Bundesverwaltungsgericht EuGH-Vorlage, 09. Dez. 2010 - 10 C 19/09
Gericht
Tenor
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Das Verfahren wird ausgesetzt.
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Es wird gemäß Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu folgenden Fragen eingeholt:
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1) Ist Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/83/EG dahin auszulegen, dass nicht jeder Eingriff in die Religionsfreiheit, der gegen Art. 9 EMRK verstößt, eine Verfolgungshandlung im Sinne der erstgenannten Vorschrift darstellt, sondern liegt eine schwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit als grundlegendes Menschenrecht nur dann vor, wenn ihr Kernbereich betroffen ist?
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2) Für den Fall, dass Frage 1 zu bejahen ist:
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a) Ist der Kernbereich der Religionsfreiheit auf das Glaubensbekenntnis und auf Glaubensbetätigungen im häuslichen und nachbarschaftlichen Bereich beschränkt oder kann eine Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/83/EG auch darin liegen, dass im Herkunftsland die Glaubensausübung in der Öffentlichkeit zu einer Gefahr für Leib, Leben oder physische Freiheit führt und der Antragsteller deshalb auf sie verzichtet?
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b) Falls der Kernbereich der Religionsfreiheit auch bestimmte Glaubensbetätigungen in der Öffentlichkeit umfassen kann:
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Genügt es in diesem Fall für eine schwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit, dass der Antragsteller diese Betätigung seines Glaubens für sich selbst als unverzichtbar empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren,
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oder ist außerdem erforderlich, dass die Religionsgemeinschaft, der der Antragsteller angehört, diese religiöse Betätigung als zentralen Bestandteil ihrer Glaubenslehre ansieht,
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oder können sich aus sonstigen Umständen, etwa den allgemeinen Verhältnissen im Herkunftsland, weitere Einschränkungen ergeben?
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3) Für den Fall, dass Frage 1 zu bejahen ist:
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Liegt eine begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne von Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG dann vor, wenn feststeht, dass der Antragsteller bestimmte - außerhalb des Kernbereichs liegende - religiöse Betätigungen nach Rückkehr in das Herkunftsland vornehmen wird, obwohl sie zu einer Gefahr für Leib, Leben oder physische Freiheit führen werden, oder ist es dem Antragsteller zuzumuten, auf solche künftigen Betätigungen zu verzichten?
Gründe
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I.
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Der Kläger, ein pakistanischer Staatsangehöriger, begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie hilfsweise die Feststellung eines Abschiebungsverbots in Bezug auf Pakistan.
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Der 1977 in Pakistan geborene Kläger reiste im August 2003 nach Deutschland ein und beantragte hier Asyl. Zur Begründung gab er an, er habe Pakistan verlassen, weil er der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft angehöre und deshalb misshandelt und inhaftiert worden sei.
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Mit Bescheid vom 8. Juli 2004 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge - jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - (Bundesamt) den Antrag auf Gewährung von Asyl nach Art. 16a des Grundgesetzes ab (Ziff. 1) und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (Flüchtlingsschutz) nicht vorliegen (Ziff. 2). Zugleich stellte es fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen (Ziff. 3), und drohte dem Kläger die Abschiebung nach Pakistan an (Ziff. 4).
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Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 13. Juli 2007 die Klage als unbegründet abgewiesen. Der Kläger habe Pakistan nicht aus begründeter Furcht vor Verfolgung verlassen. Die Lage der Ahmadis in Pakistan rechtfertige noch nicht die Annahme einer Verfolgung aus religiösen Gründen.
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Auf die hiergegen gerichtete Berufung hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 13. November 2008 das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Beklagte zu der Feststellung verpflichtet, dass in der Person des Klägers die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG (Abschiebungsverbot als Flüchtling) in Bezug auf Pakistan vorliegen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe zwar nicht glaubhaft gemacht, dass er in Pakistan schon vor seiner Ausreise von individueller Verfolgung bedroht gewesen sei. Er sei jetzt aber jedenfalls als aktiver Ahmadi in Pakistan einer ihn kollektiv treffenden Verfolgungsgefahr im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG ausgesetzt. Ihm sei nämlich eine Fortführung seiner öffentlichkeitswirksamen religiösen Betätigung bei einer Rückkehr nach Pakistan nicht ohne konkrete Gefahr für Leib und Leben möglich.
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Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts wurde die Ahmadiyya- Gemeinschaft 1889 im heutigen indischen Bundesstaat Punjab gegründet. Sie verstehe sich als innerislamische Erneuerungsbewegung, während aus Sicht der orthodoxen Muslime die Ahmadis Apostaten seien, die ihr Leben verwirkt hätten. In Pakistan leben etwa ein bis zwei Millionen Ahmadis, davon allerdings allenfalls 500 000 bis 600 000 bekennende Mitglieder. Der ganz überwiegende Teil der pakistanischen Bevölkerung seien sunnitische und schiitische Moslems. Der Islam sei in Pakistan durch die Verfassung von 1973 zur Staatsreligion erklärt worden. Die Ahmadis seien nach der Verfassung als Nicht-Muslime anzusehen und würden als religiöse Minderheit eingestuft. Nach dem pakistanischen Strafgesetzbuch würden Angehörige der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe betraft, wenn sie den Anspruch erheben würden, Muslime zu sein, ihren Glauben als Islam bezeichnen, ihn predigen oder propagieren oder andere auffordern würden, ihren Glauben anzunehmen (Sec. 298 C des Strafgesetzbuches). Nach Sec. 295 C des Strafgesetzbuches könne zudem mit dem Tode oder lebenslanger Freiheitsstrafe und Geldstrafe bestraft werden, wer den Namen des Propheten Mohammed verunglimpfe. Seit Einführung dieser spezifisch auf die Ahmadis zugeschnittenen Blasphemiebestimmung sollen etwa 2 000 Strafverfahren gegen Ahmadis eingeleitet worden sein. In den Pässen würden die Ahmadis - entgegen ihrem religiösen Selbstverständnis - als "non-muslim" geführt.
