Bundesgerichtshof Urteil, 11. Nov. 2004 - III ZR 63/04
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Beklagte beurkundete am 10. Oktober 1997 die Grün dung der HAH. GmbH (im folgenden: HA-GmbH). Den Gesellschaftsvertrag schloß der Vater der Klägerin, der für sich selbst und als vollmachtloser Vertreter der Klägerin handelte. Die HA-GmbH wurde gegründet, um die Arbeitnehmer und die Aufträge der insolvent gewordenen HR-B. GmbH zu übernehmen. Mit von dem Beklagten beglaubigter Erklärung vom 22. Oktober 1997 genehmigte die Klägerin die Erklärungen ihres Vaters zur Gründung der HA-GmbH und erteilte
ihm nachträglich Vollmacht. Die HA-GmbH wurde bereits vor der Eintragung tätig. Sie machte Verlust und wurde ebenfalls insolvent. Der Konkursverwalter der HA-GmbH nahm die Klägerin als Gesellschafterin auf Zahlung der Stammeinlage und Ausgleich der Unterbilanz in Anspruch.
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Schadensersatz in Höhe von 123.346,53 € nebst Zinsen wegen Verletzung notarieller Amtspflichten. Der Beklagte habe sie nicht hinreichend über die mit dem Abschluß des Gesellschaftsvertrages verbundenen Haftungsrisiken belehrt.
Landgericht und Berufungsgericht haben der Klage statt gegeben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag, die Klage abzuweisen, weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung de s Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Die notarielle Beurkundung des Gründungsvertrages der H A-GmbH, bei der die Klägerin durch ihren Vater vertreten gewesen sei, und die Beglaubi-
gung der Unterschrift, mit der die Klägerin die Vertretererklärung genehmigt habe, seien als ein einheitliches Amtsgeschäft zu betrachten. Diesbezüglich habe der Beklagte jedenfalls eine sogenannte erweiterte Belehrungspflicht gehabt. Ein besonderer Umstand, der eine solche Belehrungspflicht begründet habe, habe in der hier erfolgten "Vertragsaufspaltung" gelegen. Die Klägerin sei dadurch in die Gefahr geraten, als Gesellschafterin zu haften, ohne jemals belehrt worden zu sein. Wäre die Klägerin - was der Beklagte bei der Unterschriftsbeglaubigung pflichtwidrig versäumt habe - über das mit dem Abschluß des Gesellschaftsvertrages verbundene Haftungsrisiko belehrt worden, hätte sie die Genehmigung nicht erteilt. Es wäre nicht zur Gründung der HA-GmbH gekommen und die Klägerin hätte weder eine Einlage zu leisten gehabt noch auf Unterbilanzhaftung in Anspruch genommen werden können.
II.
Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Prüfung nicht stand.
Nach den bisher getroffenen Feststellungen kann die Klä gerin von dem Beklagten nicht Schadensersatz wegen Verletzung notarieller Amtspflichten (§ 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO) verlangen.
1. Zunächst ist klarzustellen, daß im Streitfall nicht ein "einheitliches Amtsgeschäft" , sondern zwei Amtsgeschäfte vorliegen, nämlich die Beurkundung des Gründungsvertrages der HA-GmbH am 10. Oktober 1997 und die Beglaubigung der Unterschrift der diesen Vertrag genehmigenden Klägerin am 22. Oktober 1997. Für die gegenteilige Auffassung nimmt das Berufungsgericht
zu Unrecht die in JW 1938, 889 veröffentlichte Entscheidung des Reichsgerichts in Anspruch. Dort ging es um die Beglaubigung von Unterschriften auf einem von dem Notar entworfenen Vertrag (vgl. RG aaO S. 890), nicht um die Genehmigung eines früher beurkundeten Vertrages.
2. Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts kann nicht angenommen werden, der Beklagte habe bei der Beglaubigung der Unterschrift , mit der die Klägerin den durch ihren Vater geschlossenen Gesellschaftsvertrag genehmigt hat, Belehrungspflichten verletzt.
a) Bei der bloßen Beglaubigung einer Unterschrift (§ 40 BeurkG) trifft den Notar nur eine eingeschränkte Prüfungs- und Belehrungspflicht. Zu einer Rechtsbelehrung ist er grundsätzlich nicht verpflichtet. Er muß lediglich prüfen, ob Gründe bestehen, seine Amtstätigkeit zu versagen (§ 40 Abs. 2 i.V.m. §§ 2 bis 5 BeurkG), und die Beteiligten gegebenenfalls entsprechend unterrichten (Ganter in Zugehör/Ganter/Hertel, Handbuch der Notarhaftung 2004 Rn. 1411 m.w.N.). Etwas anderes, d.h. eine Rechtsbelehrungspflicht hinsichtlich der Bezugsurkunde , ist selbst dann nicht anzunehmen, wenn die Bezugsurkunde von dem beglaubigenden Notar errichtet wurde. Andernfalls müßte er in jedem Fall einer Unterschriftsbeglaubigung nachforschen, ob die Bezugsurkunde von ihm stammt. Der Notar müßte sich deren Inhalt und rechtliche Tragweite wieder vergegenwärtigen. Praktisch müßte er sich in vielen Fällen wieder völlig neu einarbeiten. Im übrigen wäre das Haftungsrisiko, das sich daraus für den Notar ergäbe, mit der Gebühr für eine Beglaubigung ohne Entwurf nicht angemessen abgegolten (vgl. Ganter aaO).
b) Bei der Beglaubigung der Unterschrift, die die Kl ägerin unter die Genehmigungserklärung setzte, könnte den Beklagten allerdings eine an den Entwurf der Genehmigungserklärung knüpfende Belehrungspflicht wie bei einer zur Niederschrift aufgenommenen Urkunde getroffen haben; denn der Beklagte dürfte es übernommen haben, den Text der Genehmigungserklärung zu formulieren (vgl. BGHZ 125, 218, 226; Winkler, BeurkG 15. Aufl. 2003 § 40 Rn. 49). Die Belehrungspflicht (§ 17 Abs. 1 BeurkG) beträfe aber nur die rechtlichen Folgen der Genehmigungserklärung, d.h. das Wirksamwerden des Geschäfts, nicht den Inhalt und die Ausgestaltung des Vertretergeschäfts (vgl. BGHZ aaO 225 f). Die Verletzung einer solchen eingeschränkten Belehrungspflicht wird dem Beklagten jedoch nicht angelastet.
c) Schließlich kann bei Unterschriftsbeglaubigungen (mit und ohne Entwurf ) die betreuende Belehrungspflicht (§ 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO) zum Schutz der Beteiligten vor unerkannten, aber für den Notar erkennbaren Gefahren eingreifen (vgl. Ganter aaO Rn. 1411 a.E.). Die besonderen Umstände, die hier bei der Unterschriftsbeglaubigung durch den Beklagten einen Hinweis auf die Unterbilanzhaftung geboten hätten, hat das Berufungsgericht darin gesehen, daß eine "Vertragsaufspaltung", d.h. ein nachträglich genehmigter Vertragsschluß durch einen vollmachtlosen Vertreter, stattgefunden habe. Dem kann indes nicht beigetreten werden. Nach der bestehenden Gesetzeslage (§ 6 Abs. 2, § 17 Abs. 1 Satz 1 BeurkG, § 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO) ist der Schutz des Vertretenen bewußt nicht so ausgestaltet, als habe er selbst an der Beurkundung teilgenommen (vgl. BGHZ 125, 218, 225); denn Adressat der notariellen Belehrung sind nur die Beteiligten. Wenn der Vertretene aber das Rechtsgeschäft genehmigt (§ 184 Abs. 1 BGB), erklärt er damit zugleich, er lasse die dem Vertreter erteilte Belehrung gegen sich gelten. Es ist Sache des Vertrete-
nen, sich die erfolgte Belehrung von dem Vertreter erläutern zu lassen oder sich anderweitig zu informieren, bevor er das Geschäft genehmigt (vgl. Ganter aaO Rn. 1133).
