Bundesgerichtshof Urteil, 13. Feb. 2013 - IV ZR 17/12

published on 13/02/2013 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 13. Feb. 2013 - IV ZR 17/12
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Landgericht Mannheim, 7 O 76/10, 03/12/2010
Oberlandesgericht Karlsruhe, 12 U 127/11, 09/01/2012

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 17/12 Verkündet am:
13. Februar 2013
Heinekamp
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Mayen, die Richter Wendt, Felsch, die Richterin
Harsdorf-Gebhardt und den Richter Dr. Karczewski auf die mündliche
Verhandlung vom 13. Februar 2013

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 9. Januar 2012 aufgehoben und das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Mannheim vom 3. Dezember 2010 geändert, soweit die Beklagte zur Zahlung von Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8. April 2010 aus den von ihr gezogenen Zinsen verurteilt worden ist. Insoweit wird die Klage abgewiesen.
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger, ein Trägerverein von Einrichtungen des Gesundheitswesens der Berufsgenossenschaften und der Unfallversicherungsträger, begehrt von der beklagten Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) Rückzahlung der von ihm nach Kündigung seines Beteiligungsverhältnisses geleisteten Gegenwertzahlung.
2
Die Beklagte wird im Abrechnungsverband West, dem der Kläger seit 1957 angehörte, seit 1967 über ein Umlageverfahren in Form eines modifizierten Abschnittsdeckungsverfahrens finanziert. Der Umlagesatz ist so bemessen, dass die für die Dauer des Deckungsabschnitts zu entrichtende Umlage zusammen mit den übrigen zu erwartenden Einnahmen und dem verfügbaren Vermögen ausreicht, die Aufgaben der Beklagten während des Deckungsabschnitts sowie der sechs folgenden Monate zu erfüllen.
3
Wegen der nach dem Ausscheiden eines Beteiligten weiterhin zu erfüllenden Verpflichtungen der Beklagten bestimmt § 23 Absatz 2 der Satzung der Beklagten (VBLS) seit Einführung des Umlageverfahrens die Verpflichtung des ausscheidenden Beteiligten, einen so genannten Gegenwert zu zahlen. Die Bestimmung lautet nach der vom Verwaltungsrat der VBL am 19. September 2002 mit Wirkung vom 1. Januar 2001 beschlossenen , von der Aufsichtsbehörde am 22. November 2002 genehmigten und im Bundesanzeiger vom 3. Januar 2003 veröffentlichten Neufassung der Satzung auszugsweise wie folgt: "(2) 1Zur Deckung der aus dem Anstaltsvermögen nach dem Ausscheiden zu erfüllenden Verpflichtungen aufgrund von
a) Leistungsansprüchen von Betriebsrentenberechtigten aus einer Pflichtversicherung bzw. einer beitragsfreien Versicherung sowie
b) Versorgungspunkten von Anwartschaftsberechtigten und
c) künftigen Leistungsansprüchen von Personen, die im Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Beteiligung als Hinterbliebene in Frage kommen, hat der ausscheidende Beteiligte einen von der Anstalt auf seine Kosten zu berechnenden Gegenwert zu zahlen. 2Der Gegenwert ist nach versicherungsmathematischen Grundsätzen zu berechnen, wobei als Rechnungszins 3,25 v.H. während der Anwartschaftsphase und 5,25 v.H. während des Rentenbezuges zugrundezulegen ist. 3Zur Deckung von Fehlbeträgen ist der Gegenwert um 10 v.H. zu erhöhen; dieser Anteil wird der Verlustrücklage nach § 67 zugeführt. 4Als künftige jährliche Erhöhung der Be- triebsrenten ist der Anpassungssatz nach § 39 zu berücksichtigen. 5Bei der Berechnung des Gegenwertes werden die Teile der Leistungsansprüche und Anwartschaften nicht berücksichtigt , die aus dem Vermögen im Sinne des § 61 Absatz 2 oder § 66 zu erfüllen sind. 6Ansprüche, die im Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Beteiligung ruhen, werden nur dann nicht berücksichtigt, wenn das Ruhen auf § 65 Absatz 6 der am Tag vor In-KraftTreten dieser Satzung geltenden Satzung beruht. 7Der Gegenwert ist zur Abgeltung der Verwaltungskosten um 2 v.H. zu erhöhen. 8Der zunächst auf den Ausscheidestichtag abgezinste Gegenwert ist für den Zeitraum vom Tag des Ausscheidens aus der Beteiligung bis zum Ende des Folgemonats nach Erstellung des versicherungsmathematischen Gutachtens mit Jahreszinsen in Höhe des durchschnittlichen Vomhundertsatzes der in den letzten fünf Kalenderjahren vor dem Ausscheiden erzielten Vermögenserträgen , mindestens jedoch mit 5,25 v.H. aufzuzinsen. … (4) 1Der Gegenwert ist innerhalb eines Monats nach Zu- gang der Mitteilung über die Höhe des Gegenwerts zu zahlen. 2Die Anstalt kann die Zahlung unter Berechnung von Zinsen in Höhe von 4 v.H. über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 Abs. 1 BGB, mindestens jedoch 5,25 v.H., stunden. …"
4
Der Kläger kündigte seine Beteiligung spätestens zum 31. Dezember 2003. Nach seinem Ausscheiden leistete er auf den Gegenwert am 16. Juni 2004 eine Abschlagszahlung in Höhe von 35.100.000 € und am 8. August 2006 eine weitere Abschlagszahlung von 24.900.000 €. Die Beklagte berechnete auf der Grundlage eines von ihr in Auftrag gegebenen versicherungsmathematischen Gutachtens einen Gegenwert von 63.771.342,67 € zum 1. Januar 2004. Am 23. März 2010 erstattete die Beklagte dem Kläger 1.046.467,65 € nebst Zinsen in Höhe von 161.011,84 €. Der Kläger verlangt Rückzahlung des verbleibenden Betrags von 58.953.532,35 € und der von ihm beglichenen Kosten für das Gutachten in Höhe von 18.328 €, insgesamt 58.971.860,35 €.
5
In einer 2005 geschlossenen "Prozessvereinbarung" verzichtete die Beklagte unter § 6 Ziffer 6.1 gegenüber dem Kläger auf eine weitere Geltendmachung von noch offenen Gegenwertforderungen, soweit eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung den Anspruch der Beklagten auf Zahlung eines Gegenwertes für unbegründet erachte. Die Beklagte verpflichtete sich, auf unbegründeten Gegenwertforderungen beruhende Abschlagszahlungen und "unter Vorbehalt geleistete Abschlagszahlungen auf Wertstellungszinsen" zu erstatten. Weiterhin heißt es in § 8 Ziffer 8.1, die Parteien seien sich einig, "dass die Verjährungsfristen für Ansprüche im Sinne des § 6 Ziffer 6.1 dieser Vereinbarung verlängert" würden und mit dem Ablauf des Jahres endeten, das dem Jahr nachfolge , in dem die Entscheidung rechtskräftig geworden sei.
6
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des § 23 VBLS, insbesondere darüber, ob die Satzungsbestimmungen zum Gegenwert einer AGB-rechtlichen Kontrolle standhalten.
7
Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 58.971.860,35 € und seit dem 16. Juni 2004 aus den Abschlagszahlungen gezogene Zinsen nach Zeitabschnitten gestaffelt in unterschiedlicher Höhe sowie Prozesszinsen seit dem 8. April 2010 zu zahlen, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Berufung der Beklagten ist im Wesentlichen erfolglos geblieben; das Oberlandesgericht hat die Verurteilung hinsichtlich der Nutzungszinsen teilweise geändert und bis zur Rechtshängigkeit begrenzt. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihr weitergehendes Klageabweisungsbegehren.
8
Nach Schluss der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren ist der "Änderungstarifvertrag Nr. 6 vom 24. November 2011 zum Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (Tarifvertrag Altersversorgung - ATV) vom 1. März 2002" (im Folgenden Änderungstarifvertrag Nr. 6 zum ATV) vorgelegt worden. Dieser enthält Regelungen zur Gegenwertforderung nach dem Ausscheiden eines Beteiligten, die eine Rückwirkung zum 1. Januar 2001 vorsehen.