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Den Ahmadis sei es untersagt, öffentliche Versammlungen sowie religiöse Treffen und Konferenzen abzuhalten, namentlich auch solche Veranstaltungen, auf denen öffentlich gebetet werde. Hingegen werde es ihnen nicht generell unmöglich gemacht, sich in ihren Gebetshäusern zu versammeln. Allerdings werde die gemeinsame Ausübung des Glaubens immer wieder dadurch behindert, dass Gebetshäuser aus willkürlichen Gründen geschlossen würden oder deren Errichtung verhindert werde und Gebetshäuser oder Versammlungsstätten von Extremisten überfallen würden. Im Gegensatz zu anderen Minderheitsreligionen sei den Ahmadis jedes Werben für ihren Glauben mit dem Ziel, andere zum Beitritt in die eigene Glaubensgemeinschaft zu bewegen, strikt untersagt und werde regelmäßig strafrechtlich verfolgt. Ahmadis seien seit Jahren in besonders auffälligem Maße Opfer religiös motivierter Gewalttaten, die aus der Mitte der Mehrheitsbevölkerung von religiösen Extremisten begangen würden, ohne dass die Polizeiorgane hiergegen effektiven Schutz gewährten.
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Die so beschriebene Situation stellt nach der Würdigung des Oberverwaltungsgerichts für einen dem Glauben eng und verpflichtend verbundenen Ahmadi in Pakistan, zu dessen Überzeugung es auch gehört, den Glauben in der Öffentlichkeit zu leben, eine schwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit dar. Angesichts der angedrohten erheblichen Strafen sowie der zahlreichen ungehinderten Übergriffe extremistischer Gruppen lege es für einen Ahmadi der gesunde Menschenverstand nahe, alle öffentlichkeitswirksamen Glaubensbetätigungen zu unterlassen oder äußerst zu beschränken, insbesondere jedes öffentliche Verbreiten des eigenen Glaubens. Aufgrund der informatorischen Befragung des Klägers in der mündlichen Verhandlung und der von ihm eingereichten Unterlagen ist das Oberverwaltungsgericht davon überzeugt, dass der Kläger seinem Glauben eng verbunden sei und ihn in Pakistan aktiv in führender Position gelebt habe. Auch in Deutschland übe er seinen Glauben weiterhin aus.
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Mit der vom Bundesverwaltungsgericht zugelassenen Revision rügen die Beklagte und der Bundesbeauftragte, dass das Oberverwaltungsgericht den Schutzbereich der Religionsfreiheit nach Art. 9 und Art. 10 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG zu weit gezogen habe. Sie verweisen auf die in Deutschland vor Umsetzung der Richtlinie 2004/83/EG herrschende Rechtsprechung, wonach eine asylerhebliche Verfolgung nur bei Eingriffen in den Kernbereich der religiösen Überzeugung angenommen worden sei, nicht aber auch bei Beschränkungen der öffentlichen Ausübung des Glaubens. Die Beschränkungen für Ahmadis in Pakistan, die die Praktizierung ihres Glaubens in der Öffentlichkeit betreffen, stellten keinen Eingriff in den Kernbereich der Religionsfreiheit dar. Im Übrigen ergebe sich aus den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zu der Frage, wie der Kläger seinen Glauben in Deutschland praktiziere, nichts dafür, dass für ihn Handlungsweisen unverzichtbar wären, die über den Kernbereich der religiösen Betätigung hinausgehen.
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II.
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Der Rechtsstreit ist auszusetzen. Es ist eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) zu den im Beschlusstenor formulierten Fragen einzuholen (Art. 267 AEUV). Die Fragen betreffen die Auslegung des Art. 2 Buchst. c und des Art. 9 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 304 vom 30. September 2004 S. 12; ber. ABl EU Nr. L 204 vom 5. August 2005 S. 24). Da es um die Auslegung von Unionsrecht geht, ist der Gerichtshof zuständig. Es wird darauf hingewiesen, dass die Fragen Gegenstand eines weiteren - gleichlautenden - Vorabentscheidungsersuchens sind (vgl. Beschluss vom 9. Dezember 2010 - BVerwG 10 C 21.09).
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1. Für die rechtliche Beurteilung des Verpflichtungsbegehrens auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht am 13. November 2008 abzustellen. Danach bilden folgende nationale Vorschriften, die - soweit hier einschlägig - auch derzeit noch unverändert gelten, den rechtlichen Rahmen dieses Rechtsstreits:
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§ 3 Abs. 1 und Abs. 4 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) vom 27. Juli 1993 (BGBl I S. 1361) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl I S. 1798):
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§ 3 Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft
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(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, wenn er in dem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder in dem er als Staatenloser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, den Bedrohungen nach § 60 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes ausgesetzt ist.
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(2) und (3) ...
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(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes.
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§ 60 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) vom 30. Juli 2004 (BGBl I S. 1950) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162):
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§ 60 Verbot der Abschiebung
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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt wurden. Eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch dann vorliegen, wenn die Bedrohung des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit oder der Freiheit allein an das Geschlecht anknüpft. Eine Verfolgung im Sinne des Satzes 1 kann ausgehen von
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a)
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dem Staat,
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b)
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Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen oder
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c)
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nichtstaatlichen Akteuren, sofern die unter den Buchstaben a und b genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht,
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es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative. Für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach Satz 1 vorliegt, sind Artikel 4 Abs. 4 sowie die Artikel 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 304 S. 12) ergänzend anzuwenden. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylverfahrensgesetzes angefochten werden.
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2. Die Vorlagefragen sind entscheidungserheblich und bedürfen einer Klärung durch den Gerichtshof.
