Bundesgerichtshof Urteil, 09. Okt. 2008 - 4 StR 354/08
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge, wegen Diebstahls in neun Fällen und wegen versuchten Diebstahls zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet; im Übrigen hat es ihn freigesprochen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Die Staatsanwaltschaft greift das Urteil mit ihrer ebenfalls auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision nur insoweit an, als das Landgericht eine besondere Schuldschwere im Sinne von § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB verneint hat.
I.
- 2
- Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen erkannte der unter anderem bereits zweimal wegen Totschlags zu langjährigen Haftstrafen verurteilte Angeklagte im Jahr 2006, dass er den Lebensstandard, den er insbesondere seiner Lebensgefährtin bieten wollte, mit seinem Einkommen nicht halten konnte. Zur Aufbesserung seiner desolaten finanziellen Situation beging er in der Zeit von August bis November 2006 zehn Einbruchsdiebstähle in Filialen der Firma D. , wobei es in einem Fall beim Versuch blieb. Mit Hilfe von Nachschlüsseln verschaffte er sich Zutritt zu den Filialen und erbeutete in acht Fällen unter Aufhebeln der Tresore die Tageseinnahmen von insgesamt etwa 16.000 Euro; in einem Fall entwendete er ein technisches Gerät.
- 3
- Wegen der wiederholten Diebstahlstaten änderte die geschädigte Firma die Anweisungen über die Aufbewahrung der Tageseinnahmen, so dass der Angeklagte zweimal keinen Zugriff auf das Geld hatte. Deswegen nahm er vor der nächsten, für die Nacht vom 9. zum 10. Dezember 2006 geplanten Tat vor Ladenschluss Kontakt zu der letzten Mitarbeiterin in der Essener Filiale auf, um den Ablageort der Tageseinnahmen auszukundschaften. Bei dem Gespräch mit S. M. , die ihn als "Hausmeister" des Unternehmens kannte und daher kein Misstrauen hegte, erfuhr er, dass sie entsprechend der ihr erteilten Weisung das Geld mit nach Hause nehmen wollte, um es am nächsten Tag bei der Bank einzuzahlen. Da der Angeklagte die Tageseinnahmen um jeden Preis an sich bringen wollte, strangulierte er S. M. mit einem Drosselwerkzeug bis der Tod eintrat. Nachdem er den Leichnam in den Keller gebracht und Spu- ren verwischt hatte, entfernte er sich mit den Tageseinnahmen von rund 3.040 Euro.
- 4
- Hinsichtlich der Tat zum Nachteil von S. M. hat das Landgericht einen Mord aus Habgier und tateinheitlich einen Raub mit Todesfolge bejaht , das Mordmerkmal der Ermöglichungs- oder Verdeckungsabsicht hat es dagegen nicht angenommen. Bei neun der Diebstahlstaten hat es festgestellt, dass der Angeklagte die Taten jeweils unter den in § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 StGB genannten Voraussetzungen begangen hat, wobei es in einem Fall beim Versuch geblieben ist; in einem weiteren Fall hat es nur die Voraussetzungen des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StGB angenommen.
II.
- 5
- Die Revision des Angeklagten erweist sich als unbegründet, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben hat. Insbesondere ist die Beweiswürdigung aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
III.
- 6
- Die Revision der Staatsanwaltschaft, die, auch wenn die Bejahung eines weiteren Mordmerkmals in Betracht kommt, zulässig auf die Frage der Schuldschwere beschränkt ist (vgl. BGHSt 41, 57, 61; BGH, Urteil vom 12. Februar 1998 - 4 StR 617/97 = NStZ 1998, 352 f.), hat dagegen Erfolg. Die Ablehnung der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld im Sinne des § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
- 7
- Die Entscheidung der Frage, ob die besondere Schwere der Schuld zu bejahen ist, hat der Tatrichter unter Abwägung der im Einzelfall für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände zu treffen (vgl. BGHSt 40, 360, 370; 41, 57, 62; 42, 226, 227). Dem Revisionsgericht ist bei der Nachprüfung der tatrichterlichen Wertung eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle versagt ; insbesondere ist es gehindert, seine Wertung an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen. Es hat jedoch zu prüfen, ob der Tatrichter alle maßgeblichen Umstände bedacht und rechtsfehlerfrei abgewogen hat (vgl. BGHSt 40, 360, 370). Dieser Prüfung hält die von der Revisionsführerin beanstandete tatrichterliche Entscheidung nicht stand.
