Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 08. Aug. 2012 - 2 BvR 1672/12

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2012:rk20120808.2bvr167212
bei uns veröffentlicht am08.08.2012

Tenor

1. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

2. Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Gründe

I.

1

Die Beschwerdeführer wenden sich gegen ihren Ausschluss von der Wiederholungswahl des Stadtrates und von 11 Bezirksvertretungen der Stadt D... am 26. August 2012.

2

1. Am 10. Dezember 2009 beschloss der Rat der Stadt D..., die Ratswahl vom 30. August 2009 für ungültig zu erklären und deren Wiederholung anzuordnen. Die hiergegen gerichtete Klage einiger gewählter Direktkandidaten blieb erfolglos; zuletzt hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 9. Mai 2012 (- 8 B 27/12 -, juris) die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. Dezember 2011 (- 15 A 876/11 -, DVBl 2012, S. 588) zurückgewiesen. Am 16. Mai 2012 wurde der Rat der Stadt D… aufgelöst und der 26. August 2012 zum Wahltermin für den Stadtrat und für 11 Bezirksvertretungen bestimmt. Für diese Wahl hat die Beschwerdeführerin zu 1. Wahlvorschläge eingereicht und dabei auch den Beschwerdeführer zu 2. zur Wahl vorgeschlagen. Am 13. Juli 2012 lehnte der Wahlausschuss der Stadt D… die Zulassung der Wahlvorschläge der Beschwerdeführerin zu 1. ab. Die hiergegen eingelegte Beschwerde wies der Landeswahlausschuss mit Beschluss vom 25. Juli 2012 zurück.

3

2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 38 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 3 Abs. 1 GG. Die Rechtsgrundlage für die Zurückweisung der Wahlvorschläge durch den Landeswahlausschuss, § 42 Abs. 2 Kommunalwahlgesetz Nordrhein-Westfalen (KWahlG), sei verfassungswidrig, soweit danach bei der Wiederholungswahl nach denselben Wahlvorschlägen gewählt werde wie bei der für ungültig erklärten Wahl. Dadurch werde in unzulässiger Weise in die Grundsätze der allgemeinen und gleichen Wahl eingegriffen.

II.

4

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie unzulässig ist.

5

1. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Landeswahlausschusses vom 25. Juli 2012 steht schon der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde entgegen, da der Rechtsweg nicht im Sinne des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG erschöpft worden ist.

6

Nach dem Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde muss eine Verfassungsbeschwerde erforderlich sein, um eine Grundrechtsverletzung zu verhindern. Dies ist nicht der Fall, wenn eine anderweitige Möglichkeit besteht oder bestand, die Grundrechtsverletzung zu beseitigen oder ohne Inanspruchnahme des Bundesverfassungsgerichts im praktischen Ergebnis dasselbe zu erreichen (vgl. BVerfGE 22, 287 <290 ff.>; 81, 97 <102>). Denn die Verfassungsbeschwerde soll letzter, nur auf den Schutz der Grundrechte und bestimmter grundrechtsähnlicher Rechte beschränkter verfassungsrechtlicher Rechtsschutz sein, der lediglich dann eingreift, wenn die sonstigen Möglichkeiten zur allgemeinen richterlichen Nachprüfung bis zur letzten Instanz hin erschöpft sind (vgl. BVerfGE 9, 3 <7>; 10, 89 <98>).

7

Danach ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig. Die Beschwerdeführer haben die Möglichkeit, den Beschluss des Landeswahlausschusses nach der Wahl in einem Wahlprüfungsverfahren gerichtlich überprüfen zu lassen. Das Wahlprüfungsverfahren ist zweistufig ausgestaltet und lässt nach dem Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl (§§ 39, 40 KWahlG) die Klage beim Verwaltungsgericht zu (§ 41 Abs. 1 KWahlG). Gemäß § 39 Abs. 2 Satz 1 KWahlG kann im Wahlprüfungsverfahren gegen die von den Wahlbehörden bei der Vorbereitung der Wahl getroffenen Entscheidungen - etwa hinsichtlich der Zulassung von Wahlvorschlägen nach § 18 KWahlG - Einspruch eingelegt werden, um eine Entscheidung über die Gültigkeit der Wahl gemäß § 40 Abs. 1 KWahlG herbeizuführen. Wird festgestellt, dass bei der Vorbereitung der Wahl oder bei der Wahlhandlung Unregelmäßigkeiten vorgekommen sind, die auf das Wahlergebnis im Wahlbezirk oder auf die Zuteilung der Sitze aus der Reserveliste von entscheidendem Einfluss gewesen sein können, so ist die Wahl in dem aus § 42 Abs. 1 KWahlG ersichtlichen Umfang für ungültig zu erklären und dementsprechend eine Wiederholungswahl anzuordnen (§ 42 KWahlG). Zu einem schweren und unabwendbaren Nachteil für die Beschwerdeführer, der ein Abrücken vom Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde ausnahmsweise rechtfertigen könnte (§ 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG), führt der Verweis auf das Wahlprüfungsverfahren nicht.

8

2. Darüber hinaus steht den Beschwerdeführern kein mit der Verfassungsbeschwerde rügefähiges Grundrecht zur Seite (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG).

9

Während bei Bundestagswahlen die Verletzung der Wahlrechtsgrundsätze des Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG durch Anrufung des Bundesverfassungsgerichts gerügt werden kann, fehlt eine vergleichbare Möglichkeit, wenn es um die Durchsetzung dieser Grundsätze bei allgemeinen politischen Wahlen und Abstimmungen im Sinne von Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG auf der Ebene der Länder geht (vgl. BVerfGE 99, 1 <7>;BVerfGK 15, 186 <189 f.>; 16, 31 <32>; BVerfG, Beschlüsse der Dritten Kammer des Zweiten Senats vom 11. Mai 2010 - 2 BvR 511/10 -, juris, Rn. 3; vom 18. Oktober 2010 - 2 BvR 2174/10 -, juris, Rn. 3; vom 26. Oktober 2010 - 2 BvR 1913/09 -, juris, Rn. 5, und vom 10. November 2010 - 2 BvR 1946/10 -, juris, Rn. 6; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 5. September 2011 - 2 BvR 2228/09 -, NVwZ-RR 2012, S. 2).