Besondere Umstände, die Anlaß zu einer eingehenden Be lehrung über drohende Haftungsfolgen gegeben hätten, wären allerdings gegeben, wenn der Beklagte gewußt hätte, daß der Vater der Klägerin vor der Gründung der HAGmbH bereits mehrere, jeweils insolvent gewordene GmbHs "hatte" und die HA-GmbH als Auffanggesellschaft für eine solche insolvente GmbH dienen sollte. Dann nämlich hätte sich dem Beklagten aufdrängen müssen, daß auf Seiten der Klägerin eine - gegebenenfalls auf Informationen ihres Vaters beruhende - hinreichende Kenntnis der bestehenden beträchtlichen Haftungsrisiken nicht erwartet werden konnte. Diesbezügliche konkrete Feststellungen hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Sie können insbesondere nicht - entgegen der von der Revisionsbeklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Ansicht - der allgemein gehaltenen Wendung des Berufungsgerichts entnommen werden, "der Beklagte habe bereits in der Klageerwiderung eingeräumt, daß ihm die Verhältnisse nicht ganz unbekannt waren".
III.
Das Berufungsgericht wird in der neuen mündlichen Verh andlung zu klären haben, ob der Beklagte die vorgenannten Umstände, die zur Gründung der HA-GmbH führten, kannte und deshalb über die Haftungsfolgen bei einer sofortigen Aufnahme der Geschäfte zu belehren hatte (§ 14 Abs. 1 Satz 2 BNo-
tO).
Gegebenenfalls wird dann auf die Frage der Rechtsbelehrungspflicht (§ 17 Abs. 1 Satz 1 BeurkG) bei der Beurkundung des Gründungsvertrages und die weiteren Rügen der Revision einzugehen sein.
Schlick Wurm Kapsa
Dörr Galke
moreResultsText
Annotations
(1) Der Notar hat sein Amt getreu seinem Eide zu verwalten. Er hat nicht eine Partei zu vertreten, sondern die Beteiligten unabhängig und unparteiisch zu betreuen.
(2) Er hat seine Amtstätigkeit zu versagen, wenn sie mit seinen Amtspflichten nicht vereinbar wäre, insbesondere wenn seine Mitwirkung bei Handlungen verlangt wird, mit denen erkennbar unerlaubte oder unredliche Zwecke verfolgt werden.
(3) Der Notar hat sich durch sein Verhalten innerhalb und außerhalb seines Amtes der Achtung und des Vertrauens, die dem notariellen Amt entgegengebracht werden, würdig zu zeigen. Er hat jedes Verhalten zu vermeiden, das den Anschein eines Verstoßes gegen seine Amtspflichten erzeugt, insbesondere den Anschein der Abhängigkeit oder Parteilichkeit.
(4) Dem Notar ist es abgesehen von den ihm durch Gesetz zugewiesenen Vermittlungstätigkeiten verboten, Darlehen sowie Grundstücksgeschäfte zu vermitteln, sich an jeder Art der Vermittlung von Urkundsgeschäften zu beteiligen oder im Zusammenhang mit einer Amtshandlung eine Bürgschaft oder eine sonstige Gewährleistung zu übernehmen. Er hat dafür zu sorgen, daß sich auch die bei ihm beschäftigten Personen nicht mit derartigen Geschäften befassen.
(5) Der Notar darf keine mit seinem Amt unvereinbare Gesellschaftsbeteiligung eingehen. Es ist ihm insbesondere verboten, sich an einer Gesellschaft, die eine Tätigkeit im Sinne des § 34c Abs. 1 der Gewerbeordnung ausübt, zu beteiligen, wenn er alleine oder zusammen mit den Personen, mit denen er sich nach § 9 verbunden oder mit denen er gemeinsame Geschäftsräume hat, mittelbar oder unmittelbar einen beherrschenden Einfluß ausübt.
(6) Der Notar hat sich in dem für seine Amtstätigkeit erforderlichen Umfang fortzubilden. Dies umfasst die Pflicht, sich über Rechtsänderungen zu informieren.