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Der Kläger begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und 4 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG. Danach ist einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, wenn er in dem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, Bedrohungen seines Lebens und seiner Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung ausgesetzt ist. Nach § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG sind für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach Satz 1 vorliegt, Art. 4 Abs. 4 sowie die Art. 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG ergänzend anzuwenden. Nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie gelten als Verfolgung im Sinne des Artikels 1 A der Genfer Flüchtlingskonvention solche Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) keine Abweichung zulässig ist. Nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie kann eine Verfolgungshandlung auch in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der unter Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie beschriebenen Weise betroffen ist. Die Gewährung von Flüchtlingsschutz setzt daher eine Verfolgungshandlung voraus, die - anknüpfend an die in Art. 10 der Richtlinie genannten Verfolgungsgründe (Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie) - ein Menschenrecht in schwerwiegender Weise verletzt.
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Da eine Vorverfolgung des Klägers im Sinne des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG nicht festgestellt worden ist, kommt es darauf an, ob ihm in seinem Herkunftsstaat künftig mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit (real risk) Verfolgung droht. Dabei geht es um die Frage, unter welchen Voraussetzungen an den Verfolgungsgrund der Religion anknüpfende Handlungen als so schwerwiegend anzusehen sind, dass sie die Qualität einer Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG besitzen. Die Frage stellt sich entscheidungserheblich zum einen dann, wenn ein Ausländer unter dem Druck der ihm drohenden Gefahr für Leib, Leben oder physische Freiheit von einer religiösen Betätigung absieht (im Folgenden: Fragen 1 und 2). Sie stellt sich aber auch dann, wenn feststeht, dass ein Ausländer seine Religion im Heimatland trotz der ihm drohenden Sanktionen praktizieren wird und ihm dadurch Gefahr für Leib, Leben oder physische Freiheit droht (im Folgenden: Frage 3). Das Oberverwaltungsgericht geht davon aus, dass der Kläger sowohl im Fall des Verzichts wie im Fall der Ausübung der Religion von einer flüchtlingsrechtlich erheblichen Verfolgung betroffen ist, ohne sich festzulegen, wie der Kläger sich tatsächlich verhalten würde. Es kommt also entscheidungserheblich auf beide Handlungsalternativen an.
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Im Einzelnen stellen sich in diesem Zusammenhang die folgenden Vorlagefragen 1 bis 3. Sie bedürfen einer Klärung durch den Gerichtshof der Europäischen Union, da er zur Entscheidung auslegungsbedürftiger Fragen betreffend die hier maßgebliche Richtlinie 2004/83/EG berufen ist.
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1. Vorlagefrage:
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Geht es im vorliegenden Fall um die Frage, welche konkreten Eingriffe in die Religionsfreiheit im Sinne von Art. 9 EMRK zu einer Anerkennung des Klägers als Flüchtling führen können, ist zunächst zu klären, ob jeder Eingriff in die Religionsfreiheit, der gegen Art. 9 EMRK verstößt, eine Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/83/EG darstellt oder ob es hierfür eines qualifizierten Eingriffs bedarf, durch den der Kernbereich der Religionsfreiheit verletzt wird.
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Das vorlegende Gericht ist der Auffassung, dass Eingriffe in die Religionsfreiheit eine schwerwiegende Menschenrechtsverletzung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/83/EG darstellen können. Zwar soll durch diese Vorschrift insbesondere die Verletzung solcher Menschenrechte erfasst werden, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist. Hierzu zählt die Religionsfreiheit nicht. Allerdings ist der Verweis in Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/83/EG auf die in Art. 15 Abs. 2 EMRK aufgeführten Rechte nicht abschließend, wie sich aus der Formulierung "insbesondere" ergibt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in seiner Rechtsprechung wiederholt die grundlegende Bedeutung der Religionsfreiheit für die demokratische Gesellschaft betont (vgl. etwa Urteil vom 5. April 2007 - Nr. 18147/02, Scientology/Russland - Rn. 71, NJW 2008, 495 f.). Dass der Religionsfreiheit eine zentrale Bedeutung bei den Menschenrechten zukommt, wird auch an dem vielfältigen Schutz dieses Rechts auf nationaler, unionsrechtlicher und internationaler Ebene deutlich. So garantieren nicht nur zahlreiche nationale Verfassungen die Religionsfreiheit als Menschenrecht (vgl. in Deutschland Art. 4 Abs. 1 und 2 des Grundgesetzes), sondern auch Art. 10 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GR-Charta), Art. 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1948 und Art. 18 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte von 1966. Das vorlegende Gericht ist deshalb schon vor Geltung der Richtlinie 2004/83/EG in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen, dass Verletzungen der Religionsfreiheit - jedenfalls wenn sie einen für die religiöse Identität des Einzelnen wesentlichen Kernbereich betreffen - die Annahme einer asylerheblichen Verfolgung rechtfertigen (vgl. Urteil vom 20. Januar 2004 - BVerwG 1 C 9.03 - BVerwGE 120, 16 <24> m.w.N.). Es hat dies auch zu Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie so entschieden (Urteil vom 5. März 2009 - BVerwG 10 C 51.07 - BVerwGE 133, 221 Rn. 13 f.). Das vorlegende Gericht geht im Übrigen auch in seiner Rechtsprechung zum Abschiebungsschutz im Fall einer Verletzung der EMRK (jetzt: § 60 Abs. 5 AufenthG) davon aus, dass eine schwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit ein Abschiebungsverbot nach Art. 9 EMRK begründen kann (vgl. Urteil vom 24. Mai 2000 - BVerwG 9 C 34.99 - BVerwGE 111, 223 <229 f.>).
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Nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/83/EG können nur solche Handlungen eine flüchtlingsrechtlich erhebliche Verfolgung begründen, die eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen. Das bedeutet, dass nicht jede Beschränkung der Religionsfreiheit im Sinne von Art. 9 EMRK ausreicht, sondern eine schwerwiegende Verletzung dieses Rechts erforderlich ist. Eine solche schwerwiegende Verletzung dürfte dann vorliegen, wenn die Religionsfreiheit in ihrem Kernbereich betroffen ist.
