Bundessozialgericht Urteil, 16. Juni 2015 - B 13 R 36/13 R

published on 16/06/2015 00:00
Bundessozialgericht Urteil, 16. Juni 2015 - B 13 R 36/13 R
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Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Mai 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten besteht Streit, ob die der Klägerin bewilligte Rente wegen voller Erwerbsminderung noch gemäß dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung vom 9.10.1975 (Abk Polen RV/UV) nach dem sog "Eingliederungsprinzip" zu berechnen ist.

2

Die im Mai 1959 in Warschau geborene Klägerin ist polnische Staatsangehörige. Sie war zunächst in Polen beschäftigt, ehe sie nach Berlin (West) übersiedelte. Dort war sie von Dezember 1988 bis Februar 1989 in Berlin-Neukölln polizeilich gemeldet, anschließend wieder in Polen und sodann ab dem 15.9.1990 in Berlin-Kreuzberg, wo sie bereits mit ihrem jetzigen Ehemann zusammenlebte. Nach Scheidung von ihrem ersten Ehemann in Polen am 29.5.1991 heiratete sie am 24.7.1992 ihren jetzigen Ehemann, einen in Berlin lebenden österreichischen Staatsangehörigen. Im April 1994 beantragte sie erstmalig eine Aufenthaltsgenehmigung, die ihr zunächst befristet und im Jahr 1999 unbefristet erteilt wurde. Zuvor war sie in Berlin ausländerrechtlich überhaupt nicht registriert, hatte mithin weder Asyl beantragt noch war ihr eine Duldung erteilt worden, sodass sie über keinerlei ausländerrechtlichen Status verfügte.

3

Der beklagte Rentenversicherungsträger bewilligte der Klägerin aufgrund eines im Mai 2007 geschlossenen gerichtlichen Vergleichs zunächst befristet für den Zeitraum 1.6.2005 bis 31.1.2008 Rente wegen voller Erwerbsminderung (Bescheid vom 7.8.2007). Die Beklagte ermittelte die Rentenhöhe nach einer "zwischenstaatlichen Berechnung" gemäß den Regelungen der EWGV 1408/71. Dabei ergaben sich 4,5975 persönliche Entgeltpunkte (pEP) und 0,0188 pEP (Ost) sowie ein monatlicher Zahlbetrag von ca 120 Euro. Den Widerspruch der Klägerin, die sich auf fehlende polnische Zeiten berief, wies die Beklagte zurück, weil alle vom polnischen Versicherungsträger gemeldeten Zeiten berücksichtigt worden seien (Widerspruchsbescheid vom 18.3.2008).

4

Die Klägerin hat erstmals mit ihrer Klage ausdrücklich geltend gemacht, sie habe Anspruch auf Berechnung der Rente nach den Vorschriften des Abk Polen RV/UV. Nach einer von der Beklagten durchgeführten Probeberechnung würde sich auf dieser Grundlage ein monatlicher Rentenzahlbetrag von ca 500 Euro ergeben. Während des Klageverfahrens hat die Beklagte die Rente wegen Erwerbsminderung zunächst weiterhin bis Januar 2011 und sodann auf Dauer bewilligt (Bescheide vom 14.2.2008 und vom 13.1.2011).

5

Das SG hat die gegen die erste - befristete - Rentenbewilligung gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 18.5.2011). Die Klägerin habe sich zwar seit dem 15.9.1990 in Deutschland aufgehalten, hier aber noch nicht ihren gewöhnlichen Aufenthalt begründet. Zu den dafür maßgeblichen tatsächlichen Umständen könne bei Ausländern auch deren ausländerrechtlicher Status gehören. Entscheidend sei aber nicht der formale ausländerrechtliche Titel, sondern wie sich die Aufenthaltslage nach den erteilten Bescheinigungen der Ausländerbehörde, deren Praxis und der gegebenen Rechtslage darstelle. Ein gewöhnlicher Aufenthalt sei anzunehmen, wenn der Ausländer die Gewissheit habe, im Inland bleiben zu dürfen und nicht abgeschoben zu werden (Hinweis auf das Urteil des Senats vom 4.11.1998 - B 13 RJ 9/98 R - Juris). Eine solche Gewissheit habe die Klägerin weder bis zum 31.12.1990 noch bis zum 30.6.1991 haben können, weil sie über keinerlei aufenthaltsrechtlichen Status verfügt habe. Zwar seien nach einer Weisung des Berliner Senators für Inneres vom 12.6.1987 polnische Staatsangehörige selbst nach negativem Abschluss eines Asylverfahrens unbegrenzt in Berlin geduldet oder es sei ihnen auch ohne Asylverfahren eine auf ein Jahr begrenzte Duldung erteilt worden, sofern sie ihren Lebensunterhalt ohne Sozialhilfe sichern konnten. Dies komme der Klägerin aber nicht zugute, weil ihr Aufenthaltsstatus durch keinerlei Entscheidung der Ausländerbehörde legalisiert und damit von vornherein unsicher gewesen sei.

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Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 28.2.2013). Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Anwendung der Regelungen des Abk Polen RV/UV, denn sie habe ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht bis zum 31.12.1990 bzw bis zum 30.6.1991 in die Bundesrepublik Deutschland verlegt und seitdem ununterbrochen beibehalten. Auch wenn sie sich seit dem 15.9.1990 tatsächlich in Berlin aufgehalten und mit ihrem jetzigen Ehemann zusammengelebt habe, fehle es doch, wie das SG zutreffend dargestellt habe, an der erforderlichen rechtlichen Komponente zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts. Dass die Klägerin keinen gesicherten und zukunftsoffenen Aufenthalt in Berlin gehabt habe, zeige sich insbesondere auch darin, dass sie und ihr späterer Ehemann Anfang 1991 einen Rechtsanwalt mit der Prüfung der Möglichkeiten für eine Legalisierung ihres Aufenthalts beauftragt hätten, sie sich mithin der Illegalität des Aufenthalts bewusst gewesen seien.