- 8
- Bei der Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe sind nach § 57 b StGB Anknüpfungspunkt für die Prüfung der besonderen Schuldschwere regelmäßig sämtliche der Gesamtstrafe zu Grunde liegenden Taten (vgl. BGH NStZ 1997, 277 mit Anm. Stree; NStZ 1998, 352 f.; BGH, Urteil vom 8. August 2001 - 3 StR 162/01). Diesen rechtlichen Ansatz hat das Landgericht verkannt, indem es bei der Entscheidung über die Schuldschwere allein eine zusammenfassende Würdigung der Tat zum Nachteil von S. M. , nicht aber eine Gesamtwürdigung im Hinblick auf alle der Gesamtstrafe zugrunde liegenden Straftaten vorgenommen hat. Der Senat vermag nicht auszuschließen , dass sich die unterbliebene Gesamtwürdigung auf die Beurteilung der Schuldschwere durch das Landgericht ausgewirkt hat. Dies wäre beispielsweise dann auszuschließen, wenn es sich bei den weiteren Straftaten um solche handeln würde, die der leichten Kriminalität zuzurechnen wären; solche Taten sind regelmäßig für die Entscheidung über die besondere Schwere der Schuld ohne Bedeutung (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 137 zu einem Verstoß gegen das Ausländergesetz). Um derartige Taten handelt es sich hier aber nicht, denn es wurden immerhin Einzelstrafen von viermal einem Jahr, einmal zehn Monaten und fünfmal acht Monaten verhängt. Sie stehen zudem mit dem ausgeurteilten Mord in einem inneren Zusammenhang. Ein weiterer Rechtsfehler liegt darin, dass das Landgericht den Umstand, dass der Angeklagte zur Tatzeit unter Bewährung stand, nicht erkennbar in seine Gesamtwürdigung einbezogen hat.
- 9
- Entgegen der Ansicht der Revisionsführerin ist dagegen rechtlich nicht zu beanstanden, dass sich das Landgericht auf den Standpunkt gestellt hat, auch das Vorliegen eines weiteren Mordmerkmals - Ermöglichungs- oder Verdeckungsabsicht - würde im vorliegenden Fall nicht zur Annahme der besonderen Schwere der Schuld führen. Das Zusammentreffen zweier Mordmerkmale führt nicht schematisch zur Bejahung der besonderen Schuldschwere, sondern nur dann, wenn das weitere Merkmal im konkreten Fall schulderhöhende Umstände aufzeigt. Bei einem Raubmord kann die regelmäßig gleichzeitige Verwirklichung der Mordmerkmale der Habgier und des Ermöglichen einer Straftat der Tat nicht ohne weiteres ein besonders schulderhöhendes Gewicht geben (vgl. BGHR StGB § 57 a Abs. 1 Schuldschwere 16, 18).
- 10
- Dass das Landgericht nicht ausdrücklich auf den tateinheitlich begangenen Raub mit Todesfolge eingegangen ist, stellt ebenfalls keinen Rechtsfehler dar, denn beim Zusammentreffen von Raub mit Todesfolge und Mord aus Habgier ist das Unrecht, das in der Herbeiführung des Todes liegt, bereits Gegenstand des Schuldspruchs nach § 211 StGB (vgl. BGHR StGB § 57 a Abs. 1 Schuldschwere 10; insoweit nicht in BGHSt 39, 208 f. abgedruckt).
- 11
- Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Verneinung der besonderen Schwere der Schuld auf den aufgezeigten Rechtsfehlern beruht. Die Sache bedarf daher insoweit erneuter Entscheidung. Eine Aufhebung der Feststellungen war nicht erforderlich, weil diese von den Rechtsfehlern nicht betroffen sind. Ergänzende Feststellungen bleiben zulässig. Tepperwien Kuckein Athing Solin-Stojanović Ernemann
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(1) In besonders schweren Fällen wird der Diebstahl mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
- 1.
zur Ausführung der Tat in ein Gebäude, einen Dienst- oder Geschäftsraum oder in einen anderen umschlossenen Raum einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in dem Raum verborgen hält, - 2.
eine Sache stiehlt, die durch ein verschlossenes Behältnis oder eine andere Schutzvorrichtung gegen Wegnahme besonders gesichert ist, - 3.
gewerbsmäßig stiehlt, - 4.
aus einer Kirche oder einem anderen der Religionsausübung dienenden Gebäude oder Raum eine Sache stiehlt, die dem Gottesdienst gewidmet ist oder der religiösen Verehrung dient, - 5.
eine Sache von Bedeutung für Wissenschaft, Kunst oder Geschichte oder für die technische Entwicklung stiehlt, die sich in einer allgemein zugänglichen Sammlung befindet oder öffentlich ausgestellt ist, - 6.
stiehlt, indem er die Hilflosigkeit einer anderen Person, einen Unglücksfall oder eine gemeine Gefahr ausnutzt oder - 7.
eine Handfeuerwaffe, zu deren Erwerb es nach dem Waffengesetz der Erlaubnis bedarf, ein Maschinengewehr, eine Maschinenpistole, ein voll- oder halbautomatisches Gewehr oder eine Sprengstoff enthaltende Kriegswaffe im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes oder Sprengstoff stiehlt.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1 bis 6 ist ein besonders schwerer Fall ausgeschlossen, wenn sich die Tat auf eine geringwertige Sache bezieht.
(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn
- 1.
zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind, - 2.
dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und - 3.
die verurteilte Person einwilligt.
(2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn
- 1.
die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder - 2.
die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,
(3) Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers.
(4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3.
(5) Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(6) Das Gericht kann davon absehen, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn die verurteilte Person unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib von Gegenständen macht, die der Einziehung von Taterträgen unterliegen.
(7) Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag der verurteilten Person, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.
(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.
(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn
- 1.
zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind, - 2.
dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und - 3.
die verurteilte Person einwilligt.
(2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn
- 1.
die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder - 2.
die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,
(3) Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers.
(4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3.
(5) Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(6) Das Gericht kann davon absehen, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn die verurteilte Person unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib von Gegenständen macht, die der Einziehung von Taterträgen unterliegen.
(7) Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag der verurteilten Person, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.