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Zunächst scheiden solche Handlungen von vornherein aus, die zwar einen Eingriff in die Religionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 1 EMRK darstellen, aber keine Verletzung dieses Rechts, weil sie nach Art. 9 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt sind. So hat der EGMR im Verbot des Tragens eines Kopftuchs in der Universität zwar eine Einschränkung der Religionsfreiheit der betroffenen Studentin gesehen, eine Verletzung von Art. 9 EMRK aber verneint, weil der Eingriff zur Wahrung der religiösen Neutralität des Staates und des religiösen Friedens an der Universität gerechtfertigt war (Urteil vom 10. November 2005 - Große Kammer - Nr. 44774/98, Leyla Sahin/Türkei - Rn. 106 bis 116, NVwZ 2006, 1389). In der Bestrafung von Zeugen Jehovas wegen Missionierung hat der EGMR ebenfalls einen Eingriff in die Religionsfreiheit gesehen, diesen aber für gerechtfertigt erachtet, wenn er dem Schutz des Glaubens und der Würde anderer vor einer Beeinflussung mit verwerflichen Mitteln dient (Urteil vom 25. Mai 1993 - Nr. 14307/88, Kokkinakis/Griechenland - Rn. 48, Slg. 1996-IV S. 1364).
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Keinen Eingriff in den Kernbereich der Religionsfreiheit stellen ferner Handlungen dar, die zwar gegen Art. 9 EMRK verstoßen, in ihrer Schwere aber nicht der Verletzung solcher Menschenrechte entsprechen, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist. Der EGMR hat in einem Urteil vom 7. Dezember 2010 die Religionsfreiheit in einem Fall als verletzt angesehen, in dem einem Mahayana Buddhisten, der in Polen eine achtjährige Haftstrafe wegen Vergewaltigung verbüßt, die Verabreichung einer von seiner Glaubenslehre vorgeschriebenen fleischlosen Kost verweigert wurde (Nr. 18429/06, Jakobski/Polen - Rn. 54 f.). Eine Verletzung der Religionsfreiheit hat er auch darin gesehen, dass die Staatsangehörigen der Türkei in ihrem staatlichen Ausweis die Religionszugehörigkeit anzugeben hatten, weil das mit der Freiheit unvereinbar sei, seinen Glauben nicht preisgeben zu müssen, selbst wenn dem Ausweisinhaber die Möglichkeit eröffnet wird, von jeglicher Eintragung in die Rubrik "Religion" abzusehen (Urteil vom 2. Februar 2010 - Nr. 21924/05, Sinan Isik/Türkei). Im Übrigen wird die Große Kammer des EGMR demnächst zu entscheiden haben, ob eine Verletzung der staatlichen Neutralitätspflicht und des Rechts der Schulkinder, einen Glauben zu haben oder nicht zu haben, schon allein deshalb zu bejahen ist, weil Kinder in Italien in Klassenzimmern unterrichtet wurden, in denen ein Kreuz aufgehängt war (vgl. Urteil der Kammer vom 3. November 2009 - Nr. 30814/06, Lautsi/Italien). Die vorgenannten Verletzungshandlungen sind nach Auffassung des vorlegenden Gerichts nicht von einem solchen Gewicht, dass im Fall der Flucht der Betroffenen ins Ausland die Anerkennung als Flüchtling im Sinne der Richtlinie 2004/83/EG gerechtfertigt wäre. Sie stellen keinen Eingriff in den Kernbereich der Religionsfreiheit dar. Der EGMR hat in seiner bisherigen Rechtsprechung - soweit ersichtlich - noch in keinem Fall eine Verletzung der Religionsfreiheit als so schwerwiegend angesehen, dass er einem Ausländer allein deshalb Schutz vor Abschiebung gewährt hat. Er hat Ausländern Abschiebungsschutz vielmehr nur in Fällen einer im Heimatstaat drohenden Verletzung anderer Menschenrechte - insbesondere von Art. 3 EMRK - zugebilligt.
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Etwas anderes kann auch nicht aus der weiten Definition der Religion als Verfolgungsgrund in Art. 10 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie hergeleitet werden. Diese bezieht sich auf den Verfolgungsgrund, an den eine Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie anknüpfen muss. Eine Verfolgungshandlung nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie setzt aber nicht nur einen Eingriff in den weiten Schutzbereich des Art. 9 Abs. 1 EMRK voraus, sondern auch die fehlende Rechtfertigung des Eingriffs (vgl. Art. 9 Abs. 2 EMRK) sowie eine Verletzung, die schwerwiegend ist.
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2. Vorlagefrage:
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Für den Fall, dass Frage 1 zu bejahen ist, stellt sich die Frage nach der inhaltlichen Bestimmung des Kernbereichs der Religionsfreiheit, dessen Verletzung nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/83/EG als Verfolgungshandlung zu qualifizieren ist.
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Aus Art. 9 EMRK und aus der Rechtsprechung des EGMR lassen sich hierzu erste Anhaltspunkte entnehmen. Art. 9 Abs. 1 EMRK schützt zunächst die innere Religionsfreiheit (EGMR, Urteile vom 25. Mai 1993 - Nr. 14307/88, Kokkinakis/Griechenland - Rn. 31 und vom 10. November 2005 - Große Kammer - Nr. 44774/98, Leyla Sahin/Türkei - Rn. 105). Die innere Seite der Religionsfreiheit umfasst, einen Glauben zu haben und zu bilden, diesen auch neu zu wählen und zu wechseln. Geschützt ist auch, keinen Glauben zu haben. Der Schutz des Art. 9 Abs. 1 EMRK erstreckt sich aber auch auf die Freiheit, seine Religion einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich und im Kreis derer zu bekennen, die demselben Glauben anhängen (EGMR, Urteil vom 10. November 2005 a.a.O.). Die Freiheit zum Bekenntnis und zur Ausübung der Religion in der Öffentlichkeit unterliegt - anders als die innere Religionsfreiheit - den Einschränkungen nach Art. 9 Abs. 2 EMRK. Bereits hieraus ergibt sich, dass nicht jede Beschränkung der Ausübung der Religion in der Öffentlichkeit als schwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit angesehen werden kann, wie dies Voraussetzung für die Annahme einer Verfolgungshandlung nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/83/EG ist. Die Vorlagefragen 2a und 2b zielen auf eine konkretere Bestimmung des geschützten Kernbereichs, wie er für den vorliegenden Fall entscheidungserheblich ist.
