Bundesgerichtshof Urteil, 02. März 2000 - VII ZR 475/98

published on 02/03/2000 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 02. März 2000 - VII ZR 475/98
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 475/98 Verkündet am:
2. März 2000
Seelinger-Schardt,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
AGBG § 9 Bf, Ch Abs. 1
Die Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Bauvertrages
"Der AG bzw. dessen Bevollmächtigter behält sich das Recht vor,
5 % der Gesamtsumme des Auftrags bis zum Ablauf der Garantiezeit
als Sicherheit für die Gewährleistung einzubehalten. Die Bestimmungen
des § 17 Nr. 6 Abs. 1 Satz 2 und 3 und Abs. 3 VOB/B sind
ausdrücklich ausgeschlossen.
Der Gewährleistungseinbehalt ist durch eine Bürgschaft nach dem
Muster des AG ablösbar."
ist gemäß § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam (im Anschluß an BGH, Urteil vom 5. Juni
1997 - VII ZR 324/95, BGHZ 136, 27).
BGH, Urteil vom 2. März 1999 - VII ZR 475/98 - OLG Karlsruhe
LG Heidelberg
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 2. März 2000 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die
Richter Dr. Haß, Dr. Wiebel, Dr. Kuffer und Wendt

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 29. September 1998 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Heidelberg vom 23. April 1998 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelzüge.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin (Auftragnehmerin) verlangt von der Beklagten (Auftraggeberin ) Herausgabe einer von ihr gestellten Bürgschaft auf erstes Anfordern zur Ablösung eines Sicherungseinbehalts. In dem von der Beklagten vorformulierten Verhandlungsprotokoll heißt es:
"6. Vertragsgrundlagen Bestandteil des Vertrages sind in nachstehender Reihenfolge, wobei das vorhergehende gegenüber dem nachfolgenden bei Widersprüchen Vorrang hat:
a) dieses Verhandlungsprotokoll und die nach Abschluß dieser Verhandlung zwischen den Parteien schriftlich getroffenen weiteren Vereinbarungen. ... 16. Schlußrechnung Der AG bzw. dessen Bevollmächtigter behält sich das Recht vor, 5 % der Gesamtsumme des Auftrags bis zum Ablauf der Garantiezeit als Sicherheit für die Gewährleistung einzubehalten. Die Bestimmungen des § 17, Ziffer 6, Abs. 1 Satz 2 und 3 und Abs. 3 VOB/B sind ausdrücklich ausgeschlossen. Der Gewährleistungseinbehalt ist durch eine Bürgschaft nach dem Muster des AG ablösbar. ..."
Die nachrangigen Allgemeinen Vertragsbedingungen (AVB) enthalten unter Nr. 1.15 die Klausel, daß der Auftraggeber 5 % der Gesamtsumme des Auftrags "bis zum Ablauf der Garantiezeit als Sicherheit für die Gewährleistung" einbehalten darf. § 17 VOB/B ist ausdrücklich ausgeschlossen. Das Landgericht hat der Herausgabeklage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

I.

Das Berufungsgericht ist der Ansicht, Nr. 16 des Verhandlungsprotokolls und Nr. 1.15 (AVB) widersprächen sich. Daher gelte gemäß Nr. 6 des Verhandlungsprotokolls Nr. 16 als vorrangige Regelung. Danach sei § 17 VOB/B nur teilweise ausgeschlossen. § 17 Nr. 3 VOB/B gelte, so daß der Klägerin das Wahlrecht geblieben sei, die Einzahlung auf ein Sperrkonto zu verlangen oder eine Bürgschaft i.S.d. § 17 Nr. 4 VOB/B zu stellen. Nr. 16 des Verhandlungsprotokolls sei nicht in dem Sinne zu verstehen, daß der Sicherungseinbehalt nur durch eine Bürgschaft nach dem Muster der Beklagten, einer Bürgschaft auf erstes Anfordern, ablösbar sei.

II.