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Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der §§ 63 ff SGB VI iVm Art 27 Abs 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über Soziale Sicherheit vom 8.12.1990 (Abk Polen SozSich) und Art 4 Abs 2 Abk Polen RV/UV. Die Ansicht der Vorinstanzen, sie habe wegen eines fehlenden Aufenthaltstitels oder einer vergleichbaren ausländerrechtlichen Absicherung keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Berlin begründen können, stehe im Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf Urteile vom 16.12.1987 - 11a REg 3/87 - SozR 7833 § 1 Nr 4; vom 30.9.1993 - 4 RA 49/92 - SozR 3-6710 Art 1 Nr 1; vom 9.8.1995 - 13 RJ 59/93 - SozR 3-1200 § 30 Nr 15; vom 4.11.1998 - B 13 RJ 9/98 R - Juris). Der Begründung eines gewöhnlichen, rechtmäßig unbefristeten Aufenthalts stünden keine Hindernisse entgegen, wenn keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen getroffen würden oder zu erwarten seien. Auf Grundlage der Weisungen des Berliner Innensenators vom 12.6.1987 habe sie darauf vertrauen können, dass sie in Berlin dauerhaft geduldet und nicht nach Polen abgeschoben werde. Da aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht zu erwarten gewesen seien, sei von einem zukunftsoffenen gewöhnlichen Aufenthalt auszugehen. Abweichend hiervon hätten SG und LSG zu Unrecht ausschließlich auf die rechtliche Komponente des ausländerrechtlichen Status bzw auf eine formale Entscheidung der Ausländerbehörde abgestellt.

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Die Klägerin beantragt,

        

die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. Februar 2013 sowie des Sozialgerichts Berlin vom 18. Mai 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheids vom 7. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. März 2008 zu verurteilen, der Klägerin im Zeitraum vom 1. Juni 2005 bis zum 31. Januar 2008 höhere Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Anwendung der Regelungen des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung vom 9. Oktober 1975 zu gewähren.

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Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

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Sie hält das angegriffene Urteil des LSG für zutreffend. Die von der Klägerin herangezogene Rechtsprechung sei auf ihren Fall nicht anwendbar, weil sie überhaupt keinen Aufenthaltstitel aufzuweisen gehabt und einen solchen nicht einmal beantragt habe. Das BSG habe im Urteil vom 9.8.1995 (13 RJ 59/93 - SozR 3-1200 § 30 Nr 15 - Juris RdNr 31 f) offengelassen, ob die zum 1.7.1990 in Kraft getretene Ergänzung von Art 1a des Gesetzes zum Abk Polen RV/UV um das ausdrückliche Erfordernis eines unbefristet rechtmäßigen Aufenthalts lediglich eine Klarstellung oder eine gegenüber § 30 SGB I spezialgesetzliche Sonderregelung enthalte. Im Fall der Klägerin sei nunmehr über einen Sachverhalt nach Inkrafttreten dieser Regelung zu befinden. Die Weisung der Berliner Senatsverwaltung für Inneres vom 12.6.1987 sei mit Schreiben vom 18.2.1990 für nach dem 1.12.1989 eingereiste Ausländer aus Polen aufgehoben worden. Für Personen wie die Klägerin hätten dann nur noch die allgemeinen ausländer- und asylrechtlichen Bestimmungen gegolten, sodass diese aufgrund ihrer Einreise im September 1990 grundsätzlich zur Ausreise verpflichtet gewesen sei und das Abk Polen RV/UV auf sie keine Anwendung finde.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision der Klägerin ist im Sinne einer Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung des Rechtsstreits zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Die bislang vom LSG festgestellten Tatsachen reichen für eine abschließende Entscheidung des Senats, ob der Klägerin höhere Rente wegen Erwerbsminderung zusteht, nicht aus.

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1. Als Rechtsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch kommt nur Art 4 Abs 2 des Abk Polen RV/UV iVm Art 2 Abs 1 des Gesetzes zu dem Abk Polen RV/UV (vom 12.3.1976 - BGBl II 393, insoweit zuletzt geändert durch Art 2 Nr 1 des Gesetzes zu dem Abkommen vom 8.12.1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über Soziale Sicherheit vom 18.6.1991 - BGBl II 741) in Betracht.

13

a) Nach Art 2 Abs 1 des Gesetzes zu dem Abk Polen RV/UV sind Zeiten, die nach dem polnischen Recht der Rentenversicherung zu berücksichtigen sind, auf der Grundlage von Art 4 Abs 2 Abk Polen RV/UV in demselben zeitlichen Umfang in der deutschen Rentenversicherung in entsprechender Anwendung des Fremdrentengesetzes (FRG) und des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) zu berücksichtigen, solange der Berechtigte im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nach dem Stand vom 2.10.1990 "wohnt". Das FRG bestimmt insoweit, dass Beitragszeiten, die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherungen zurückgelegt sind, den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleichstehen (§ 15 Abs 1 S 1 FRG - s hierzu auch § 55 Abs 1 S 2 SGB VI). Aufgrund dieser "Eingliederung" werden die Renten davon Begünstigter im Ergebnis so berechnet, als ob sie ihr gesamtes Erwerbsleben - also auch die in Polen absolvierten Zeiten - rentenrechtlich in Deutschland zurückgelegt hätten.

14

b) Die Anwendung des Eingliederungsprinzips bei der Rentenberechnung auf Grundlage des Abk Polen RV/UV wurde durch das spätere Abk Polen SozSich vom 8.12.1990 (BGBl II 1991, 743), welches nunmehr auch im Verhältnis zwischen Polen und Deutschland das im Bereich des europäischen koordinierenden Sozialrechts seit jeher angewandte Leistungsexportprinzip (anteilige Rentenzahlung aus jeder nationalen Rentenkasse bei Zusammenrechnung der für eine Rentenleistung erforderlichen Versicherungszeiten) einführte, nicht ausnahmslos verdrängt. Nach den Übergangs- und Schlussbestimmungen des Abk Polen SozSich ist das Abk Polen RV/UV unter den Voraussetzungen des Art 27 Abs 2 bis 4 Abk Polen SozSich weiterhin anwendbar (hierzu sowie zum Folgenden zuletzt eingehend Senatsurteil vom 10.12.2013 - B 13 R 9/13 R - NZS 2014, 264 RdNr 15 ff).