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Vorlagefrage 2a:
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a) Dem Kläger drohen nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts Beschränkungen bei der öffentlichen Praktizierung seiner Religion. Zwar wird es den Ahmadis danach nicht generell unmöglich gemacht, sich in ihren Gebetshäusern zu versammeln, selbst wenn dies durch die Öffentlichkeit wahrgenommen werden kann und wird. Allerdings wird die gemeinsame Ausübung des Glaubens immer wieder dadurch behindert, dass Gebetshäuser aus willkürlichen Gründen geschlossen werden oder deren Errichtung verhindert wird. Dem Kläger war es allerdings möglich, seinen Glauben in seiner Heimatregion zu praktizieren, wiederholt am Tag in die Moschee zu gehen, zu beten und an religiösen Festen teilzunehmen. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht festgestellt, dass durch die strafrechtlichen Sanktionen und die religiös motivierten Übergriffe auf Ahmadis durch Extremisten auch in deren Recht eingegriffen wird, sich zu dem eigenen Glauben zu bekennen und ihn für sich und in Gemeinschaft mit anderen abseits der Öffentlichkeit zu praktizieren. Ein Eingriff erfolgt nach den gerichtlichen Feststellungen aber im Bereich der öffentlichen Religionsausübung einschließlich der Missionierung Andersgläubiger. Der Kläger darf als Angehöriger der Ahmadis für seine Religion nicht öffentlich eintreten und andere auffordern, diesen Glauben anzunehmen. Handelt er dem zuwider, begeht er eine Straftat. Das Missionieren anderer wird regelmäßig strafrechtlich verfolgt. Den Ahmadis ist es untersagt, öffentliche Versammlungen abzuhalten, namentlich solche, auf denen gebetet wird. Das Oberverwaltungsgericht ist zu dem Ergebnis gekommen, dass dem Kläger eine Fortführung seiner öffentlichkeitswirksamen religiösen Betätigung bei einer Rückkehr nach Pakistan nicht ohne konkrete Gefahr für Leib und Leben möglich ist. Angesichts der angedrohten erheblichen Strafen sowie der zahlreichen ungehinderten Übergriffe extremistischer Gruppen legt es nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts der gesunde Menschenverstand für einen Ahmadi nahe, alle öffentlichkeitswirksamen Glaubensbetätigungen zu unterlassen oder weitgehend zu beschränken, insbesondere jedes öffentliche werbende Verbreiten des eigenen Glaubens.
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Der Eingriff in die Religionsfreiheit, der den Verzicht auf die Glaubensausübung in der Öffentlichkeit nahelegt, ist auch nicht nach Art. 9 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt. Vielmehr kommt das Oberverwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass die staatlichen Maßnahmen, die gegen Ahmadis ergriffen werden, nicht der Durchsetzung des öffentlichen Friedens dienen. Denn der pakistanische Staat verhält sich nicht neutral, sondern beeinträchtigt einseitig die Angehörigen der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft in ihrer religiösen Selbstbestimmung.
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Es ist also entscheidungserheblich, ob die nicht nach Art. 9 Abs. 2 EMRK gerechtfertigte Beeinträchtigung des Rechts auf öffentliche Religionsausübung eine schwerwiegende Verletzungshandlung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/83/EG darstellen kann - und zwar auch dann, wenn der Gläubige unter dem Druck der ihm drohenden Gefahr für Leib, Leben und physische Freiheit auf die Glaubensausübung in der Öffentlichkeit verzichtet.
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b) Das vorlegende Gericht ist in seiner Rechtsprechung vor Inkrafttreten der Richtlinie 2004/83/EG davon ausgegangen, dass eine asylrechtlich beachtliche Verfolgung nur von Handlungen ausgeht, die in das religiöse Existenzminimum eines Menschen eingreifen (vgl. Urteil vom 20. Januar 2004 - BVerwG 1 C 9.03 - BVerwGE 120, 16 <19 ff.>). Diese Rechtsprechung entspricht der des Bundesverfassungsgerichts zum verfassungsrechtlichen Asylanspruch (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 1987 - 2 BvR 478, 962/86 - BVerfGE 76, 143 <158 ff.>). Der auch als "forum internum" bezeichnete unverzichtbare und unentziehbare Kern der Privatsphäre des glaubenden Menschen umfasst nach dieser Rechtsprechung die religiöse Überzeugung als solche und die Religionsausübung abseits der Öffentlichkeit und in persönlicher Gemeinschaft mit anderen Gläubigen dort, wo man sich nach Treu und Glauben unter sich wissen darf. Eine asylrechtlich beachtliche Verfolgungshandlung durch Eingriffe in die Religionsfreiheit ist danach etwa dann gegeben, wenn den Angehörigen einer religiösen Gruppe unter Androhung von Strafen an Leib, Leben oder physischer Freiheit eine Verleugnung oder gar Preisgabe ihres Glaubens zugemutet wird oder sie daran gehindert werden, ihren eigenen Glauben, so wie sie ihn verstehen, im privaten Bereich und unter sich zu bekennen. Glaubensbetätigungen in der Öffentlichkeit einschließlich der Missionierung ("forum externum") gehören nach dieser Auffassung nicht zum religiösen Existenzminimum. Allgemein wurde verlangt, dass die Eingriffe in die Religionsfreiheit den Gläubigen in ähnlich schwerer Weise treffen wie Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit oder physische Freiheit (Urteil vom 25. Oktober 1988 - BVerwG 9 C 37.88 - BVerwGE 80, 321 <324>).
