Bundesgerichtshof Urteil, 11. Okt. 2018 - 4 StR 274/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. Oktober 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Franke, Dr. Quentin, Dr. Feilcke als beisitzende Richter,
Erster Staatsanwalt – in der Verhandlung –, Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof – bei der Verkündung – als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
2. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubten Handeltrei- bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitsichführung eines Gegenstandes, der seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt ist“ (zur Tenorierung bei einer Verurteilung nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 2017 – 4 StR 334/16, NStZ-RR 2017, 117; Beschluss vom 3. Februar 2015 – 3 StR 632/14, NStZ-RR 2015, 144 [Ls]) in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten und auf die Sachrüge gestützten Revision wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen den Strafausspruch, insbesondere gegen die Annahme minder schwerer Fälle nach § 30a Abs. 3 BtMG durch das Landgericht. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
- 2
- 1. Gegenstand der Verurteilung sind sieben Taten des bewaffneten Handeltreibens mit Amphetamin durch den Angeklagten im Zeitraum zwischen Anfang 2015 und dem 12. Juni 2016. Im Fall B. I. der Urteilsgründe handelte der Angeklagte in 29 Teilakten mit insgesamt 6.500 Gramm Amphetamin mit einer Wirkstoffmenge von 455 Gramm Amphetaminbase, in den Fällen B. II. bis VII. jeweils mit 200 Gramm Amphetamin mit Wirkstoffmengen zwischen 14 und 24,2 Gramm Amphetaminbase. In sämtlichen Fällen verbrachte der Angeklagte das Amphetamin nach dessen Ankauf in die von ihm mitbenutzte Wohnung des früheren Mitangeklagten M. , portionierte es dort und verkaufte es anschließend gewinnbringend weiter. In dieser Wohnung befanden sich griffbereit unter anderem ein Baseballschläger, zwei Macheten und diverse Messer, die jeweils im Eigentum des M. standen, sowie ein dem Angeklagten selbst gehörendes Messer. Der Angeklagte, der an multipler Sklerose leidet, veräußerte das Amphetamin in sämtlichen Fällen außerhalb der Wohnung.
- 3
- Das Landgericht hat bei allen sieben Taten den Strafrahmen eines minder schweren Falles des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 30a Abs. 3 BtMG angewandt und auf Einzelfreiheitsstrafen von jeweils zehn Monaten (Fälle B. II. bis VII.) sowie – unter Berücksichtigung der Sperrwirkung des § 29a Abs. 1 BtMG – von einem Jahr und acht Monaten (Fall B. I.) erkannt.
- 4
- 2. Das wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft deckt keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Vor- oder Nachteil des Angeklagten (§ 301 StPO) auf.
- 5
- a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349). Diese Maßstäbe gelten auch für die dem Tatgericht obliegende Prüfung, ob ein minder schwerer Fall vorliegt. Bei der dabei gebotenen Gesamtwürdigung obliegt es dem pflichtgemäßen Ermessen des Tatgerichts, welches Gewicht es den einzelnen Milderungsgründen im Verhältnis zu den Erschwerungsgründen beimisst; seine Wertung ist vom Revisionsgericht nur begrenzt nachprüfbar (vgl. BGH, Urteile vom 29. August 2001 – 2 StR 276/01, StV 2002, 20; vom 14. Dezember 2016 – 2 StR 338/16, Rn. 8).
- 6
- b) Hieran gemessen halten sowohl die Strafrahmenwahl als auch die konkrete Strafzumessung des Landgerichts rechtlicher Nachprüfung stand. Die Einwände der Staatsanwaltschaft dringen nicht durch.