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c) An dieser Rechtslage hat sich mit dem Beitritt der Republik Polen zur Europäischen Union zum 1.5.2004 nichts geändert. Ab diesem Zeitpunkt ist auch für die sozialrechtliche Koordinierung zwischen Deutschland und Polen die EWGV 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (vom 14.6.1971, ABl L 149 vom 5.7.1971, S 2, geändert durch den Vertrag über den Beitritt der Republik Polen und anderer Staaten zur Europäischen Union vom 16.4.2003 - Abschn B Anh II Nr 2 "Freizügigkeit" Abschn A "Soziale Sicherheit" Nr 1, s auch EU-Beitrittsgesetz vom 18.9.2003, BGBl II 1408 iVm Anlageband 1 S 158), zugrundezulegen. Die - soweit hier von Bedeutung - weitgehend inhaltsgleichen Bestimmungen der ab 1.5.2010 wirksamen EGV 883/2004 (vom 29.4.2004, ABl EU Nr L 166 vom 30.4.2004 - s dazu Senatsurteil vom 10.7.2012 - B 13 R 17/11 R - BSGE 111, 184 = SozR 4-5075 § 1 Nr 9, RdNr 26 ff, 41) finden auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt hingegen noch keine Anwendung (Art 87 Abs 1 EGV 883/2004).

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Nach Art 6 Buchst a) EWGV 1408/71 ist diese Verordnung im Rahmen ihres Geltungsbereichs zwar an die Stelle aller zwischen den Mitgliedstaaten geltenden Abkommen über soziale Sicherheit getreten. Dies betrifft auch die entsprechenden Vereinbarungen zwischen Deutschland und Polen - also auch das Abk Polen SozSich und das Abk Polen RV/UV. Einzelne Bestimmungen von Abkommen über soziale Sicherheit, die wie das Abk Polen RV/UV von den Mitgliedstaaten vor dem Beginn der Anwendung der EWGV 1408/71 geschlossen wurden, bleiben nach Art 7 Abs 2 Buchst c) EWGV 1408/71 jedoch weiterhin anwendbar, sofern sie für die Berechtigten günstiger sind oder sich aus besonderen historischen Umständen ergeben und ihre Geltung zeitlich begrenzt ist. Um weiterhin Anwendung zu finden, müssen diese Bestimmungen ferner in Anhang III aufgeführt sein. Die genannten Voraussetzungen für eine Fortgeltung von Art 27 Abs 2 bis 4 Abk Polen SozSich - und in diesem Umfang mithin auch des Art 4 Abs 2 Abk Polen RV/UV - sind erfüllt. Insbesondere ist auch in Anhang III Teil A EWGV 1408/71 (idF des Vertrags über den Beitritt der Republik Polen und anderer Staaten zur Europäischen Union vom 16.4.2003) unter der Überschrift "Bestimmungen aus Abkommen über soziale Sicherheit, die ungeachtet des Artikels 6 der Verordnung weiterhin anzuwenden sind (Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe c der Verordnung)" in Ziff 84 "Deutschland - Polen" unter Buchst a) das "Abkommen vom 9. Oktober 1975 über Renten- und Unfallversicherung, unter den in Artikel 27 Absätze 2 bis 4 des Abkommens vom 8. Dezember 1990 über soziale Sicherheit festgelegten Bedingungen" aufgeführt (zu den ebenfalls erfüllten materiellen Voraussetzungen für eine Fortgeltung vgl Senatsurteil vom 10.12.2013 - B 13 R 9/13 R - NZS 2014, 264 RdNr 19 ff; zur Rechtslage nach der EGV 883/2004 s auch Bokeloh, NZS 2015, 321, 325 f).

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2. Nach der Übergangsbestimmung in Art 27 Abs 2 S 1 Abk Polen SozSich werden die vor dem 1.1.1991 (das im Senatsurteil vom 10.12.2013 - B 13 R 9/13 R - NZS 2014, 264 RdNr 23 insoweit genannte Datum "1.1.1990" ist offenkundig fehlerhaft) aufgrund des Abk Polen RV/UV von Personen in einem Vertragsstaat erworbenen Ansprüche und Anwartschaften durch das Abk Polen SozSich nicht berührt, solange diese Personen auch nach dem 31.12.1990 ihren Wohnort im Hoheitsgebiet dieses Vertragsstaats beibehalten; für die Ansprüche dieser Personen in der Rentenversicherung gelten weiterhin die Bestimmungen des Abkommens von 1975. Zudem können gemäß Art 27 Abs 3 Abk Polen SozSich Ansprüche und Anwartschaften nach dem Abk Polen RV/UV auch noch Personen erwerben, die zwar bis zum 31.12.1990 noch keinen Wohnort im anderen Vertragsstaat begründet haben, aber vor dem 1.1.1991 in den anderen Vertragsstaat eingereist sind, bis zu diesem Zeitpunkt die Verlegung des Wohnorts in den anderen Vertragsstaat beantragt haben und sich dort seitdem ununterbrochen aufhalten, sofern sie im Zeitpunkt des Versicherungsfalls, spätestens vom 30.6.1991 an, in diesem Vertragsstaat auch "wohnen". Schließlich können nach Art 27 Abs 4 Abk Polen SozSich Personen auch dann noch Ansprüche und Anwartschaften nach dem Abk Polen RV/UV erwerben, wenn sie zumindest vor dem 1.7.1991 ihren Wohnort in den anderen Vertragsstaat verlegt haben und eine Verlegung des Wohnorts vor dem 1.1.1991 aus Gründen unterblieben ist, die sie nicht zu vertreten haben.