(1) Verletzt der Notar vorsätzlich oder fahrlässig die ihm anderen gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er diesen den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Notar nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die Verletzten nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermögen; das gilt jedoch nicht bei Amtsgeschäften der in §§ 23, 24 bezeichneten Art im Verhältnis zwischen dem Notar und seinen Auftraggebern. Im übrigen sind die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Schadensersatzpflicht im Fall einer von einem Beamten begangenen Amtspflichtverletzung entsprechend anwendbar. Eine Haftung des Staates an Stelle des Notars besteht nicht.
(2) Hat ein Notarassessor bei selbständiger Erledigung eines Geschäfts der in §§ 23, 24 bezeichneten Art eine Amtspflichtverletzung begangen, so haftet er in entsprechender Anwendung des Absatzes 1. Hatte ihm der Notar das Geschäft zur selbständigen Erledigung überlassen, so haftet er neben dem Assessor gesamtschuldnerisch; im Verhältnis zwischen dem Notar und dem Assessor ist der Assessor allein verpflichtet. Durch das Dienstverhältnis des Assessors zum Staat (§ 7 Abs. 3) wird eine Haftung des Staates nicht begründet. Ist der Assessor als Notarvertretung des Notars tätig gewesen, so bestimmt sich die Haftung nach § 46.
(3) Für Schadensersatzansprüche nach Absatz 1 und 2 sind die Landgerichte ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes ausschließlich zuständig.
(1) Der Notar hat sein Amt getreu seinem Eide zu verwalten. Er hat nicht eine Partei zu vertreten, sondern die Beteiligten unabhängig und unparteiisch zu betreuen.
(2) Er hat seine Amtstätigkeit zu versagen, wenn sie mit seinen Amtspflichten nicht vereinbar wäre, insbesondere wenn seine Mitwirkung bei Handlungen verlangt wird, mit denen erkennbar unerlaubte oder unredliche Zwecke verfolgt werden.
(3) Der Notar hat sich durch sein Verhalten innerhalb und außerhalb seines Amtes der Achtung und des Vertrauens, die dem notariellen Amt entgegengebracht werden, würdig zu zeigen. Er hat jedes Verhalten zu vermeiden, das den Anschein eines Verstoßes gegen seine Amtspflichten erzeugt, insbesondere den Anschein der Abhängigkeit oder Parteilichkeit.
(4) Dem Notar ist es abgesehen von den ihm durch Gesetz zugewiesenen Vermittlungstätigkeiten verboten, Darlehen sowie Grundstücksgeschäfte zu vermitteln, sich an jeder Art der Vermittlung von Urkundsgeschäften zu beteiligen oder im Zusammenhang mit einer Amtshandlung eine Bürgschaft oder eine sonstige Gewährleistung zu übernehmen. Er hat dafür zu sorgen, daß sich auch die bei ihm beschäftigten Personen nicht mit derartigen Geschäften befassen.
(5) Der Notar darf keine mit seinem Amt unvereinbare Gesellschaftsbeteiligung eingehen. Es ist ihm insbesondere verboten, sich an einer Gesellschaft, die eine Tätigkeit im Sinne des § 34c Abs. 1 der Gewerbeordnung ausübt, zu beteiligen, wenn er alleine oder zusammen mit den Personen, mit denen er sich nach § 9 verbunden oder mit denen er gemeinsame Geschäftsräume hat, mittelbar oder unmittelbar einen beherrschenden Einfluß ausübt.
(6) Der Notar hat sich in dem für seine Amtstätigkeit erforderlichen Umfang fortzubilden. Dies umfasst die Pflicht, sich über Rechtsänderungen zu informieren.
(1) Die nachträgliche Zustimmung (Genehmigung) wirkt auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zurück, soweit nicht ein anderes bestimmt ist.
(2) Durch die Rückwirkung werden Verfügungen nicht unwirksam, die vor der Genehmigung über den Gegenstand des Rechtsgeschäfts von dem Genehmigenden getroffen worden oder im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung oder durch den Insolvenzverwalter erfolgt sind.