Bundesgerichtshof Urteil, 11. Apr. 2024 - IX ZR 148/22
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Amtliche Leitsätze
GesO § 8 Abs. 2; InsO § 92
Ansprüche, die sich gegen einen Sonderverwalter richten, der zur Prüfung und Durchsetzung von Ansprüchen gegen einen Verwalter eingesetzt wurde, können nur von einem neuen Verwalter oder einem weiteren Sonderverwalter geltend gemacht werden.
Bundesgerichtshof
Urteil vom 11. Apr. 2024
Az.: IX ZR 148/22
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 29. Juni 2022 wird auf Kosten des Klägers und mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger wurde mit Beschluss vom 1. November 1994 zum Verwalter im Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der E. AG bestellt. Am 3. November 1994 schloss er einen Sozialplan für 398 Arbeitnehmer mit einem Gesamtvolumen von 3.500.000 DM, auf welchen er 1.483.164 DM (entspricht 758.329,71 €) am 25. November 1999 auszahlte. In der Gläubigerversammlung vom 14. März 2006 wies der Kläger, nachdem die Verwertung von Immobilien erfolglos geblieben war, darauf hin, dass die Sozialplangläubiger überzahlt seien. Von einer Rückforderung sah der Kläger mangels hinreichender Erfolgsaussichten ab. Mit Beschluss vom 7. Januar 2011 wurde der Beklagte zum Sonderverwalter mit dem Aufgabenkreis Prüfung und gegebenenfalls Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen wegen der erfolgten Verteilung an die Sozialplangläubiger bestellt. Mit Schreiben vom 1. Februar 2011 teilte der Beklagte dem Kläger seine vorläufige Rechtsauffassung mit, wonach sich der Kläger wegen Überschreitung der Drittelgrenze des § 17 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. c GesO schadensersatzpflichtig gemacht habe, und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 14. Februar 2011. Der Kläger erwiderte mit Schreiben vom 25. Februar 2011, er sehe keine Anzeichen für ein Verschulden.
Der Beklagte erwirkte als Sonderverwalter einen dem Kläger persönlich am 12. Dezember 2014 zugestellten Mahnbescheid über eine Hauptforderung von 758.329,71 €. In der Anspruchsbegründung vom 22. Juni 2015 begehrte er zusätzlich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 1. Dezember 1999. Das Landgericht Baden-Baden sprach dem Beklagten mit Urteil vom 12. Mai 2017 die Hauptforderung zu, zur Zahlung von Zinsen hielt es den Kläger jedoch erst ab dem 13. Dezember 2014 für verpflichtet. Für den Zeitraum vorher fehle es an einer bezifferten Zahlungsaufforderung und an einer Mitteilung, die als ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung anzusehen sei.
Mit Urteil vom 6. Juni 2018 wies das Oberlandesgericht Karlsruhe die Berufung des Klägers sowie die Anschlussberufung des Beklagten, mit der dieser den An[1]spruch auf Zinszahlung seit dem 14. März 2006 weiterverfolgte, zurück.
Der Kläger macht geltend, der Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, ihn in Verzug zu setzen, und verlangt vom Beklagten, die der Gesamtvollstreckungsmasse entgangenen Verzugszinsen für den Zeitraum vom 1. Februar 2011 bis zum 12. Dezember 2014, insgesamt 142.357,18 €, zu ersetzen. Mit Klage vom 19. März 2020 hat der Kläger den Beklagten auf Zahlung von 43.276,69 € in Anspruch genommen. Hinsichtlich weiterer 99.080,49 € hat er sich eine Klageerweiterung vorbehalten. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 41.787,45 € stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen; die Anschlussberufung des Klägers, mit der dieser weitere 99.080,49 € begehrt hat, hat es zurückgewiesen. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers bleibt ohne Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten aus § 8 Abs. 1 Satz 2 GesO in Verbindung mit § 60 InsO sei berechtigt. Der Beklagte habe es schuldhaft versäumt, den Kläger hinsichtlich der berechtigten Hauptforderung wegen Überzahlung von Sozialplanansprüchen in seinem Schreiben vom 1. Februar 2011 und später durch bezifferte und befristete Zahlungsaufforderung in Verzug zu setzen. Hieraus sei der Gesamtvollstreckungsmasse ein Schaden in Höhe der Verzugszinsen für die Zeit ab 15. Februar 2011 entstanden.