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Damit hängt die Anwendung des Abk Polen RV/UV bei der Berechnung der Rente der Klägerin zunächst entscheidend davon ab, ob diese bis spätestens am 31.12.1990 ihren Wohnort in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin (West) begründet hat (zur Anwendung im Land Berlin s Art 17 Abk Polen RV/UV sowie Art 7 des Gesetzes zum Abk Polen RV/UV). War dies nicht der Fall, ist ergänzend zu untersuchen, ob sie jedenfalls spätestens seit dem 30.6.1991 hier gewohnt hat. Bejahendenfalls ist das Vorliegen der in Art 27 Abs 3 bzw Abs 4 Abk Polen SozSich genannten weiteren Voraussetzungen - im Fall des Abs 3 ein Antrag auf Verlegung des Wohnorts in den anderen Vertragsstaat und die Einreise dort vor dem 1.1.1991 sowie seither ein ununterbrochener Aufenthalt, im Fall des Abs 4 das "nicht vertreten müssen" des Unterbleibens einer Verlegung des Wohnorts bis zum 31.12.1990 - zu prüfen.

19

a) Für die Begriffe "Wohnort" und "wohnen" in Art 27 Abk Polen SozSich ist nach der bisherigen Rechtsprechung die Definition im Abk Polen RV/UV maßgeblich (so Senatsurteil vom 10.12.2013 - B 13 R 9/13 R - NZS 2014, 264 RdNr 25 unter Hinweis auf BSG vom 9.5.1995 - 8 RKn 2/94 - Juris RdNr 13; Senatsurteile vom 9.8.1995 - SozR 3-1200 § 30 Nr 15 S 31 f, und vom 4.11.1998 - B 13 RJ 9/98 R - Juris RdNr 32 f). Nach Art 1 Nr 2 Spiegelstrich 1 Abk Polen RV/UV versteht man hierunter - für die Bundesrepublik Deutschland - "den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts oder sich gewöhnlich aufhalten". Ergänzend bestimmt Art 1a des deutschen Zustimmungsgesetzes zu dem Abk Polen RV/UV (AbKG), der nachträglich mit Wirkung vom 1.7.1990 eingefügt wurde (Art 20 Nr 1, Art 85 Abs 6 Rentenreformgesetz 1992 vom 18.12.1989 - BGBl I 2261), dass einen gewöhnlichen Aufenthalt iS des Art 1 Nr 2 Abk Polen RV/UV im Geltungsbereich des Gesetzes nur hat, "wer sich dort unbefristet rechtmäßig aufhält". Eine inhaltsgleiche Regelung enthält auch Art 1 Nr 10 Abk Polen SozSich.

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Die Bedeutung dieser einschränkenden Regelung, die für die Bejahung eines gewöhnlichen Aufenthalts auch die materielle Rechtmäßigkeit des Aufenthalts verlangt (s hierzu allgemein Schlegel in juris-PK SGB I, 2. Aufl 2011, § 30 RdNr 50 f), wurde in der Rechtsprechung des BSG allerdings relativiert. Dies betraf in erster Linie das Merkmal "unbefristet". Insoweit hat der 4. Senat des BSG entschieden, die Regelung sei völkerrechtsfreundlich so auszulegen, dass sie die Rechtslage gemäß der bisherigen Rspr des BSG lediglich klarstelle und somit bedeute, dass "ein endgültiges Ende noch nicht bindend bestimmt" sein dürfe (BSG Urteil vom 30.9.1993 - 4 RA 49/92 - SozR 3-6710 Art 1 Nr 1 - Juris RdNr 22 ff). Dem haben sich der 5. Senat (Urteile vom 14.9.1994 - 5 RJ 10/94 - Juris RdNr 16 am Ende; vom 25.3.1998 - B 5 RJ 22/96 R - Juris RdNr 21) und der 8. Senat (Urteil vom 9.5.1995 - 8 RKn 2/94 - Juris RdNr 19) angeschlossen. Der 13. Senat hat hingegen in erster Linie darauf abgestellt, dass in dem Fall der Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts bis zum 30.6.1990 dieser weder durch das Inkrafttreten von Art 1a AbkG Polen RV/UV zum 1.7.1990 noch durch den zum 1.10.1991 in Kraft getretenen Art 1 Nr 10 Abk Polen SozSich wieder weggefallen sei (Urteile vom 9.8.1995 - 13 RJ 59/93 - SozR 3-1200 § 30 Nr 15 - Juris RdNr 31; vom 4.11.1998 - B 13 RJ 9/98 R - Juris RdNr 33). Sachverhalte, bei denen die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts erst nach dem 30.6.1990 in Betracht kam, waren bislang nicht Gegenstand der Rspr des BSG. Allerdings hat der 13. Senat im Urteil vom 4.11.1998 (aaO RdNr 32) betont, dass Art 1a AbkG Polen RV/UV eine grundsätzlich gegenüber § 30 Abs 3 SGB I vorrangige Spezialregelung enthalte. Im Urteil vom 9.8.1995 hat er zudem in einem obiter dictum (aaO RdNr 41) festgestellt, dass Art 1a AbkG Polen RV/UV insofern einen realen Anwendungsbereich habe, als die Vorschrift sicherstelle, dass bei nach dem 1.12.1989 eingereisten polnischen Asylbewerbern, die nicht unter die "Ostblockregelung" der Ausländerbehörden fielen, auch bei längerer Dauer des Asylverfahrens nicht von einem unbefristeten rechtmäßigen Aufenthalt ausgegangen werden könne.

