Bundesgerichtshof Urteil, 12. Dez. 2001 - IV ZR 124/00
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger 65.674 DM nebst 4% Zinsen seit 14. Oktober 1998 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Parteien wie folgt: Die Gerichtskosten tragen der Kläger und die Beklagte zu 1) je zur Hälfte. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2). Die außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt die Beklagte zu 1) zur Hälfte. Im übrigen tragen der Kläger und die Beklagte zu 1) ihre auûergerichtlichen Kosten selbst.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger meint, er habe als Bezugsberechtigter aus der Lebensversicherung des verstorbenen Versicherungsnehmers P. B. Anspruch auf einen Teil der Versicherungsleistung in Höhe von 65.674 DM gegen die Beklagte zu 1) als Versicherer und gegen die Beklagte zu 2) als Empfängerin der Versicherungsleistung.Im Versicherungsantrag vom 5. Juli 1987 ist der Kläger als widerruflich Bezugsberechtigter für den Todesfall benannt. Die Beklagte zu 1) nahm den Antrag mit Versicherungsbeginn zum 1. August 1987 an und bestätigte mit Schreiben vom 16. Juli 1987 an den Versicherungsnehmer das Bezugsrecht des Klägers. Ob der Versicherungsnehmer den am 16. Juli 1987 ausgefertigten Versicherungsschein, eine Prämienanforderung und zwei Mahnungen erhalten hat und ob das Lastschriftverfahren vereinbart war, ist streitig. Da keine Prämien eingingen, schrieb die Beklagte zu 1) dem Versicherungsnehmer am 1. Dezember 1987, sie habe den Vertrag aufgelöst. Am 1. Februar 1988 suchte ihr Agent B. den Versicherungsnehmer auf. Dieser unterzeichnete einen "Bestandserhaltungsbericht" , mit dem der Beginn der Versicherung und der Beitragszahlung auf den 1. Januar 1988 verlegt wurde. Die Beklagte zu 1) stellte
am 26. Februar 1988 einen Nachtrag zum Versicherungsschein aus, in dem als Änderungszeitpunkt der 1. Januar 1988 vermerkt ist. Mit Schreiben vom selben Tage bat sie den Versicherungsnehmer um die vollständige und genaue Festlegung eines Bezugsrechts, was bei seinem Vertrag noch nicht der Fall sei, und fügte eine vorbereitete Erklärung über die sofortige Änderung des Bezugsrechts bei. Der Versicherungsnehmer reagierte darauf nicht.
Am 22. Januar 1990 trat der Versicherungsnehmer seine Ansprüche aus der Lebensversicherung zur Sicherheit an die Beklagte zu 2) ab unter Widerruf einer etwa bestehenden Bezugsberechtigung für die Dauer der Abtretung. Die zweite Seite der Abtretungsurkunde enthält die Abtretungsanzeige an die Beklagte zu 1). Darin heiût es, für die Dauer dieser Abtretung werde ein Bezugsrecht insoweit widerrufen, als es den Rechten der Bank entgegenstehe. Die Beklagte zu 1) hat diese Urkunde am 31. Januar 1990 erhalten. Am 12. April 1990 schrieb sie dem Versicherungsnehmer , er habe noch nicht mitgeteilt, wer bezugsberechtigt sein solle, er könne trotz bestehender Abtretung ein Bezugsrecht festlegen. Eine Antwort blieb aus.
Nach dem Tod des Versicherungsnehmers am 18. April 1997 zahlte die Beklagte zu 1) die volle Versicherungsleistung in Höhe von 68.995 DM an die Beklagte zu 2) aus. Nach Abzug des Schuldsaldos leitete sie den von ihr nicht benötigten Betrag von 65.674 DM an den Nachlaûpfleger für die damals noch unbekannten Erben des Versicherungsnehmers weiter.