Der Schadensersatzanspruch sei jedoch verjährt. Vorliegend habe die Verjährungsfrist, die sich gemäß § 62 InsO nach den §§ 195, 199 BGB richte, spätestens 2014 zu laufen begonnen. Denn mit dem Erlass des Mahnbescheids hätten die Folgen des Unterlassens einer Mahnung nicht mehr beseitigt werden können, sei die Pflichtverletzung spätestens vollendet und der darauf beruhende Schadensersatzanspruch begründet und fällig gewesen. Von den einen Schadensersatzanspruch begründenden Umständen habe der Kläger mit Zustellung des Mahnbescheids Kenntnis gehabt. Er hätte somit spätestens Ende 2014 Feststellungsklage erheben können.
Die Klageerhebung sei dem Kläger auch zumutbar gewesen. Die Frage der Schadensersatzpflicht wegen Überschreitung der Drittelgrenze sei zwar nicht einfach zu beantworten gewesen, aber auch nicht derart schwierig, dass eine gerichtliche Klärung abzuwarten gewesen wäre. Die Gesamtvollstreckungsordnung enthalte keine ausdrückliche Ermächtigung für Vorabausschüttungen und Abschlagszahlungen. Der Kläger habe keine Abschlagszahlungen vorgenommen, sondern mit den Sozialplangläubigern einzelne Gläubiger außerhalb des Verteilungsverfahrens teilweise befriedigt. Für deren bevorzugte Befriedigung fehle eine Rechtsgrundlage, wie sie im Konkursrecht in § 170 KO in Verbindung mit § 61 Abs. 1 KO und § 4 Satz 2 SozPlG vorgesehen war. Das habe zwar nicht zu dem Ergebnis führen müssen, dass Vorabauszahlungen an Sozialplangläubiger in jedem Fall unzulässig gewesen seien; sie hätten aber der Zustimmung der Gläubigerversammlung bedurft.
Schließlich sei dem Kläger zumutbar gewesen, im Rahmen einer Feststellungsklage gegenteilige Behauptungen zu denen im gegen ihn laufenden Schadensersatzprozess aufzustellen, denn dort sei er persönlich verklagt gewesen, während er im Rahmen der Feststellungsklage für die Masse handelte. Eine die Unzumutbarkeit begründende Interessenkollision sei daher nicht gegeben. Wolle man dies anders sehen, hätte der Kläger jedenfalls die Einsetzung eines Sonderverwalters zur Prüfung und Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen den Beklagten beim Gericht anregen müssen.
II.
Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Klage ist unzulässig. Maßgeblich sind dabei die Vorschriften der Gesamtvollstreckungsordnung, weil das vorliegende Verfahren vor dem 1. Januar 1999 auf dem Gebiet der neuenBundesländer beantragt worden ist (Einigungsvertrag Anlage II Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt II Nr. 1; Art. 103 Satz 1 EGInsO).
1. Dem Kläger fehlt die Prozessführungsbefugnis für die geltend gemachten Ansprüche. Der Verwalter in einem Gesamtvollstreckungsverfahren ist indem Bereich, für den ein Sonderverwalter wegen rechtlicher Verhinderung des Verwalters an einer Amtsführung bestellt ist, nicht befugt, Schadensersatzansprüche gegen den Sonderverwalter wegen Pflichtverletzungen aus dessen Amtsführung zu verfolgen. Ansprüche, die sich gegen einen Sonderverwalter richten, der zur Prüfung und Durchsetzung von Ansprüchen gegen einen Verwalter eingesetzt wurde, können nur von einem neuen Verwalter oder einem weiteren Sonderverwalter geltend gemacht werden. Die Prozessführungsbefugnis ist als Prozessvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens, also auch in der Revisionsinstanz, von Amts wegen zu prüfen (BGH, Urteil vom 6. Juni 2019 - I ZR 67/18, WM 2019, 1608 Rn. 12; vom 16. Juli 2021 - V ZR 284/19, ZfIR 2021, 489 Rn. 8; jeweils mwN).