10

Art. 38 GG erfasst unmittelbar nur die Wahlen zum Deutschen Bundestag. Eine analoge Anwendung auf Wahlen in den Ländern scheidet mit Rücksicht auf die selbständigen Verfassungsräume von Bund und Ländern aus. Zwar verlangt Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG, dass die Grundsätze der allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahl auch bei politischen Wahlen in den Ländern gelten. Die Länder haben diesem Verfassungsgebot bei der Regelung des Wahlrechts zu ihren Länderparlamenten und auf kommunaler Ebene zu genügen. Dem Einzelnen vermittelt Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG jedoch keine mit der Verfassungsbeschwerde rügefähige subjektive Rechtsposition. Das objektivrechtliche Verfassungsgebot des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG kann auch nicht über die in Art. 2 Abs. 1 GG verbürgte allgemeine Handlungsfreiheit als subjektives Recht eingefordert werden. Im Anwendungsbereich von Art. 28 Abs. 1 Satz 2, Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG scheidet auch ein Rückgriff auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG aus (vgl. BVerfGE 99, 1 <7 ff.>; BVerfGK 15, 186 <190>; 16, 31 <32>).

11

Die Länder gewährleisten den subjektivrechtlichen Schutz des Wahlrechts bei politischen Wahlen in ihrem Verfassungsraum allein und abschließend (vgl. BVerfGE 99, 1 <17>;BVerfGK 15, 186 <190>; 16, 31 <32 f.>). Den Beschwerdeführern steht im Hinblick auf die von ihnen geltend gemachte Verletzung der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl ein Rechtsweg zur Verfügung. Das Wahlprüfungsverfahren ist - wie ausgeführt (oben II.1.) - zweistufig ausgestaltet und lässt nach dem Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl die Klage beim Verwaltungsgericht zu. Mehr ist von Verfassungs wegen nicht geboten, weil Art. 19 Abs. 4 GG keinen subjektiven verfassungsgerichtlichen Rechtsschutz verbürgt (vgl. BVerfGE 99, 1 <19>; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Mai 2010 - 2 BvR 511/10 -, juris, Rn. 6; und vom 10. November 2010 - 2 BvR 1946/10 -, juris, Rn. 8).

12

3. Die Verfassungsbeschwerde ist auch unzulässig, wenn sie dahingehend ausgelegt wird, dass sie sich unmittelbar gegen § 42 Abs. 2 KWahlG richtet. Unabhängig davon, dass die Jahresfrist zur Einlegung einer Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen ein Gesetz verstrichen sein dürfte (vgl. § 93 Abs. 3 BVerfGG), gilt auch insoweit, dass den Beschwerdeführern ein mit der Verfassungsbeschwerde rügefähiges Recht nicht zur Seite steht (vgl. oben II. 2.).

13

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Urteilsbesprechung zu Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 08. Aug. 2012 - 2 BvR 1672/12

Urteilsbesprechungen zu Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 08. Aug. 2012 - 2 BvR 1672/12

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Gründe 1 Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie unzulässig ist.

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Gründe

1

Die Kläger wurden bei der Kommunalwahl vom 30. August 2009 als Direktkandidaten in den Rat der beklagten Stadt D. gewählt. Mit ihrer Klage wenden sie sich gegen den Beschluss des Rates der Beklagten, die Wahl wegen Unregelmäßigkeiten zu wiederholen. Das Verwaltungsgericht hat den Beschluss des Rates aufgehoben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Es hat die Revision gegen seine Entscheidung nicht zugelassen.

2

Die dagegen erhobene Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die Klage richte sich gegen die Stadt D. und nicht gegen deren Rat, steht im Einklang mit dem Prozessrecht (1.). Die von den Klägern geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (2.) und eines Verfahrensmangels (3.) liegen nicht vor.

3

1. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die Klage richte sich gegen die Stadt D. und nicht gegen deren Rat, steht im Einklang mit dem Prozessrecht.

4

Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts sind Klagen von Organen oder Organteilen, mit denen deren Befugnisse oder Kompetenzen gegenüber einem anderen Organ oder Organteil desselben öffentlichen Rechtsträgers geltend gemacht werden (sog. Innenrechtsstreit oder Kommunalverfassungsstreit), gegenüber diesem anderen Organ oder Organteil selbst und nicht gegenüber dem Rechtsträger zu erheben (etwa OVG Münster, Urteil vom 24. April 2009 - 15 A 981/06 - OVGE 52, 82 = NVwZ-RR 2009, 819 m.w.N.; vgl. allgemein Rennert, in: Eyermann, VwGO-Kommentar, 13. Auflage 2010, Rn. 15 f. zu § 40 VwGO m.w.N.). Das Oberverwaltungsgericht hat aber den vorliegenden Rechtsstreit, der der gerichtlichen Überprüfung einer Entscheidung des Rates einer Stadt im Wahlprüfungsverfahren dient, nicht als Organstreitigkeit in diesem Sinne angesehen. Es hat hierfür angeführt, dass die Beteiligten nicht um Rechte und Pflichten von Kommunalverfassungsorganen im Verhältnis zu anderen Organen oder Organteilen streiten, sondern darum, ob die Kläger überhaupt Mitglied eines Kommunalorgans geworden sind. Das lässt einen Verstoß gegen Prozessrecht nicht erkennen.

5

Ohne Erfolg berufen sich die Kläger demgegenüber auf den Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 2. Juli 1993 - 2 BvR 1130/03 - (NVwZ 1994, 56). Dieser Entscheidung lag ein anderer Sachverhalt zugrunde. Dort ging es um die Vorverlegung eines Wahltermins und die damit verbundene Verkürzung der Wahlperiode; die dortigen Kläger verteidigten den Fortbestand ihrer Rechte als Mandatsträger. Hier hingegen verteidigen die Kläger ihre Rechte aus der Wahl, also ihre Rechte auf das Mandat. Sie leiten ihre Rechte mittelbar aus ihrem passiven Wahlrecht her, das ein subjektives Recht eines jeden Bürgers ist, das gegenüber seiner Gemeinde besteht.