21

Der vorliegende Fall gibt Veranlassung, diese Rechtsprechung zu präzisieren. Dabei ist davon auszugehen, dass die in der Übergangsvorschrift des Art 27 Abk Polen SozSich verwendeten Begriffe "Wohnort" und "wohnen" grundsätzlich mit der Bedeutung anzuwenden sind, wie sie in diesem Abkommen definiert ist, mithin nach Maßgabe des Art 1 Nr 10 Abk Polen SozSich unter Berücksichtigung des Umstands, dass es sich um einen unbefristeten rechtmäßigen Aufenthalt handeln muss. Das ist insbesondere bedeutsam für die Frage, ob nach Maßgabe des Art 27 Abs 3 und 4 des am 8.12.1990 abgeschlossenen Abk Polen SozSich diejenigen Personen, die erst nach dem 31.12.1990 ihren Wohnort in das Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaats verlegen (und für deren Ansprüche gemäß Art 27 Abs 1 S 2 deshalb grundsätzlich die materiellen Regelungen des nach Art 29 Abs 1 ab 1.1.1991 wirksamen Abk Polen SozSich Anwendung finden sollen), ausnahmsweise und in begrenztem Umfang noch Ansprüche und Anwartschaften nach dem Abk Polen RV/UV erwerben können. Gerade für diesen Personenkreis ist auch in der Denkschrift zum Abk Polen SozSich ausgeführt, dass sie spätestens vom 30.6.1991 an in dem Vertragsstaat "wohnen (unbefristet rechtmäßig aufhalten)" müssen (Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Abk Polen SozSich vom 3.5.1991, BT-Drucks 12/470 S 24).

22

Abweichendes gilt allerdings, soweit in Art 27 Abk Polen SozSich ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist. Dies ist bei den Sachverhalten der Fall, die von Art 27 Abs 2 Abk Polen SozSich erfasst werden. In dieser Übergangsbestimmung für bereits während der Geltungsdauer des alten Abk Polen RV/UV erworbene Ansprüche und Anwartschaften ist in S 2 geregelt, dass für Ansprüche von Personen mit nach dem 31.12.1990 beibehaltenem Wohnort im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats "weiterhin die Bestimmungen des Abkommens von 1975" gelten. Für Personen mit bereits nach altem Recht erworbenen Ansprüchen und Anwartschaften soll demnach auch die - nicht um die zusätzlichen Merkmale eines unbefristeten und rechtmäßigen Aufenthalts eingegrenzte - Begriffsdefinition des alten Rechts in Art 1 Nr 2 Abk Polen RV/UV weiterhin maßgeblich sein. Da auch diese Bestimmung des Abk Polen SozSich durch Gesetz vom 18.6.1991 (BGBl II 741) in innerstaatliches Recht transformiert wurde, folgt daraus nach der "lex posterior"-Regel, dass der - noch vor Abschluss des neuen polnisch-deutschen Sozialversicherungsabkommens zum 1.7.1990 allein durch nationale Gesetzgebung eingefügte - Art 1a AbkG Polen RV/UV (idF von Art 20 Nr 1 RRG 1992 vom 18.12.1989, BGBl I 2261) für die von Art 27 Abs 2 Abk Polen SozSich erfassten Fallgestaltungen nicht anwendbar ist, weil insoweit im neuen Abkommensrecht eine vorrangige (Abgrenzungs-)Regelung getroffen wurde.

23

b) Über die soeben beschriebenen allgemeinen Definitionen hinaus sind sowohl im Abk Polen RV/UV als auch im Abk Polen SozSich die Begriffe "Wohnort" und "wohnen" nicht näher bestimmt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass in Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland insoweit auf den innerstaatlichen (deutschen) Rechtsbegriff des gewöhnlichen Aufenthalts verwiesen werden sollte, wie er für die gesetzliche Rentenversicherung als Teil des SGB in § 30 Abs 3 S 2 SGB I geregelt ist(Senatsurteil vom 10.12.2013 - B 13 R 9/13 R - NZS 2014, 264 RdNr 25 mwN - stRspr). Danach hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt.

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Die Frage des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthalts nach § 30 Abs 3 S 2 SGB I ist anhand einer dreistufigen Prüfung zu klären. Ausgangspunkt ist ein "Aufenthalt". Es sind sodann die mit dem Aufenthalt verbundenen "Umstände" festzustellen. Diese sind schließlich daraufhin zu würdigen, ob sie "erkennen lassen", dass der Betreffende am Aufenthaltsort oder im Aufenthaltsgebiet "nicht nur vorübergehend verweilt" (vgl Senatsurteile vom 31.10.2012 - B 13 R 1/12 R - BSGE 112, 116 = SozR 4-1200 § 30 Nr 6, RdNr 24, und vom 10.12.2013 - B 13 R 9/13 R - NZS 2014, 264 RdNr 27).

25

aa) Ob jemand sich gewöhnlich an einem Ort oder in einem Gebiet aufhält oder nur vorübergehend dort verweilt, lässt sich nur im Wege einer vorausschauenden Betrachtungsweise (Prognose) entscheiden (s hierzu Senatsurteile vom 31.10.2012 - B 13 R 1/12 R - BSGE 112, 116 = SozR 4-1200 § 30 Nr 6, RdNr 25 ff, und vom 10.12.2013 - B 13 R 9/13 R - NZS 2014, 264 RdNr 28 ff - jeweils mwN). Die Prognose hat alle mit dem Aufenthalt verbundenen Umstände zu berücksichtigen; dies können subjektive wie objektive, tatsächliche wie rechtliche sein. Es kann demnach nicht allein auf den Willen des Betroffenen ankommen, einen gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen (sog Domizilwille: BSG vom 9.5.1995 - 8 RKn 2/94 - Juris RdNr 17); dies gilt insbesondere dann, wenn er nicht mit den tatsächlichen objektiven Umständen übereinstimmt (vgl BSG vom 22.3.1988 - 8/5a RKn 11/87 - BSGE 63, 93, 97 = SozR 2200 § 205 Nr 65 S 183). Ist nach der Prognose davon auszugehen, dass die betreffende Person zukunftsoffen "bis auf Weiteres" an dem Ort oder in dem Gebiet verweilen wird, so hat sie dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt, wobei kein dauerhafter (unbegrenzter) Aufenthalt erforderlich ist. Dem vorübergehenden Aufenthalt wohnt dagegen als zeitliches Element eine Beendigung von vornherein inne.

