Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 09. Apr. 2018 - 1 BvR 790/12
Gericht
Tenor
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
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Der Antrag auf Erstattung der notwendigen Auslagen wird abgelehnt.
Gründe
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I.
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Die am 4. April 2012 erhobene Verfassungsbeschwerde wendet sich gegen Art. 1 Nr. 1 Buchstabe a, b und c und Art. 1 Nr. 3 des Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes vom 31. Juli 2011 (BGBl I S. 1704; im Folgenden: 13. AtG-Novelle), mit dem die Beschleunigung des Ausstiegs aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie beschlossen wurde.
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Die Gesellschaftsanteile der Beschwerdeführerin zu 1) werden zu 80 % von der E.ON Kernkraft GmbH (seit 2016: PreussenElektra GmbH) und zu 20 % von der Vattenfall Europe Nuclear Energy GmbH gehalten. Gesellschafter der Beschwerdeführerin zu 2) sind zu 50 % die PreussenElektra GmbH und zu 50 % die Gemeinschaftskraftwerk Weser GmbH & Co. oHG, deren Gesellschaftsanteile wiederum zu zwei Dritteln von der PreussenElektra GmbH und im Übrigen den Stadtwerken Bielefeld gehalten werden. Die PreussenElektra GmbH war Beschwerdeführerin im Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 2821/11 (BVerfGE 143, 246), das sich ebenfalls gegen die hier angegriffenen Regelungen des Atomgesetzes richtete.
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Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 6. Dezember 2016 (1 BvR 2821/11, 321/12 und 1456/12, BVerfGE 143, 246; im Folgenden: Leitverfahren) Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe a der 13. AtG-Novelle für unvereinbar mit Art. 14 Abs. 1 GG erklärt, soweit das Gesetz nicht eine im Wesentlichen vollständige Verstromung der den Kernkraftwerken in Anlage 3 Spalte 2 zum Atomgesetz zugewiesenen Elektrizitätsmengen sicherstellt und keinen angemessenen Ausgleich hierfür gewährt. Ferner hat es das Dreizehnte Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes auch insoweit für unvereinbar mit Artikel 14 Absatz 1 Grundgesetz erklärt, als es keine Regelung zum Ausgleich für Investitionen vorsieht, die im berechtigten Vertrauen auf die im Jahr 2010 zusätzlich gewährten Zusatzstrommengen vor-genommen, durch dieses aber entwertet wurden. Im Übrigen hat es die Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen.
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II.
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1. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Sie ist unzulässig.
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Die mit der Verfassungsbeschwerde angestrebte verfassungsrechtliche Überprüfung der angegriffenen Regelungen hat das Bundesverfassungsgericht in den Leitverfahren mit Urteil vom 6. Dezember 2016 (BVerfGE 143, 246) vorgenommen. Das Bundesverfassungsgericht hat dabei die teilweise Unvereinbarkeit der angegriffenen Regelungen mit Art. 14 Abs. 1 GG festgestellt und die Verfassungsbeschwerden im Übrigen zurückgewiesen. Diese Entscheidung hat - jeden-falls hinsichtlich der Unvereinbarkeitserklärung und den damit verbundenen Vorgaben (vgl. BVerfGE 85, 117 <121>) - Gesetzeskraft (§ 31 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG).
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Für eine auf denselben Gegenstand zielende verfassungsgerichtliche Entscheidung über die im Wesentlichen inhaltsgleichen Grundrechtsrügen besteht daher kein Rechtsschutzbedürfnis mehr (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 10. August 2017 - 1 BvR 571/16 -, Rn. 17 f.). Die beschwerdeführenden Betreibergesellschaften haben keine verfassungsrechtlichen Fragen aufgeworfen, die über die im Urteil geprüften Einwände gegen das Gesetz hinausgehen.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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2. Die notwendigen Auslagen sind den Beschwerdeführerinnen nicht zu erstatten.
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Über die Auslagenerstattung ist gemäß § 34a Abs. 3 BVerfGG nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden. Hierbei kommt eine summarische Prüfung der Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde regelmäßig nicht in Betracht (vgl. BVerfGE 85, 109 <115>; 87, 394 <398>). Eine Erstattung von Auslagen kommt allerdings in Frage, wenn die Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde offensichtlich war und unterstellt werden kann oder wenn die verfassungsrechtliche Lage geklärt worden ist (vgl. BVerfGE 85, 109 <114 ff.>). Legt ein Betroffener jedoch Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz ein, obwohl für ihn erkennbar ist, dass bereits Verfassungsbeschwerden erhoben sind, die zur Überprüfung des Gesetzes durch das Bundesverfassungsgericht führen werden, so sind ihm in der Regel die notwendigen Auslagen auch dann nicht zu erstatten, wenn sich aufgrund einer Leitentscheidung des Bundesverfassungsgerichts ergibt, dass seine Verfassungsbeschwerde begründet war (vgl. BVerfGE 85, 117 <123, 125 f.>). Es besteht dann ein öffentliches Interesse daran, dass die Allgemeinheit nicht mit Kosten für Verfassungsbeschwerden belastet wird, die sich letztlich als unnötig erweisen (vgl. BVerfGE 85, 117 <123, 125>).