6

2. Der Rechtssache kommt die von den Klägern behauptete grundsätzliche Bedeutung nicht zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist. Das ist hier nicht der Fall.

7

a) Das Berufungsgericht hat die Wahl des Rates wegen einer unzulässigen amtlichen Wahlbeeinflussung durch den damaligen Oberbürgermeister und die damalige Kämmerin der Beklagten für fehlerhaft gehalten. Es ist hierbei in rechtlicher Hinsicht davon ausgegangen, dass ein Wahlfehler nach nordrhein-westfälischem Kommunalwahlrecht auch im Vorenthalten von wahlkampfrelevanten Informationen liegen kann, ohne dass es einer bewussten, zielgerichteten Täuschung bedürfe; schon die objektiv unrichtige Information sei eine unzulässige Wahlbeeinflussung (UA S. 17, 19).

8

Die Kläger werfen in diesem Zusammenhang in erster Linie die Frage auf, ob ein solcher Fehler schon dann vorliegt, wenn der Wähler durch objektiv unrichtige Angaben über die seiner Beurteilung unterliegenden und für seine Entscheidung maßgeblichen Verhältnisse unzutreffend informiert wird, ohne dass es darauf ankommt, ob sich der informierende Amtswalter der Unrichtigkeit seiner Angaben bewusst ist. Das verleiht dem Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung. Die Frage würde sich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen; denn auch wenn sie - gemäß der Ansicht der Kläger - zu verneinen sein sollte, könnte die Revision keinen Erfolg haben. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der damalige Oberbürgermeister und die Kämmerin der Beklagten auf eine Anfrage eines Ratsmitglieds das Vorliegen von Auffälligkeiten beim Haushaltsvollzug am 24. und am 26. August 2009 verneint haben, obwohl sie bereits zwei Wochen zuvor - am 11. August 2009 - den Erlass einer Haushaltssperre mit Wirkung vom 1. September 2009 intern beschlossen und die nötigen Schritte zu deren Vorbereitung eingeleitet hatten. Das Berufungsgericht hat damit Umstände festgestellt, die zu dem Schluss zwingen, dass dem damaligen Oberbürgermeister und der Kämmerin die Unrichtigkeit ihrer Auskunft vom 24. bzw. 26. August 2009 bewusst war. Dass es diesen Schluss auch selbst gezogen hat, wird zusätzlich dadurch belegt, dass es die gegenteiligen Bekundungen des Oberbürgermeisters und der Kämmerin bei ihrer Zeugenvernehmung vor dem Verwaltungsgericht als bloße Schutzbehauptungen gewürdigt hat.

9

Bei dieser Sachlage aber kann offen bleiben, ob eine amtliche Äußerung eines Bürgermeisters oder Beigeordneten einer Gemeinde im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Kommunalwahl, die auf der Grundlage der dem Bürgermeister oder Beigeordneten im Zeitpunkt der Äußerung verfügbaren Daten objektiv unrichtig war, als Wahlfehler schon dann in Betracht kommt, wenn sie geeignet war, die Wählerentscheidung zu beeinflussen, oder erst dann, wenn sie im Sinne einer manipulativen Einwirkung dazu auch bestimmt war. Zur Klarstellung sei lediglich darauf hingewiesen, dass die Frage - entgegen der Ansicht der Kläger - in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bislang nicht in ihrem Sinne geklärt ist. Zwar hat der Senat in seinem Urteil vom 8. April 2003 - BVerwG 8 C 14.02 - (BVerwGE 118, 101 = Buchholz 160 WahlR Nr. 49) ausgesprochen, dass eine unzulässige amtliche Wahlbeeinflussung auch in einer bewussten Täuschung durch Vorenthalten von wahlkampfrelevanten Informationen liegen kann (a.a.O. S. 106). Damit ist jedoch nicht entschieden, ob und ggf. unter welchen weiteren Voraussetzungen auch eine unbewusst unrichtige amtliche Äußerung einen Wahlfehler begründen kann. Über eine solche Fallgestaltung hatte der Senat nicht zu befinden. Die dortige Vorinstanz hatte eine bewusste Täuschung der Öffentlichkeit durch hauptamtliche Magistratsmitglieder festgestellt (a.a.O. S. 102), weshalb der Senat vom Tatbestand einer manipulativen Einwirkung ausgehen musste (vgl. a.a.O. S. 108).

10

b) Mit ihrer zweiten Frage möchten die Kläger geklärt wissen, ob eine unzulässige amtliche Wahlbeeinflussung schon dann vorliegt, wenn der Wähler durch objektiv unrichtige amtliche Angaben über die seiner Beurteilung unterliegenden und für seine Entscheidung maßgeblichen Verhältnisse unzutreffend informiert wird, ohne dass es darauf ankommt, ob der informierende Amtswalter gegen ihm obliegende gesetzliche Pflichten verstoßen hat.

11

Auch diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. In der gestellten allgemeinen Form ist sie in sich widersprüchlich; eine amtliche Information kann nur dann eine unzulässige Wahlbeeinflussung sein, wenn der informierende Amtsträger gegen ihm obliegende gesetzliche Pflichten, nämlich gegen die Pflicht zur Wahrung der Neutralität verstoßen hat. Allerdings haben die Kläger zusätzliche spezifische gesetzliche Informationspflichten des Bürgermeisters gegenüber dem Rat der Gemeinde im Auge, mit denen sich das Verwaltungsgericht im erstinstanzlichen Urteil des Näheren auseinandergesetzt und deren Verletzung es im vorliegenden Fall verneint hat. In dieser konkreteren Form war die Frage jedoch für das Berufungsgericht nicht entscheidungserheblich. Ihm kam es auf das Bestehen einer besonderen gesetzlichen Offenbarungspflicht nur für den Fall an, dass die unzulässige amtliche Wahlbeeinflussung in einem Unterlassen des Amtsträgers zu sehen sein soll. Im vorliegenden Fall aber steht eine aktive Information durch den Amtsträger in Rede (UA S. 19).

