Bundesgerichtshof Urteil, 21. Sept. 2006 - IX ZR 173/02
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin vermietete der Bauunternehmung B. GmbH & Co. KG (im Folgenden: Schuldnerin) Geräte. Es bestand eine laufende Geschäftsbeziehung. Die Schuldnerin ermächtigte die Klägerin, deren fällige Forderungen von ihrem Konto einzuziehen. Die Einzugsermächtigung galt auch für Forderungen der H. GmbH. Die Klägerin zog im Januar und Februar 2001 fällige Mietzinsen sowie im Februar 2001 eine Werklohnforderung der H. GmbH für die Demontage und den Abtransport eines Krans ein.
- 2
- Beklagte Der wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Essen vom 2. März 2001 zum vorläufigen Insolvenzverwalter der Schuldnerin bestellt. Unmittelbar nach seiner Bestellung widerrief er die Einziehungen der Forderungen und die Belastungen des Kontos der Schuldnerin durch die Klägerin. Die eingezogenen Beträge wurden daraufhin auf das Konto der Schuldnerin zurück überwiesen.
- 3
- Die H. GmbH trat ihren angeblich gegen den Beklagten bestehenden Schadensersatzanspruch an die Klägerin ab. Diese verlangt von ihm die rückbelasteten Beträge sowie die Gebühren für die Rücklastschriften. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt er seinen Klagabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
- 4
- Die Revision hat Erfolg. Die Klage ist unbegründet.
I.
- 5
- Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
- 6
- Der Beklagte hafte der Klägerin aus § 60 InsO auf Schadensersatz. Er habe gegen seine ihr gegenüber bestehenden Pflichten verstoßen, weil er die Lastschriften nicht hätte widerrufen dürfen; denn die Schuldnerin sei dazu ebenfalls nicht berechtigt gewesen.
II.
- 7
- Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht Stand.
- 8
- 1. Der starke oder der mit Zustimmungsvorbehalt ausgestattete (mitbestimmende ) vorläufige Insolvenzverwalter verletzt weder eine insolvenzspezifische noch eine sonstige gegenüber dem Gläubiger bestehende Pflicht, wenn er die auf einer Einziehungsermächtigung beruhende Lastschrift widerruft. Vielmehr ist er, was der Senat nach Verkündung des Berufungsurteils entschieden hat, grundsätzlich berechtigt, eine Belastung, die der Schuldner noch nicht genehmigt hat, zu widerrufen (vgl. BGHZ 161, 49, 52; BGH, Urt. v. 4. November 2004 - IX ZR 82/03, ZInsO 2004, 40; v. 4. November 2004 - IX ZR 28/04, EWiR 2005, 227 m. Anm. Gantenberg).
- 9
- Die 2. Rechtsprechung des Senats hat Zustimmung erfahren (FKInsO /Schmerbach, 4. Aufl. § 21 Rn. 42c, § 22 Rn. 16; HmbKommInsO /Schröder, § 22 Rn. 157; Andres/Leithaus, InsO §§ 60, 61 Anm. 3; Dahl NZI 2005, 102; Flitsch BB 2005, 17; Feuerborn ZIP 2005, 604, 605), ist aber auch Kritik begegnet (Bork ZIP 2004, 2446 f; Hadding WM 2005, 1549, 1552 f; Jungmann NZI 2005, 84, 86 f; Meder NJW 2005, 637). Mit den - nicht neuen - Argumenten dieser kritischen Stellungnahmen hat sich der Senat im Wesentlichen bereits in den Entscheidungen vom 4. November 2004 (aaO) auseinandergesetzt. Das gilt auch für die Erwägungen, die von der Klägerin in der mündlichen Revisionsverhandlung vorgetragen worden sind. Diese Gesichtspunkte geben ihm daher keinen Anlass, seine bisherige Rechtsauffassung zu ändern.
- 10
- 3. Die Parteien haben in den Tatsacheninstanzen vorausgesetzt, dass der Beklagte zum mitbestimmenden vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt worden war. Die Wirksamkeit von Verfügungen der Schuldnerin hing dann von seiner Zustimmung ab (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 zweiter Fall InsO). Das entspricht - wie in der mündlichen Revisionsverhandlung erörtert - dem Sachvortrag zum selben Insolvenzeröffnungsverfahren in der Sache IX ZR 82/03 (aaO). Der Beklagte hat mithin in zulässiger Weise der Belastung des Schuldnerkontos durch den Forderungseinzug der Klägerin widersprochen und damit eine wirksame Genehmigung der Lastschriften durch die Schuldnerin verhindert. Wie in der Parallelsache IX ZR 82/03 (aaO) ist über den Einfluss von § 7 Abs. 3 AGBBanken n.F. - wonach die Belastungsbuchungen sechs Wochen nach dem Zugang entsprechender Mitteilungen als genehmigt gelten - nicht zu entscheiden.
