Bundesgerichtshof Urteil, 28. Aug. 2012 - 5 StR 295/12
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
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- Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Körperverletzung , der gefährlichen Körperverletzung sowie der Beleidigung freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision wendet sich der Angeklagte gegen die Anordnung der Maßregel gemäß § 63 StGB. Das Rechtsmittel hat im Wesentlichen Erfolg.
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- 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts leidet der Angeklagte seit langen Jahren an einer paranoiden Schizophrenie mit schweren inhaltlichen und formalen Denkstörungen, Beeinträchtigung der Realitätswahrnehmung und hirnorganischen Leistungsminderungen. Bereits im Jahre 2003 diagnostizierte ein aus Anlass eines Ermittlungsverfahrens erstelltes foren- sisch-psychiatrisches Gutachten bei ihm eine „chronifiziert paranoide Psy- chose aus dem schizophrenen Formenkreis“.Seit jenem Jahr steht der An- geklagte aufgrund seiner Erkrankung unter Betreuung, die „zwischenzeitlich für alle Lebensbereiche bestimmt und zudem mit einem generellen Einwilli- gungsvorbehalt versehen“ ist (UA S. 4).
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- 2. Im Zustand der krankheitsbedingten Schuldunfähigkeit beging der Angeklagte folgende Taten:
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- Am 26. Mai 2009 kam es an einem bekannten Randständigentreff in St. Ingbert zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen H. . Als der Zeuge die Auseinandersetzung mit schlichtenden Worten beenden wollte, nahm der Angeklagte zwei volle Bierflaschen und schlug damit in Richtung des Kopfes des Zeugen. Eine der Flaschen traf den Zeugen am Hinterkopf und zerbrach. Der Zeuge erlitt eine blutende Kopfverletzung (Tat 1). Die im Anschluss an diesen Vorfall erschienenen Polizeibeamten beschimpfte der Angeklagte mit beleidigenden Worten (Tat 2).
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- Am 7. Dezember 2009 geriet der Angeklagte an einem anderen Randständigentreff in St. Ingbert mit dem Zeugen W. in Streit. Der Angeklagte schubste den stark alkoholisierten W. zunächst gegen ein Geländer, so dass dieser zu Boden fiel. Danach trat er den am Boden Liegenden noch mindestens einmal in den Bauch und zweimal ins Gesicht. Der Geschädigte erlitt einen Nasenbeinbruch und eine Gehirnerschütterung (Tat 3).
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- 3. Die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
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- Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme , die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Be- troffenen darstellt und daher nur unter sorgfältiger Beachtung der gesetzlichen Voraussetzungen angeordnet werden darf. Dies gilt auch für die Feststellung der tatsächlichen Voraussetzungen der Gefährlichkeitsprognose (BGH, Beschluss vom 8. November 2006 – 2 StR 465/06, NStZ-RR 2007, 73). Deshalb ist es grundsätzlich erforderlich, dass in die Prüfung länger währende Straffreiheit als gewichtiges Indiz gegen die Wahrscheinlichkeit künftiger gefährlicher Straftaten in die Prognoseentscheidung einzubeziehen ist (BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2011 – 5 StR 422/11, NStZ-RR 2012, 107).
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- Das Landgericht stellt hier nur die Anlasstaten dar, verhält sich im Übrigen aber nicht zum delinquenten Vorleben des Angeklagten. Weder werden die gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahren näher benannt noch deren Ausgang mitgeteilt. Es wird lediglich ausgeführt, dass gegen den Angeklagten im Jahre 2004 ein Verfahren wegen Schuldunfähigkeit gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde, ohne aber auch hier die Umstände der Tat zu schildern. Ebenso wird nicht dargelegt, wie sich der Angeklagte, der bis zu seiner Aburteilung nicht nach § 126a StPO vorläufig untergebracht war, im Nachgang zu den Anlasstaten verhalten und ob er gegebenenfalls strafrechtlich relevante und gefährliche Handlungen begangen hat.
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- Im Hinblick darauf, dass der nicht vorbestrafte 53-jährige Angeklagte hier nur wegen zweier im Bereich der mittleren Kriminalität angesiedelter Taten in Erscheinung getreten ist, ist die Begründung der Strafkammer für die Prognoseentscheidung zu seiner Gefährlichkeit unzulänglich. Sie hätte die Zeiträume nicht unerörtert lassen dürfen, in denen der Angeklagte unauffällig geblieben ist (BGH, Urteil vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10 Rn. 11, NStZ-RR 2011, 240, 241). Dies liegt aber für den zweijährigen Zwischenraum zwischen Tatbegehung und der Hauptverhandlung nahe, dem für die Gefährlichkeitsprognose naturgemäß ein erhebliches Gewicht zukommt (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2011 – 5 StR 422/11, NStZ-RR 2012, 107). Allein der zeitlich nicht näher eingegrenzte Hinweis, der Angeklagte sei Mitglied der Randständigenszene in St. Ingbert und es komme dort öfters zu polizeilichen Einsätzen unter anderem wegen Körperverletzungen, an denen der Angeklagte beteiligt war, belegt in diesem Zusammenhang nicht das Gegenteil. Es bleibt nämlich offen, ob der Angeklagte überhaupt von sich aus aggressiv geworden und gegebenenfalls in welchem Umfang dies geschehen ist.
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- 3. Die von dem Rechtsfehler unberührt gebliebenen Feststellungen zu den Anlasstaten können aufrechterhalten bleiben. Dagegen bedarf die Frage seiner Gefährlichkeit nochmals umfassender Prüfung. Soweit der neue Tatrichter erneut die Voraussetzungen des § 63 StGB bejahen sollte, wird unter Würdigung des Verhaltens des Angeklagten in der seit Ende November 2011 vollzogenen vorläufigen Unterbringung zu prüfen sein, ob die Maßregel nach § 67b StGB zur Bewährung ausgesetzt werden kann.
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Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.
(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.
(1) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, daß jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder verminderten Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 des Strafgesetzbuches) begangen hat und daß seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt angeordnet werden wird, so kann das Gericht durch Unterbringungsbefehl die einstweilige Unterbringung in einer dieser Anstalten anordnen, wenn die öffentliche Sicherheit es erfordert.
(2) Für die einstweilige Unterbringung gelten die §§ 114 bis 115a, 116 Abs. 3 und 4, §§ 117 bis 119a, 123, 125 und 126 entsprechend. Die §§ 121, 122 gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass das Oberlandesgericht prüft, ob die Voraussetzungen der einstweiligen Unterbringung weiterhin vorliegen.
(3) Der Unterbringungsbefehl ist aufzuheben, wenn die Voraussetzungen der einstweiligen Unterbringung nicht mehr vorliegen oder wenn das Gericht im Urteil die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt nicht anordnet. Durch die Einlegung eines Rechtsmittels darf die Freilassung nicht aufgehalten werden. § 120 Abs. 3 gilt entsprechend.
(4) Hat der Untergebrachte einen gesetzlichen Vertreter oder einen Bevollmächtigten im Sinne des § 1831 Absatz 5 und des § 1820 Absatz 2 Nummer 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches, so sind Entscheidungen nach Absatz 1 bis 3 auch diesem bekannt zu geben.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
(1) Ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt an, so setzt es zugleich deren Vollstreckung zur Bewährung aus, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, daß der Zweck der Maßregel auch dadurch erreicht werden kann. Die Aussetzung unterbleibt, wenn der Täter noch Freiheitsstrafe zu verbüßen hat, die gleichzeitig mit der Maßregel verhängt und nicht zur Bewährung ausgesetzt wird.
(2) Mit der Aussetzung tritt Führungsaufsicht ein.