem Fall hätte sich die Firma A die Ursprungszeugnisse durch die Vorlage von K2-Ausfuhran-meldungen erschlichen, weil - wovon der Einzelrichter aufgrund der überzeugenden Darlegung im OLAF-Bericht überzeugt ist - die Waren tatsächlich aus der Freizone kurz nach ihrer Ankunft aus der VR China ausgeführt wurden. Auch diese Umstände stellen keinen atypischen Geschehensablauf dar. Hierin hat sich vielmehr das für das Wirtschaftsleben typische Risiko verwirklicht, zum Opfer betrügerischer Machenschaften zu werden.
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Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die malaysischen Zollbehörden wussten oder hätten wissen müssen, dass die Präferenznachweise unrichtig sind. Es ist für die hier inmitten stehende Rechtsfrage auch unerheblich, ob es besser gewesen wäre, wenn das MITI auf die Daten der malaysischen Zollbehörden und/oder der Freizonenverwaltung hätte zugreifen können, um falsche Angaben der Ausführer zu erkennen. Es steht den Staaten, die Präferenzzeugnisse für die Inanspruchnahme des Allgemeinen Präferenzsystems ausstellen, nämlich frei, in welcher Form sie entsprechende Verfahren organisieren. Auch die von OLAF ermittelten Unregelmäßigkeiten bei der Ausstellung von Ursprungszeugnissen für andere Waren mussten die malaysischen Behörden nicht veranlassen, in eine vertiefte Prüfung der materiellen Voraussetzungen für die Erteilung von Ursprungszeugnissen für die hier in Rede stehenden Aluminiumheizkörper einzusteigen.
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Anders als die Klägerin meint, lässt sich aus den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen keine Hinweise für die grob fahrlässige Unkenntnis des MITI entnehmen. Zwar hat hiernach die Firma A lediglich (gefälschte) K2-Ausfuhranmeldungen vorgelegt, die für sich betrachtet nicht den malaysischen Ursprung der Ware belegen. Aus dem Genehmigungsschreiben des MITI vom 12.06.2012 (Ziff. 3 iii, iv) ergibt sich jedoch, dass die Firma A sich generell verpflichtet hat, Ursprungszeugnisse nur für Waren des eigenen Unternehmens zu beantragen und keine Transitlieferungen durchzuführen. Daher durfte das MITI ohne weitere Anhaltspunkte auch in den hier in Rede stehenden Fällen davon ausgehen, dass die Voraussetzungen des malaysischen Ursprungs erfüllt sind. Aus den Entscheidungen der Kommission REM 25, 27, 33, 35/00 vom 29.10.2001, auf die sich die Klägerin bezogen hat, folgt nichts anderes. Dort wurden besondere Umstände angenommen, weil die zuständigen türkischen Behörden, die die inhaltlich unrichtigen Bescheinigung ausgestellt hatten, jedenfalls hätten wissen müssen, dass die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt waren (Ziff. 24, 27 der Entscheidung). Dies ist - wie dargelegt - im vorliegenden Fall selbst dann anders, wenn man die Unterlagen zu Grunde legt, die die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgelegt hat.
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Für eine Anwendung der Wertungen aus dem privaten Frachtvertragsrecht, die die Klägerin angeführt hat, besteht im Rahmen einer Prüfung von Art. 239 ZK kein rechtlicher Anknüpfungspunkt. Unbeachtlich für einen Erlassantrag nach Art. 239 ZK ist auch, ob durch die konkrete Einfuhr einer Ware der Schutzzweck einer Antidumpingmaßnahme beeinträchtigt wird. Durch Erlass einer Verordnung, mit der ein Antidumpingzoll verhängt wird, trifft die EU eine generelle Entscheidung darüber, ob die Einfuhr eines bestimmten Typs von Waren die Voraussetzungen für die Verhängung eines Antidumpingzolls erfüllt. Würde man es zulassen, über den Erlass Antidumpingzölle wieder auszukehren, weil der konkrete Einfuhrpreis höher ist als der Preis, den konkurrierende Importeure zahlen, würde man die Ergebnisse des Antidumping-Untersuchungsverfahrens konterkarieren und letztlich diejenigen Importeure belohnen, die weniger erfolgreich bei Preisverhandlungen sind als andere.
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2. Die Klägerin handelte auch offensichtlich fahrlässig. Anhand welcher Kriterien das Vorliegen offensichtlich fahrlässigen Verhaltens zu bestimmen ist, hat der Europäische Gerichtshof im Urteil Söhl & Söhlke (Urt. v. 11.11.1999, C-48/98; siehe auch EuG, Urt. v. 16.04.2015, T-576/11, Rn. 95 m. w. N.) grundlegend entschieden. Danach müssen insbesondere die Komplexität der Vorschriften, deren Nichterfüllung die Zollschuld begründet, sowie die Erfahrung und die Sorgfalt des Wirtschaftsteilnehmers berücksichtigt werden (EuGH, Urt. v. 11.11.1999, C-48/98, Rn. 55). Zugleich weist der Europäische Gerichtshof darauf hin, dass der Begriff so auszulegen ist, dass die Anzahl der Fälle, in denen erstattet oder erlassen wird, begrenzt bleibt (a. a. O., Rn. 52). Bei Betrachtung dieser Gesichtspunkte muss das Verhalten der Klägerin insgesamt als offensichtlich fahrlässig bezeichnet werden. Im Einzelnen:
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2.1 Hinsichtlich der Erfahrung des Wirtschaftsteilnehmers ist zu untersuchen, ob er im Wesentlichen im Einfuhr- und Ausfuhrgeschäft tätig ist und ob er bereits über eine gewisse Erfahrung mit der Durchführung dieser Geschäfte verfügt (EuGH, Urt. v. 11.11.1999, C-48/98, Rn. 57). Nach den Angaben in der mündlichen Verhandlung ist die Klägerin seit den 1990er Jahren als Produzentin sowie im Im- und Exportgeschäft tätig. Bei den hier in Rede stehenden Einfuhren handelt es sich um die ersten dieser Art aus Malaysia.