Entscheidungsgründe:


9
Die Revision hat im Wesentlichen keinen Erfolg.
10
I. Das Berufungsgericht unterstellt § 23 VBLS einer uneingeschränkten AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle, da die Satzungsbestimmungen über den Gegenwert keine tarifvertraglichen Regelungen seien und ihnen keine Grundentscheidung der Tarifvertragsparteien zu Grunde liege. Eine unangemessene Benachteiligung des ausscheidenden Beteiligten sei aus zwei Gründen gegeben: Zum einen würden bei der Berechnung des Gegenwerts auch Versicherte vor Erfüllung der Wartezeit ohne Einschränkungen berücksichtigt, obwohl nicht erkennbar sei, dass alle diese Personen die Wartezeit nach dem Ausscheiden des Beteiligten jemals erfüllten und damit zu Leistungsempfängern werden könnten. Zum anderen liege eine unangemessene Benachteiligung darin, dass der ausscheidende Beteiligte die künftigen Leistungen der Beklagten an seine Beschäftigten, die sich i.d.R. über mehrere Jahrzehnte erstreckten, durch einen Einmalbetrag ausgleichen müsse. Bei einer gebotenen ergänzenden Vertragsauslegung sei ein hypothetischer Wille der Parteien dergestalt anzunehmen, dass sie der Beklagten bei Kenntnis der Unwirksamkeit des § 23 VBLS die Möglichkeit zur Schaffung einer rechtskonformen Satzungsregelung eingeräumt hätten.
11
Die Ansprüche auf Erstattung der vor dem 1. Januar 2006 angefallenen Zinsnutzungen seien nicht verjährt. Sie würden von dem in der Prozessvereinbarung festgelegten Verjährungsverzicht erfasst.