26

bb) Bei Ausländern ist im Rahmen der Gesamtwürdigung als ein rechtlicher Gesichtspunkt deren Aufenthaltsposition heranzuziehen (exemplarisch Senatsurteil vom 9.8.1995 - 13 RJ 59/93 - SozR 3-1200 § 30 Nr 15 S 30 - stRspr), ohne dass diese aber allein Grundlage einer Prognose über die Dauer des Aufenthalts sein kann (vgl auch BVerfG Beschluss vom 6.7.2004 - 1 BvR 2515/95 - BVerfGE 111, 176, 185; BVerfG Beschluss vom 10.7.2012 - 1 BvL 2/10 ua - BVerfGE 132, 72 RdNr 28). Dabei wird die Aufenthaltsposition wesentlich durch den Inhalt der von der Ausländerbehörde erteilten Bescheinigungen bestimmt, wie er sich nach der behördlichen Praxis und der gegebenen Rechtslage darstellt (Senatsurteil vom 10.12.2013 - B 13 R 9/13 R - NZS 2014, 264 RdNr 32 mwN). Zu den Tatsachen, die bei der Prognose im Rahmen des § 30 Abs 3 S 2 SGB I zu berücksichtigen sind, gehören aber auch eventuelle Hindernisse, die der Abschiebung eines Ausländers entgegenstehen(BSG Urteil vom 17.5.1989 - 10 RKg 19/88 - BSGE 65, 84, 87 = SozR 1200 § 30 Nr 17 S 18; Senatsurteil vom 10.12.2013 - B 13 R 9/13 R - NZS 2014, 264 RdNr 31 - bezüglich "Rechtshindernissen"; zur Berücksichtigung auch tatsächlicher Abschiebehindernisse s Schlegel in juris-PK SGB I, 2. Aufl 2011, § 30 RdNr 58). Der Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts eines Ausländers stehen danach grundsätzlich keine Hindernisse entgegen, soweit keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen getroffen oder zu erwarten sind. Davon ist ua auszugehen, wenn der Betreffende aufgrund besonderer ausländer- bzw aufenthaltsrechtlicher Bestimmungen oder behördlicher Praxis auch bei endgültiger Ablehnung eines Antrags auf ein dauerhaftes Bleiberecht (zB Asyl) nicht mit einer Abschiebung zu rechnen braucht (vgl BSG Urteil vom 23.2.1988 - 10 RKg 17/87 - BSGE 63, 47, 50 = SozR 5870 § 1 Nr 14 S 34; Senatsurteil vom 4.11.1998 - B 13 RJ 9/98 R - Juris RdNr 39). Hierbei kann auch die familiäre Situation, etwa der Aufenthaltsstatus des Ehegatten, eine Rolle spielen (vgl BSG vom 17.5.1989 - 10 RKg 19/88 - BSGE 65, 84, 88 = SozR 1200 § 30 Nr 17 S 19).

27

cc) Verfahrensrechtlich bedeutet das Erstellen der erforderlichen Prognose die Feststellung einer hypothetischen Tatsache (Senatsurteile vom 31.10.2012 - B 13 R 1/12 R - BSGE 112, 116 = SozR 4-1200 § 30 Nr 6, RdNr 27, und vom 10.12.2013 - B 13 R 9/13 R - NZS 2014, 264 RdNr 33 - jeweils mwN). Es ist allein Aufgabe der Tatsachengerichte, die notwendigen Ermittlungen durchzuführen und daraus die Prognose abzuleiten. Wie bei einer sonstigen Tatsachenfeststellung entscheidet das Gericht auch bei einer Prognose nach freier Überzeugung. Dabei gehören die Prognose und die Feststellung der für ihre Erstellung notwendigen Tatsachen nicht zur Rechtsanwendung; sie können deshalb vor dem Revisionsgericht nur mit Verfahrensrügen angegriffen werden (vgl Senatsurteile vom 31.10.2012 - B 13 R 1/12 R - BSGE 112, 116 = SozR 4-1200 § 30 Nr 6, RdNr 27, und vom 10.12.2013 - B 13 R 9/13 R - NZS 2014, 264 RdNr 34 - jeweils mwN). Verfahrensrügen, welche die Feststellung der für eine vorausschauende Betrachtung - nach damaligem Erkenntnisstand bis zu dem hier maßgeblichen Stichtag - erforderlichen Tatsachen betreffen, hat die Klägerin vorliegend jedoch nicht erhoben, sodass die Feststellungen des LSG insoweit für den Senat bindend sind (§ 163 SGG).

28

Das Revisionsgericht hat jedoch auch ohne Verfahrensrüge zu prüfen, ob das LSG für seine Prognose sachgerechte Kriterien gewählt hat oder ob die Prognose auf rechtlich falschen oder unsachlichen Erwägungen beruht (Senatsurteile vom 31.10.2012 - B 13 R 1/12 R - BSGE 112, 116 = SozR 4-1200 § 30 Nr 6, RdNr 28 mwN, und vom 10.12.2013 - B 13 R 9/13 R - NZS 2014, 264 RdNr 35).

29

3. Bei Anwendung dieser Maßstäbe kann der Senat auf der Grundlage der vom LSG getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht abschließend entscheiden, ob die Klägerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt bis spätestens am 31.12.1990 nach Berlin (West) verlegt und damit eine Anwartschaft auf Rentenleistungen noch nach den Regelungen des Abk Polen RV/UV erworben hat.

30

a) Dem Urteil des LSG kann allerdings - durch Bezugnahme auf das SG-Urteil (§ 153 Abs 2 SGG) - die Feststellung entnommen werden, dass die Klägerin bis zur erstmaligen Beantragung einer Aufenthaltsgenehmigung im April 1994 keinerlei durch Entscheidungen der Ausländerbehörde formal gestalteten und legalisierten ausländerrechtlichen Status innehatte, sich mithin illegal in Berlin aufhielt (vgl § 3 Abs 1, § 42 Abs 1, § 58 Abs 1 Nr 1 iVm § 92 Abs 1 Nr 1, 6 AuslG vom 9.7.1990, BGBl I 1354, in Kraft ab 1.1.1991). Nach den oben dargestellten Grundsätzen kann schon allein deshalb ein "wohnen" iS von Art 27 Abs 3 und 4 iVm Art 1 Nr 10 Abk Polen SozSich bis spätestens am - insoweit maßgeblichen - Stichtag 30.6.1991 ausgeschlossen werden, denn dies erfordert einen rechtmäßigen Aufenthalt.