- 11
- Im Ergebnis läge der Fall nicht anders, wenn der Beklagte nur nicht mitbestimmender (schwacher) vorläufiger Insolvenzverwalter gewesen wäre. Sein Widerspruch gegen die Lastschriften aufgrund des klägerischen Forderungseinzugs hätte dann zwar keine unmittelbaren Rechtswirkungen entfaltet. Unabhängig davon ist jedenfalls eine Genehmigung der Lastschriften durch die Schuldnerin vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterblieben und auch durch den Beklagten als Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin entsprechend seiner vorherigen Haltung nicht erfolgt. Hätte die Schuldnerin gegen den Widerspruch des Beklagten als schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter die Lastschriften gleichwohl genehmigt, wäre ihre wirksame Verfügung nach § 130 Abs. 1 Nr. 2, § 140 InsO anfechtbar gewe- sen (vgl. Gero Fischer, Festschrift für Gerhardt S. 223, 234). Die Klägerin hätte auch dann durch das Vorgehen des Beklagten keinen Schaden im Rechtssinne erlitten.
Cierniak Lohmann
Vorinstanzen:
LG Essen, Entscheidung vom 25.10.2001 - 4 O 267/01 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 05.06.2002 - 30 U 16/02 -
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(1) Das Insolvenzgericht hat alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung über den Antrag eine den Gläubigern nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten. Gegen die Anordnung der Maßnahme steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu.
(2) Das Gericht kann insbesondere
- 1.
einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen, für den § 8 Absatz 3 und die §§ 56 bis 56b, 58 bis 66 und 269a entsprechend gelten; - 1a.
einen vorläufigen Gläubigerausschuss einsetzen, für den § 67 Absatz 2, 3 und die §§ 69 bis 73 entsprechend gelten; zu Mitgliedern des Gläubigerausschusses können auch Personen bestellt werden, die erst mit Eröffnung des Verfahrens Gläubiger werden; - 2.
dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegen oder anordnen, daß Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind; - 3.
Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner untersagen oder einstweilen einstellen, soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind; - 4.
eine vorläufige Postsperre anordnen, für die die §§ 99, 101 Abs. 1 Satz 1 entsprechend gelten; - 5.
anordnen, dass Gegenstände, die im Falle der Eröffnung des Verfahrens von § 166 erfasst würden oder deren Aussonderung verlangt werden könnte, vom Gläubiger nicht verwertet oder eingezogen werden dürfen und dass solche Gegenstände zur Fortführung des Unternehmens des Schuldners eingesetzt werden können, soweit sie hierfür von erheblicher Bedeutung sind; § 169 Satz 2 und 3 gilt entsprechend; ein durch die Nutzung eingetretener Wertverlust ist durch laufende Zahlungen an den Gläubiger auszugleichen. Die Verpflichtung zu Ausgleichszahlungen besteht nur, soweit der durch die Nutzung entstehende Wertverlust die Sicherung des absonderungsberechtigten Gläubigers beeinträchtigt. Zieht der vorläufige Insolvenzverwalter eine zur Sicherung eines Anspruchs abgetretene Forderung anstelle des Gläubigers ein, so gelten die §§ 170, 171 entsprechend.
(3) Reichen andere Maßnahmen nicht aus, so kann das Gericht den Schuldner zwangsweise vorführen und nach Anhörung in Haft nehmen lassen. Ist der Schuldner keine natürliche Person, so gilt entsprechendes für seine organschaftlichen Vertreter. Für die Anordnung von Haft gilt § 98 Abs. 3 entsprechend.
(1) Der Insolvenzverwalter ist allen Beteiligten zum Schadenersatz verpflichtet, wenn er schuldhaft die Pflichten verletzt, die ihm nach diesem Gesetz obliegen. Er hat für die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters einzustehen.
(2) Soweit er zur Erfüllung der ihm als Verwalter obliegenden Pflichten Angestellte des Schuldners im Rahmen ihrer bisherigen Tätigkeit einsetzen muß und diese Angestellten nicht offensichtlich ungeeignet sind, hat der Verwalter ein Verschulden dieser Personen nicht gemäß § 278 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu vertreten, sondern ist nur für deren Überwachung und für Entscheidungen von besonderer Bedeutung verantwortlich.
Kann eine Masseverbindlichkeit, die durch eine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters begründet worden ist, aus der Insolvenzmasse nicht voll erfüllt werden, so ist der Verwalter dem Massegläubiger zum Schadenersatz verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn der Verwalter bei der Begründung der Verbindlichkeit nicht erkennen konnte, daß die Masse voraussichtlich zur Erfüllung nicht ausreichen würde.
(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat,
- 1.
wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte oder - 2.
wenn sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.
(2) Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen.
(3) Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.
(1) Eine Rechtshandlung gilt als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten.
(2) Ist für das Wirksamwerden eines Rechtsgeschäfts eine Eintragung im Grundbuch, im Schiffsregister, im Schiffsbauregister oder im Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen erforderlich, so gilt das Rechtsgeschäft als vorgenommen, sobald die übrigen Voraussetzungen für das Wirksamwerden erfüllt sind, die Willenserklärung des Schuldners für ihn bindend geworden ist und der andere Teil den Antrag auf Eintragung der Rechtsänderung gestellt hat. Ist der Antrag auf Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf die Rechtsänderung gestellt worden, so gilt Satz 1 mit der Maßgabe, daß dieser Antrag an die Stelle des Antrags auf Eintragung der Rechtsänderung tritt.
(3) Bei einer bedingten oder befristeten Rechtshandlung bleibt der Eintritt der Bedingung oder des Termins außer Betracht.