Bundesgerichtshof Urteil, 09. Jan. 2003 - VII ZR 103/02
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin beantragt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das Landgericht hat unter Abweisung im übrigen Klage und Widerklage teilweise stattgegeben. Dagegen haben beide Parteien fristgerecht Berufung eingelegt. Für die Klägerin ist die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 16. August 2001 verlängert worden. An diesem Tag ist ihre Berufungsbegründung beim Berufungsgericht eingegangen. Der Schriftsatz ist von Rechtsanwältin N. als "OLG bestellte Vertreterin für Rechtsanwalt Dr. W." unterschrieben worden. Rechtsanwalt Dr. W. ist beim Berufungsgericht zugelassen. Rechtsanwältin N. war in der Kanzlei angestellt und im verwendeten Briefkopf mit aufge-führt. Sie war nicht beim Berufungsgericht zugelassen. Anders als in den Jahren zuvor war sie im Jahre 2001 nicht gemäß § 53 BRAO als Vertreterin von Rechtsanwalt Dr. W. bestellt. Mit Schriftsatz vom 13. November 2001, beim Berufungsgericht eingegangen am selben Tag, hat die Klägerin die nunmehr von Rechtsanwalt Dr. W. unterschriebene Berufungsbegründung erneut eingereicht und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung beantragt. Das Berufungsgericht hat mit Zwischenurteil vom 10. Januar 2002 den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin. Die Beklagten haben am 31. Januar 2002 ihre Berufung zurückgenommen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg. Die Beurteilung richtet sich nach dem bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Zivilprozeßrecht (§ 26 Nr. 7 EGZPO).I.
Die Revision ist statthaft. Ein Zwischenurteil, das einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückweist, ist hinsichtlich seiner Anfechtbarkeit wie ein Endurteil zu behandeln (BGH, Urteile vom 20. März 1967 - VII ZR 296/64, BGHZ 47, 289, 290 und vom 26. Juni 1979 - VI ZR 218/78, VersR 1979, 960). In entsprechender Anwendung von § 547 ZPO findet die Re-vision ohne Einschränkung statt (MünchKommZPO-Wenzel, 2. Aufl., § 547 Rn. 2).
II.
Das Berufungsgericht ist der Meinung, Rechtsanwältin N. habe die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist verschuldet, da sie bei Unterzeichnung des Schriftsatzes ihre fehlende Postulationsfähigkeit nicht erkannt habe. Die Prüfung der eigenen Postulationsfähigkeit gehöre zu den wesentlichen Aufgaben eines jeden Rechtsanwalts. Diese dürfe nicht dem Büropersonal überlassen werden. Die eingerichtete bürotechnische Selbstkontrolle beim Postausgang wäre zum Ausschluß eines Organisationsverschuldens der Prozeßbevollmächtigten nur dann relevant, wenn es sich bei Rechtsanwältin N. um eine unselbständige juristische Mitarbeiterin gehandelt hätte. Das sei jedoch nicht der Fall. Gemäß § 85 Abs. 2 ZPO müsse sich die Klägerin das Verschulden von Rechtsanwältin N. zurechnen lassen.III.
Das hält den Angriffen der Revision stand. Das Berufungsgericht hat Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht versagt. Die Klägerin war nicht ohne ihr Verschulden verhindert, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten (vgl. § 233 ZPO). Denn Rechtsanwältin N. trifft ein Verschulden am Versäumen der Berufungsbegründungsfrist. Sie hat, wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat, als Prozeßbevollmächtigte der Klägerin gehandelt (vgl. BGH, Urteil vom 5. November 1993 - V ZR 1/93, BGHZ 124, 47, 49 ff). IhrVerschulden ist unabhängig von einem Versehen der Büroangestellten W. gemäß § 85 Abs. 2 ZPO der Klägerin zuzurechnen. 1. Rechtsanwältin N. trifft ein Verschulden an der Fristversäumung, weil sie ihre Postulationsfähigkeit nicht geprüft hat.
