Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 10. Okt. 2012 - 2 BvR 1218/10
Gericht
Gründe
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1. Das Landgericht entschied mit dem angegriffenen Beschluss über die Rechtmäßigkeit mehrerer gegen den Beschwerdeführer in der Strafhaft angeordneter körperlicher Durchsuchungen, ohne ihm vorab eine auf seine Stellungnahme hin erfolgte Rückäußerung der Justizvollzugsanstalt zur Kenntnis zu geben. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde verwarf das Oberlandesgericht mit der Begründung, sie genüge nicht den Darlegungsanforderungen. Von wann die Stellungnahme datiere, sei in der Rechtsbeschwerde ebensowenig angegeben wie der wesentliche Inhalt der vermeintlich vorenthaltenen Äußerung; zudem habe der Beschwerdeführer nicht dargetan, was er erwidert hätte, wenn ihm Gelegenheit zur Erwiderung gegeben worden wäre. Die zweite Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt erschöpfe sich im wesentlichen in Wiederholungen des bereits in der ersten Stellungnahme Ausgeführten; neue Angaben enthalte sie lediglich zur Person des die Durchsuchungen anordnenden Beamten und zur Übertragung der Anordnungsbefugnis auf diesen nach § 156 Abs. 3 StVollzG. Was der Beschwerdeführer hierzu vorgetragen hätte, habe er nicht dargelegt. Zu allen maßgeblichen Streitpunkten - ob die Voraussetzungen für die Anordnungen nach § 84 Abs. 2 StVollzG vorlagen und ob die Durchführung schonend und maßvoll erfolgte oder unter Verletzung von Grundrechten erfolgt sei - habe der Beschwerdeführer oder sein Verfahrensbevollmächtigter bereits auf die frühere Stellungnahme erwidern können.
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Mit der Verfassungsbeschwerde macht der inzwischen aus der Haft entlassene Beschwerdeführer geltend, im Hinblick auf die Verwertung der ihm bis heute nicht bekannten zweiten Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt verletzten die angegriffenen Beschlüsse ihn in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und in seinem Recht auf ein faires Verfahren aus Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG.
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2. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie unzulässig ist. Es kann offenbleiben, ob ein Rechtsschutzinteresse des zwischenzeitlich aus der Haft entlassenen Beschwerdeführers fortbesteht. Die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls mangels Erschöpfung des Rechtswegs unzulässig. Zum Rechtsweg gehört, sofern statthaft, die Anhörungsrüge (vgl. BVerfGE 122, 190 <198>), die dem Beschwerdeführer hier nach § 33a StVollzG offenstand. Dieser Rechtsbehelf muss auch im Fall eines massiven Gehörsverstoßes ausgeschöpft werden, bevor mit Aussicht auf Erfolg Verfassungsbeschwerde erhoben werden kann.
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a) Zwar ist eine Anhörungsrüge nicht statthaft, wenn dem letztinstanzlich entscheidenden Gericht kein neuer, eigenständiger Gehörsverstoß, sondern allein die Nichtbehebung eines Gehörsverstoßes der Vorinstanz zur Last gelegt wird (vgl. BVerfGK 13, 496 <499>). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor, denn das Oberlandesgericht hat nicht nur dem geltend gemachten Gehörsverstoß seitens des Landgerichts nicht abgeholfen, sondern seinerseits seine Entscheidung auf den Inhalt der, auch im Rechtsbeschwerdeverfahren dem Beschwerdeführer nicht zugänglich gemachten, Rückäußerung der Justizvollzugsanstalt im Verfahren vor dem Landgericht gestützt.
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b) Die Anhörungsrüge war auch nicht wegen offensichtlicher Aussichtslosigkeit(vgl. BVerfGE 126, 1 <18>; BVerfGK 7, 115 <116>; 7, 403 <407>; 9, 390 <394>) entbehrlich.
