Bundesgerichtshof Urteil, 20. Nov. 2012 - X ZR 108/10

published on 20/11/2012 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 20. Nov. 2012 - X ZR 108/10
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Previous court decisions
Landgericht Ingolstadt, 52 O 1231/08, 04/11/2009
Oberlandesgericht München, 21 U 5466/09, 05/07/2010

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 108/10 Verkündet am:
20. November 2012
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Friedhofserweiterung
BGB §§ 133 E, 157 A; VOB/A § 26 Nr. 1 Buchst. c aF, § 17 Abs. 1 Nr. 3 nF

a) Der Erklärungswert der vom öffentlichen Auftraggeber vorformulierten Vergabeunterlagen
ist gemäß den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden, auf
den objektiven Empfängerhorizont der potenziellen Bieter abstellenden Grundsätzen
zu ermitteln.

b) Der gestellten Vergabebedingung einer "rechtsverbindlichen" Unterzeichnung des
Angebots kommt lediglich der Erklärungsgehalt zu, dass der Unterzeichner bei
Angebotsabgabe über die erforderliche Vertretungsmacht verfügt haben muss.

c) Wann die Aufhebung einer Ausschreibung wegen "deutlicher" Überschreitung des
vertretbar geschätzten Auftragswerts rechtmäßig ist, ist aufgrund einer umfassenden
Interessenabwägung zu entscheiden, bei der insbesondere zu berücksichtigen
ist, dass einerseits den öffentlichen Auftraggebern nicht das Risiko einer deutlich
überhöhten Preisbildung zugewiesen werden, die Aufhebung andererseits
aber auch kein Instrument zur Korrektur der in Ausschreibungen erzielten Submissionsergebnisse
sein darf (Weiterführung von BGH, Urteil vom 8. September 1998
- X ZR 48/97, BGHZ 139, 259 und Urteil vom 12. Juni 2001 - X ZR 150/99, VergabeR
2001, 293).
BGH, Urteil vom 20. November 2012 - X ZR 108/10 - OLG München
LG Ingolstadt
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. November 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Meier-Beck, den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens, den Richter
Gröning und die Richterin Schuster

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das am 5. Juli 2010 verkündete Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an den 1. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin beteiligte sich an der öffentlichen Ausschreibung der beklagten Gemeinde für eine Friedhofserweiterung mit Neubau der Friedhofsmauer und Aussegnungshalle. Die von der Beklagten gestellten Vordrucke für das Angebotsschreiben wiesen ein Feld für eine "rechtsverbindliche Unterschrift" und einen Stempel des Bieters auf und enthielten daneben den Hinweis: "Wird das Angebotsschreiben nicht an dieser Stelle rechtsverbindlich unterschrieben, gilt das Angebot als nicht abgegeben."
2
Die Klägerin gab ein Angebot ab, das unter Berücksichtigung eines Preisnachlasses mit einer Angebotssumme von 261.368,78 € abschloss. Es war von einer Angestellten ohne einen Vertretungszusatz unterzeichnet und mit dem Firmenstempel der Klägerin versehen.
3
Das Angebot der Klägerin war, nachdem die Beklagte ein verspätet abgegebenes Angebot eines Wettbewerbers aus der Wertung nehmen musste, das preisgünstigste Angebot. Mit der Begründung, die Finanzierung sei nicht gesichert, hob die Beklagte das Vergabeverfahren auf und ging bei identischem Leistungsverzeichnis zur beschränkten Ausschreibung über, ohne die Klägerin daran zu beteiligen. Den Zuschlag erhielt ein Bewerber mit einem Angebotspreis von 242.000 €.
4
Die Klägerin hat Teilklage auf Erstattung ihres positiven Interesses in Höhe von 5.001 € erhoben, die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und widerklagend die Feststellung begehrt, dass der Klägerin auch kein weiterer Schadensersatz zusteht. Das Landgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Es hat angenommen, dass der Klägerin zwar kein Anspruch auf Erstattung des positiven Interesses zustehe, wohl aber ein solcher auf Ersatz des negativen Interesses aufgrund der Nichtbeteiligung an der zweiten Ausschreibung. Gegen das Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat unter Zurückweisung des Rechtsmittels der Klägerin die Klage insgesamt abgewiesen und nach dem Widerklageantrag erkannt.
5
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin den geltend gemachten Anspruch auf das positive Interesse und den Antrag auf Abweisung der Widerklage weiter.