12

c) Schließlich werfen die Kläger die Frage auf, ob eine Gemeinderatswahl wegen eines Wahlfehlers schon dann für ungültig erklärt werden darf, wenn die reale Möglichkeit einer anderen Sitzverteilung bei ordnungsgemäßem Ablauf der Wahl besteht, oder erst dann, wenn ein Forbestand der fehlerhaft gewählten Vertretung unerträglich erschiene.

13

Auch diese Frage begründet keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache; denn sie ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits hinreichend geklärt.

14

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Blick auf eine Landtagswahl entschieden, dass Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern an die Grundsätze des demokratischen Rechtsstaats bindet. Dieses sog. Homogenitätsprinzip gibt den Ländern kraft des Demokratiegebots auf, ein Verfahren zur Prüfung ihrer Parlamentswahlen einzurichten; auch hierfür sind die in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG aufgeführten Wahlrechtsgrundsätze verbindlich. Innerhalb dieses Rahmens genießen die Länder jedoch Autonomie. Einem Land, das sich entschließt, das materielle Wahlprüfungsrecht gesetzlich zu regeln, steht dementsprechend eine umfangreiche Gestaltungsfreiheit zu. Deren Grenzen wären auf der einen Seite überschritten, wenn schwerwiegende Verstöße gegen die Grundsätze der Freiheit oder der Gleichheit der Wahl wie fortlaufende gravierende Verletzungen des Verbots der amtlichen Wahlbeeinflussung als mögliche Wahlfehler von vornherein außer Betracht blieben. Andererseits schließt das Erfordernis des Bestandsschutzes einer gewählten Volksvertretung, das seine rechtliche Grundlage im Demokratiegebot findet, es zumindest aus, Wahlbeeinflussungen einfacher Art und ohne jedes Gewicht schlechthin zum Wahlungültigkeitsgrund zu erheben. Der Eingriff in die Zusammensetzung einer gewählten Volksvertretung durch eine wahlprüfungsrechtliche Entscheidung muss vor diesem Bestandserhaltungsinteresse gerechtfertigt werden. Je tiefer und weiter die Wirkungen eines solchen Eingriffs reichen, desto schwerer muss der Wahlfehler wiegen, auf den dieser Eingriff gestützt wird (BVerfG, Urteil vom 8. Februar 2001 - 2 BvF 1/00 - BVerfGE 103, 111 <134 f.>).

15

Das Bundesverwaltungsgericht hat bislang offen gelassen, ob diese Grundsätze für das kommunale Wahlprüfungsverfahren übernommen werden müssen; besonders bei der Direktwahl des Bürgermeisters komme dem Gesichtspunkt des Bestandsschutzes der durchgeführten Wahl eine andere - geringere - Bedeutung zu als bei der Wahl der Gemeindevertretung (Urteil vom 8. April 2003 a.a.O. S. 104 f.). Auch der vorliegende Rechtsstreit nötigt nicht zu einer abschließenden Stellungnahme. Selbst wenn die Grundsätze, die das Bundesverfassungsgericht für die Wahlprüfung bei Landtagen aufgestellt hat, auf die Wahlprüfung bei Gemeindevertretungen zu übertragen sind, so ist der Regelungsspielraum, den das Bundesverfassungsrecht dem Landesgesetzgeber lässt, hier doch keinesfalls geringer als bei Landtagswahlen. Auch hier muss der Eingriff in die Zusammensetzung der gewählten Gemeindevertretung durch eine wahlprüfungsrechtliche Entscheidung mithin vor dem Bestandserhaltungsinteresse gerechtfertigt werden, das seine rechtliche Grundlage im Demokratiegebot findet; je tiefer und weiter die Wirkungen eines solchen Eingriffs reichen, desto schwerer muss der Wahlfehler wiegen, auf den der Eingriff gestützt wird (vgl. Urteil vom 8. April 2003 a.a.O. S. 105). Weitergehende Anforderungen lassen sich dem Bundesverfassungsrecht nicht entnehmen. Namentlich lässt sich ihm nicht entnehmen, dass eine Gemeinderatswahl erst dann für ungültig erklärt werden dürfte, wenn ein erheblicher Wahlfehler von solchem Gewicht vorliegt, dass ein Fortbestand der in dieser Weise gewählten Vertretung unerträglich erschiene. Das Bundesverfassungsgericht hat diesen Rechtssatz im Wege der Auslegung lediglich dem hessischen Landesverfassungsrecht, nämlich Art. 78 Abs. 2 HV entnommen (Urteil vom 8. Februar 2001 a.a.O. S. 133, 134 unter 1.), nicht jedoch dem Bundesverfassungsrecht (ebd. S. 134 ff. unter 2.).

16

Das Berufungsgericht hat sich von den vorstehenden Grundsätzen leiten lassen. Es ist fraglos davon ausgegangen, dass die von ihm festgestellte Unregelmäßigkeit wegen des engen zeitlichen Zusammenhangs mit der unmittelbar bevorstehenden Wahl und wegen der besonderen Relevanz von Haushaltsfragen im Wahlkampf für die Willensbildung der Wähler von gravierender, wenn nicht gar herausragender Bedeutung war. Insofern hat es sich von der Überzeugung leiten lassen, dass nicht jede derartige Unregelmäßigkeit eine Ungültigerklärung der Wahl rechtfertigen kann, sondern nur eine von hinlänglichem Gewicht. Die Kläger zeigen nicht auf, inwiefern diese Grundsätze aus Anlass des vorliegenden Falles einer Überprüfung oder weitergehenden Klärung bedürften.

17

3. Die geltend gemachten Verfahrensmängel (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor. Die Kläger meinen, das Berufungsgericht habe bei seiner Überzeugungsbildung weder die Ergebnisse der vom Verwaltungsgericht durchgeführten Beweisaufnahme noch das Ergebnis der wiederholten Bürgermeisterwahl berücksichtigt und seine Entscheidung damit entgegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnen. Dieser Vortrag lässt einen Verfahrensmangel nicht erkennen.

18

Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es gehört hiernach zur Aufgabe des Tatsachengerichts, sich im Wege der freien Beweiswürdigung seine Überzeugung von dem entscheidungserheblichen Sachverhalt zu bilden. Dem hat es das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde zu legen. Wie es seine Überzeugung bildet, wie es also die ihm vorliegenden Tatsachen und Beweise würdigt, unterliegt seiner "Freiheit". Die Einhaltung der daraus entstehenden verfahrensrechtlichen Verpflichtungen ist nicht schon dann in Frage gestellt, wenn ein Beteiligter das vorliegende Tatsachenmaterial anders würdigen oder aus ihm andere Schlüsse ziehen will als das Gericht. Die "Freiheit" des Gerichts ist erst dann überschritten, wenn es entweder seiner Sachverhalts- und Beweiswürdigung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde legt, sondern nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen; diese Verstöße gegen den Überzeugungsgrundsatz können als Verfahrensmängel gerügt werden (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 17. Mai 2011 - BVerwG 8 B 88.10 - juris und vom 28. März 2012 - BVerwG 8 B 76.11 - m.w.N.).

19

Dass das Berufungsgericht Schlüsse gezogen habe, die gegen die Denkgesetze verstoßen, behaupten die Kläger nicht; es ist auch nicht ersichtlich. Ebenso wenig aber ergibt sich aus ihrem Beschwerdevorbringen ein Anhaltspunkt für die Annahme, das Berufungsgericht habe Akteninhalt, der nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserhebliche Umstände betrifft, übergangen oder umgekehrt aktenwidrige Tatsachen angenommen.

20

Bei seiner Sachwürdigung, der damalige Oberbürgermeister und die damalige Kämmerin der Beklagten hätten bei ihren amtlichen Äußerungen vom 24. bzw. 26. August 2009 objektiv unrichtige Angaben gemacht, die zudem im Widerspruch zu ihrem bereits gefassten Entschluss gestanden hätten, unmittelbar nach der Wahl eine Haushaltssperre zu verhängen, hat das Berufungsgericht durchaus das Ergebnis der vom Verwaltungsgericht durchgeführten Beweisaufnahme berücksichtigt (vgl. UA S. 11, 23 ff.). Dabei ist es auch auf die von den Klägern in den Vordergrund gerückten Prognoseungenauigkeiten eingegangen und hat betont, dass es den Zeugen unbenommen gewesen wäre, das vorzulegende Datenmaterial zu kommentieren und auf entsprechende Unsicherheiten hinzuweisen (UA S. 24). Damit ist das Berufungsgericht der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts nicht gefolgt, das eine Verletzung der von ihm angenommenen Wahrheitspflicht auskunftspflichtiger Amtswalter erst dann annehmen wollte, wenn die erteilte Auskunft auch bei Berücksichtigung bestehender Prognoseungenauigkeiten keinesfalls mehr als vertretbar erscheine; es hat dem die Auffassung entgegengestellt, die Wahrheitspflicht gebiete, dass der Amtswalter auf bestehende Prognoseungenauigkeiten als solche hinweise. Die Kläger wenden sich im Gewande einer Verfahrensrüge eigentlich gegen die Richtigkeit dieser Rechtsauffassung. Damit aber kann eine Verfahrensrüge nicht begründet werden.

21

Ebenso wenig hat das Berufungsgericht bei seiner Annahme, der von ihm angenommene Wahlfehler sei für das Wahlergebnis erheblich gewesen, aktenwidrig Tatsachen übergangen oder angenommen. Es hat ausführlich dargelegt, weshalb es zu der Überzeugung gelangt ist, dass bei voller Kenntnis der Haushaltslage der Stadt die Wahlteilnahme und die Wahlentscheidung einer nicht bestimmbaren Zahl von Wählern möglicherweise anders ausgefallen wäre und dass dies jedenfalls auf die Sitzzuteilung aus der Reserveliste möglicherweise von Einfluss gewesen wäre (UA S. 26 ff.). Inwiefern dies auf aktenwidrigen Annahmen beruht, legen die Kläger nicht dar. Ebenso wenig machen sie deutlich, inwiefern sich die Sachwürdigung des Berufungsgerichts bei Berücksichtigung ihres Hinweises, dass der Kandidat ihrer Partei bei der bereits aus demselben Grund wiederholten Oberbürgermeisterwahl erneut gewählt wurde, hätte verbieten sollen. Der Bürgermeister wird durch Mehrheitswahl gewählt. Dem ließe sich bei der Wahl des Stadtrats allenfalls die Wahl der Direktbewerber in den Wahlkreisen vergleichen. Das Berufungsgericht hat seine Annahme, dass der festgestellte Wahlfehler mandatsrelevant sei, aber ausdrücklich auf die Sitzzuteilung aus den Reservelisten gestützt.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Jedermann kann mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 Abs. 4, Artikel 33, 38, 101, 103 und 104 des Grundgesetzes enthaltenen Rechte verletzt zu sein, die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erheben.

(2) Ist gegen die Verletzung der Rechtsweg zulässig, so kann die Verfassungsbeschwerde erst nach Erschöpfung des Rechtswegs erhoben werden. Das Bundesverfassungsgericht kann jedoch über eine vor Erschöpfung des Rechtswegs eingelegte Verfassungsbeschwerde sofort entscheiden, wenn sie von allgemeiner Bedeutung ist oder wenn dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls er zunächst auf den Rechtsweg verwiesen würde.

(3) Das Recht, eine Verfassungsbeschwerde an das Landesverfassungsgericht nach dem Recht der Landesverfassung zu erheben, bleibt unberührt.

(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.

(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie unzulässig ist.

2

Die Beschwerdeführer rügen die Verletzung ihres subjektiven Wahlrechts in der Ausprägung des Grundsatzes der Gleichheit der Wahl aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG und aus Art. 3 Abs. 1 GG. Für dieses Vorbringen steht den Beschwerdeführern ein mit der Verfassungsbeschwerde rügefähiges Recht nicht zur Seite (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG).