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Das Oberlandesgericht hat keine Sachentscheidung zu der Frage getroffen, ob die gerichtliche Verwertung der zweiten Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt, ohne dass diese zuvor den Beschwerdeführer zur Kenntnis gegeben worden war, gegen den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör verstieß, sondern allein auf Darlegungsobliegenheiten des Beschwerdeführers abgestellt. Es ist nicht auszuschließen, dass der Beschwerdeführer, wäre ihm die Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt zwischenzeitlich zugänglich gemacht worden, seine Rechtsbeschwerde anders als geschehen begründet hätte.
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Eine gegenteilige Feststellung lässt sich nicht treffen. Mit der Subjektstellung der Beteiligten im gerichtlichen Verfahren, die der Anspruch auf rechtliches Gehör zu wahren bestimmt ist (vgl. BVerfGE 107, 395 <409>; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 6. Juni 2011 - 2 BvR 2076/08 -, juris, und vom 2. März 2011 - 2 BvR 43/10 u.a. -, juris), ist es nicht vereinbar, einem Rechtsschutzsuchenden unzureichende Darlegungen zu einer Stellungnahme der Gegenseite anzulasten, die ihm nicht zuvor zur Kenntnis gegeben worden ist.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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Annotations
(1) Für jede Justizvollzugsanstalt ist ein Beamter des höheren Dienstes zum hauptamtlichen Leiter zu bestellen. Aus besonderen Gründen kann eine Anstalt auch von einem Beamten des gehobenen Dienstes geleitet werden.
(2) Der Anstaltsleiter vertritt die Anstalt nach außen. Er trägt die Verantwortung für den gesamten Vollzug, soweit nicht bestimmte Aufgabenbereiche der Verantwortung anderer Vollzugsbediensteter oder ihrer gemeinsamen Verantwortung übertragen sind.
(3) Die Befugnis, die Durchsuchung nach § 84 Abs. 2, die besonderen Sicherungsmaßnahmen nach § 88 und die Disziplinarmaßnahmen nach § 103 anzuordnen, darf nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde übertragen werden.
(1) Gefangene, ihre Sachen und die Hafträume dürfen durchsucht werden. Die Durchsuchung männlicher Gefangener darf nur von Männern, die Durchsuchung weiblicher Gefangener darf nur von Frauen vorgenommen werden. Das Schamgefühl ist zu schonen.
(2) Nur bei Gefahr im Verzug oder auf Anordnung des Anstaltsleiters im Einzelfall ist es zulässig, eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung vorzunehmen. Sie darf bei männlichen Gefangenen nur in Gegenwart von Männern, bei weiblichen Gefangenen nur in Gegenwart von Frauen erfolgen. Sie ist in einem geschlossenen Raum durchzuführen. Andere Gefangene dürfen nicht anwesend sein.
(3) Der Anstaltsleiter kann allgemein anordnen, daß Gefangene bei der Aufnahme, nach Kontakten mit Besuchern und nach jeder Abwesenheit von der Anstalt nach Absatz 2 zu durchsuchen sind.
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Die Entscheidung nach § 93b und § 93c ergeht ohne mündliche Verhandlung. Sie ist unanfechtbar. Die Ablehnung der Annahme der Verfassungsbeschwerde bedarf keiner Begründung.
(2) Solange und soweit der Senat nicht über die Annahme der Verfassungsbeschwerde entschieden hat, kann die Kammer alle das Verfassungsbeschwerdeverfahren betreffenden Entscheidungen erlassen. Eine einstweilige Anordnung, mit der die Anwendung eines Gesetzes ganz oder teilweise ausgesetzt wird, kann nur der Senat treffen; § 32 Abs. 7 bleibt unberührt. Der Senat entscheidet auch in den Fällen des § 32 Abs. 3.
(3) Die Entscheidungen der Kammer ergehen durch einstimmigen Beschluß. Die Annahme durch den Senat ist beschlossen, wenn mindestens drei Richter ihr zustimmen.