31

b) Anders verhält es sich jedoch hinsichtlich der Frage, ob die Klägerin möglicherweise bereits am Stichtag 31.12.1990 ihren Wohnort iS von Art 27 Abs 2 S 1 und 2 Abk Polen SozSich iVm Art 1 Nr 2, Art 7 Abk Polen RV/UV in Berlin (West) hatte. Das LSG hat insoweit ausgeführt, es stehe zu seiner Überzeugung fest, dass die Klägerin sich seit dem 15.9.1990 tatsächlich in Berlin aufgehalten und mit ihrem jetzigen Ehemann zusammengelebt habe. Einen gewöhnlichen Aufenthalt in Berlin (West) bis zum 31.12.1990 hat es allein deshalb verneint, weil die erforderliche rechtliche Komponente - die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts - gefehlt habe; weitere Feststellungen zu den mit dem Aufenthalt der Klägerin in Berlin verbundenen sonstigen Umständen hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Es hat damit seine Prognose auf rechtsfehlerhaften Erwägungen aufgebaut.

32

Wie bereits dargelegt ist für die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts iS von Art 27 Abs 2 Abk Polen SozSich zum Stichtag 31.12.1990 die materielle Rechtmäßigkeit des Aufenthalts nicht absolut zwingend. Zwar ist anerkannt, dass in die erforderliche Gesamtschau aller Umstände auch rechtliche Gesichtspunkte einfließen können. Steht etwa fest, dass ein Ausländer zur Ausreise verpflichtet ist und seiner Abschiebung weder rechtliche noch tatsächliche Hindernisse und auch die Verwaltungspraxis nicht entgegenstehen, kann ein gewöhnlicher Aufenthalt im Inland nicht begründet werden (vgl Senatsurteil vom 9.8.1995 - 13 RJ 59/93 - SozR 3-1200 § 30 Nr 15 S 30; s auch Schlegel in juris-PK SGB I, 2. Aufl 2011, § 30 RdNr 56). Vorliegend hat sich das LSG insbesondere mit der konkreten Verwaltungspraxis der Berliner Ausländerbehörde im Umgang mit sich hier illegal aufhaltenden polnischen Staatsangehörigen im Zeitraum bis zum 31.12.1990 nicht befasst (s hierzu bereits Senatsurteil vom 4.11.1998 - B 13 RJ 9/98 R - Juris RdNr 41). Auch das Urteil des SG enthält dazu keine Feststellungen; dort ist lediglich ausgeführt, es sei "nicht bekannt", ob sich die Weisungslage in Berlin bis Ende 1990 gegenüber der "Ostblockregelung" geändert habe.

33

Entsprechende Feststellungen wird das LSG nunmehr nachzuholen und auf deren Grundlage - gegebenenfalls ergänzt um weitere Umstände der damaligen persönlichen Situation der Klägerin wie etwa noch bestehende eheliche Bindungen nach Polen, die Ausgestaltung der Befugnis zur (Mit-)Benutzung der Wohnung oder auch die Art der Sicherstellung des Lebensunterhalts (vgl hierzu Wendtland, ZESAR 2013, 435, 438) - eine abschließende Entscheidung zu treffen haben. Es wird dabei auch die von der Beklagten erstmals im Revisionsverfahren vorgelegte Modifikation der sog "Ostblockregelung" durch die Weisung der Senatsverwaltung für Inneres vom 18.2.1990 zu würdigen haben.

34

4. Der Senat kann diese Entscheidung treffen, ohne zuvor das Verfahren nach § 41 SGG durchzuführen. Zwar hat der 8. Senat des BSG als damals für die knappschaftliche Rentenversicherung zuständiger Fachsenat im Urteil vom 9.5.1995 (8 RKn 2/94 - Juris RdNr 18) ausgeführt, bei Beurteilung des gewöhnlichen Aufenthalts im Rahmen von Art 27 Abs 2 Abk Polen SozSich sei "allein der ausländerrechtliche Status im Leistungszeitraum" entscheidend, denn "ein grundsätzlich kraft Gesetzes (…) zur Ausreise in sein Heimatland verpflichteter Ausländer kann überhaupt nur dann im Inland einen 'gewöhnlichen Aufenthalt' innehaben, solange er sich hier berechtigterweise aufhält". Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen tragenden Rechtssatz, weil sich die Klägerin des dort entschiedenen Falls auf der Grundlage einer befristeten Aufenthaltserlaubnis legal in Deutschland aufgehalten hatte (aaO RdNr 1; zum Erfordernis einer Gesamtwürdigung aller entscheidungserheblichen Tatsachen s auch aaO RdNr 17). Eine Divergenz iS von § 41 Abs 2 SGG liegt somit nicht vor.

35

5. Das LSG wird abschließend auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

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(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. (2) Das Landessozialgericht

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.
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(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. (2) Das Landessozialgericht

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.
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published on 10/12/2013 00:00

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. März 2013 wird zurückgewiesen.
published on 31/10/2012 00:00

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. August 2011 wird zurückgewiesen.
published on 10/07/2012 00:00

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 20. Januar 2011 wird zurückgewiesen.
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published on 20/04/2016 00:00

Tenor I. Die Berufung wird zurückgewiesen. II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstrecku
published on 08/03/2018 00:00

Tenor I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 10. Mai 2016 wird zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird zugelassen. Tatbestand
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published on 16/06/2015 00:00

Tenor Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28. Mai 2013 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen v
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Annotations

(1) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs gelten für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Geltungsbereich haben.

(2) Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts bleiben unberührt.

(3) Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, daß er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt.

(1) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundessozialgericht die Revision zurück. Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision ebenfalls zurückzuweisen.

(2) Ist die Revision begründet, so hat das Bundessozialgericht in der Sache selbst zu entscheiden. Sofern dies untunlich ist, kann es das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zurückverweisen, welches das angefochtene Urteil erlassen hat.