12
Die Beklagte habe Prozesszinsen auch auf die herauszugebenden Zinsnutzungen zu zahlen. Das Verbot der Erhebung von Zinseszinsen stehe dem nicht entgegen, da es sich bei den herauszugebenden Nutzungen nicht um Zinsen handele.
13
II. Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten - abgesehen vom Zinsausspruch - rechtlicher Nachprüfung stand.
14
1. Das Berufungsgericht hat dem Kläger zu Recht einen Rückzahlungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB zugesprochen. Es hat zutreffend die Gleichstellung von Versicherten mit und ohne Erfüllung der Wartezeit bei der Berechnung des Gegenwerts und die Ausgestaltung der Gegenwertforderung als Einmalzahlung als unangemessene Benachteiligung i.S. von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB gewertet. In Folge der Unwirksamkeit der Gegenwertregelung in § 23 Abs. 2 VBLS besteht für die Forderung der Beklagten derzeit kein Rechtsgrund.
15
a) Wie der Senat in zwei - ebenfalls die hiesige Beklagte betreffenden - Urteilen vom 10. Oktober 2012 (IV ZR 10/11, VersR 2013, 46, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen; IV ZR 12/11, juris) entschieden und im Einzelnen begründet hat, unterliegt § 23 Abs. 2 VBLS als originäre Satzungsregelung ohne tarifrechtlichen Ursprung der uneingeschränkten Inhaltskontrolle des § 307 BGB (Senatsurteile vom 10. Oktober 2012 - IV ZR 10/11 aaO Rn. 14 ff.; IV ZR 12/11 aaO Rn. 13 ff.; jeweils m.w.N.).
16
aa) Den Tarifvertragsparteien mangelt es zwar nicht an der Tarifmacht zur Regelung des Gegenwerts (Senatsurteile vom 10. Oktober 2012 - IV ZR 10/11 aaO Rn. 17; IV ZR 12/11 aaO Rn. 16; jeweils m.w.N.). Allerdings fehlt es - wie der Senat in den genannten Entscheidungen näher begründet hat (Senatsurteile vom 10. Oktober 2012 - IV ZR 10/11 aaO Rn. 18 ff.; IV ZR 12/11 aaO Rn. 17 ff.; jeweils m.w.N.) - an einschlägigen tarifvertraglichen Regelungen zum Gegenwert. Die dortigen Ausführungen gelten hier in gleicher Weise.
17
bb) Da der Gegenwert für den in Rede stehenden Zeitraum tarifvertraglich nicht geregelt ist, besteht keine Grundentscheidung der Tarifvertragsparteien , bei deren Umsetzung und inhaltlichen Ausgestaltung dem Satzungsgeber eine weitgehende Gestaltungsfreiheit zustünde (vgl. Senatsurteil vom 14. November 2007 - IV ZR 74/06, BGHZ 174, 127 Rn. 32 m.w.N.). Notwendige Voraussetzung für eine Grundentscheidung der Tarifvertragsparteien ist, dass die Tarifvertragsparteien als solche und damit im Wege eines Tarifvertrages handeln. Zudem kann von einer Grundentscheidung als Regelung prinzipieller Belange der Zusatzversorgung keine Rede sein, wenn die Tarifvertragsparteien eine Regelung durch Tarifvertrag nicht für notwendig erachtet haben. Keine Grundentscheidungen der Tarifvertragsparteien enthalten mithin solche Regelungen , die lediglich in von den Tarifvertragsparteien entworfenen Satzungsentwürfen enthalten sind und der Beklagten zur eigenständigen Satzungsgebung überantwortet wurden (Senatsurteile vom 10. Oktober 2012 - IV ZR 10/11 aaO Rn. 30 ff.; IV ZR 12/11 aaO Rn. 29 ff.; jeweils m.w.N.).
18
cc) Eine AGB-Kontrolle entfällt entgegen der Ansicht der Revision auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Preisklausel. Dies hat der Se- nat ebenfalls in den Urteilen vom 10. Oktober 2012 näher dargelegt (Senatsurteile vom 10. Oktober 2012 - IV ZR 10/11 aaO Rn. 35 f.; IV ZR 12/11 aaO Rn. 34 f.; jeweils m.w.N.).