Entscheidungsgründe:


6
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung sinngemäß im Wesentlichen wie folgt begründet: Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin setze die Abgabe eines formal wirksamen Angebots voraus. Daran fehle es vor dem Hintergrund des von der Beklagten aufgestellten Erfordernisses einer rechtswirksamen Unterschrift. Dieses stelle klar, dass das Angebot wirksam zu sein habe und so gefasst sein müsse, dass es nur noch angenommen zu werden brauche , um den Auftraggeber von Ungewissheiten und Verzögerungen freizustellen , die mit der Unterzeichnung durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht verbunden sein könnten. Es sei zu respektieren, wenn der Auftraggeber sich den daraus möglicherweise erwachsenden Schwierigkeiten nicht stellen wolle und deshalb über ein lediglich "unterschriebenes" Angebot hinaus die Rechtsverbindlichkeit der Angebotserklärung fordere. Für die Klägerin habe demgegenüber die Angestellte ohne Geschäftsführerin oder Prokuristin zu sein und ohne Vertretungskennzeichen gehandelt. Dass sie als Sekretärin mit der Bearbeitung von Ausschreibungsunterlagen betraut gewesen und nach dem Ergebnis der landgerichtlichen Beweisaufnahme intern auch zur Unterschriftsleistung ermächtigt gewesen sei, genüge den Vorgaben der Beklagten nicht. Dieser sei nicht zuzumuten, erst durch weitere Nachforschungen zu klären, ob Vertretungsmacht vorgelegen habe.
7
II. Diese Begründung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Klägerin hatte ein wirksames Angebot abgegeben.
8
1. Das Berufungsgericht hat Inhalt und Bedeutung der Unterschriftsklausel nicht rechtsfehlerfrei ermittelt.
9
a) Mit der Unterschriftsklausel hat die Beklagte als Vergabestelle eine vorformulierte Vergabebedingung gestellt. Welcher Erklärungswert dem Inhalt von Vergabeunterlagen zukommt, ist nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB) unter Berücksichtigung des Umstands zu ermitteln, dass die Vergabeunterlagen von der Vergabestelle vorformuliert sind (BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 - X ZR 78/07, VergabeR 2008, 782 Rn. 10 - Nachunternehmererklärung). Maßgeblich für das Verständnis ist dabei der objektive Empfängerhorizont der potenziellen Bieter (BGH, Urteil vom 11. November 1993 - VII ZR 47/93, BGHZ 124, 64; BGH, VergabeR 2008, 782 Rn. 10; BGH, Urteil vom 3. April 2012 - X ZR 130/10, VergabeR 2012, 724 Rn. 10 - Straßenausbau).
10
b) Dem Berufungsurteil ist nicht zu entnehmen, dass das Berufungsgericht geprüft hat, wie das Erfordernis einer "rechtsverbindlichen Unterschrift" aus Sicht der potenziellen Bieter zu verstehen war. Es scheint die Klausel dahin zu verstehen, dass sie nicht nur eine wirksame, den Bieter rechtlich bindende Unterzeichnung des Angebots verlangt, sondern dass auch nachgewiesen oder zumindest erkennbar sein muss, dass der Unterzeichner über gesetzliche oder rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht verfügt. Denn seine Feststellung, dass die Unterzeichnerin des von der Klägerin abgegebenen Angebots "intern zur Unterschrift berechtigt" gewesen sei, kann nicht anders verstanden werden, als dass die Unterzeichnerin des Angebots die Klägerin kraft ihr erteilter Vollmacht vertreten konnte. Seine Annahme, dass dies den Vorgaben der ausschreibenden Stelle nicht genüge, begründet das Berufungsgericht jedoch nur mit der Erwägung, es sei der Beklagten nicht zuzumuten, die Vertretungsberechtigung des Unterzeichners erst durch weitere Nachforschungen zu klären. Entscheidend ist jedoch nicht, was der Beklagten zuzumuten ist, sondern welche Erklärungen die Bieter den Vergabeunterlagen als ihnen abverlangt entnehmen konnten.
11
