Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 02. Juli 2012 - 10 B 12/12
Gericht
Tenor
-
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. November 2011 wird zurückgewiesen.
-
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
-
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
- 1
-
Die allein auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
- 2
-
1. Die Beschwerde hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam,
-
"ob die Beklagte im aufenthaltsrechtlichen Verfahren an die rechtsfehlerhafte Anerkennung einer ausländischen Adoptionsentscheidung durch ein deutsches Amtsgericht gebunden ist (§ 4 Abs. 2 S. 1 AdWirkG)."
- 3
-
Diese Frage würde sich indes in einem Revisionsverfahren nicht stellen, da die Feststellung, dass die Anerkennungsentscheidung des Amtsgerichts rechtsfehlerhaft gewesen sei, so von dem Berufungsgericht nicht getroffen worden ist. Im Übrigen rechtfertigt die so formulierte Frage nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Denn es folgt unmittelbar aus dem Gesetz, ohne dass es einer revisionsgerichtlichen Klärung bedarf, dass § 4 Abs. 2 Satz 1 AdWirkG eine Bindung auch von Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichten an vormundschafts- bzw. familiengerichtliche Entscheidungen in dem besonderen Verfahren über die Feststellung der Wirkungen im Ausland erfolgter Adoptionen anordnet, ohne diese von der Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung selbst abhängig zu machen. § 4 Abs. 2 Satz 1 AdWirkG statuiert dem Wortlaut nach eine umfassende Bindungswirkung an diese Entscheidung "für und gegen alle", von der lediglich die bisherigen Eltern ausgenommen sind. Die Bindungswirkung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 AdWirkG erstreckt sich auf die von dem Vormundschaftsgericht getroffenen Feststellungen und damit auf die Frage, ob eine Adoption anzuerkennen bzw. wirksam ist (Beschluss vom 10. Juli 2007 - BVerwG 5 B 4.07 - FamRZ 2007, 1550).
- 4
-
Der Gesetzeswortlaut knüpft diese Bindung gerade nicht an weitere Voraussetzungen, insbesondere nicht an die - dann in weiteren Verfahren inzident zu prüfende - sachliche Richtigkeit oder Rechtmäßigkeit der vormundschafts- bzw. familiengerichtlichen Entscheidung. Diese weitreichende Bindungswirkung entspricht auch dem Sinn und Zweck des Gesetzes, durch ein gesondertes Feststellungsverfahren die verschiedenen öffentlichen und privaten Stellen, bei denen es auf die Wirksamkeit einer Annahme als Kind ankommt, die auf einer ausländischen Entscheidung oder auf ausländischen Sachvorschriften beruht, von der gesonderten Prüfung der Wirksamkeit der Auslandsadoption zu entlasten. Um dies zu erreichen, sollen die Anerkennung und die Wirkungen ausländischer Adoptionsakte (innerhalb wie außerhalb des Anwendungsbereichs der Haager Übereinkunft) allgemeinverbindlich geklärt werden können (BTDrucks 14/6011 S. 16).
- 5
-
Die weitergehende, von der Beschwerde allenfalls sinngemäß aufgeworfene Frage (s.a. Beschluss vom 10. Juli 2007 a.a.O.)
-
ob eine Durchbrechung der Bindungswirkung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 AdWirkG in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht kommt, etwa dann, wenn die Entscheidung des Vormundschafts- bzw. Familiengerichts an einem so offensichtlichen und schwerwiegenden rechtlichen Mangel leidet, dass sie wegen greifbarer Rechtswidrigkeit als wirkungslos zu behandeln ist,
-
rechtfertigte die Zulassung der Revision ebenfalls nicht. Denn das Berufungsgericht hat eine derartige Durchbrechung in eng begrenzten Ausnahmefällen als möglich angenommen, sachlich geprüft und im Einzelfall verneint. Selbst wenn also die Rechtsfrage, ob in eng begrenzten Ausnahmefällen greifbarer Rechtswidrigkeit eine Ausnahme von der Bindungswirkung anzuerkennen wäre (dagegen VG Berlin, Urteil vom 31. März 2004 - 25 V 58.03 -), im Sinne der Beklagten zu entscheiden wäre, bezögen sich die weiteren Einwendungen der Beklagten auf die einzelfallbezogene Anwendung dieses Rechtssatzes durch das Berufungsgericht. Diese wirft aber keine fallübergreifenden Rechtsfragen allgemeiner Bedeutung auf.
- 6
-
2. Die weiterhin von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen,
-
"ob eine Bindungswirkung nach § 4 Abs. 2 S. 1 AdWirkG auch dann eintritt, wenn ein deutsches Amtsgericht eine nach der Rechtsordnung des ausländischen Staates unwirksame Adoptionsentscheidung anerkennt",
-
ob "die Anerkennung einer ausländischen Adoptionsentscheidung wegen Verstoßes gegen den deutschen ordre public zu versagen ist, wenn nur eine formale Prüfung der Elterneignung des Annehmenden erfolgt ist", und
-
"ob rein ausländerrechtlich oder ökonomisch motivierte Adoptionsentscheidungen ausländischer Gerichte wegen Verstoßes gegen den ordre public die Anerkennung zu versagen ist",
-
betreffen die sachliche Richtigkeit des hier ergangenen Anerkennungsbeschlusses des Amtsgerichts M. Sie vernachlässigen, dass die Bindungswirkung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 AdWirkG eine allenfalls nur beschränkte Inzidentprüfung dieser Entscheidung auf offenkundige Rechtsfehler duldet und dass die Frage, welche Rechtsfehler geeignet sind, wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit die Bindungswirkung ausnahmsweise entfallen zu lassen, eine Frage der einzelfallbezogen Rechtsanwendung ist. Dies gilt auch für die Frage, ob das Amtsgericht im vorliegenden Fall zu Recht von der Existenz einer wirksamen Adoptionsentscheidung ausgegangen ist, die Grundlage der Anerkennungsprüfung sein konnte, oder ob im Verfahren der Auslandsadoption formelle oder materielle Fehler begangen worden sind, die bereits Zweifel am Vorliegen einer Entscheidung aufkommen lassen, die Grundlage einer Anerkennungsentscheidung im Bundesgebiet sein kann.
- 7
-
Soweit die Beklagte auf die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung durch den 11. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg in den Verfahren 11 B 2.10, 11 B 23.10 und 11 B 3.10 verweist, betreffen diese Revisionszulassungen die Frage der Anerkennung "rein ausländerrechtlich und ökonomisch motivierter" ausländischer Sorgerechtsübertragen; sie sind mit dem vorliegenden Verfahren schon deswegen nicht vergleichbar, weil für ausländische Sorgerechtsentscheidungen ein gesondertes Verfahren nicht vorgesehen ist, bei dem eine getroffene gerichtliche Feststellung "für und gegen alle" (§ 4 Abs. 2 Satz 1 AdWirkG) wirkt.
- 9
-
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.
moreResultsText
Annotations
(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.
(1) Eine ausländische Adoptionsentscheidung im Sinne von § 1 Absatz 2 wird nicht anerkannt, wenn die Adoption ohne eine internationale Adoptionsvermittlung gemäß § 2a Absatz 2 des Adoptionsvermittlungsgesetzes vorgenommen worden ist. Abweichend hiervon kann eine Feststellung nach § 2 nur ergehen, wenn zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht und die Annahme für das Wohl des Kindes erforderlich ist.
(2) Für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 1 ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.