Bundesgerichtshof Urteil, 14. Aug. 2019 - 5 StR 5/19
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. August 2019, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Sander als Vorsitzender, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Schneider, die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. König, Dr. Berger, Prof. Dr. Mosbacher als beisitzende Richter,
Staatsanwalt als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt Z. als Verteidiger des Angeklagten S. ,
Rechtsanwältin G. als Verteidigerin des Angeklagten N. ,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
a) in den Schuldsprüchen betreffend Fall 3 (Ziffer II.4 der Urteilsgründe ) mit den Feststellungen hinsichtlich der Zuordnung des Baseballschlägers zum Angeklagten S. ,
b) in den Aussprüchen über die Gesamtfreiheitsstrafen sowie
c) betreffend den Angeklagten N. im Ausspruch über die Dauer des Vorwegvollzugs eines Teils der Gesamtfreiheitsstrafe vor dem Maßregelvollzug.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft werden verworfen.
2. Die Revisionen der Angeklagten werden verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
- Von Rechts wegen -
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat verurteilt:
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- den Angeklagten S. wegen „besonders schweren Raubes in zwei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit versuchter Nötigung in zwei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer räuberischer Erpres- sung in Tateinheit mit versuchter Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung“ (Fall 2) sowie wegen Diebstahls (Fall 3) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sieben Monaten,
- 3
- den Angeklagten N. wegen „besonders schweren Raubes in zwei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit versuchter Nötigung in zwei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer räuberischer Er- pressung“ (Fall 2), wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit Bedro- hung (Fall 1) sowie wegen Diebstahls in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung (Fall 3) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren. Darüber hinaus hat es die Unterbringung des Angeklagten N. in einer Entziehungsanstalt sowie den Vorwegvollzug von einem Jahr und sechs Monaten der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe angeordnet.
- 4
- Hiergegen richten sich die jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft sind hinsichtlich der Schuldsprüche auf Fall 3 (Ziffer II.4 der Urteilsgründe) beschränkt und werden insoweit vom Generalbundesanwalt vertreten; erstrebt werden Verurteilungen wegen Diebstahls mit Waffen. Während die Revisionen der Angeklagten erfolglos bleiben, erzielen die Revisionen der Staatsanwaltschaft den aus dem Urteilstenor ersichtlichen Erfolg.
- 5
- 1. Die Revisionen der Angeklagten sind aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten N. in einer Entziehungsanstalt nimmt der Senat noch hin.
- 6
- 2. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft sind wirksam auf die Schuldsprüche betreffend Fall 3 (Ziffer II.4 der Urteilsgründe), die insoweit verhängten Einzelstrafen sowie die Aussprüche über die Gesamtstrafen beschränkt und in diesem Umfang begründet. Soweit sich das Rechtsmittel betreffend den Angeklagten N. nicht gegen den Ausspruch über die Dauer des Vorwegvollzugs eines Teils der Gesamtfreiheitsstrafe vor dem Maßregelvollzug richtet, ist eine entsprechende Beschränkung unwirksam, da die Dauer von der Höhe der verhängten (Gesamt-)Freiheitsstrafe abhängig ist (§ 67 Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB).
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- a) Die Schuldsprüche im Fall 3 nur wegen Diebstahls (Angeklagter S. ) bzw. Diebstahls in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung (Angeklagter N. ) halten sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
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- aa) Hierzu hat das Landgericht festgestellt:
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- In einem Supermarkt entwendeten die Angeklagten in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken zwei Paletten mit Getränkedosen, indem der Angeklagte N. die nahe der Eingangstür gestapelten Paletten an sich nahm, der vor der Tür wartende Angeklagte S. den Öffnungsmechanismus der Tür aktivierte und so dem Angeklagten N. ein Entkommen ermöglichte. Die mit ihrer Beute zu Fuß flüchtenden Angeklagten wurden von einer Mitarbeiterin der Filiale verfolgt. Den Angeklagten gelang es, einen kleinen Teil der Getränkedosen in einen Plastikbeutel umzupacken. Dabei wurden sie von der Zeugin gestört. Sie rannten davon, wobei N. den mit den Dosen gefüllten Plastikbeutel trug. Als er strauchelte, ließ er den Plastikbeutel fallen. Die Zeugin hatte sich ihm unterdessen bis auf zwei Meter genähert. Der Angeklagte N. ergriff eine Getränkedose und warf sie „nicht sonderlich kräftig“ in Richtung der Zeugin, wobei er zumindest billigend in Kauf nahm, sie zu treffen und zu verletzen. Der Zeugin gelang es, dem Wurf auszuweichen. Die gefüllte Getränkedose flog „in Beinhöhe“ in etwa einem halben Meter Abstand an ihr vorbei. Nach der wenig später erfolgten Festnahme der Angeklagten wurde auf deren Fluchtweg ein Baseballschläger aufgefunden.
- 10
- bb) Das Landgericht hat zwar rechtsfehlerfrei eine räuberische Beutesicherungsabsicht verneint. Zu Unrecht gelangt es im Rahmen der rechtlichen Würdigung aber zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für einen Diebstahl mit Waffen gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB nicht vorliegen. Es geht dabei davon aus, dass der Baseballschläger dem Angeklagten S. zuzuordnen ist und er ihn auch – wahrscheinlich im Rucksack des Angeklagten N. , den er während der Tatausführung trug, – bei sich hatte (UA S. 73). Es lasse sich jedoch im Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zweifelsfrei nachweisen , dass der Angeklagte S. überhaupt eine Gelegenheit gehabt habe, den Baseballschläger einzusetzen.
- 11
- Für das Beisichführen im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB ist indes nicht maßgeblich, ob der Täter in der konkreten Tatsituation eine Gelegenheit zum Einsatz des gefährlichen Werkzeugs hat oder sich dies nach seinem Tatplan vorstellt. Erforderlich und genügend ist vielmehr, dass er das gefährliche Werkzeug zu irgendeinem Zeitpunkt des Tatherganges derart bei sich hat, dass er sich seiner jederzeit bedienen kann (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 1959 – 5 StR 377/59, BGHSt 13, 259, 260). In subjektiver Hinsicht ist notwendig, dass der Täter den Gegenstand bewusst gebrauchsbereit bei sich führt (vgl. BGH, Beschluss vom 27. September 2002 – 5 StR 117/02, NStZRR 2003, 12). Dass beides der Fall war, liegt nach den Feststellungen nahe.
- 12
- cc) Allerdings ist die Beweiswürdigung des Landgerichts, auf deren Grundlage es die Zuordnung des Baseballschlägers zum Angeklagten S. vornimmt , rechtsfehlerhaft. Es stützt sich maßgeblich auf DNA-Spuren des Angeklagten an dem Schläger, ohne den Darlegungsanforderungen zum DNAGutachten durch eine biostatistische Wahrscheinlichkeitsaussage zu genügen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 28. August 2018 – 5 StR 50/17, BGHSt 63, 187, 189 mwN).
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- b) Die Aufhebung der Schuldsprüche im Fall 3 bedingt den Wegfall der insoweit verhängten Einzelstrafen sowie die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafen und betreffend den Angeklagten N. des Ausspruchs über die Dauer des Vorwegvollzugs eines Teils der Gesamtfreiheitsstrafe vor dem Maßregelvollzug. Die – mit Ausnahme derjenigen zur Zuordnung des Baseballschlägers – rechtsfehlerfreien Feststellungen können bestehen bleiben und dürfen um ihnen nicht widersprechende ergänzt werden.
Berger Mosbacher
Annotations
(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.
(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.
(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.
(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.
(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.
(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.