2. Da weitere Feststellungen weder erforderlich noch zu erwarten sind, kann der Senat die Auslegung der Unterschriftsklausel selbst vornehmen (vgl. BGH, VergabeR 2012, 724 Rn. 10 - Straßenausbau). Nach den maßgeblichen Verständnismöglichkeiten der mit der Ausschreibung angesprochenen Bieterkreise ist ihr der Erklärungsgehalt beizulegen, dass der Unterzeichner bei Angebotsabgabe über die erforderliche Vertretungsmacht verfügt haben muss (in diesem Sinne bereits OLG Naumburg, NZBau 2008, 789, 791; ebenso Beck'scher VOB/A-Komm./Prieß § 21 Rn. 6 ff.). Der Gesichtspunkt einer interessengerechten Auslegung rechtfertigt kein abweichendes Ergebnis.
12
Soweit das Berufungsgericht das Risiko vollmachtloser Vertretung bei Handeln einer Person, deren Vertretungsmacht nicht dem Inhalt des Handelsregisters entspreche und die sich auch nicht durch eine Vollmachtsurkunde legitimiere , für den öffentlichen Auftraggeber anspricht, ist schon fraglich, inwieweit die etwaige Erhebung dieses Einwands eines Bieters, der den Vertrag nicht erfüllen will, bei wirklichkeitsnaher Betrachtung erfolgversprechend und wahrscheinlich wäre. Jedenfalls wäre es mit dem Gebot der klaren und eindeutigen Abfassung von Vergabeunterlagen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 - X ZR 78/07, VergabeR 2008, 782 Rn. 10 - Nachunternehmererklärung; BGH, VergabeR 2012, 724 Rn. 9) unvereinbar, der Klausel aufgrund der Hinzufügung des Attributs "rechtsverbindlich" (unterschrieben) nach dem Empfängerhorizont den Erklärungsgehalt beizulegen, mit dem Angebot müsse die Bevollmächtigung des Unterzeichners dokumentiert werden, wenn nicht die gesetzlichen Vertreter oder Prokuristen des bietenden Unternehmens unterschrieben haben (dagegen auch Prieß, aaO Rn. 12).
13
Der mit der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 22. Dezember 2004 (VergabeR 2005, 222) entschiedene Fall wies die Besonderheit auf, dass sich die Vertretungsbefugnis des Bieters, eines städtischen Eigenbetriebs, aus einer gesetzlichen Vorschrift, der Gemeindeordnung des Landes Nordrhein-Westfalen, ergab und das Angebot nicht von der danach vertretungsberechtigten Person unterschrieben war. Für die Schlussfolgerung, dass das Angebot eines Formkaufmanns (§ 6 HGB) nur dann im Sinne der Unterschriftsklausel "rechtsverbindlich" unterschrieben ist, wenn es die Unterschrift des gesetzlichen Vertreters oder eines Prokuristen aufweist, oder ein Dritter seiner Unterschrift zumindest einen Vertretungszusatz hinzugefügt hat, bietet die Entscheidung dieses Falles keine Grundlage. Das Gesetz sieht bei Formkaufleuten eine "rechtswirksame", nicht aus dem Handelsregister ersichtliche Vertretung durch andere Personen als die gesetzlichen Vertreter und Prokuristen vor (§ 54 Abs. 1 HGB) und unterscheidet generell zwischen dem Bestehen von Vertretungsmacht und deren Nachweis. Der vom Berufungsgericht erwähnte Vertretungszusatz ist nicht konstitutiv für die Wirksamkeit der Erklärung einer zur Vertretung bevollmächtigten Person, sondern allenfalls für die Frage von Bedeutung, ob ihr Vertretungswille hinreichend hervortritt. Im Streitfall war der Wille, für die Klägerin zu handeln, nach den Umständen (Firmenstempel im Unterschriftsfeld einer die Klägerin als Bieterin benennenden Urkunde) offensichtlich (§ 164 Abs. 1 BGB).
III. Das Berufungsurteil ist hiernach aufzuheben und die Sache zur Prü14 fung der weiteren Voraussetzungen des von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruchs an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei macht der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch.
15
IV. Für die erneute Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
16