Der Kläger meint, in diesem Umfang habe der Anspruch auf die Versicherungsleistung ihm aufgrund eines wirksam eingeräumten und insoweit auch nicht widerrufenen Bezugsrechts zugestanden. Mit seiner Revision verfolgt er den in den Vorinstanzen abgewiesenen Anspruch gegen beide Beklagte als Gesamtschuldner weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision des Klägers führt zur antragsgemäûen Verurteilung der Beklagten zu 1). Der Anspruch auf die Versicherungsleistung stand mit Eintritt des Versicherungsfalls dem Kläger als Bezugsberechtigten zu, soweit er den Schuldsaldo des Versicherungsnehmers bei der Beklagten zu 2) überstieg. Die Beklagte zu 1) hat nicht mit befreiender Wirkung an die Beklagte zu 2) gezahlt. Gegen diese hat der Kläger keinen Anspruch.
1. Dem Kläger ist mit Abschluû des Versicherungsvertrags ein widerrufliches Bezugsrecht eingeräumt worden. Dabei kann offen bleiben, ob es bereits im Juli 1987 zum Abschluû eines Vertrages gekommen und ob er wegen Nichtzahlung der Erstprämie durch die Rücktrittsfiktion des § 38 Abs. 1 Satz 2 VVG beendet worden ist. Jedenfalls ist, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, im Februar 1988 ein Vertrag nach Maûgabe des ursprünglichen Antrags bzw. Vertrags geschlossen worden. Änderungen gab es nur bei der Laufzeit und in geringem Umfang bei der Prämie. Anders war das Verhalten der Beklagten zu 1) erkennbar nicht gemeint und anders konnte es vom Versicherungsnehmer
auch nicht verstanden werden. Im Bestandserhaltungsbericht hat er lediglich gewünscht, den Beginn und die Beitragszahlung auf den 1. Januar 1988 zu verlegen. Ein neuer Versicherungsantrag wurde nicht ausgefüllt und unterschrieben. Die Beklagte zu 1) hat sodann einen Nachtrag zum Versicherungsschein unter der früheren Versicherungsnummer ausgestellt und darin unter anderem darauf hingewiesen, daû dem Versicherungsvertrag die abgegebenen schriftlichen Erklärungen zugrunde lägen. Diesen Versicherungsschein hat sie dem Versicherungsnehmer mit einem Formularschreiben übersandt, das mit "Änderungsmitteilung" überschrieben ist, das im weiteren Text von einer Änderung des Versicherungsvertrags spricht und in dem bei der vorgedruckten Liste über durchgeführte Änderungen "Beginn- und Ablaufverlegung" und "Wiederinkraftsetzung" angekreuzt sind. Demgemäû blieb das im Versicherungsantrag vom 5. Juli 1987 eingetragene Bezugsrecht des Klägers auch für den geänderten Vertrag bestehen.
2. Dem Berufungsgericht ist jedoch nicht darin zu folgen, der Versicherungsnehmer habe durch sein Schweigen auf die Bezugsrechtsanfragen der Beklagten zu 1) vom 26. Februar 1988 und vom 12. April 1990 das Bezugsrecht des Klägers widerrufen, weil die Beklagte eine Antwort darauf erwarten durfte. Das Berufungsgericht erkennt zwar, daû dem Schweigen nur ausnahmsweise ein Erklärungswert beigemessen werden kann. Es weist insoweit auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs hin (BGHZ 1, 353, 355 f.), in der das Schweigen auf ein mit der Abstandnahme vom ursprünglichen Vertrag gemachtes neues Angebot als Zustimmung gewertet wurde. Damit vergleichbar sei die Situation hier.
Dabei wird nicht genügend berücksichtigt, daû es sich bei der Einräumung und dem Widerruf eines Bezugsrechts nicht um den Abschluû eines Vertrages handelt, sondern um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung des Versicherungsnehmers. Der Versicherer, der beim Versicherungsnehmer wegen einer Bezugsrechtsbestimmung anfragt, befindet sich nicht in der Lage desjenigen, der ein Angebot auf Vertragsänderung gemacht hat und wegen seiner weiteren Dispositionen auf die baldige Antwort angewiesen ist. Eine das Bezugsrecht ändernde Erklärung muû wegen ihres Verfügungscharakters (BGH, Urteil vom 28. September 1988 - IVa ZR 126/87 - VersR 1988, 1236 unter 2) zudem hinreichend deutlich sein und klar erkennen lassen, in welcher Weise die Bezugsberechtigung geändert werden soll (Römer in Römer /Langheid, VVG § 166 Rdn. 13; BK/Schwintowski, § 166 VVG Rdn. 12). Daran fehlt es hier selbst aus der Sicht der Beklagten zu 1). Das Schweigen des Versicherungsnehmers konnte allenfalls als Bestätigung der ursprünglichen Bezugsberechtigung aufgefaût werden.
