Bundesgerichtshof Urteil, 02. März 2012 - V ZR 89/11

published on 02/03/2012 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 02. März 2012 - V ZR 89/11
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Previous court decisions
Amtsgericht Starnberg, 3 C 1745/09, 12/02/2010
Landgericht München I, 36 S 5238/10, 17/02/2011

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 89/11
Verkündet am:
2. März 2012
Lesniak
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. März 2012 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Prof.
Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 36. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 17. Februar 2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als festgestellt worden ist, dass der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 16. September 2009 zu TOP 8 nichtig ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft, die nach der Gemeinschaftsordnung in sieben Untergemeinschaften mit jeweils eigener Beschlusskompetenz unter Ausschluss des Stimmrechts der übrigen Wohnungseigentümer gegliedert ist. Auf der Eigentümerversammlung vom 16. September 2009 wurde unter Tagesordnungspunkt 8 von den Wohnungseigentümern des Hauses 2 beschlossen, dass der Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 verpflichtet sind, die von ihnen vorgenommenen Kaminanschlüsse zu beseitigen. Für den Fall, dass eine Beseitigung nicht erfolgt, wurde die Hausverwaltung ermächtigt, den Beseitigungsanspruch gerichtlich durchzusetzen.
2
Diesen Beschluss haben die Kläger angefochten. In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht hat der Kläger zu 1 (im Folgenden: der Kläger) klargestellt, dass sich seine Klage ausschließlich gegen die Miteigentümer des Hauses 2 richte. Da diese ihre fehlende Passivlegitimation gerügt haben, hat der Kläger mit nachgelassenem Schriftsatz eine Liste auch der übrigen Wohnungseigentümer vorgelegt und um Hinweis gebeten für den Fall, dass das Amtsgericht die Klage nur gegenüber der gesamten Eigentümergemeinschaft für zulässig halte. In diesem Fall erweitere er die Bezeichnung der Beklagten auch auf die übrigen Wohnungseigentümer.
3
Das Amtsgericht hat, soweit von Interesse, die Klage wegen mangelnder Passivlegitimation der Wohnungseigentümer des Hauses 2 als unzulässig abgewiesen. Auf seine Berufung hat das Landgericht die Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses festgestellt. Mit der auf die Frage, ob die Anfechtungsklage lediglich gegen die Miteigentümer des Hauses 2 zu richten war, beschränkt zugelassenen Revision erstreben die Beklagten die Wiederherstellung des Urteils des Amtsgerichts. Der Kläger beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht meint, die Klage sei zutreffend nur gegen die übrigen Eigentümer des Hauses 2 erhoben worden. Zwar sei die Anfechtungsklage grundsätzlich gegen sämtliche übrigen Wohnungseigentümer zu richten. Etwas anderes gelte aber, wenn durch die Gemeinschaftsordnung Untergemeinschaften mit eigener Beschlusskompetenz gebildet worden seien. In diesem Fall sei die Anfechtungsklage nur gegen diejenigen Eigentümer zu richten, die der Untergemeinschaft angehören. Die Klage sei auch begründet. Der angefochtene Beschluss sei nichtig, da den Eigentümern die Kompetenz fehle, eine Leistungspflicht eines Wohnungseigentümers durch Mehrheitsbeschluss zu begründen.

II.

5
Die Revision ist begründet. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die allein gegen die Untergemeinschaft gerichtete Klage unzulässig.
6
Der Senat hat, allerdings erst nach Erlass des angefochtenen Urteils entschieden, dass eine Anfechtungsklage nach § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG ausnahmslos gegen die übrigen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft als notwendige Streitgenossen zu richten ist, und zwar auch dann, wenn - wie hier - der Beschluss einer Untergemeinschaft mit eigener Beschlusskompetenz angefochten wird (Urteil vom 11. November 2011 - V ZR 45/11, Rn. 9 ff., WuM 2012, 55, 56). Für eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Beschlusses , welche keinen von der Anfechtungsklage zu unterscheidenden Streitgegenstand betrifft, gilt nichts anderes (Senat, Urteil vom 10. Februar 2012 - V ZR 145/11, Umdruck S. 4 mwN). Eine nur gegen einen Teil der Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft gerichtete Klage ist in diesen Fällen unzulässig.

III.

7
Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Der Kläger hatte schriftsätzlich angekündigt, die Klage auf die übrigen Wohnungseigentümer zu erweitern, falls das Amtsgericht die Klage gegen die Untergemeinschaft für unzulässig halte; den gebotenen gerichtlichen Hinweis hat das Amtsgericht nicht erteilt. Da der Kläger im Berufungsverfahren aufgrund der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts für eine Klageerweiterung keinen Anlass mehr hatte , ist ihm Gelegenheit zu geben, dies nachzuholen. Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Brückner Weinland
Vorinstanzen:
AG Starnberg, Entscheidung vom 12.02.2010 - 3 C 1745/09 -
LG München I, Entscheidung vom 17.02.2011 - 36 S 5238/10 -
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

moreResultsText


(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen

Fehlt eine nach § 12 erforderliche Zustimmung, so sind die Veräußerung und das zugrundeliegende Verpflichtungsgeschäft unbeschadet der sonstigen Voraussetzungen wirksam, wenn die Eintragung der Veräußerung oder einer Auflassungsvormerkung in das Grun
{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen

Fehlt eine nach § 12 erforderliche Zustimmung, so sind die Veräußerung und das zugrundeliegende Verpflichtungsgeschäft unbeschadet der sonstigen Voraussetzungen wirksam, wenn die Eintragung der Veräußerung oder einer Auflassungsvormerkung in das Grun
3 Referenzen - Urteile
{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 10/02/2012 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 145/11 Verkündet am: 10. Februar 2012 Weschenfelder, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Der V. Zivilsenat des Bundesgerichts
published on 11/11/2011 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 45/11 Verkündet am: 11. November 2011 Lesniak Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja WEG § 46 Abs. 1 S
{{Doctitle}} zitiert {{count_recursive}} Urteil(e) aus unserer Datenbank.
published on 20/07/2012 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 231/11 Verkündet am: 20. Juli 2012 Lesniak Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf
{{count_recursive}} Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren {{Doctitle}}.

Annotations

Fehlt eine nach § 12 erforderliche Zustimmung, so sind die Veräußerung und das zugrundeliegende Verpflichtungsgeschäft unbeschadet der sonstigen Voraussetzungen wirksam, wenn die Eintragung der Veräußerung oder einer Auflassungsvormerkung in das Grundbuch vor dem 15. Januar 1994 erfolgt ist und es sich um die erstmalige Veräußerung dieses Wohnungseigentums nach seiner Begründung handelt, es sei denn, dass eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung entgegensteht. Das Fehlen der Zustimmung steht in diesen Fällen dem Eintritt der Rechtsfolgen des § 878desBürgerlichen Gesetzbuchs nicht entgegen. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen der §§ 30 und 35 des Wohnungseigentumsgesetzes.

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.