Ein auf das positive Interesse gerichteter Schadensersatzanspruch eines Bieters setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass dem Bieter bei ordnungsgemäßem Verlauf des Vergabeverfahrens der Zuschlag hätte erteilt werden müssen und dass der ausgeschriebene oder ein diesem wirtschaftlich gleichzusetzender Auftrag vergeben worden ist (BGH, Urteil vom 8. September 1998 - X ZR 48/97, BGHZ 139, 259; Urteil vom 26. Januar 2010 - X ZR 86/08, VergabeR 2010, 855 Rn. 16 - Abfallentsorgung I). Die letztere Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Danach kann die Klägerin ihr positives Interesse erstattet verlangen, wenn die Beklagte das erste Vergabeverfahren nicht vergaberechtskonform hätte aufheben dürfen, weil die Voraussetzungen aus § 26 Nr. 1 Buchst. c VOB/A aF nicht vorlagen.
17
1. Ob es sich so verhält, wird nach Lage des Falles in erster Linie davon abhängen, ob die Differenz zwischen den geschätzten Kosten einerseits und den Angebotspreisen der ersten Ausschreibung andererseits eine Aufhebung nach § 26 Nr. 1 Buchst. c VOB/A 2006 gestatteten.
18
a) Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, kann es einen schwerwiegenden Grund zur Aufhebung darstellen, wenn die vor der Ausschreibung vorgenommene Kostenschätzung der Vergabestelle aufgrund der bei ihrer Aufstellung vorliegenden und erkennbaren Daten als vertretbar erscheint und die im Vergabeverfahren abgegebenen Gebote deutlich darüber liegen (BGH, Urteil vom 8. September 1998 - X ZR 99/96, BGHZ 139, 280).
19
b) Für die Schätzung muss die Vergabestelle oder der von ihr gegebenenfalls beauftragte Fachmann Methoden wählen, die ein wirklichkeitsnahes Schätzungsergebnis ernsthaft erwarten lassen.
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Die Gegenstände der Schätzung und der ausgeschriebenen Maßnahme müssen deckungsgleich sein. Maßgeblich dafür sind im Ausgangspunkt die Positionen des Leistungsverzeichnisses, das der konkret durchgeführten Ausschreibung zugrunde liegt. Das Ergebnis der Schätzung ist verwertbar, soweit sie mit diesem Leistungsverzeichnis übereinstimmt. Es ist gegebenenfalls anzupassen , soweit die der Schätzung zugrunde gelegten Preise oder Preisbe- messungsfaktoren im Zeitpunkt der Bekanntmachung des Vergabeverfahrens nicht mehr aktuell waren und sich nicht unerheblich verändert hatten.
21
c) Wann ein vertretbar geschätzter Auftragswert so "deutlich" überschritten ist, dass eine sanktionslose Aufhebung der Ausschreibung nach § 26 Nr. 1 Buchst. c VOB/A aF/§ 17 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A nF gerechtfertigt ist, lässt sich nicht durch allgemeinverbindliche Werte nach Höhe oder Prozentsätzen festlegen. Vielmehr ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine alle Umstände des Einzelfalls einbeziehende Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 2001 - X ZR 150/99, VergabeR 2001, 293, 298). Dabei ist davon auszugehen, dass einerseits den öffentlichen Auftraggebern nicht das Risiko einer deutlich überhöhten Preisbildung weit jenseits einer vertretbaren Schätzung der Auftragswerte zugewiesen werden darf, sondern sie in solchen Fällen zur sanktionsfreien Aufhebung des Vergabeverfahrens berechtigt sein müssen, dass andererseits das Institut der Aufhebung des Vergabeverfahrens nicht zu einem für die Vergabestellen latent verfügbaren Instrument zur Korrektur der in öffentlichen Ausschreibungen bzw. offenen Verfahren erzielten Submissionsergebnisse geraten darf. Außerdem ist zu berücksichtigen , dass § 26 Nr. 1 VOB/A aF (§ 17 Abs. 1 VOB/A nF) nach Sinn und Zweck der Regelung eng auszulegen ist (BGH, Urteil vom 8. September 1998 - X ZR 48/97, BGHZ 139, 259, 263) und dass auch mit angemessener Sorgfalt durchgeführte Schätzungen nur Prognoseentscheidungen sind, von denen die nachfolgenden Ausschreibungsergebnisse erfahrungsgemäß mitunter nicht unerheblich abweichen. Das Ausschreibungsergebnis muss deshalb in der Regel ganz beträchtlich über dem Schätzungsergebnis liegen, um die Aufhebung zu rechtfertigen.
22