- 7
- aa) Soweit das Landgericht bei der Strafzumessung das vom Angeklag- ten gehandelte Amphetamin als eine „sogenannte weiche Droge mit einem nicht so erheblichen Missbrauchspotential“ bezeichnet hat (UA S. 15), schließt der Senat aus, dass die Strafzumessung auf einer rechtlich bedenklichen Gefährlichkeitseinstufung von Amphetamin beruht (zum Stufenverhältnis von sogenannten harten Drogen wie Heroin, Fentanyl, Kokain und Crack über Amphetamin , das auf der Gefährlichkeitsskala einen mittleren Platz einnimmt, bis hin zu sogenannten weichen Drogen wie Cannabis vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 14. Juni 2017 – 3 StR 97/17, Rn. 13 [insofern nicht abgedruckt in NStZ-RR 2017, 310]; vom 15. Juni 2016 – 1 StR 72/16, NStZ 2016, 614, 615; vom 26. März 2014 – 2 StR 202/13, Rn. 20).
- 8
- Abgesehen davon, dass die von der Beschwerdeführerin beanstandete Erwägung für das von Amphetamin ausgehende Suchtpotential bereits für sich genommen eine Relativierung enthält, da dessen Beschreibung als „nicht so erheblich“ ersichtlich die Abgrenzung zu sogenannten harten Drogen zum Aus- druck bringen sollte, das Landgericht das Amphetamin demnach schon nicht uneingeschränkt unter den Begriff „weiche Droge“ eingeordnetund überdies in diesem Zusammenhang dessen geringe Qualität hervorgehoben hat, hat es sowohl bei der Begründung der Strafrahmenwahl als auch bei der Zumessung der Strafen im engeren Sinne eine Vielzahl gewichtiger Strafmilderungsgesichtspunkte , unter anderem die bisherige Unbestraftheit des Angeklagten, sein umfassendes Geständnis, den Umstand, dass der Betäubungsmittelhandel stets außerhalb der Wohnung und damit ohne Zugriffsmöglichkeit auf die dort befindlichen gefährlichen Gegenstände stattfand, sowie seine schwere Erkrankung in Ansatz gebracht. Es hat zudem deutlich gemacht, dass insbesondere das vom Angeklagten abgelegte Geständnis, seine Unbestraftheit und – in Bezug auf § 30a Abs. 3 BtMG – die Tatsache, dass sämtliche An- und Verkaufsgeschäfte außerhalb der Wohnung stattfanden, mithin hinsichtlich eines Waffeneinsatzes nur eine abstrakte, nicht aber eine konkrete Gefahr bestand, für die jeweilige Strafrahmenwahl sowie die Bemessung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe von Bedeutung waren. In Ansehung dieser Umstände liegt es fern, dass sich die von der Beschwerdeführerin beanstandete Erwägung bei der Strafzumessung zum Vorteil des Angeklagten ausgewirkt hat.
- 9
- bb) Der Senat schließt ferner aus, dass das Landgericht bei der Strafzumessung die gehandelte Gesamtmenge – insbesondere im Fall B. I. der Urteilsgründe die in 29 Teilakten an- und verkaufte Menge von insgesamt 6.500 Gramm Amphetamin – aus dem Blick verloren hat. Dies ergibt sich schon daraus, dass es die jeweiligen Wirkstoffmengen unter Zugrundelegung der jeweils gehandelten Menge errechnet und diese sodann ins Verhältnis zum Grenzwert der nicht geringen Menge, der im Fall von Amphetamin bei zehn Gramm Amphetaminbase liegt, gesetzt hat.
- 10
- cc) Nicht zu beanstanden ist schließlich, dass das Landgericht dem festgestellten gewerbsmäßigen Handeln des Angeklagten im Sinne des § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG bei der Strafzumessung kein bestimmendes Gewicht beigemessen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 17. September 1993 – 4 StR 509/93, NStZ 1994, 39).
Quentin Feilcke
moreResultsText
moreResultsText
Annotations
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.
(2) Ebenso wird bestraft, wer
- 1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.
(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer
- 1.
als Person über 21 Jahre Betäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.
(2) Ebenso wird bestraft, wer
- 1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.
(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
- 1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft, - 2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt, - 3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein, - 4.
(weggefallen) - 5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt, - 6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel - a)
verschreibt, - b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
- 6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt, - 6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht, - 7.
entgegen § 13 Absatz 2 - a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke, - b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
- 8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt, - 9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen, - 10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet, - 11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt, - 12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind, - 13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt, - 14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.
(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
- 1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt, - 2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.
(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.
(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.
(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.