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Demgegenüber gehen das Oberverwaltungsgericht im vorliegenden Fall und weitere Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte in Deutschland seit Inkrafttreten der Richtlinie 2004/83/EG davon aus, dass über das nach der früheren Rechtsprechung geschützte "forum internum" hinaus auch Beeinträchtigungen des "forum externum" eine schwerwiegende Verletzungshandlung im Sinne von Art. 9 der Richtlinie 2004/83/EG darstellen können. Das wird unter anderem mit der weiten Definition der Religionsfreiheit in Art. 10 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie begründet, die auch die Praktizierung der Religion in der Öffentlichkeit umfasse (vgl. VGH Mannheim, Urteile vom 20. Mai 2008 - A 10 S 72/08 - AuAS 2008, 213 Rn. 121 und vom 27. September 2010 - A 10 S 689/08 - juris Rn. 33 ff.; VGH München, Urteil vom 23. Oktober 2007 - 14 B 06.30315 - InfAuslR 2008, 101 <102>). Unter Geltung der Richtlinie 2004/83/EG sei es einem Gläubigen nicht mehr zuzumuten, öffentlich praktizierten Riten seiner Glaubensgemeinschaft - etwa Gottesdiensten oder Prozessionen - fernzubleiben, um staatliche Sanktionen zu vermeiden. Der Glaubensangehörige sei nämlich auch verfolgt, wenn er zu unzumutbaren Ausweichhandlungen genötigt werde, um der staatlichen Repression zu entkommen (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 30. Juli 2009 - 5 A 982/07.A - juris Rn. 34; VGH Kassel, Urteil vom 12. Juli 2007 - 8 UE 3339/04.A - juris Rn. 83).
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Die Rechtsprechung in Großbritannien beschränkt den Flüchtlingsschutz bei Eingriffen in die Religionsfreiheit ebenfalls nicht auf das "forum internum". Vielmehr wird geprüft, ob dem Asylbewerber bei Rückkehr in sein Heimatland Verfolgung auch für den Fall der öffentlichen Religionsbetätigung droht, etwa wenn ein Ahmadi entsprechend seiner Glaubenslehre missionieren würde (vgl. Court of Appeal for England and Wales, Urteil vom 5. November 1999 - Iftikhar Ahmed v. Secretary of State for the Home Department <1999> EWCA Civ 3003). Nach einem neueren Urteil des Supreme Court of the United Kingdom betreffend die Verfolgung wegen Homosexualität kann auch ein erzwungener Verzicht auf die öffentliche Praktizierung der Sexualität zur Flüchtlingsanerkennung führen (Urteil vom 7. Juli 2010, HJ (Iran) (FC) v. Secretary of State for the Home Department <2010> UKSC 31 Rn. 82). Komme ein Gericht zu dem Ergebnis, dass ein maßgeblicher Grund für das diskrete Leben des Asylbewerbers nach Rückkehr die Furcht vor Verfolgung ist, die sich aus einer offenen Praktizierung seiner Sexualität ergäbe, sei seine Furcht vor Verfolgung begründet. Überträgt man die vorgenannte Rechtsprechung auf Beschränkungen der öffentlichen Betätigung der Religionsfreiheit, könnten sie als Verfolgungshandlungen im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/83/EG zu werten sein, wenn es sich um schwerwiegende Eingriffe handelte und der Ausländer deshalb auf die Ausübung seines Glaubens in der Öffentlichkeit verzichten würde.
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Demgegenüber ist die Rechtsprechung in Großbritannien bei der Gewährung von Abschiebungsschutz nach der EMRK restriktiver. Der Court of Appeal hat in seinem Urteil vom 16. Dezember 2002 in der Sache Ullah v. Secretary of State for the Home Department (<2002> EWCA Civ 1856 Rn. 64) die Auffassung vertreten, dass Abschiebungsschutz in Bezug auf ein Herkunftsland, in dem die Religionsfreiheit im Sinne von Art. 9 EMRK nicht respektiert wird, nur dann zu gewähren ist, wenn die Beschränkung der Religionsfreiheit einen Schweregrad aufweist, der zugleich eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellt. Im entschiedenen Fall - einen Ahmadi aus Pakistan betreffend - hat er die Klage auf Gewährung von Abschiebungsschutz abgewiesen. Das House of Lords hat diese Entscheidung im Urteil vom 16. Juni 2004 (<2004> UKHL 26) im Ergebnis bestätigt. Allerdings hat es einen hinreichend schweren Eingriff deshalb abgelehnt, weil das Recht aus Art. 9 EMRK nicht vollständig verweigert wurde, was eine mindestens gleich hohe Hürde darstellt ("only in such a case - where the right will be completely denied or nullified in the destination country" - Rn. 24 des Urteils vom 16. Juni 2004).
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Ob der Schutzbereich des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie im Fall der Religionsfreiheit auf das Glaubensbekenntnis und auf Glaubensbetätigungen im häuslichen und nachbarschaftlichen Bereich beschränkt ist oder sich auch auf die Glaubensausübung in der Öffentlichkeit erstreckt, ist eine Zweifelsfrage, deren Beantwortung dem Gerichtshof der Europäischen Union obliegt.
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Vorlagefrage 2b:
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Falls der Kernbereich der Religionsfreiheit auch bestimmte Glaubensbetätigungen in der Öffentlichkeit umfasst, ist weiter zu klären, unter welchen Voraussetzungen der erzwungene Verzicht darauf eine schwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/83/EG darstellt. Dies kann dann der Fall sein, wenn der Antragsteller oder die Religionsgemeinschaft, der er angehört, die konkrete Betätigung des Glaubens, die dem Antragsteller verboten wird, als unverzichtbar empfindet.