2. Wird in einem Gesamtvollstreckungsverfahren ein Sonderverwalter wegen rechtlicher Verhinderung des Gesamtvollstreckungsverwalters aufgrund einer Interessenkollision bestellt, hat der Gesamtvollstreckungsverwalter in dem Bereich, für welchen der Sonderverwalter bestellt ist, keinerlei Kompetenzen.
a) Grundsätzlich geht mit Eröffnung eines Gesamtvollstreckungsverfahrens gemäß § 8 Abs. 2 GesO die Befugnis, das zur Masse gehörige Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, umfassend auf den Verwalter über.
b) Zu den Aufgaben eines Verwalters gehört es auch, Ansprüche der Gesamtvollstreckungsgläubiger auf Ersatz eines Schadens, den die Gläubiger gemeinschaftlich durch eine Verminderung des zur Masse gehörenden Vermögens erlitten haben, geltend zu machen. Richten sich solche Ansprüche gegen den Verwalter selbst, ist dieser jedoch aufgrund der bestehenden Interessenkollision rechtlich gehindert, sein Amt auszuüben. Die Haftung eines Verwalters wegen Pflichtverstößen kann nur von einem neuen Verwalter oder von einem Sonderverwalter geltend gemacht werden.
In der Gesamtvollstreckungsordnung fehlen hierzu - anders als in der Insolvenzordnung (§ 92 InsO) - ausdrückliche Regelungen. In der Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass das Recht zur Geltendmachung gemeinschaftlich erlittener Schäden der Gesamtvollstreckungsgläubiger mit Blick auf den Grundsatz der gemeinschaftlichen und gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung während des Gesamtvollstreckungsverfahrens (allein) dem Verwalter zusteht (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 2004 - IX ZR 128/03, BGHZ 159, 25, 26 f mwN zur Konkursordnung; vom 8. Mai 2008 - IX ZR 54/07, WM 2008, 1324 Rn. 13; Hess/Benz/Wienberg, GesO, 4. Aufl., § 8 Rn. 196; Smid/Rattunde, GesO, 3. Aufl., § 8 Rn. 352; vgl. nunmehr § 92 Satz 1 InsO). Ebenso ist anerkannt, dass ein Sonderverwalter zu bestellen ist (sofern nicht ein neuer Verwalter bestellt wird), wenn Schadensersatzansprüche gegen den Verwalter aus § 8 Abs. 1 Satz 2 GesO we[1]gen eines Gesamtschadens zu prüfen und durchzusetzen sind (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 2004, aaO; vom 8. Mai 2008, aaO; Beschluss vom 21. Juli 2016 - IX ZB 58/15, WM 2016, 1648 Rn. 21 zur Insolvenzordnung; jeweils mwN; vgl. nunmehr § 92 Satz 2 InsO und BT-Drs. 12/7302, S. 162 zu § 77 RegE-InsO und S. 165 zu § 103 RegE-InsO). Diese Rechtsprechung ist Ausfluss des allgemeinen Grundsatzes, dass ein Verwalter an der Amtsführung gehindert sein kann, wenn seine persönlichen Belange betroffen sind und deshalb in seiner Person eine Interessenkollision vorliegt (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 1991 - IX ZR 250/89, BGHZ 113, 262, 270; BGH, Beschluss vom 21. Juli 2016, aaO). Eine solche Interessenkollision in der Person des Verwalters ist gegeben, wenn Schadensersatzansprüche gegen ihn geltend zu machen sind.
c) Die Bestellung eines Sonderverwalters führt dazu, dass dem Verwalter in dem Bereich, der dem Sonderverwalter durch das Gesamtvollstreckungsgericht wegen Interessenkollision übertragen ist, keine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zusteht. Der Sonderverwalter wird in einem Bereich tätig, der aufgrund der Verhinderung des Verwalters nicht zu dessen Aufgaben gehört. Der Verwalter ist insoweit nicht "Verwalter" im Sinne der einschlägigen Bestimmungen der Gesamtvollstreckungsordnung. Er hat in dem Bereich, für welchen die Sonderverwaltung eingerichtet worden ist, keinerlei Kompetenzen (BGH, Beschluss vom 23. April 2015 - IX ZB 29/13, WM 2015, 1065 Rn. 13). Auch von einer Prozessführung kraft Amtes für die Masse ist er ausgeschlossen.