(3) Die Entscheidung über die Revision braucht nicht begründet zu werden, soweit das Bundessozialgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 202 in Verbindung mit § 547 der Zivilprozeßordnung und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(4) Verweist das Bundessozialgericht die Sache bei der Sprungrevision nach § 161 zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, so kann es nach seinem Ermessen auch an das Landessozialgericht zurückverweisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre. Für das Verfahren vor dem Landessozialgericht gelten dann die gleichen Grundsätze, wie wenn der Rechtsstreit auf eine ordnungsgemäß eingelegte Berufung beim Landessozialgericht anhängig geworden wäre.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen.

(1) Beitragszeiten, die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherungen zurückgelegt sind, stehen den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich. Sind die Beiträge auf Grund einer abhängigen Beschäftigung oder einer selbständigen Tätigkeit entrichtet, so steht die ihnen zugrunde liegende Beschäftigung oder Tätigkeit einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit im Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich. Für Personen, die zum Personenkreis des § 1 Buchstabe b gehören, werden rentenrechtliche Zeiten bis zum 8. Mai 1945 berücksichtigt.

(2) Als gesetzliche Rentenversicherung im Sinne des Absatzes 1 ist jedes System der sozialen Sicherheit anzusehen, in das in abhängiger Beschäftigung stehende Personen durch öffentlich-rechtlichen Zwang einbezogen sind, um sie und ihre Hinterbliebenen für den Fall der Minderung der Erwerbsfähigkeit, des Alters und des Todes oder für einen oder mehrere dieser Fälle durch die Gewährung regelmäßig wiederkehrender Geldleistungen (Renten) zu sichern. Wird durch die Zugehörigkeit zu einer Einrichtung dem Erfordernis, einem der in Satz 1 genannten Systeme anzugehören, Genüge geleistet, so ist auch die betreffende Einrichtung als gesetzliche Rentenversicherung anzusehen, und zwar auch für Zeiten bis zum 31. Dezember 1890 zurück, in denen es ein System der in Satz 1 genannten Art noch nicht gegeben hat. Als gesetzliche Rentenversicherung gelten nicht Systeme, die vorwiegend zur Sicherung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst geschaffen sind.

(3) Zeiten einer Beschäftigung, die bei ihrer Zurücklegung nach dem zu dieser Zeit geltenden Recht als Beitragszeiten im Sinne des Absatzes 1 anrechnungsfähig waren und für die an einen Träger eines Systems der sozialen Sicherheit Beiträge nicht entrichtet worden sind, stehen den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich, soweit für sie nach Bundesrecht Beiträge zu zahlen gewesen wären. Als Beitragszeiten gelten die Zeiten, in denen der Versicherte nach dem 8. Mai 1945 im Herkunftsgebiet den gesetzlichen Grundwehrdienst geleistet hat. Als Beitragszeiten gelten nicht Zeiten,

a)
die ohne Beitragsleistung rückwirkend in ein System der gesetzlichen Rentenversicherung einbezogen worden sind,
b)
die außerhalb der Herkunftsgebiete ohne Beitragsleistung an den Träger im Herkunftsgebiet oder in einem System nach Absatz 2 Satz 3 zurückgelegt worden sind,
c)
für die Entgeltpunkte nicht ermittelt werden,
d)
die von Zeit- oder Berufssoldaten oder vergleichbaren Personen zurückgelegt worden sind.

(1) Beitragszeiten sind Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Pflichtbeitragszeiten sind auch Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten. Als Beitragszeiten gelten auch Zeiten, für die Entgeltpunkte gutgeschrieben worden sind, weil gleichzeitig Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung oder Zeiten der Pflege eines pflegebedürftigen Kindes für mehrere Kinder vorliegen.

(2) Soweit ein Anspruch auf Rente eine bestimmte Anzahl an Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit voraussetzt, zählen hierzu auch

1.
freiwillige Beiträge, die als Pflichtbeiträge gelten, oder
2.
Pflichtbeiträge, für die aus den in § 3 oder § 4 genannten Gründen Beiträge gezahlt worden sind oder als gezahlt gelten, oder
3.
Beiträge für Anrechnungszeiten, die ein Leistungsträger mitgetragen hat.

(1) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs gelten für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Geltungsbereich haben.

(2) Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts bleiben unberührt.

(3) Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, daß er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt.

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Bei dem Bundessozialgericht wird ein Großer Senat gebildet.

(2) Der Große Senat entscheidet, wenn ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats oder des Großen Senats abweichen will.

(3) Eine Vorlage an den Großen Senat ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, nunmehr zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung.

(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

(5) Der Große Senat besteht aus dem Präsidenten, je einem Berufsrichter der Senate, in denen der Präsident nicht den Vorsitz führt, je zwei ehrenamtlichen Richtern aus dem Kreis der Versicherten und dem Kreis der Arbeitgeber sowie je einem ehrenamtlichen Richter aus dem Kreis der mit dem sozialen Entschädigungsrecht oder der Teilhabe behinderter Menschen vertrauten Personen und dem Kreis der Versorgungsberechtigten und der behinderten Menschen im Sinne des Neunten Buches Sozialgesetzbuch. Legt der Senat für Angelegenheiten des Vertragsarztrechts vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, gehören dem Großen Senat außerdem je ein ehrenamtlicher Richter aus dem Kreis der Krankenkassen und dem Kreis der Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und Psychotherapeuten an. Legt der Senat für Angelegenheiten des § 51 Abs. 1 Nr. 6a vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, gehören dem Großen Senat außerdem zwei ehrenamtliche Richter aus dem Kreis der von der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände Vorgeschlagenen an. Sind Senate personengleich besetzt, wird aus ihnen nur ein Berufsrichter bestellt; er hat nur eine Stimme. Bei einer Verhinderung des Präsidenten tritt ein Berufsrichter des Senats, dem er angehört, an seine Stelle.

(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Den Vorsitz im Großen Senat führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

(7) Der Große Senat entscheidet nur über die Rechtsfrage. Er kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Seine Entscheidung ist in der vorliegenden Sache für den erkennenden Senat bindend.