19
b) Zu Recht hat das Berufungsgericht die Gleichstellung von Versicherten mit und ohne Erfüllung der Wartezeit bei der Berechnung des Gegenwerts als eine unangemessene Benachteiligung i.S. von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB betrachtet. Auch dies hat der Senat in den Urteilen vom 10. Oktober 2012 entschieden und im Einzelnen begründet (Senatsurteile vom 10. Oktober 2012 - IV ZR 10/11 aaO Rn. 37 ff.; IV ZR 12/11 aaO Rn. 36 ff.; jeweils m.w.N.). Er hat sich dort auch mit den Gegenargumenten der VBL befasst und diese für nicht durchgreifend erachtet (Senatsurteile vom 10. Oktober 2012 - IV ZR 10/11 aaO Rn. 49 ff.; IV ZR 12/11 aaO Rn. 41 ff.; jeweils m.w.N.). Das im Wesentlichen gleiche Vorbringen der VBL im Streitfall gibt zu einer abweichenden Beurteilung keine Veranlassung. Entgegen der Ansicht der Revision stellt auch hier die Einbeziehung von Versicherten ohne erfüllte Wartezeit keinen untergeordneten Teil des Gegenwerts dar. Der Anteil von rund 5% (3.228.621,31 €) an der Gegenwertforderung ist keine zu vernachlässigende Summe (vgl. Senatsurteile vom 10. Oktober 2012 - IV ZR 10/11 aaO Rn. 52; IV ZR 12/11 aaO Rn. 44; jeweils m.w.N.).
20
c) Ob sich § 23 Abs. 2 Satz 1 Buchst. b) VBLS - wie die Revision meint - als teilbare Klausel verstehen lässt, kann dahinstehen, da § 23 Abs. 2 VBLS eine weitere unwirksame Regelung enthält, die die derzeitige Gegenwertregelung insgesamt gegenstandslos macht. Zutreffend hat das Berufungsgericht eine unangemessene Benachteiligung des ausscheidenden Beteiligten auch darin gesehen, dass dieser den zu leistenden Ausgleich durch die Zahlung des Barwerts der bei der Beklagten verbleibenden Versorgungslast zu erbringen hat (Senatsurteile vom 10. Oktober 2012 - IV ZR 10/11 aaO Rn. 57 f.; IV ZR 12/11 aaO Rn. 49 f.). Der Senat hat dies bereits in den Urteilen vom 10. Oktober entschieden und im Einzelnen begründet (Senatsurteile vom 10. Oktober 2012 - IV ZR 10/11 aaO Rn. 59 ff.; IV ZR 12/11 aaO Rn. 51 ff.; jeweils m.w.N.). Neue Gesichtspunkte, die eine abweichende Beurteilung gebieten könnten, sind im Streitfall nicht erkennbar.
21
d) § 23 Abs. 2 VBLS ist weiterhin gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB intransparent, weil nicht alle Berechnungsgrundlagen des Gegenwerts offen gelegt werden. Der Verweis in § 23 Abs. 2 Satz 2 VBLS auf die Berechnung nach versicherungsmathematischen Grundsätzen genügt nicht, um den Versicherungsnehmer in die Lage zu versetzen, die gegen ihn erhobene Gegenwertforderung nachzuvollziehen und zu überprüfen. (siehe im Einzelnen Senatsurteile vom 10. Oktober 2012 - IV ZR 10/11 aaO Rn. 74 ff.; IV ZR 12/11 aaO Rn. 66 ff.; jeweils m.w.N.).
22
e) Da § 23 Abs. 2 VBLS aus den genannten Erwägungen unwirksam ist, kommt es auf etwaige weitere Unwirksamkeitsgründe nicht an.
23
f) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht für die durch die unwirksame Gegenwertbestimmung entstandene Regelungslücke eine ergänzende Vertragsauslegung zugelassen, die die Möglichkeit einer neuen Satzungsregelung einschließt. Es hat die Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung beanstandungsfrei bejaht und hierbei insbesondere herausgestellt, dass der ersatzlose Wegfall der Gegenwertregelung für die Beklagte eine unzumutbare Härte wäre. Die ansonsten eröffnete Möglichkeit der ausgleichslosen Abwälzung von Rentenlasten auf die verbliebenen Beteiligten stellte eine gravierende Belastung der Solidargemeinschaft dar. Eine Beendigung der Beteiligung ohne jeglichen finanziellen Ausgleich nimmt nicht einmal der Kläger für sich in Anspruch. Die Parteien hätten bei sachgerechter Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben deshalb vereinbart, dass eine Neuregelung des Gegenwerts im Satzungsänderungsverfahren auch rückwirkend für die bereits beendete Beteiligung möglich sein soll. Zur jetzigen Ausgestaltung des Gegenwerts kommen zahlreiche Alternativen in Betracht, wie die Erstattungslösung (Senatsurteile vom 10. Oktober 2012 - IV ZR 10/11 aaO Rn. 79 ff.; IV ZR 12/11 aaO Rn. 71 ff.; jeweils m.w.N.).
24
g) Der Revision verhilft es nicht zum Erfolg, dass die Beklagte inzwischen - als Reaktion auf die Senatsurteile vom 10. Oktober 2012 (IV ZR 10/11 aaO und IV ZR 12/11 aaO) - § 23 VBLS geändert hat.
25
aa) Die 18. Satzungsänderung wurde am 21. November 2012 im Verwaltungsrat der Beklagten mit Wirkung vom 10. Oktober 2012 beschlossen , am 14. Dezember 2012 vom Bundesministerium der Finanzen als Aufsichtsbehörde genehmigt und am 31. Dezember 2012 im Bundesanzeiger veröffentlicht. Der in § 1 Nr. 5 der Satzungsänderung enthaltene neue § 23 regelt die Rechtsfolgen beim Ausscheiden eines Beteiligten. § 1 Nr. 6 der Satzungsänderung führt als geänderte Gegenwertregelung § 23a ein, wonach verfallbare Anwartschaften nicht mehr einbezogen sind. Nach dem durch § 1 Nr. 8 der Satzungsänderung eingefügten neuen § 23c ist auf schriftlichen Antrag des ausscheidenden Beteiligten die Finanzierung der bei der Beklagten verbleibenden Anwartschaften und Ansprüche nach einem Erstattungsmodell durchzuführen. Der in § 2 der Satzungsänderung enthaltene satzungsändernde Beschluss des Verwaltungsrats zu §§ 23-23c VBLS ist nach § 4 der Satzungsänderung mit Wirkung vom 1. Januar 2001 in Kraft und gilt nach § 2 Nr. 1 für Arbeitgeber , die - wie der Kläger - zwischen dem 1. Januar 2002 und dem 31. Dezember 2012 aus der Beklagten ausschieden.
26
bb) Ob diese Regelung den Vorgaben der Senatsurteile vom 10. Oktober 2012 Rechnung trägt und eine unangemessene Benachteiligung der betroffenen Versicherungsnehmer nunmehr entfällt, hat der Senat nicht zu prüfen. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Satzungsänderung im Revisionsverfahren nicht zu beachten. Das Revisionsgericht hat das zur Zeit seiner Entscheidung geltende Recht anzuwenden (BGH, Urteil vom 26. Februar 1953 - III ZR 214/50, BGHZ 9, 101; MünchKomm-ZPO/Wenzel, 3. Aufl. § 545 Rn. 9). Hierzu gehören Vorschriften, die Normen objektiven Rechts enthalten. Der Satzungsänderung fehlt es ebenso wie dem zugrunde liegenden Beschluss des Verwaltungsrates an der erforderlichen Normqualität. Die Satzung der Beklagten enthält bezogen auf die zwischen ihr und den beteiligten Arbeitgebern begründeten privatrechtlichen Versicherungsverhältnisse kein revisibles objektives Recht, sondern Allgemeine Geschäftsbedingungen in Form Allgemeiner Versicherungsbedingungen (ständige Rechtsprechung, Senatsurteile vom 14. November 2007 - IV ZR 74/06, BGHZ 174, 127 Rn. 30; vom 23. Juni 1999 - IV ZR 136/98, BGHZ 142, 103, 105 ff.; jeweils m.w.N.). Diese können nicht erstmals, auch nicht in geänderter Fassung in der Revisionsinstanz zur Überprüfung gestellt werden, insbesondere weil dadurch der Streitgegenstand verändert würde.