Dass der Auftrag nach der beschränkten Ausschreibung zu einer Auftragssumme von 242.000 € vergeben werden konnte, ist für die Frage, ob das wertungsfähige Submissionsergebnis der ersten Ausschreibung deutlich über- teuert war, nur von eingeschränktem Erkenntniswert. Denn dabei ist zu bedenken , dass das Submissionsergebnis der vorangegangenen öffentlichen Ausschreibung nach Maßgabe von § 22 VOB/A aF, § 14 VOB/A nF publik geworden ist und dass dies die Preisbildung im zweiten Vergabeverfahren beeinflussen konnte. Nach den Mechanismen des Marktes wird für einen Bieter, der das Ergebnis der ersten Ausschreibung kennt, die Annahme naheliegen, diesen Preis unterbieten zu müssen, um eine realistische Chance auf den Zuschlag zu haben, auch wenn das Angebot mit dem geringsten Preis (rd. 244.000 €) letztlich nicht gewertet werden durfte. Dass die Baumaßnahme zum Preis von 242.000 € durchgeführt wurde, rechtfertigt unter diesen Voraussetzungen nicht die Annahme, dass dieser Preis der Marktpreis (vgl. OLG Karlsruhe, VergabeR 2010, 96, 100) war.
23
d) Erweist sich der geschätzte Auftragswert schon im Ausgangspunkt als nicht vertretbar, kommt es für die Rechtmäßigkeit der Aufhebung auf die Differenz zwischen dem angemessenen Wert und dem wertungsfähigen Submissionsergebnis an.
24
2. Soweit die Beklagte die Aufhebungsentscheidung mit der nicht gewährleisteten Sicherung der Finanzierung begründet hat, bemerkt der Senat, dass eine Aufhebung der Ausschreibung regelmäßig dann nicht vergaberechtskonform ist, wenn die fehlende Finanzierung auf Fehler des Auftraggebers bei der Ermittlung des Finanzierungsbedarfs und der daran anschließenden Einwerbung der benötigten Mittel zurückzuführen ist (BGHZ 139, 280, 286). Zur Vermeidung irregulärer Vergabeentscheidungen kann dem Auftraggeber darüber hinaus auch nicht gestattet sein, nach Gutdünken eine bestimmte Auftragssumme nachträglich für allein noch finanzierbar zu erklären. Im Streitfall hat die Beklagte nach ihrem vom Berufungsgericht in Bezug genommenen erstinstanzlichen Vorbringen den günstigsten Angebotspreis aus der beschränkten Ausschreibung als letztlich finanzierbar bezeichnet. Dies reicht nicht aus, um den Anspruch auf entgangenen Gewinn eines Bieters mit einem höheren, aber den vertretbar geschätzten Auftragswert nicht deutlich übersteigenden Preis erfolgreich infrage zu stellen.
Meier-Beck Keukenschrijver Mühlens
Gröning Schuster
Vorinstanzen:
LG Ingolstadt, Entscheidung vom 04.11.2009 - 52 O 1231/08 -
OLG München, Entscheidung vom 05.07.2010 - 21 U 5466/09 -
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(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
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(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
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published on 26/01/2010 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 86/08 Verkündet am: 26. Januar 2010 Wermes, Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:
published on 12/06/2001 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 150/99 Verkündet am: 12. Juni 2001 Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGB § 276 F
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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 78/07 Verkündet am: 10. Juni 2008 Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ : nein Nachunte
published on 03/04/2012 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 130/10 Verkündet am: 3. April 2012 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:
{{Doctitle}} zitiert {{count_recursive}} Urteil(e) aus unserer Datenbank.
published on 18/06/2019 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 86/17 Verkündet am: 18. Juni 2019 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BG
published on 07/01/2014 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ZB 15/13 vom 7. Januar 2014 in dem Vergabenachprüfungsverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja Stadtbahnprogramm Gera GWB § 97 Abs. 2, 5; VOB/A § 8 EG Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b, § 16 EG Ab
published on 23/08/2017 00:00