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a) Der Kläger hat nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts in Pakistan ein religiös geprägtes Leben als Angehöriger der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft geführt, in dem er wiederholt am Tag in die Moschee gegangen ist, gebetet und an religiösen Festen teilgenommen hat. Er hat sich zu seinem Glauben auch in der Öffentlichkeit bekannt und ihn in öffentlichen Auseinandersetzungen mit radikalen moslemischen Bewohnern seines Heimatdorfes aktiv als Wortführer vertreten. Das Oberverwaltungsgericht hat damit der Sache nach festgestellt, dass der Kläger die von ihm bisher praktizierte öffentliche Betätigung seines Glaubens für sich selbst als verpflichtend empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren. Es hat aber nicht hinreichend nachvollziehbar festgestellt, dass eine solche aktive öffentliche Glaubensbetätigung auch von der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft als zentraler Bestandteil ihrer Glaubenslehre angesehen wird.
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b) Die Frage, unter welchen Voraussetzungen der erzwungene Verzicht auf die Glaubensausübung in der Öffentlichkeit eine schwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/83/EG darstellt, kann nach Auffassung des vorlegenden Gerichts danach bestimmt werden, welche Bedeutung die in Rede stehende Handlung einerseits für die Religionsgemeinschaft des Antragstellers und andererseits auch für diesen persönlich hat. Eine Mindestvoraussetzung dürfte sein, dass die in Rede stehende Glaubensbetätigung der Religion des Antragstellers entspricht und der Antragsteller diese auch ausüben will, weil er sie für sich selbst zur Wahrung seiner religiösen Identität als unverzichtbar empfindet. Wenn dies nicht feststeht, ist schon eine Verletzung von Art. 9 EMRK und damit auch eine Menschenrechtsverletzung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG nicht gegeben.
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Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) spricht sich in seinen Richtlinien zum Internationalen Schutz (betreffend Anträge auf Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft aufgrund religiöser Verfolgung im Sinne des Artikels 1A(2) des Abkommens von 1951 und/oder des Protokolls von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, HCR/GIP/04/06, Kapitel 16 - Stand: 28. April 2004) dafür aus, bei der Schwere des Eingriffs in die Religionsfreiheit durch erzwungenen Verzicht auf eine bestimmte Glaubensbetätigung mit zu berücksichtigen, welche "Bedeutung oder zentrale Stellung" die unterdrückte Glaubensbetätigung für die Glaubensgemeinschaft und für den betroffenen Gläubigen hat. Soweit der eingeschränkte Brauch lediglich für die Religion, nicht jedoch für die betroffene Person von Bedeutung sei, sei die Annahme einer Verfolgung unwahrscheinlich, es sei denn, es träten zusätzliche Faktoren hinzu. Sei der eingeschränkte religiöse Brauch dagegen für die Glaubensgemeinschaft weniger bedeutend, jedoch für die betroffene Person von besonderer Bedeutung, so könne dies dennoch eine Verfolgung aus Glaubens- oder Gewissensgründen darstellen.
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Der Court of Appeal stellt darauf ab, ob die Glaubenslehre eine bestimmte Glaubensbetätigung in der Öffentlichkeit gebietet und dies auch der einzelne Gläubige für sich selbst als verpflichtend ansieht (für das Missionieren durch Ahmadis in Pakistan vgl. Court of Appeal for England and Wales, Urteil vom 5. November 1999 - Iftikhar Ahmed v. Secretary of State for the Home Department <1999> EWCA Civ 3003).
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Das Bundesverwaltungsgericht hat zur Rechtslage vor Inkrafttreten der Richtlinie 2004/83/EG die Auffassung vertreten, die unterdrückte Glaubensbetätigung müsse für die Religionsgemeinschaft nach deren Selbstverständnis wie für den einzelnen Glaubensangehörigen selbst unverzichtbar sein (vgl. Urteil vom 20. Januar 2004 a.a.O. <25>). Unter Geltung der Richtlinie 2004/83/EG neigt das vorlegende Gericht allerdings zu der Auffassung, dass es ausreichend sein dürfte, dass der Asylbewerber die unterdrückte religiöse Betätigung seines Glaubens für sich selbst als verpflichtend empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren. Dies müsste vom Antragsteller allerdings jeweils zur vollen Überzeugung des Gerichts nachgewiesen werden. Dabei dürfte dem Umstand, dass die Glaubensbetätigung nach dem Selbstverständnis der Glaubensgemeinschaft, der der Schutzsuchende angehört, zu einem tragenden Glaubensprinzip gehört, eine indizielle, aber keine zwingende Wirkung zukommen. Maßgeblich dürfte vielmehr sein, wie der einzelne Gläubige seinen Glauben lebt und welche Glaubensbetätigungen für ihn persönlich nach seinem Glaubensverständnis unverzichtbar sind. Nicht ausreichend dürfte hingegen sein, dass zwar die Religionsgemeinschaft die konkrete Glaubensbetätigung als zentralen Bestandteil ihrer Glaubenslehre ansieht (z.B. Missionierung), der einzelne Asylbewerber aber keine innere Verpflichtung verspürt, diesen Teil seiner Glaubenslehre zu praktizieren, um seine Identität zu wahren.
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Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts können sich aber aus sonstigen Umständen, etwa den allgemeinen Verhältnissen im Herkunftsland, weitere Einschränkungen ergeben. So kann es die Schwelle für eine schwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit erhöhen, wenn die Bevölkerung im Herkunftsland allgemein bestimmte Einschränkungen der öffentlichen Religionsausübung mit Rücksicht auf eine in der Verfassung des Heimatstaates verankerte Staatsreligion oder religiös motivierte Spannungen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen hinzunehmen hat.