2. Der Ausschluss der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Verwalters erstreckt sich auf die Frage, ob der Sonderverwalter im Rahmen seiner Amtsführung Pflichtverletzungen begangen hat. Es ist gerade das Ziel der Bestellung eines Sonderverwalters, die Aufgabenbereiche voneinander abzugrenzen undmögliche Interessenkonflikte des Verwalters zu vermeiden (vgl. Lüke in Prütting/Bork/Jacoby, InsO, 2023, § 92 Rn. 66). Mit diesem Ziel wäre nicht zu vereinbaren, wenn es dem Verwalter gestattet wäre, die gegen ihn gerichtete Amtsführung des Sonderverwalters einer Überprüfung zu unterziehen. Der rechtskräftige Abschluss des Schadensersatzprozesses gegen den Verwalter ändert hieran nichts, lässt insbesondere den Interessenkonflikt, dessentwegen der Sonderverwalter eingesetzt wurde, nicht entfallen.
a) Der Sonderverwalter hat sein Amt selbständig zu führen und ist nicht Vertreter des Verwalters (BGH, Beschluss vom 29. Mai 2008 - IX ZB 303/05, WMm 2008, 1372 Rn. 18 mwN; MünchKomm-InsO/Graeber, § 56 Rn. 157; K. Schmidt/Ries, InsO, 20. Aufl. § 56 Rn. 65; vgl. § 77 Abs. 2 Satz 1 Reg-E InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 20, 131). Er untersteht in seinem Aufgabengebiet der Aufsicht desGerichts (§ 8 Abs. 3 Satz 1 GesO) und ist diesem und den Gläubigerorganen (§ 15 Abs. 5 Satz 2, Abs. 6 Satz 2 GesO) - nicht dem Verwalter - rechenschaftspflichtig. Die Selbständigkeit des Sonderverwalters ist geboten, damit sich der Interessenkonflikt, der zur Bestellung des Sonderverwalters führt, nicht weiter auswirkt.
b) Das Ziel, möglichst jede Auswirkung des Interessenkonflikts in der Person des Gesamtvollstreckungsverwalters zu vermeiden, entfällt nicht dadurch, dass der Schadensersatzprozess des Sonderverwalters gegen den Verwalter persönlich rechtskräftig abgeschlossen ist. Dass der Kläger den im Vorprozess zuerkannten Schadensersatz an die Masse geleistet hat und er infolge der rechtskräftigen Abweisung weitergehender Zinsansprüche nicht befürchten muss, insoweit noch persönlich in Anspruch genommen zu werden, ist ebenfalls unerheblich. Auch ist ohne Bedeutung, dass sich der Kläger im hiesigen Prozess die im Vorprozess erfolgreiche Auffassung des Sonderverwalters zu einer Haftung des Klägers für Ausschüttungen an die Sozialplangläubiger zu eigen macht.
Der Abschluss des Haftungsprozesses gegen den Verwalter löst den Interessenkonflikt nicht auf. Maßgeblich für das Bestehen eines Interessenkonflikts ist, ob - trotz Abschluss des Vorprozesses - objektiv zu besorgen ist, dass sich der Verwalter durch persönliche Belange beeinflussen lassen könnte, würde man zulassen, dass er den Haftungsprozess gegen den Sonderverwalter führt. Dies ist anhand der Rolle zu beurteilen, die dem Verwalter im Haftungsprozess gegen den Sonderverwalter zukommt. Nicht maßgeblich kann demgegenüber sein, ob sich der Verwalter mit der konkret geplanten Prozessführung in Widerspruch zur Tätigkeit des Sonderverwalters setzt oder ob er die Argumentation des Sonderverwalters im Prozess gegen den Verwalter übernimmt. Die Kompetenzbereiche zwischen Verwalter und Sonderverwalter dürfen nicht von anfänglich oftmals noch nicht feststehenden und im Laufe eines Haftungsprozesses möglicherweise Änderungen unterliegenden Umständen des Einzelfalls abhängig gemacht werden, sondern müssen abstrakt bestimmt werden.
aa) Ein Interessenwiderstreit des Verwalters ergibt sich daraus, dass bei einer Inanspruchnahme des Sonderverwalters das Verhalten des Verwalters, das ursprünglich zur Bestellung des Sonderverwalters geführt hat, erneut und ohne Bindungswirkung durch ein im Schadensersatzprozess gegen den Verwalter ergangenes Urteil zu beurteilen ist. Die Interessenkollision, die das Erfordernis zur Befassung eines Sonderverwalters begründet hat, wirkt deshalb fort. Schon deshalb führt der Verwalter einen Prozess gegen den Sonderverwalter nicht unbefangen.