3

Während bei Bundestagswahlen die Verletzung der Wahlrechtsgrundsätze des Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG im Wege einer Verfassungsbeschwerde gerügt werden kann, fehlt eine vergleichbare Gewährleistung, wenn es um die Durchsetzung dieser Grundsätze bei allgemeinen politischen Wahlen und Abstimmungen im Sinne von Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG auf der Ebene der Länder geht (vgl. BVerfGE 99, 1 <7>; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 13. Dezember 2006 - 2 BvR 1487/06 -, juris  ; vom 8. Juli 2008 - 2 BvR 1223/08 -, juris; vom 9. März 2009 - 2 BvR 120/09 -, NVwZ 2009, S. 776 f.; vom 3. Juli 2009 - 2 BvR 1291/09 -, juris und vom 11. Mai 2010 - 2 BvR 511/10 -, juris).

4

Art. 38 GG erfasst unmittelbar nur die Wahlen zum Deutschen Bundestag. Eine analoge Anwendung auf Wahlen in den Ländern scheidet mit Rücksicht auf die selbständigen Verfassungsräume von Bund und Ländern aus. Zwar verlangt Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG, dass die Grundsätze der allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahl auch bei politischen Wahlen in den Ländern gelten. Die Länder haben diesem Verfassungsgebot bei der Regelung des Wahlrechts zu ihren Länderparlamenten und auf kommunaler Ebene zu genügen. Dem Einzelnen vermittelt Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG jedoch keine mit der Verfassungsbeschwerde rügefähige subjektive Rechtsposition. Im Anwendungsbereich von Art. 28 Abs. 1 Satz 2, Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG scheidet auch ein Rückgriff auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG aus (vgl. BVerfGE 99, 1 <7 ff.>).

5

Die Länder gewährleisten den subjektivrechtlichen Schutz des Wahlrechts bei politischen Wahlen in ihrem Verfassungsraum allein und abschließend (vgl. BVerfGE 99, 1 <17>; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom vom 13. Dezember 2006, a.a.O.; vom 8. Juli 2008, a.a.O.; vom 9. März 2009, S. 777; vom 3. Juli 2009, a.a.O. und vom 11. Mai 2010, a.a.O.). Den Beschwerdeführern stand im Hinblick auf die von ihnen geltend gemachte Verletzung des Grundsatzes der Gleichheit der Wahl ein Rechtsweg zur Verfügung. Das Wahlprüfungsverfahren auf Landesebene ist - den Vorgaben des Homogenitätsprinzips in Art. 28 Abs. 1 GG entsprechend - gemäß § 43 Abs. 1 und Abs. 2 LWahlG zweistufig ausgestaltet und sieht nach dem Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl eine Beschwerde zum Landesverfassungsgericht gegen die Entscheidung des Landtages vor (vgl. BVerfGE 99, 1 <17 f.>). Ein Mehr ist von Verfassungs wegen nicht geboten, weil Art. 19 Abs. 4 GG keinen subjektiven verfassungsgerichtlichen Rechtsschutz durch das Bundesverfassungsgericht verbürgt (vgl. BVerfGE 99, 1 <19>).

6

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

7

Durch die Nichtannahme erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

8

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie unzulässig ist.

2

1. Der Beschwerdeführer ist Mitglied der NPD und Abgeordneter des Landtags von Mecklenburg-Vorpommern. Die NPD reichte am 23. März 2009 einen Wahlvorschlag mit dem Beschwerdeführer als Bewerber für die Wahl des ehrenamtlichen Bürgermeisters der Gemeinde F. am 7. Juni 2009 ein. Mit Beschluss vom 23. April 2009 lehnte der Gemeindewahlausschuss die Zulassung des Wahlvorschlags ab, weil der Beschwerdeführer die Voraussetzungen des § 61 Abs. 1 und Abs. 3 des Kommunalwahlgesetzes für das Land Mecklenburg-Vorpommern (Kommunalwahlgesetz - KWG M-V) nicht erfülle. Diese Vorschrift sieht vor, dass ein Wahlbewerber die Gewähr dafür bieten muss, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern einzutreten (§ 61 Abs. 3 Satz 1 KWG M-V). Der Einspruch des Beschwerdeführers gegen die Gültigkeit der Wahl wurde mit Beschluss der Gemeindevertretung der Gemeinde F. vom 16. Juli 2009 zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht Greifswald mit Urteil vom 23. März 2010 ab. Das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern lehnte den Antrag auf Zulassung der Berufung mit Beschluss vom 22. Juli 2010 ab.

3

2. Der Beschwerdeführer rügt in erster Linie die Versagung seines passiven Wahlrechts auf kommunaler Ebene, das durch die Grundsätze der Allgemeinheit und der Gleichheit der Wahl gewährleistet werde. Die Rechtsgrundlage für die Nichtzulassung als Wahlbewerber, § 61 Abs. 1 und Abs. 3 KWG M-V, sei verfassungswidrig, weil mit dieser Norm in unzulässiger Weise in die Grundsätze der gleichen und allgemeinen Wahl eingegriffen und zugleich das Demokratieprinzip verletzt werde.

4

3. Für dieses Vorbringen steht dem Beschwerdeführer ein mit der Verfassungsbeschwerde rügefähiges Recht nicht zur Seite (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG).

5

a) Das Demokratieprinzip gemäß Art. 20 Abs. 1 GG ist kein Grundrecht oder grundrechtsgleiches Recht im Sinne von § 90 Abs. 1 BVerfGG.

6

b) Während bei Bundestagswahlen die Verletzung der Wahlrechtsgrundsätze des Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG im Wege einer Verfassungsbeschwerde gerügt werden kann, fehlt eine vergleichbare Gewährleistung, wenn es um die Durchsetzung dieser Grundsätze bei allgemeinen politischen Wahlen und Abstimmungen im Sinne von Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG auf der Ebene der Länder geht (vgl. BVerfGE 99, 1 <7>; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 16. März 2005 - 2 BvR 315/05 -,  NVwZ-RR 2005, S. 494 f.; vom 9. März 2009 - 2 BvR 120/09 -, NVwZ 2009, S. 776 f.; vom 3. Juli 2009 - 2 BvR 1291/09 -, juris, und vom 11. Mai 2010 - 2 BvR 511/10 -, juris).