27
2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision auch dagegen, dass das Berufungsgericht dem Kläger Zinsen in Höhe der jeweils von der Beklagten erwirtschafteten Durchschnittsverzinsung (3,3-4,1%) der Kapitalanlagen im Versorgungskonto II (Gegenwerte) für die Zeit vor dem 1. Januar 2007 als gemäß § 818 Abs. 1 BGB herauszugebende Nutzungen zugesprochen hat.
28
Diese Ansprüche sind entgegen der Auffassung der Beklagten, die insoweit die Einrede der Verjährung erhoben hat, nicht verjährt. Das Berufungsgericht hat die von den Parteien in ihrer "Prozessvereinbarung" festgelegte Verlängerung der Verjährungsfristen auch auf diese Ansprüche bezogen. Mit dieser Auslegung hat es nicht den anerkannten Grundsatz missachtet, wonach jede Auslegung bei dem von den Parteien gewählten Wortlaut zu beginnen hat (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 2002 - I ZR 304/99, BGHZ 150, 32, 37 m.w.N.). Es hat gesehen, dass § 8 Ziffer 8.1 der Vereinbarung nur von "Ansprüchen im Sinne des § 6 Ziffer 6.1" spricht, der ausdrücklich nur die Rückzahlung von Abschlagszahlungen auf den Gegenwert sowie die Erstattung von Wertstellungszinsen nennt und Nutzungszinsen aus § 818 Abs. 1 BGB nicht erwähnt. Allerdings hat das Berufungsgericht ausgehend von dem Gebot der nach beiden Seiten interessengerechten Auslegung (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 2011 - I ZR 93/09, GRUR 2011, 946 Rn.18 m.w.N.) die Vereinbarung so ausgelegt, dass der von beiden Parteien verfolgte Zweck, den mit einer gerichtlichen Klärung verbundenen Aufwand zu begrenzen und Klageerhebungen allein zur Verjährungsunterbrechung zu vermeiden, die Erstreckung des Verjährungsverzichts auf Nebenansprüche - wie die Herausgabe von Nutzungen - erfordere. Dies lässt revisionsrechtlich beachtliche Rechtsfehler nicht erkennen.
29
3. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht dem Kläger Prozesszinsen auch auf die Ansprüche auf Herausgabe von Nutzungszinsen zuerkannt. Das Verbot der Erhebung von Zinseszinsen (§ 291 Satz 2 BGB i.V. mit § 289 Satz 1 BGB) steht dem entgegen. Es greift auch ein, wenn eine in Zinsform zu leistende Entschädigung für die nicht gewährte Möglichkeit, ein Kapital zu nutzen, zu entrichten ist und die Funktion dieser "Verzinsung" derjenigen "echter" Zinsen entspricht (BayObLGZ 96, 139, 143 f. m.w.N.). Dabei ist der Zweck von Prozesszinsen zu berücksichtigen, die den Nachteil ausgleichen sollen, den der Kläger dadurch erleidet, dass er infolge nicht rechtzeitiger Zahlung des Schuldners daran gehindert ist, einen ihm zustehenden Geldbetrag zu nutzen. Dieser Nachteil wird durch einen Anspruch auf Herausgabe gezogener Nutzungen vollkommen ausgeglichen. Daher besteht neben dem Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen kein Anspruch auf Prozesszinsen (BGH, Urteil vom 12. Mai 1998 - XI ZR 79/97, NJW 1998, 2529 unter II 3 m.w.N.). Dies hat das Berufungsgericht erkannt und den Anspruch auf Herausgabe der gezogenen Zinsnutzungen auf die Zeit vor Eintritt der Rechtshängigkeit beschränkt.