1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts , Nr. 16 des Verhandlungsprotokolls und Nr. 1.15 (AVB) seien widersprüchlich. Maßgebend ist Nr. 16 des Verhandlungsprotokolls und die Beurteilung, ob diese Klausel der Inhaltskontrolle nach den AGBG standhält. 2. Das ist nicht der Fall.
a) Die dem Revisionsgericht obliegende Auslegung von Nr. 16 des Verhandlungsprotokolls ergibt, daß der Gewährleistungseinbehalt nur durch eine
Bürgschaft abgelöst werden kann und die in § 17 Nr. 2 VOB/B vorgesehene Hinterlegung von Geld und insoweit auch das entsprechende Wahlrecht des Auftragnehmers nach § 17 Nr. 3 VOB/B ausgeschlossen ist. Die Vertragsklausel räumt dem Auftraggeber das Recht ein, 5 % der Gesamtsumme des Auftrags bis zum Ablauf der Gewährleistungsfrist als Sicherheit einzubehalten. Wegen des Ausschlusses des § 17 Nr. 6 Abs. 1 Satz 2 und 3 und Abs. 3 VOB/B muß der Auftraggeber einen einbehaltenen Betrag nicht mitteilen und ihn nicht binnen 18 Werktagen nach Mitteilung auf ein Sperrkonto bei dem vereinbarten Kreditinstitut einzahlen. Dem Auftragnehmer ist verwehrt, bei Nichteinzahlung des einbehaltenen Betrags nach angemessener Fristsetzung die sofortige Auszahlung des einbehaltenen Betrags ohne Sicherheitsleistung zu verlangen. Über das Recht des Auftragnehmers, den Einbehalt durch Hinterlegung von Geld zu ersetzen, wird nichts ausgeführt. Vielmehr legt der nachfolgende Hinweis über die Ablösung des Gewährleistungseinbehalts durch eine Bürgschaft nahe, daß nur diese Sicherheitsleistung dem Auftragnehmer als Ersetzungsalternative vorbehalten bleiben sollte.
b) Diese Ersetzungsalternative ist nicht ausreichend. Mit der Formulierung , der Gewährleistungseinbehalt sei "durch eine Bürgschaft nach dem Muster des AG ablösbar" bleibt anders als bei § 17 Nr. 4 VOB/B unklar (§ 5 AGBG), mit welcher Art der Bürgschaft der Gewährleistungseinbehalt vom Auftragnehmer ersetzt werden kann. Damit kann etwa gemeint sein eine Bürgschaft mit der Einrede der Vorausklage gemäß § 771 BGB, eine selbstschuldnerische Bürgschaft unter Verzicht auf die Einrede der Vorausklage (vgl. für den Anwendungsbereich der VOB/B § 17 Nr. 4 VOB/B) oder eine Bürgschaft auf erstes Anfordern. Dadurch ist die Vertragsklausel intransparent. Der Auftragnehmer kann aus ihr nicht entnehmen, mit welcher Bürgschaft er den Ge-
währleistungseinbehalt ablösen kann. Die Formulierung nach "Muster des AG" ist im Rahmen der AGB-rechtlichen Kontrolle dahin zu verstehen, daß eine bei Kaufleuten im Baugewerbe nicht unübliche Bürgschaft auf erstes Anfordern gemeint ist. Damit verlangt der Auftraggeber im Zusammenhang mit dem abzulösenden Gewährleistungseinbehalt von 5 % eine unzulässige Sicherheitsleistung. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 5. Juni 1997 - VII ZR 324/95, BGHZ 136, 27) benachteiligt eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Bauvertrages, wonach der Besteller nach Abnahme eines Bauwerks 5 % der Auftragssumme für die Dauer einer fünfjährigen Gewährleistungsfrist als Sicherheit einbehalten darf, den Unternehmer entgegen Treu und Glauben unangemessen, wenn ihm kein angemessener Ausgleich zugestanden wird. Das dem Unternehmer eingeräumte Recht, den Einbehalt durch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern abzulösen, ist kein angemessener Ausgleich.

III.

Daher hat das Berufungsurteil keinen Bestand. Da weitere Feststellungen nicht mehr zu treffen sind, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden. Nr. 16 des Verhandlungsprotokolls ist unwirksam. Die Beklagte hat keinen Anspruch auf Sicherheit in der dort vereinbarten Form. Die Bürgschaftsurkunde ist an die Klägerin herauszugeben.
Ullmann Haß Wiebel Kuffer Wendt
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Der Bürge kann die Befriedigung des Gläubigers verweigern, solange nicht der Gläubiger eine Zwangsvollstreckung gegen den Hauptschuldner ohne Erfolg versucht hat (Einrede der Vorausklage). Erhebt der Bürge die Einrede der Vorausklage, ist die Verjähr
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Der Bürge kann die Befriedigung des Gläubigers verweigern, solange nicht der Gläubiger eine Zwangsvollstreckung gegen den Hauptschuldner ohne Erfolg versucht hat (Einrede der Vorausklage). Erhebt der Bürge die Einrede der Vorausklage, ist die Verjährung des Anspruchs des Gläubigers gegen den Bürgen gehemmt, bis der Gläubiger eine Zwangsvollstreckung gegen den Hauptschuldner ohne Erfolg versucht hat.