Die Frage der Richtigkeit der Inanspruchnahme des Verwalters durch den Sonderverwalter ist ohne Bindung an das Ergebnis des Schadensersatzprozesses gegen den Verwalter zu prüfen und zu entscheiden. Prozesse binden nur die Parteien des Prozesses und ihre Rechtsnachfolger (§ 325 Abs. 1 ZPO). Einer Rechtskrafterstreckung gegen den Sonderverwalter persönlich steht die fehlende Identität der Parteien im Haftungsprozess gegen den Verwalter und im Prozess gegen den Sonderverwalter entgegen. Im Schadensersatzprozess gegen den hiesigen Kläger hat der Beklagte (als Partei kraft Amtes) den Kläger persönlich verklagt; nunmehr nimmt der Kläger (als Partei kraft Amtes) den Beklagten persönlich in Anspruch. Nach der Rechtsprechung handelt es sich um unterschiedliche Parteien, je nachdem ob ein Verwalter kraft Amtes oder persönlich klagt oder verklagt wird (vgl. BGH, Urteil vom 6. April 2000 - IX ZR 422/98, WM 2000, 1052, 1053 unter II.1.a mwN, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 144, 192). Es steht im hiesigen Verfahren daher nicht rechtskräftig fest, dass der Kläger im Vorprozess zu Recht zur Leistung von Schadensersatz verurteilt wurde. Im Haftungsprozess gegen den Sonderverwalter wird somit inzident die Berechtigung der Inanspruchnahme des Verwalters erneut einer Überprüfung unterzogen. Dass der Interessenkonflikt nicht ausgeräumt wird, zeigt der Vortrag des Klägers im hiesigen Verfahren, mit dem er wiederholt die Richtigkeit der gegen ihn ergangenen Entscheidung in Zweifel zieht.
bb) Im Streitfall wird der fortbestehende Interessenkonflikt auch darin offenbar, dass der Kläger zur Begründung des Schadensersatzverlangens gegen den Beklagten geltend machen muss, er selbst sei vom Beklagten nicht im gebotenen Umfang in Haftung genommen worden. Eine solche Behauptung ist dem Kläger ohne eigenen Nachteil nur möglich und zumutbar, wenn gegen ihn in Betracht kommende Ansprüche entweder rechtskräftig abgewiesen oder zweifelsfrei verjährt sind. Selbst wenn eine weitergehende Inanspruchnahme des Klägers im konkreten Einzelfall sicher ausscheidet, müsste er gegenüber den Gläubigern der Gesamtvollstreckungsschuldnerin potentiell rechtfertigen, warum er von ihm selbst als berechtigt erkannte Ansprüche nicht erfüllt (hat), sondern versucht, diese auf den Sonderverwalter weiter zu wälzen. Auch das lässt besorgen, dass der Kläger in einem Haftungsprozess gegen den Sonderverwalter nicht ohne Ansehung eigener Interessen handelt.
cc) Der Ausschluss des Verwalters von einer Prozessführung gegen den Sonderverwalter ist im Interesse der Gesamtvollstreckungsgläubiger geboten:
(1) Das Erfordernis, einen weiteren Sonderverwalter (oder einen neuen Verwalter) zu bestellen stellt sicher, dass das Bestehen etwaiger Ansprüche gegen den Sonderverwalter ohne Einfluss des Interessenkonflikts geprüft und damit einhergehende Prozess- und Kostenrisiken unbefangen bewertet werden. Der weitere Sonderverwalter kann dabei zugleich unbefangen in den Blick nehmen, ob gegebenenfalls (weitere) Ansprüche gegen den Verwalter (fort-)bestehen. Erst dies ermöglicht eine sachgerechte Entscheidung über das weitere Vorgehen. Dass mit der Einsetzung eines Sonderverwalters Kosten verbunden sind, ist vor diesem Hintergrund hinzunehmen. Sie können zudem Teil des gegenüber dem Sonderverwalter zu liquidierenden Schadens sein.