7

aa) Art. 38 GG erfasst unmittelbar nur die Wahlen zum Deutschen Bundestag. Eine analoge Anwendung auf Wahlen in den Ländern scheidet mit Rücksicht auf die selbständigen Verfassungsräume von Bund und Ländern aus. Zwar verlangt Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG, dass die Grundsätze der allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahl auch bei politischen Wahlen in den Ländern gelten. Die Länder haben diesem Verfassungsgebot bei der Regelung des Wahlrechts zu ihren Länderparlamenten und auf kommunaler Ebene zu genügen. Dem Einzelnen vermittelt Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG jedoch keine mit der Verfassungsbeschwerde rügefähige subjektive Rechtsposition. Das objektivrechtliche Verfassungsgebot des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG kann auch nicht über die in Art. 2 Abs. 1 GG verbürgte allgemeine Handlungsfreiheit als subjektives Recht eingefordert werden. Im Anwendungsbereich von Art. 28 Abs. 1 Satz 2, Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG scheidet auch ein Rückgriff auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG aus (vgl. BVerfGE 99, 1 <7 ff.>).

8

bb) Die Länder gewährleisten den subjektivrechtlichen Schutz des Wahlrechts bei politischen Wahlen in ihrem Verfassungsraum allein und abschließend (vgl. BVerfGE 99, 1 <17>; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 16. März 2005, a.a.O.; vom 9. März 2009, a.a.O., S. 777; vom 3. Juli 2009, a.a.O., und vom 11. Mai 2010, a.a.O.). Dem Beschwerdeführer stand im Hinblick auf die von ihm geltend gemachte Verletzung seines passiven Wahlrechts und anderer Wahlrechtsgrundsätze der Verwaltungsrechtsweg zur Verfügung (§ 45 Abs. 2, § 56 Abs. 1 KWG M-V). Ein Mehr ist von Verfassungs wegen nicht geboten, weil Art. 19 Abs. 4 GG keinen subjektiven verfassungsgerichtlichen Rechtsschutz verbürgt (vgl. BVerfGE 99, 1 <19>). Ob dem Beschwerdeführer gemäß Art. 53 Nr. 7 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern die Verfassungsbeschwerde zu dem Landesverfassungsgericht offen steht (vgl. BVerfGE 99, 1 <18 f.>; Classen, in: Litten/Wallerath, Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 2007, Art. 53 Nr. 38), ist daher für die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht ohne Bedeutung.

9

4. Die Verfassungsbeschwerde ist auch unzulässig, wenn sie dahingehend ausgelegt wird, dass sie sich unmittelbar gegen § 61 Abs. 1 und 3 KWG M-V richtet. Unabhängig davon, dass die Jahresfrist zur Einlegung einer Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen ein Gesetz verstrichen sein dürfte (vgl. § 93 Abs. 3 BVerfGG), gilt auch insoweit, dass dem Beschwerdeführer ein mit der Verfassungsbeschwerde rügefähiges Recht nicht zur Seite steht (s. unter 3.).

10

5. Schließlich ist die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts auch nicht am Maßstab von Art. 19 Abs. 4 GG zu prüfen. Um die Frage, ob die Berufung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache oder aus anderen Gründen nach § 124 Abs. 2 VwGO hätte zugelassen werden müssen, zu beurteilen, müsste das Bundesverfassungsgericht diejenigen Rechtsfragen bewerten und unter Umständen präjudizieren, deren Prüfung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts allein den für die Wahlprüfung zuständigen Gerichten des Landes obliegt (vgl. BVerfGE 99, 1 ff.). Aus diesem Grund ist in dieser Fallkonstellation auch die Sicherung der Effektivität des Rechtsschutzes in Wahlsachen den damit befassten (Verfassungs-)Gerichten der Länder überlassen, die ihrerseits an Art. 19 Abs. 4 GG gebunden sind.

11

6. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

12

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.

(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.

(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.

(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie unzulässig ist.

2

1. Der Beschwerdeführer ist Mitglied der NPD und Abgeordneter des Landtags von Mecklenburg-Vorpommern. Die NPD reichte am 23. März 2009 einen Wahlvorschlag mit dem Beschwerdeführer als Bewerber für die Wahl des ehrenamtlichen Bürgermeisters der Gemeinde F. am 7. Juni 2009 ein. Mit Beschluss vom 23. April 2009 lehnte der Gemeindewahlausschuss die Zulassung des Wahlvorschlags ab, weil der Beschwerdeführer die Voraussetzungen des § 61 Abs. 1 und Abs. 3 des Kommunalwahlgesetzes für das Land Mecklenburg-Vorpommern (Kommunalwahlgesetz - KWG M-V) nicht erfülle. Diese Vorschrift sieht vor, dass ein Wahlbewerber die Gewähr dafür bieten muss, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern einzutreten (§ 61 Abs. 3 Satz 1 KWG M-V). Der Einspruch des Beschwerdeführers gegen die Gültigkeit der Wahl wurde mit Beschluss der Gemeindevertretung der Gemeinde F. vom 16. Juli 2009 zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht Greifswald mit Urteil vom 23. März 2010 ab. Das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern lehnte den Antrag auf Zulassung der Berufung mit Beschluss vom 22. Juli 2010 ab.

3

2. Der Beschwerdeführer rügt in erster Linie die Versagung seines passiven Wahlrechts auf kommunaler Ebene, das durch die Grundsätze der Allgemeinheit und der Gleichheit der Wahl gewährleistet werde. Die Rechtsgrundlage für die Nichtzulassung als Wahlbewerber, § 61 Abs. 1 und Abs. 3 KWG M-V, sei verfassungswidrig, weil mit dieser Norm in unzulässiger Weise in die Grundsätze der gleichen und allgemeinen Wahl eingegriffen und zugleich das Demokratieprinzip verletzt werde.

4

3. Für dieses Vorbringen steht dem Beschwerdeführer ein mit der Verfassungsbeschwerde rügefähiges Recht nicht zur Seite (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG).

5

a) Das Demokratieprinzip gemäß Art. 20 Abs. 1 GG ist kein Grundrecht oder grundrechtsgleiches Recht im Sinne von § 90 Abs. 1 BVerfGG.

