Bundesgerichtshof Urteil, 10. Okt. 2012 - VIII ZR 25/12

published on 10/10/2012 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 10. Okt. 2012 - VIII ZR 25/12
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Lawyers
Referenzen - Veröffentlichungen
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Previous court decisions
Amtsgericht Mitte, 11 C 212/10, 30/03/2011
Landgericht Berlin, 63 S 203/11, 10/01/2012

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 25/12 Verkündet am:
10. Oktober 2012
Ermel,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Oktober 2012 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richterin
Dr. Milger sowie die Richter Dr. Achilles, Dr. Schneider und Dr. Bünger

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der Zivilkammer 63 des Landgerichts Berlin vom 10. Januar 2012 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Beklagte mietete im Jahr 1989 vom Rechtsvorgänger des Klägers eine Wohnung in Berlin Mitte an, die damals mit einem Einzelofen und einem G. -Heizgerät ausgestattet war. Im Jahr 1991 baute sie im Einverständnis mit dem damaligen Vermieter auf eigene Kosten eine Gasetagenheizung ein.
2
Mit Schreiben vom 17. November 2009 erbat der Kläger von der Beklagten vergeblich die Duldung des Anschlusses ihrer Wohnung an die im Gebäude inzwischen vorhandene Zentralheizung. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

3
Die Revision hat Erfolg.

I.

4
Das Berufungsgericht (LG Berlin, GE 2012, 270) hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
5
Der Kläger habe gegen die Beklagte einen Anspruch darauf, den Anschluss ihrer Wohnung an die Zentralheizung zu dulden. Es handele sich dabei um eine Modernisierung im Sinne des § 554 Abs. 2 BGB, weil die Wohnung der Beklagten seitens des Vermieters nur mit Einzelöfen ausgestattet sei. Der Umstand , dass die Beklagte die Wohnung aufgrund einer entsprechenden Modernisierungsvereinbarung mit dem Rechtsvorgänger des Klägers mit einer Gasetagenheizung ausgestattet habe, bleibe außer Betracht, weil vom Mieter geschaffene Modernisierungen im Rahmen des § 554 Abs. 2 BGB nicht berücksichtigt werden dürften; anderenfalls hätte es der Mieter in der Hand, eine Modernisierung des Vermieters durch eigene Investitionen zu blockieren.
6
Die Beklagte könne auch nicht geltend machen, dass die Modernisierung für sie mit Rücksicht auf die zu erwartende Mieterhöhung eine unzumutbare Härte darstelle, denn die Wohnung werde durch den Anschluss an die Zentralheizung lediglich in einen allgemein üblichen Zustand versetzt (§ 554 Abs. 2 Satz 4 BGB). Ausgangspunkt für die Beurteilung sei auch hier der für die Bemessung der Miete maßgebliche Zustand, mithin der vom Vermieter zur Verfügung gestellte Zustand mit Einzelöfen.

II.

7
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte, den Anschluss ihrer Wohnung an die Zentralheizung zu dulden , nicht bejaht werden.
8
Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, kommt es für die Beurteilung der Frage, ob vom Vermieter geplante bauliche Maßnahmen als Verbesserung der Mietsache im Sinne des § 554 Abs. 2 BGB anzusehen sind, auf den gegenwärtigen Zustand der Mietsache einschließlich der vom Mieter rechtmäßig vorgenommenen Verbesserungen an; lediglich vom Mieter vertragswidrig vorgenommene Veränderungen bleiben außer Betracht (Senatsurteil vom 20. Juni 2012 - VIII ZR 110/11, WuM 2012, 448 Rn. 13).
9
Dieser Maßstab gilt auch für die Beurteilung der Frage, ob eine Härtefallprüfung nach § 554 Abs. 2 Satz 4 BGB unterbleibt, weil die Mietsache durch die vom Vermieter beabsichtigte Maßnahme lediglich in einen Zustand versetzt wird, wie er allgemein üblich ist; auch insoweit ist der gegenwärtige Zustand einschließlich vom Mieter rechtmäßig vorgenommener Veränderungen zugrunde zu legen.
10
Die in § 554 Abs. 2 Satz 4 BGB vorgesehene Ausnahme von der Härtefallprüfung soll im Interesse der Verbesserung der allgemeinen Wohnverhältnisse verhindern, dass eine Modernisierung, mit der lediglich ein allgemein üblicher Standard erreicht wird, im Hinblick auf persönliche Härtegründe des Mieters unterbleibt. Diese Zielsetzung verbietet es, einen vom Mieter rechtmäßig geschaffenen Zustand, der diesem Standard bereits entspricht, außer Acht zu lassen. Ein Ausschluss der Härtefallprüfung nach § 554 Abs. 2 BGB kann deshalb nicht damit begründet werden, dass die früher vorhandenen Einzelöfen dem heutigen allgemein üblichen Zustand nicht entsprechen. Gegenüber der bereits vorhandenen Gasetagenheizung stellt die inzwischen eingebaute Zentralheizung keine Wohnwertverbesserung dar, denn in der Regel ist eine Gasetagenheizung, deren Einstellung der Mieter allein regeln kann, zumindest ebenso komfortabel wie eine Zentralheizung. Es kann daher nicht angenommen werden, dass erst mit dem Anschluss der Wohnung der Beklagten an die Zentralheizung ein allgemein üblicher Wohnstandard erreicht würde.