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Nach diesen Grundsätzen scheidet die Anordnung einer Erstattung der notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerinnen aus. Zwar wendet sich die Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz mit einem zahlenmäßig begrenzten Adressatenkreis (anders insofern BVerfGE 85, 117). Auch hier besteht jedoch ein erhebliches Interesse der Allgemeinheit, nicht mit unnötigen Kosten belastet zu werden. Die Beschwerdeführerinnen mussten zudem davon ausgehen, dass die angestrebte verfassungsrechtliche Prüfung der Regelungen des Atomgesetzes - insbesondere hinsichtlich der fehlenden gesetzlichen Ausgleichsregelungen - bereits im Leitverfahren 1 BvR 2821/11 stattfinden würde, denn der Vortrag der Verfassungsbeschwerden war im Wesentlichen gleich. Dies war ihnen aufgrund der Beteiligungsverhältnisse zwischen den Beschwerdeführerinnen beider Verfahren und der Mandatierung derselben Verfahrensbevollmächtigten auch bekannt (vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 13. Juli 2016 - 1 BvR 1141/09 -, Rn. 9). Vor diesem Hintergrund war die Erhebung einer weiteren Verfassungsbeschwerde zur Erreichung des Rechtsschutzziels der Beschwerdeführerinnen nicht erforderlich. Sie war auch nicht aus Gründen anwaltlicher Vorsicht geboten, da die Interessen der Beschwerdeführerin im Leitverfahren 1 BvR 2821/11 aufgrund der Unternehmensstruktur des EON-Konzerns mit denen der Beschwerdeführerinnen im vorliegenden Verfahren gleichgelagert waren. Auch der Verweis der Beschwerdeführerinnen auf den Vorrang des Primärrechtsschutzes rechtfertigt keine Anordnung der Auslagenerstattung. Die Beschwerdeführerinnen konnten durch bloßes Abwarten der Entscheidung im Leitverfahren 1 BvR 2821/11 die von ihnen begehrte verfassungsrechtliche, auch zu ihren Gunsten wirkende Überprüfung der angegriffenen Regelung erreichen. Es ist nicht ersichtlich, in welcher Konstellation den Beschwerdeführerinnen bei fehlender Erhebung einer eigenen Verfassungsbeschwerde nunmehr der Vorrang des Primärrechtsschutzes entgegengehalten werden könnte. Hierzu tragen die Beschwerdeführerinnen auch nichts vor.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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Annotations
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
(1) Die Verfassungsbeschwerde bedarf der Annahme zur Entscheidung.
(2) Sie ist zur Entscheidung anzunehmen,
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soweit ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt, - b)
wenn es zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 genannten Rechte angezeigt ist; dies kann auch der Fall sein, wenn dem Beschwerdeführer durch die Versagung der Entscheidung zur Sache ein besonders schwerer Nachteil entsteht.
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
(1) Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden.
(2) In den Fällen des § 13 Nr. 6, 6a, 11, 12 und 14 hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gesetzeskraft. Das gilt auch in den Fällen des § 13 Nr. 8a, wenn das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz als mit dem Grundgesetz vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt. Soweit ein Gesetz als mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt wird, ist die Entscheidungsformel durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen. Entsprechendes gilt für die Entscheidungsformel in den Fällen des § 13 Nr. 12 und 14.
(1) Die Entscheidung nach § 93b und § 93c ergeht ohne mündliche Verhandlung. Sie ist unanfechtbar. Die Ablehnung der Annahme der Verfassungsbeschwerde bedarf keiner Begründung.
(2) Solange und soweit der Senat nicht über die Annahme der Verfassungsbeschwerde entschieden hat, kann die Kammer alle das Verfassungsbeschwerdeverfahren betreffenden Entscheidungen erlassen. Eine einstweilige Anordnung, mit der die Anwendung eines Gesetzes ganz oder teilweise ausgesetzt wird, kann nur der Senat treffen; § 32 Abs. 7 bleibt unberührt. Der Senat entscheidet auch in den Fällen des § 32 Abs. 3.
(3) Die Entscheidungen der Kammer ergehen durch einstimmigen Beschluß. Die Annahme durch den Senat ist beschlossen, wenn mindestens drei Richter ihr zustimmen.
(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen.
(2) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, so sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.
(3) In den übrigen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen.