Bundesgerichtshof Urteil, 08. Mai 2019 - 5 StR 56/19
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. Mai 2019, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Sander
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. König, Dr. Berger, Prof. Dr. Mosbacher, Köhler
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt. Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihrer auf eine Verfahrens- und die Sachrüge gestützten Revision eine Verurteilung des Angeklagten wegen besonders schwerer Brandstiftung sowie eine höhere Strafe und – nur insoweit vom Generalbundesanwalt vertreten und erfolgreich – eine Entscheidung über die Unterbringung nach § 64 StGB.
I.
- 2
- Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte ein Alkoholproblem und pflegt einen schädlichen Alkoholgebrauch. In erheblich alkoholisiertem Zustand (BAK von ca. 3 Promille) zündete er aus Verärgerung über das Ausbleiben der vereinbarten Bezahlung seiner Tätigkeit als Bauarbeiter gemeinsam mit dem Zeugen M. ein von ihnen und anderen Bauarbeitern aus Lettland bewohntes Einfamilienhaus des Zeugen S. (eines der Auftraggeber) an. M. legte in seinem Zimmer und in der angrenzenden Küche (Erdgeschoss) jeweils einen Brand, der Angeklagte zündete im Zimmer des Zeugen P. (Obergeschoss) das Kopfkissen auf dem Bett an. Ein Brandbeschleuniger wurde nicht verwendet. Durch das Feuer wurde das Erdgeschoss des Hauses fast vollständig zerstört. Das Haus ist infolge des Brandes unbewohnbar und soll abgerissen werden (Sachschaden ca. 200.000 Euro). Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten infolge Alkoholgenusses erheblich vermindert war.
II.
- 3
- Die Revision der Staatsanwaltschaft führt lediglich zur Aufhebung des Urteils, soweit von einer Unterbringung des Angeklagten nach § 64 StGB abgesehen wurde.
- 4
- Die Aufklärungsrüge hat keinen Erfolg. Den Ausführungen der Beschwerdeführerin ist nicht zu entnehmen, weshalb sich die Strafkammer zur persönlichen Vernehmung des von ihr als Mittäter angesehenen Zeugen M. hätte gedrängt sehen müssen. Sie hat seine umfangreichen Angaben bei der Polizei nach § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO im Einverständnis mit allen Verfahrensbeteiligten verlesen und ausführlich inhaltlich gewürdigt. Dass der Zeuge vor Gericht anders als in seinen polizeilichen Vernehmungen ausgesagt hätte, behauptet die Staatsanwaltschaft nicht; im Gegenteil trägt sie vor, er hätte seine Angaben wiederholt. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, was genau die Strafkammer zu dem vermissten Vorgehen hätte drängen müssen.
- 5
- 2. Die Beweiswürdigung weist – wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift näher ausgeführt hat – in Ansehung des revisionsgerichtlichen Überprüfungsmaßstabs (vgl. nur BGH, Urteil vom 1. Februar 2017 – 2 StR 78/16 mwN) keinen Rechtsfehler auf. Das Landgericht hat sich mit allen in Frage kommenden Umständen beschäftigt und ist aufgrund einer umfassenden Würdigung der Beweisergebnisse zu einem nachvollziehbaren Ergebnis gelangt. Auch die Strafzumessung ist rechtsfehlerfrei (vgl. Antragsschrift des Generalbundesanwalts ).
- 6
- 3. Allerdings muss über die Anwendung von § 64 StGB entschieden werden. Die Strafkammer hat trotz der festgestellten erheblichen und langjährigen Alkoholprobleme des Angeklagten sowie der seine Tatbegehung fördernden Alkoholisierung im Tatzeitpunkt keine Ausführungen zur Frage einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB gemacht. Dies stellt eine Lücke des Urteils und damit einen sachlich-rechtlichen Fehler dar (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 26. Januar 2017 – 1 StR 385/16 mwN). Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, weil diese rechtsfehlerfrei getroffen sind (vgl. § 353 Abs. 2 StPO). Sie dürfen um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen.
- 7
- 4. Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten hat die Überprüfung des Urteils nicht ergeben (§ 301 StPO).
Sander König Berger
Mosbacher Köhler
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Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten kann durch die Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung oder einer Urkunde, die eine von ihm erstellte Erklärung enthält, ersetzt werden,
- 1.
wenn der Angeklagte einen Verteidiger hat und der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte damit einverstanden sind; - 2.
wenn die Verlesung lediglich der Bestätigung eines Geständnisses des Angeklagten dient und der Angeklagte, der keinen Verteidiger hat, sowie der Staatsanwalt der Verlesung zustimmen; - 3.
wenn der Zeuge, Sachverständige oder Mitbeschuldigte verstorben ist oder aus einem anderen Grunde in absehbarer Zeit gerichtlich nicht vernommen werden kann; - 4.
soweit das Protokoll oder die Urkunde das Vorliegen oder die Höhe eines Vermögensschadens betrifft.
(2) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten darf durch die Verlesung des Protokolls über seine frühere richterliche Vernehmung auch ersetzt werden, wenn
- 1.
dem Erscheinen des Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten in der Hauptverhandlung für eine längere oder ungewisse Zeit Krankheit, Gebrechlichkeit oder andere nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen; - 2.
dem Zeugen oder Sachverständigen das Erscheinen in der Hauptverhandlung wegen großer Entfernung unter Berücksichtigung der Bedeutung seiner Aussage nicht zugemutet werden kann; - 3.
der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte mit der Verlesung einverstanden sind.
(3) Soll die Verlesung anderen Zwecken als unmittelbar der Urteilsfindung, insbesondere zur Vorbereitung der Entscheidung darüber dienen, ob die Ladung und Vernehmung einer Person erfolgen sollen, so dürfen Protokolle und Urkunden auch sonst verlesen werden.
(4) In den Fällen der Absätze 1 und 2 beschließt das Gericht, ob die Verlesung angeordnet wird. Der Grund der Verlesung wird bekanntgegeben. Wird das Protokoll über eine richterliche Vernehmung verlesen, so wird festgestellt, ob der Vernommene vereidigt worden ist. Die Vereidigung wird nachgeholt, wenn sie dem Gericht notwendig erscheint und noch ausführbar ist.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.