III.

11
Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben ; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 2 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil das Berufungsgericht - vor dem Hintergrund der von ihm vertretenen Rechtsauffassung folgerichtig - keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob der Anschluss der Wohnung der Beklagten an die Zentralheizung zu einer Einsparung von Energie führt und ob in ihrer Person ein Härtegrund im Sinne des § 554 Abs. 2 Satz 2 BGB vorliegt. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Ball Dr. Milger Dr. Achilles Dr. Schneider Dr. Bünger
Vorinstanzen:
AG Berlin-Mitte, Entscheidung vom 30.03.2011 - 11 C 212/10 -
LG Berlin, Entscheidung vom 10.01.2012 - 63 S 203/11 -
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

1 Lawyers

Rechtsanwalt


Familienrecht, Erbrecht, Ehescheidung - Streifler & Kollegen
Languages
EN, DE
{{count_recursive}} Anwälte, die Artikel geschrieben haben, die diesen Urteil erwähnen
{{count_recursive}} Veröffentlichung(en) in unserer Datenbank zitieren {{Doctitle}}.
{{count_recursive}} Veröffentlichung(en) in unserer Datenbank zitieren {{Doctitle}}.

04/12/2012 12:41

Härtefalleinwand gegen Modernisierung auf zeitgemäßen Wohnstandard-BGH vom 10.10.12-Az:VIII ZR 25/12
04/12/2012 12:41

Härtefalleinwand gegen Modernisierung auf zeitgemäßen Wohnstandard-BGH vom 10.10.12-Az:VIII ZR 25/12
{{count_recursive}} Artikel zitieren {{Doctitle}}.

moreResultsText


(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen

(1) Der Mieter kann verlangen, dass ihm der Vermieter bauliche Veränderungen der Mietsache erlaubt, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen, dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge oder dem Einbruchsschutz dienen. Der Anspruch besteht ni
{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen

(1) Der Mieter kann verlangen, dass ihm der Vermieter bauliche Veränderungen der Mietsache erlaubt, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen, dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge oder dem Einbruchsschutz dienen. Der Anspruch besteht ni
1 Referenzen - Urteile
{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 20/06/2012 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VIII ZR 110/11 Verkündet am: 20. Juni 2012 Ring, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGH
{{Doctitle}} zitiert {{count_recursive}} Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Annotations

(1) Der Mieter kann verlangen, dass ihm der Vermieter bauliche Veränderungen der Mietsache erlaubt, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen, dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge oder dem Einbruchsschutz dienen. Der Anspruch besteht nicht, wenn die bauliche Veränderung dem Vermieter auch unter Würdigung der Interessen des Mieters nicht zugemutet werden kann. Der Mieter kann sich im Zusammenhang mit der baulichen Veränderung zur Leistung einer besonderen Sicherheit verpflichten; § 551 Absatz 3 gilt entsprechend.

(2) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

(1) Der Mieter kann verlangen, dass ihm der Vermieter bauliche Veränderungen der Mietsache erlaubt, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen, dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge oder dem Einbruchsschutz dienen. Der Anspruch besteht nicht, wenn die bauliche Veränderung dem Vermieter auch unter Würdigung der Interessen des Mieters nicht zugemutet werden kann. Der Mieter kann sich im Zusammenhang mit der baulichen Veränderung zur Leistung einer besonderen Sicherheit verpflichten; § 551 Absatz 3 gilt entsprechend.

(2) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.