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2.2 Die Vorschriften, um deren Einhaltung es geht, sind nicht sonderlich komplex. Die Klägerin musste lediglich in tatsächlicher Hinsicht darauf achten, dass die Heizkörper in Malaysia produziert werden.
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2.3 Die Klägerin hat ihre Sorgfaltspflicht bei der Inanspruchnahme zollrechtlicher Verfahren nicht erfüllt. Aus Art. 62 ZK folgt, dass die bei den Zollbehörden abgegebenen Anmeldungen alle Angaben und Unterlagen enthalten müssen, die zur Anwendung der Vorschriften über das Zollverfahren, zu dem die Waren angemeldet werden, erforderlich sind. Wie Art. 199 i. V. m. Anhang 37 ZKDVO erhellt, gilt die Abgabe einer vom Anmelder unterzeichneten Zollanmeldung bei einer Zollstelle als Verpflichtung hinsichtlich der Richtigkeit der in der Zollanmeldung enthaltenen Angaben und der Echtheit der beigefügten Unterlagen (EuG, Urt. v. 16.04.2015, T-576/11, Rn. 102). Vor diesem Hintergrund muss sich ein Wirtschaftsbeteiligter bei Zweifeln über die richtige Anwendung der Zollvorschriften nach Kräften informieren (EuGH, Urt. v. 11.11.1999, C-48/98, Rn. 58). Dies hat die Klägerin nicht getan, sondern - wie sie selbst vorgetragen hat - "blind darauf vertraut[t]", dass die von ihr beauftragte Zollagentur eine umfassende Prüfung durchführen würde. Dies wiegt umso schwerer, weil der Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag bei der Bestellung der Heizkörper im April 2012 bekannt war, dass bereits ein Antidumping-Untersuchungsverfahren im Hinblick auf Heizkörper aus der VR China eingeleitet worden war (siehe ABl. EU 2011 C 236/18). In Anbetracht der für eine erfahrene Wirtschaftsbeteiligte wie die Klägerin auf der Hand liegenden Möglichkeit, dass es im Zuge des Antidumping-Verfahrens auch zu Umgehungshandlungen kommen könnte, und der nicht unerheblichen Menge von insgesamt ... Heizkörpern hätte sie sich nicht mit der schlichten schriftlichen Bestätigung des Verkäufers genügen dürfen, dass Heizkörper malaysischen Ursprungs geliefert würden bzw. dass die Produktion im Malaysia stattfinde, sondern weitere Details über die Herstellung der Heizkörper erfragen müssen.
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Aus der Entscheidung des EuGH vom 27.06.1991, C-348/89, Rn. 29 f., kann die Klägerin Nichts für sich ableiten. Dort wird Bezug genommen auf die Angaben, die der Zollanmelder "vernünftigerweise kennen oder sich beschaffen [...] konnte." Es wurde bereits dargelegt, dass die Klägerin es unterlassen hat, weitere Nachforschungen anzustellen, ob die bestellten Heizkörper tatsächlich mit ursprungsbegründender Wirkung in Malaysia produziert werden.
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IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO), sind nicht gegeben.
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(1) Der Absender hat dem Frachtführer alle Urkunden zur Verfügung zu stellen und Auskünfte zu erteilen, die für eine amtliche Behandlung, insbesondere eine Zollabfertigung, vor der Ablieferung des Gutes erforderlich sind.
(2) Der Frachtführer ist für den Schaden verantwortlich, der durch Verlust oder Beschädigung der ihm übergebenen Urkunden oder durch deren unrichtige Verwendung verursacht worden ist, es sei denn, daß der Verlust, die Beschädigung oder die unrichtige Verwendung auf Umständen beruht, die der Frachtführer nicht vermeiden und deren Folgen er nicht abwenden konnte. Seine Haftung ist jedoch auf den Betrag begrenzt, der bei Verlust des Gutes zu zahlen wäre.
(1) Die Pflicht, die Versendung zu besorgen, umfaßt die Organisation der Beförderung, insbesondere
- 1.
die Bestimmung des Beförderungsmittels und des Beförderungsweges, - 2.
die Auswahl ausführender Unternehmer, den Abschluß der für die Versendung erforderlichen Fracht-, Lager- und Speditionsverträge sowie die Erteilung von Informationen und Weisungen an die ausführenden Unternehmer und - 3.
die Sicherung von Schadensersatzansprüchen des Versenders.
(2) Zu den Pflichten des Spediteurs zählt ferner die Ausführung sonstiger vereinbarter auf die Beförderung bezogener Leistungen wie die Versicherung und Verpackung des Gutes, seine Kennzeichnung und die Zollbehandlung. Der Spediteur schuldet jedoch nur den Abschluß der zur Erbringung dieser Leistungen erforderlichen Verträge, wenn sich dies aus der Vereinbarung ergibt.
(3) Der Spediteur schließt die erforderlichen Verträge im eigenen Namen oder, sofern er hierzu bevollmächtigt ist, im Namen des Versenders ab.
(4) Der Spediteur hat bei Erfüllung seiner Pflichten das Interesse des Versenders wahrzunehmen und dessen Weisungen zu befolgen.
Soweit die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Finanzbehörde aus, den begehrten Verwaltungsakt zu erlassen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.
(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.