a) Die Prüfung dieser Prozeßhandlungsvoraussetzung gehört zu den wesentlichen Aufgaben eines Rechtsanwalts. Ist er nicht beim Oberlandesgericht zugelassen, sondern wird er dort nur als Vertreter eines zugelassenen Anwalts tätig, so muß er selbst sicherstellen, daß seine Postulationsfähigkeit als Vertreter gewährleistet ist. Er muß selbst prüfen, ob die Bestellung zum Vertreter erfolgt ist (BGH, Beschluß vom 6. Oktober 1992 - VI ZB 20/92, VersR 1993, 124).
b) Der Revision kann nicht darin gefolgt werden, daß damit die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des Anwalts überspannt werden. Entgegen ihrer Auffassung ist die Rechtsprechung zur Postausgangskontrolle hinsichtlich bestimmender Schriftsätze an das Oberlandesgericht nicht einschlägig. Vielmehr hat Rechtsanwältin N. ihre eigene Postulationsfähigkeit nicht geprüft und versehentlich angenommen, als Vertreterin von Rechtsanwalt Dr. W. bestellt zu sein. Darin liegt ihr Verschulden. Ob daneben auch ein Verschulden der Rechtsanwälte Dr. W. und B. vorliegt, ist ohne Bedeutung. 2. Gemäß § 85 Abs. 2 ZPO ist das Verschulden von Rechtsanwältin N. der Klägerin zuzurechnen. Entgegen der Ansicht der Revision ergibt sich aus dem Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 18. September 1986 - I ZB 14/85 (in Juris dokumentiert, insoweit in VersR 1987, 73 nicht vollständig abgedruckt) nichts anderes. In dem dort entschiedenen Fall war eine Rechtsanwältin tätig geworden, die nicht Prozeßbevollmächtigte im Sinne des § 85 Abs. 2 ZPO war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, § 101 Abs. 1 ZPO. Dressler Thode Haß Wiebel Bauner
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War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Der Rechtsanwalt muss für seine Vertretung sorgen, wenn er
- 1.
länger als eine Woche daran gehindert ist, seinen Beruf auszuüben, oder - 2.
sich länger als zwei Wochen von seiner Kanzlei entfernen will.
(2) Die Vertretung soll einem anderen Rechtsanwalt übertragen werden. Sie kann auch durch Personen erfolgen, die die Befähigung zum Richteramt erworben oder mindestens zwölf Monate des Vorbereitungsdienstes nach § 5b des Deutschen Richtergesetzes absolviert haben. In den Fällen des Satzes 2 gilt § 7 entsprechend.
(3) Soll die Vertretung einem anderen Rechtsanwalt übertragen werden, so soll der Rechtsanwalt diesen selbst bestellen. Soll die Vertretung durch eine andere Person erfolgen oder findet der Rechtsanwalt keine Vertretung, so ist die Vertretung auf Antrag des Rechtsanwalts von der Rechtsanwaltskammer zu bestellen.
(4) Hat es ein Rechtsanwalt in den Fällen des Absatzes 1 unterlassen, eine Vertretung zu bestellen oder deren Bestellung zu beantragen, so soll die Rechtsanwaltskammer eine Vertretung von Amts wegen bestellen. Zuvor soll sie den Rechtsanwalt auffordern, die Vertretung selbst zu bestellen oder deren Bestellung zu beantragen. Ein Rechtsanwalt, der von Amts wegen als Vertretung bestellt wird, kann die Vertretung nur aus wichtigem Grund ablehnen.
(5) Die Bestellung kann jederzeit widerrufen werden.
Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,
- 1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; - 2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist; - 3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war; - 4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat; - 5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind; - 6.
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) Die durch eine Nebenintervention verursachten Kosten sind dem Gegner der Hauptpartei aufzuerlegen, soweit er nach den Vorschriften der §§ 91 bis 98 die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat; soweit dies nicht der Fall ist, sind sie dem Nebenintervenienten aufzuerlegen.
(2) Gilt der Nebenintervenient als Streitgenosse der Hauptpartei (§ 69), so sind die Vorschriften des § 100 maßgebend.