6

b) Während bei Bundestagswahlen die Verletzung der Wahlrechtsgrundsätze des Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG im Wege einer Verfassungsbeschwerde gerügt werden kann, fehlt eine vergleichbare Gewährleistung, wenn es um die Durchsetzung dieser Grundsätze bei allgemeinen politischen Wahlen und Abstimmungen im Sinne von Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG auf der Ebene der Länder geht (vgl. BVerfGE 99, 1 <7>; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 16. März 2005 - 2 BvR 315/05 -,  NVwZ-RR 2005, S. 494 f.; vom 9. März 2009 - 2 BvR 120/09 -, NVwZ 2009, S. 776 f.; vom 3. Juli 2009 - 2 BvR 1291/09 -, juris, und vom 11. Mai 2010 - 2 BvR 511/10 -, juris).

7

aa) Art. 38 GG erfasst unmittelbar nur die Wahlen zum Deutschen Bundestag. Eine analoge Anwendung auf Wahlen in den Ländern scheidet mit Rücksicht auf die selbständigen Verfassungsräume von Bund und Ländern aus. Zwar verlangt Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG, dass die Grundsätze der allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahl auch bei politischen Wahlen in den Ländern gelten. Die Länder haben diesem Verfassungsgebot bei der Regelung des Wahlrechts zu ihren Länderparlamenten und auf kommunaler Ebene zu genügen. Dem Einzelnen vermittelt Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG jedoch keine mit der Verfassungsbeschwerde rügefähige subjektive Rechtsposition. Das objektivrechtliche Verfassungsgebot des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG kann auch nicht über die in Art. 2 Abs. 1 GG verbürgte allgemeine Handlungsfreiheit als subjektives Recht eingefordert werden. Im Anwendungsbereich von Art. 28 Abs. 1 Satz 2, Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG scheidet auch ein Rückgriff auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG aus (vgl. BVerfGE 99, 1 <7 ff.>).

8

bb) Die Länder gewährleisten den subjektivrechtlichen Schutz des Wahlrechts bei politischen Wahlen in ihrem Verfassungsraum allein und abschließend (vgl. BVerfGE 99, 1 <17>; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 16. März 2005, a.a.O.; vom 9. März 2009, a.a.O., S. 777; vom 3. Juli 2009, a.a.O., und vom 11. Mai 2010, a.a.O.). Dem Beschwerdeführer stand im Hinblick auf die von ihm geltend gemachte Verletzung seines passiven Wahlrechts und anderer Wahlrechtsgrundsätze der Verwaltungsrechtsweg zur Verfügung (§ 45 Abs. 2, § 56 Abs. 1 KWG M-V). Ein Mehr ist von Verfassungs wegen nicht geboten, weil Art. 19 Abs. 4 GG keinen subjektiven verfassungsgerichtlichen Rechtsschutz verbürgt (vgl. BVerfGE 99, 1 <19>). Ob dem Beschwerdeführer gemäß Art. 53 Nr. 7 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern die Verfassungsbeschwerde zu dem Landesverfassungsgericht offen steht (vgl. BVerfGE 99, 1 <18 f.>; Classen, in: Litten/Wallerath, Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 2007, Art. 53 Nr. 38), ist daher für die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht ohne Bedeutung.

9

4. Die Verfassungsbeschwerde ist auch unzulässig, wenn sie dahingehend ausgelegt wird, dass sie sich unmittelbar gegen § 61 Abs. 1 und 3 KWG M-V richtet. Unabhängig davon, dass die Jahresfrist zur Einlegung einer Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen ein Gesetz verstrichen sein dürfte (vgl. § 93 Abs. 3 BVerfGG), gilt auch insoweit, dass dem Beschwerdeführer ein mit der Verfassungsbeschwerde rügefähiges Recht nicht zur Seite steht (s. unter 3.).

10

5. Schließlich ist die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts auch nicht am Maßstab von Art. 19 Abs. 4 GG zu prüfen. Um die Frage, ob die Berufung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache oder aus anderen Gründen nach § 124 Abs. 2 VwGO hätte zugelassen werden müssen, zu beurteilen, müsste das Bundesverfassungsgericht diejenigen Rechtsfragen bewerten und unter Umständen präjudizieren, deren Prüfung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts allein den für die Wahlprüfung zuständigen Gerichten des Landes obliegt (vgl. BVerfGE 99, 1 ff.). Aus diesem Grund ist in dieser Fallkonstellation auch die Sicherung der Effektivität des Rechtsschutzes in Wahlsachen den damit befassten (Verfassungs-)Gerichten der Länder überlassen, die ihrerseits an Art. 19 Abs. 4 GG gebunden sind.

11

6. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

12

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Die Verfassungsbeschwerde ist binnen eines Monats zu erheben und zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung oder formlosen Mitteilung der in vollständiger Form abgefaßten Entscheidung, wenn diese nach den maßgebenden verfahrensrechtlichen Vorschriften von Amts wegen vorzunehmen ist. In anderen Fällen beginnt die Frist mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht zu verkünden ist, mit ihrer sonstigen Bekanntgabe an den Beschwerdeführer; wird dabei dem Beschwerdeführer eine Abschrift der Entscheidung in vollständiger Form nicht erteilt, so wird die Frist des Satzes 1 dadurch unterbrochen, daß der Beschwerdeführer schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle die Erteilung einer in vollständiger Form abgefaßten Entscheidung beantragt. Die Unterbrechung dauert fort, bis die Entscheidung in vollständiger Form dem Beschwerdeführer von dem Gericht erteilt oder von Amts wegen oder von einem an dem Verfahren Beteiligten zugestellt wird.

(2) War ein Beschwerdeführer ohne Verschulden verhindert, diese Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden. Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig. Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden eines Beschwerdeführers gleich.

(3) Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz oder gegen einen sonstigen Hoheitsakt, gegen den ein Rechtsweg nicht offensteht, so kann die Verfassungsbeschwerde nur binnen eines Jahres seit dem Inkrafttreten des Gesetzes oder dem Erlaß des Hoheitsaktes erhoben werden.

(4) Ist ein Gesetz vor dem 1. April 1951 in Kraft getreten, so kann die Verfassungsbeschwerde bis zum 1. April 1952 erhoben werden.