(2) Zugleich schafft der Ausschluss der Prozessführungsbefugnis des Verwalters Klarheit hinsichtlich des Verjährungsbeginns für Schadensersatzansprüche gegen den Sonderverwalter. Verjährungsfristen beginnen grundsätzlich erst dann zu laufen, wenn der betroffene Gläubiger die Möglichkeit hat, verjährungshemmende Maßnahmen einzuleiten (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juli 2015 - IX ZR 127/14, WM 2015, 1644 Rn. 14). Maßgeblich ist grundsätzlich die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des für die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs zuständigen Verwalters; zuvor besteht eine Durchsetzungssperre (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 - IX ZR 301/12, WM 2014, 2009 Rn. 11 mwN; vgl. auch BGH, Urteil vom 16. Juli 2015, aaO Rn. 15). Danach besteht für Schadensersatzansprüche gegen den Sonderverwalter eine Durchsetzungssperre bis zur Einsetzung eines weiteren Sonderverwalters oder der Ernennung eines neuen Verwalters.
III.
Da sich die vom Berufungsgericht ausgesprochene Klageabweisung im Ergebnis als richtig erweist, ist die Revision zurückzuweisen (§ 561 ZPO), dies allerdings mit der Maßgabe, dass die Klage unzulässig ist.
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Annotations
(1) Der Insolvenzverwalter ist allen Beteiligten zum Schadenersatz verpflichtet, wenn er schuldhaft die Pflichten verletzt, die ihm nach diesem Gesetz obliegen. Er hat für die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters einzustehen.
(2) Soweit er zur Erfüllung der ihm als Verwalter obliegenden Pflichten Angestellte des Schuldners im Rahmen ihrer bisherigen Tätigkeit einsetzen muß und diese Angestellten nicht offensichtlich ungeeignet sind, hat der Verwalter ein Verschulden dieser Personen nicht gemäß § 278 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu vertreten, sondern ist nur für deren Überwachung und für Entscheidungen von besonderer Bedeutung verantwortlich.
Die Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des Schadens, der aus einer Pflichtverletzung des Insolvenzverwalters entstanden ist, richtet sich nach den Regelungen über die regelmäßige Verjährung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Der Anspruch verjährt spätestens in drei Jahren von der Aufhebung oder der Rechtskraft der Einstellung des Insolvenzverfahrens an. Für Pflichtverletzungen, die im Rahmen einer Nachtragsverteilung (§ 203) oder einer Überwachung der Planerfüllung (§ 260) begangen worden sind, gilt Satz 2 mit der Maßgabe, daß an die Stelle der Aufhebung des Insolvenzverfahrens der Vollzug der Nachtragsverteilung oder die Beendigung der Überwachung tritt.
Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.
(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem
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der Anspruch entstanden ist und - 2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren
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ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und - 2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.
(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.
(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.
Auf Konkurs-, Vergleichs- und Gesamtvollstreckungsverfahren, die vor dem 1. Januar 1999 beantragt worden sind, und deren Wirkungen sind weiter die bisherigen gesetzlichen Vorschriften anzuwenden. Gleiches gilt für Anschlußkonkursverfahren, bei denen der dem Verfahren vorausgehende Vergleichsantrag vor dem 1. Januar 1999 gestellt worden ist.
Ansprüche der Insolvenzgläubiger auf Ersatz eines Schadens, den diese Gläubiger gemeinschaftlich durch eine Verminderung des zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens vor oder nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlitten haben (Gesamtschaden), können während der Dauer des Insolvenzverfahrens nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Richten sich die Ansprüche gegen den Verwalter, so können sie nur von einem neu bestellten Insolvenzverwalter geltend gemacht werden.
(1) Das rechtskräftige Urteil wirkt für und gegen die Parteien und die Personen, die nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit Rechtsnachfolger der Parteien geworden sind oder den Besitz der in Streit befangenen Sache in solcher Weise erlangt haben, dass eine der Parteien oder ihr Rechtsnachfolger mittelbarer Besitzer geworden ist.
(2) Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts zugunsten derjenigen, die Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, gelten entsprechend.
(3) Betrifft das Urteil einen Anspruch aus einer eingetragenen Reallast, Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld, so wirkt es im Falle einer Veräußerung des belasteten Grundstücks in Ansehung des Grundstücks gegen den Rechtsnachfolger auch dann, wenn dieser die Rechtshängigkeit nicht gekannt hat. Gegen den Ersteher eines im Wege der Zwangsversteigerung veräußerten Grundstücks wirkt das Urteil nur dann, wenn die Rechtshängigkeit spätestens im Versteigerungstermin vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten angemeldet worden ist.
(4) Betrifft das Urteil einen Anspruch aus einer eingetragenen Schiffshypothek, so gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend.
Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.