Ein wirksamer stillschweigender Widerruf des Bezugsrechts wäre im übrigen von vornherein nicht in Betracht gekommen, wenn, wie die Revision zutreffend bemerkt, für den Widerruf die Schriftform erforderlich gewesen wäre, wie dies in Allgemeinen Bedingungen für die Lebensversicherung üblich ist (vgl. § 13 Abs. 4 ALB 86). Zum Inhalt der hier vereinbarten Bedingungen hat das Berufungsgericht aber nichts festgestellt, dazu ist auch den Akten nichts zu entnehmen.
3. Der anläûlich der Sicherungsabtretung vorgenommene Widerruf hat das Bezugsrecht des Klägers nicht vollständig beseitigt. Es ist nur in dem durch den Sicherungszweck bestimmten Umfang hinter die Rechte der Beklagten zu 2) zurückgetreten und im übrigen voll wirksam geblieben (st. Rspr. des Senats, zuletzt Urteil vom 25. April 2001 - IV ZR 305/00 - VersR 2001, 883 unter II 2 a m.w.N.). Das ergibt sich aus der für die Auslegung des Widerrufs maûgeblichen Erklärung in der Abtretungsanzeige an die Beklagte zu 1), mit der das Bezugsrecht nur insoweit widerrufen worden ist, als es den Rechten der Bank entgegensteht. Für eine inhaltsgleiche Widerrufserklärung hat der Senat entschieden, daû der Bezugsberechtigte beim Tod des Versicherungsnehmers den Anspruch auf die Versicherungsleistung, soweit er die gesicherte Forderung übersteigt, ohne eine weitere Rechtshandlung des Sicherungsnehmers unmittelbar erwirbt (Urteil vom 3. März 1993 - IV ZR 267/91 - VersR 1993, 553 unter 3 b = LM Nr. 12 zu § 166 VVG mit Anm. Hübner; vgl. auch Römer, aaO § 166 Rdn. 17).
Da der Widerruf des Bezugsrechts in der Abtretungsanzeige in dieser Weise beschränkt war, ist die Beklagte zu 1) auch nicht nach § 409 Abs. 1 BGB von der Leistungspflicht frei geworden.
4. Gegen die Beklagte zu 2) hat der Kläger keinen Anspruch. Da ihr das Bezugsrecht des Klägers nicht bekannt war, ist sie jedenfalls durch die Zahlung an die Erben als Rechtsnachfolger des Versicherungsnehmers frei geworden (§ 407 Abs. 1 BGB).
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Wendt Dr. Kessal-Wulf
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Annotations
(1) Kündigt der Versicherer das Versicherungsverhältnis, wandelt sich mit der Kündigung die Versicherung in eine prämienfreie Versicherung um. Auf die Umwandlung ist § 165 anzuwenden.
(2) Im Fall des § 38 Abs. 2 ist der Versicherer zu der Leistung verpflichtet, die er erbringen müsste, wenn sich mit dem Eintritt des Versicherungsfalles die Versicherung in eine prämienfreie Versicherung umgewandelt hätte.
(3) Bei der Bestimmung einer Zahlungsfrist nach § 38 Abs. 1 hat der Versicherer auf die eintretende Umwandlung der Versicherung hinzuweisen.
(4) Bei einer Lebensversicherung, die vom Arbeitgeber zugunsten seiner Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abgeschlossen worden ist, hat der Versicherer die versicherte Person über die Bestimmung der Zahlungsfrist nach § 38 Abs. 1 und die eintretende Umwandlung der Versicherung in Textform zu informieren und ihnen eine Zahlungsfrist von mindestens zwei Monaten einzuräumen.