Allerdings sind mit Blick auf die Ausgleichsfunktion der herauszugebenden Nutzungen auch die Prozesszinsen nur auf die Hauptforderung zuzusprechen.
Mayen Wendt Felsch
Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Vorinstanzen:
LG Mannheim, Entscheidung vom 03.12.2010- 7 O 76/10 (Kart.) -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 09.01.2012- 12 U 127/11 -
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Annotations

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(1) Der Basiszinssatz beträgt 3,62 Prozent. Er verändert sich zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres um die Prozentpunkte, um welche die Bezugsgröße seit der letzten Veränderung des Basiszinssatzes gestiegen oder gefallen ist. Bezugsgröße ist der Zinssatz für die jüngste Hauptrefinanzierungsoperation der Europäischen Zentralbank vor dem ersten Kalendertag des betreffenden Halbjahrs.

(2) Die Deutsche Bundesbank gibt den geltenden Basiszinssatz unverzüglich nach den in Absatz 1 Satz 2 genannten Zeitpunkten im Bundesanzeiger bekannt.

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

(1) Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen sowie auf dasjenige, was der Empfänger auf Grund eines erlangten Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstands erwirbt.

(2) Ist die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich oder ist der Empfänger aus einem anderen Grunde zur Herausgabe außerstande, so hat er den Wert zu ersetzen.

(3) Die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ist ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist.

(4) Von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an haftet der Empfänger nach den allgemeinen Vorschriften.

Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.

Von Zinsen sind Verzugszinsen nicht zu entrichten. Das Recht des Gläubigers auf Ersatz des durch den Verzug entstehenden Schadens bleibt unberührt.