Tenor 1.Im streitgegenständlichen Vergabeverfahren Schulverpflegung der Grund- und Mittelschule in P... (Referenznummer der Bekanntmachung: ...) wird der Antragsgegnerin untersagt, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen.
published on 15/03/2016 00:00

Tenor 1. Es wird festgestellt, dass die Aufhebung der Ausschreibung die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt. 2. Im Übrigen wird der Nachprüfungsantrag abgelehnt. 3. Die Vergabestelle trägt die Kosten des Verfahrens und die z
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Annotations

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Die in betreff der Kaufleute gegebenen Vorschriften finden auch auf die Handelsgesellschaften Anwendung.

(2) Die Rechte und Pflichten eines Vereins, dem das Gesetz ohne Rücksicht auf den Gegenstand des Unternehmens die Eigenschaft eines Kaufmanns beilegt, bleiben unberührt, auch wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 nicht vorliegen.

(1) Ist jemand ohne Erteilung der Prokura zum Betrieb eines Handelsgewerbes oder zur Vornahme einer bestimmten zu einem Handelsgewerbe gehörigen Art von Geschäften oder zur Vornahme einzelner zu einem Handelsgewerbe gehöriger Geschäfte ermächtigt, so erstreckt sich die Vollmacht (Handlungsvollmacht) auf alle Geschäfte und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes oder die Vornahme derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt.

(2) Zur Veräußerung oder Belastung von Grundstücken, zur Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, zur Aufnahme von Darlehen und zur Prozeßführung ist der Handlungsbevollmächtigte nur ermächtigt, wenn ihm eine solche Befugnis besonders erteilt ist.

(3) Sonstige Beschränkungen der Handlungsvollmacht braucht ein Dritter nur dann gegen sich gelten zu lassen, wenn er sie kannte oder kennen mußte.

(1) Eine Willenserklärung, die jemand innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt, wirkt unmittelbar für und gegen den Vertretenen. Es macht keinen Unterschied, ob die Erklärung ausdrücklich im Namen des Vertretenen erfolgt oder ob die Umstände ergeben, dass sie in dessen Namen erfolgen soll.

(2) Tritt der Wille, in fremdem Namen zu handeln, nicht erkennbar hervor, so kommt der Mangel des Willens, im eigenen Namen zu handeln, nicht in Betracht.

(3) Die Vorschriften des Absatzes 1 finden entsprechende Anwendung, wenn eine gegenüber einem anderen abzugebende Willenserklärung dessen Vertreter gegenüber erfolgt.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.