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Vorlagefrage 3:
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Vorlagefrage 3 soll der Klärung dienen, ob die Verfolgungsfurcht des Antragstellers auch dann begründet ist, wenn feststeht, dass er bestimmte - außerhalb des Kernbereichs liegende - religiöse Betätigungen nach Rückkehr in das Herkunftsland vornehmen wird, obwohl sie zu einer Gefahr für Leib, Leben oder physische Freiheit führen werden oder ob in diesem Fall dem Antragsteller zuzumuten ist, auf solche künftigen Betätigungen zu verzichten.
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a) Das Oberverwaltungsgericht hat nicht festgestellt, ob der Kläger im Fall der Rückkehr nach Pakistan auf bestimmte Formen der Religionsausübung in der Öffentlichkeit verzichten wird. Es hat lediglich allgemein bezogen auf Anhänger der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft festgestellt, dass es angesichts der drohenden Gefahren für Leib, Leben und Freiheit der gesunde Menschenverstand nahelege, alle öffentlichkeitswirksamen Glaubensbetätigungen zu unterlassen oder äußerst zu beschränken, insbesondere jedes öffentliche werbende Verbreiten des eigenen Glaubens. Wenn es für die Anerkennung als Flüchtling darauf ankommt, ob der Kläger angesichts der ihm drohenden Gefahren auf die Glaubensbetätigung verzichtet oder bestimmte Glaubensbetätigungen trotzdem praktizieren würde, wird das Oberverwaltungsgericht diesen Umstand unter Berücksichtigung der Antworten des Gerichtshofs weiter aufzuklären haben.
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b) Nach der deutschen Rechtsprechung ist die Furcht vor Verfolgung auch wegen einer über den Kernbereich hinausgehenden religiösen Betätigung begründet, wenn deshalb ein Eingriff in Leib, Leben oder physische Freiheit bereits unmittelbar droht.
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Die Verfolgungshandlung (vgl. Art. 9 Richtlinie 2004/83/EG) greift hier nicht nur in die Religionsfreiheit ein, sondern auch und vor allem in Leib, Leben oder physische Freiheit des Antragstellers. Erreicht dieser Eingriff die erforderliche Schwere, kommt es nicht darauf an, ob die Religionsfreiheit in ihrem Kernbereich betroffen ist oder nur in Randbereichen. Das Bundesverwaltungsgericht hat eine asylerhebliche Verfolgung daher im Fall eines Ahmadis aus Pakistan bejaht, gegen den wegen Benutzung des moslemischen Gebetsrufs und Tragens der Kalima eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt worden war (Urteil vom 13. Mai 1993 - BVerwG 9 C 49.92 - BVerwGE 92, 278 <279 f.>).
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Allerdings wird die öffentliche Ausübung der Religion über den Kernbereich der Religionsfreiheit hinaus nach der bisherigen deutschen Rechtsprechung nur dann geschützt, wenn die zur Gefährdung führende Glaubensbetätigung bereits erfolgt ist, der Ausländer also beispielsweise bereits missioniert hat. Beruft sich ein Asylbewerber dagegen allein darauf, dass zu erwartende zukünftige Betätigungen nach Rückkehr in das Heimatland zu einer Verfolgung führen, fehlt es an der erforderlichen Unmittelbarkeit der Gefährdung von Leib, Leben oder physischer Freiheit. Denn die Realisierung der Gefahr hängt noch von einer willensgesteuerten Handlung des Asylbewerbers ab, die sich nicht sicher prognostizieren lässt. Dem Ausländer wird danach zugemutet, die Gefahr zu vermeiden, soweit dadurch nicht der Kernbereich seiner Religionsfreiheit verletzt wird. Wird dieser Kernbereich dagegen verletzt, kommt es auf die ohnehin nur schwer zu treffende Prognose, wie sich der Betroffene nach Rückkehr in sein Heimatland verhalten würde, nicht mehr an.
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Im vorliegenden Fall hat der Kläger nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts seinen Glauben bisher nur in einer Weise praktiziert, die keine individuelle Verfolgung nach sich zog. Das Gericht erwartet eine solche Verfolgung aber im Fall der Rückkehr des Klägers. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob ihm zugemutet werden kann, auf eine Ausübung seiner Religion außerhalb des Kernbereichs zu verzichten.
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Die britische Rechtsprechung verfolgt ein anderes Konzept zur Erheblichkeit eines möglichen Vermeidungsverhaltens als die deutsche. Danach kommt es allein darauf an, wie der Antragsteller sich nach einer Rückkehr in das Herkunftsland tatsächlich verhalten würde. Ist die Prognose gerechtfertigt, dass er sich tatsächlich so verhalten wird, wie er behauptet, und würde das zu Verfolgungsmaßnahmen führen, ist er als Flüchtling anzuerkennen. Dem steht nicht entgegen, dass sein Verhalten unvernünftig erscheinen mag. Die Tatsache, dass er Verfolgung vermeiden könnte, indem er das Gefahr bringende Verhalten unterlässt, steht seinem Anspruch auf Flüchtlingsschutz nicht entgegen, sofern er dieses Verhalten - trotz der damit verbundenen Gefahren - tatsächlich ausführen würde. Das hat der Court of Appeal in seinem Urteil vom 5. November 1999 - Iftikhar Ahmed v. Secretary of State for the Home Department (<1999> EWCA Civ 3003) so entschieden, in dem es um das beabsichtigte Missionieren eines Ahmadi in Pakistan ging.
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Die Unerheblichkeit eines möglichen Vermeidungsverhaltens ergibt sich für die britische Rechtsprechung auch aus dem Urteil des Supreme Court des United Kingdom vom 7. Juli 2010 (HJ (Iran) (FC) v. Secretary of State for the Home Department <2010> UKSC 31 Rn. 82), betreffend einen Fall von Homosexualität. Danach ist die Verfolgungsfurcht eines Asylbewerbers begründet, wenn er seine Homosexualität im Heimatstaat öffentlich leben würde und daher der Gefahr der Verfolgung ausgesetzt wäre, selbst wenn er die Gefahr durch diskrete Praktizierung seiner sexuellen Orientierung vermeiden könnte.
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Annotations
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)