(1) Wird eine Folgeprämie nicht rechtzeitig gezahlt, kann der Versicherer dem Versicherungsnehmer auf dessen Kosten in Textform eine Zahlungsfrist bestimmen, die mindestens zwei Wochen betragen muss. Die Bestimmung ist nur wirksam, wenn sie die rückständigen Beträge der Prämie, Zinsen und Kosten im Einzelnen beziffert und die Rechtsfolgen angibt, die nach den Absätzen 2 und 3 mit dem Fristablauf verbunden sind; bei zusammengefassten Verträgen sind die Beträge jeweils getrennt anzugeben.
(2) Tritt der Versicherungsfall nach Fristablauf ein und ist der Versicherungsnehmer bei Eintritt mit der Zahlung der Prämie oder der Zinsen oder Kosten in Verzug, ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet.
(3) Der Versicherer kann nach Fristablauf den Vertrag ohne Einhaltung einer Frist kündigen, sofern der Versicherungsnehmer mit der Zahlung der geschuldeten Beträge in Verzug ist. Die Kündigung kann mit der Bestimmung der Zahlungsfrist so verbunden werden, dass sie mit Fristablauf wirksam wird, wenn der Versicherungsnehmer zu diesem Zeitpunkt mit der Zahlung in Verzug ist; hierauf ist der Versicherungsnehmer bei der Kündigung ausdrücklich hinzuweisen. Die Kündigung wird unwirksam, wenn der Versicherungsnehmer innerhalb eines Monats nach der Kündigung oder, wenn sie mit der Fristbestimmung verbunden worden ist, innerhalb eines Monats nach Fristablauf die Zahlung leistet; Absatz 2 bleibt unberührt.
(1) Kündigt der Versicherer das Versicherungsverhältnis, wandelt sich mit der Kündigung die Versicherung in eine prämienfreie Versicherung um. Auf die Umwandlung ist § 165 anzuwenden.
(2) Im Fall des § 38 Abs. 2 ist der Versicherer zu der Leistung verpflichtet, die er erbringen müsste, wenn sich mit dem Eintritt des Versicherungsfalles die Versicherung in eine prämienfreie Versicherung umgewandelt hätte.
(3) Bei der Bestimmung einer Zahlungsfrist nach § 38 Abs. 1 hat der Versicherer auf die eintretende Umwandlung der Versicherung hinzuweisen.
(4) Bei einer Lebensversicherung, die vom Arbeitgeber zugunsten seiner Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abgeschlossen worden ist, hat der Versicherer die versicherte Person über die Bestimmung der Zahlungsfrist nach § 38 Abs. 1 und die eintretende Umwandlung der Versicherung in Textform zu informieren und ihnen eine Zahlungsfrist von mindestens zwei Monaten einzuräumen.
(1) Zeigt der Gläubiger dem Schuldner an, dass er die Forderung abgetreten habe, so muss er dem Schuldner gegenüber die angezeigte Abtretung gegen sich gelten lassen, auch wenn sie nicht erfolgt oder nicht wirksam ist. Der Anzeige steht es gleich, wenn der Gläubiger eine Urkunde über die Abtretung dem in der Urkunde bezeichneten neuen Gläubiger ausgestellt hat und dieser sie dem Schuldner vorlegt.
(2) Die Anzeige kann nur mit Zustimmung desjenigen zurückgenommen werden, welcher als der neue Gläubiger bezeichnet worden ist.
(1) Der neue Gläubiger muss eine Leistung, die der Schuldner nach der Abtretung an den bisherigen Gläubiger bewirkt, sowie jedes Rechtsgeschäft, das nach der Abtretung zwischen dem Schuldner und dem bisherigen Gläubiger in Ansehung der Forderung vorgenommen wird, gegen sich gelten lassen, es sei denn, dass der Schuldner die Abtretung bei der Leistung oder der Vornahme des Rechtsgeschäfts kennt.
(2) Ist in einem nach der Abtretung zwischen dem Schuldner und dem bisherigen Gläubiger anhängig gewordenen Rechtsstreit ein rechtskräftiges Urteil über die Forderung ergangen, so muss der neue Gläubiger das Urteil gegen sich gelten lassen, es sei denn, dass der Schuldner die Abtretung bei dem Eintritt der Rechtshängigkeit gekannt hat.