Bundesgerichtshof Urteil, 25. Sept. 2013 - 2 StR 56/13

published on 25/09/2013 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 25. Sept. 2013 - 2 StR 56/13
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 56/13
vom
25. September 2013
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
25. September 2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer
und die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Schmitt,
Prof. Dr. Krehl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
der Richter am Bundesgerichtshof
Zeng,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung,
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Meiningen vom 1. Oktober 2012
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte im Fall II.3 der Urteilsgründe der falschen Verdächtigung schuldig ist;
b) im Strafausspruch im Fall II.3 der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung , Missbrauch von Notrufen in Tateinheit mit Vortäuschung einer Straftat und Betrug zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Außerdem hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die Revisi- on des Angeklagten hat den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg, im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet.

I.

2
Nach den Feststellungen der Schwurgerichtskammer ist der Angeklagte seit Jahren alkoholabhängig. Alkoholentzug führt bei dem Angeklagten zu Krampfanfällen, gegen die er Tabletten einnehmen muss. Eine im Jahr 1995 bis 1996 durchgeführte neunmonatige Alkoholentziehungstherapie hielt er nicht durch; außerdem hat er ca. sechs bis sieben Entgiftungsbehandlungen für jeweils zwei Wochen durchgeführt. Der Angeklagte ist erheblich vorbestraft, darunter sind auch Verurteilungen wegen Vollrauschs.
3
In der Zeit zwischen dem 10. Juli 2011 und dem 5. Januar 2012 kam es zu folgenden Straftaten:
4
1. Am 10. Juli 2011 schlug der stark angetrunkene Angeklagte gegen 1.00 Uhr im Garten seines Bruders dem Geschädigten St. mit einem aus Holz und Eisen bestehenden Gartenstuhl mit einem Gewicht von 8 kg aufden Kopf. Durch den Schlag erlitt der Geschädigte ein Schädel-Hirn-Trauma 1. Grades, eine ca. 5 cm große Platzwunde am Hinterkopf sowie eine 5 cm große Wunde am linken Oberschenkel. Das Landgericht ist davon ausgegangen , dass der Angeklagte aufgrund seines Alkoholproblems und seiner affektiven Erregung - er reagiert unter Alkoholeinfluss extrem eifersüchtig und hat Angst, dass ihn seine Lebensgefährtin verlassen könnte - in seiner Steuerungsfähigkeit nicht ausgeschlossen erheblich vermindert gewesen sei.
5
2. Am 16. September 2011 buchte der Angeklagte im Hotel " " in E. unter Vorspiegelung von Zahlungsfähigkeit und -willigkeit ein Hotelzimmer für zwei Übernachtungen. Nachdem er im Gesamtwert von 21,60 Euro gegessen und getrunken hatte, ohne zu bezahlen, ging er in das Hotelzimmer, in dem ihn die Polizei später vorfand. Er war erheblich alkoholisiert, allerdings nicht erheblich in seiner Steuerungsfähigkeit eingeschränkt.
6
3. Am 5. Januar 2012 wählte der Angeklagte unter starker alkoholischer Beeinflussung gegen 23.15 Uhr den Notruf 110 der Polizei in E. und teilte wahrheitswidrig dem diensthabenden Beamten mit, er sei soeben von seiner Lebensgefährtin in deren Wohnung geschlagen worden. Sein Ziel war es, mithilfe der Polizei in die besagte Wohnung zu gelangen, in der er seine Wohnungsschlüssel und sein Geld vergessen hatte. Dies gelang nicht. Die Polizeibeamten erteilten ihm einen Platzverweis, nachdem der Angeklagte nach deren Eintreffen immer lauter wurde und ein vernünftiges Gespräch nicht zustande kam. Ein durchgeführter Atemalkoholtest ergab einen Wert von 2,4 Promille. Die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten sah die Strafkammer dadurch nicht erheblich vermindert.

II.

7
Die Revision des Angeklagten führt nach Änderung des Schuldspruchs zur Aufhebung im Strafausspruch im Fall II.3 sowie im Gesamtstrafenausspruch ; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet.
8
1. Der Schuldspruch, der im Übrigen nicht zu beanstanden ist, war im Fall II.3 der Urteilsgründe zu berichtigen. Nach den getroffenen Feststellungen hat sich der geständige Angeklagte wegen falscher Verdächtigung nach § 164 StGB, der § 145 d StGB verdrängt, strafbar gemacht. § 265 StPO steht nicht entgegen.
9
2. Die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs führt zur Aufhebung des Strafausspruchs im Fall II.3 sowie des Gesamtstrafenausspruchs; ansonsten werden Rechtsfehler nicht aufgedeckt.
10
Bei der Strafbemessung im Fall II.3 ist das Landgericht wie im Fall II.2 sachverständig beraten zu der Überzeugung gelangt, dass die Voraussetzungen des § 21 StGB nicht gegeben seien. Dies stützt es auf die Überlegung, der Angeklagte habe nicht - wie im Fall II.1 - spontan und aus einer inneren Erregung heraus gehandelt, sei trinkgewohnt und habe zudem einen längeren Zeitraum für Überlegungen zur Verfügung gehabt. Damit allerdings wird der festgestellte Sachverhalt nicht ausgeschöpft. Ein Atemalkoholtest hat bei dem Angeklagten zu einem Wert von 2,4 Promille geführt. Er wurde bei dem Gespräch mit den herbeigerufenen Polizeibeamten immer lauter, ein vernünftiges Gespräch mit ihm kam nicht zustande. Diese Hinweise auf ein deutlich eingeschränktes Leistungsverhalten bei dem Angeklagten hätte die Kammer im Rahmen ihrer anzustellenden Gesamtwürdigung neben den von ihnen angeführten Gesichtspunkten ebenso berücksichtigen müssen wie den Umstand, dass der Plan des Angeklagten, mithilfe der Polizei in die Wohnung seiner Lebensgefährtin zu gelangen , schon angesichts der dieser mitgeteilten Vorgeschichte von vornherein zum Scheitern verurteilt war und insoweit womöglich auf einer alkoholbedingten Fehleinschätzung der Situation beruhen könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 20. August 2013 - 5 StR 352/13). Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei einer alle Umstände umfassenden Gesamtwürdigung zu einer Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit gelangt wäre, diese jedenfalls nicht ausgeschlossen hätte und infolgedessen zu einer geringeren Strafe, womöglich sogar lediglich zu einer Geldstrafe, gelangt wäre.
11
Die Aufhebung des Einzelstrafausspruchs im Fall II.3 zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich. Fischer Schmitt Krehl RinBGH Dr. Ott ist aus tatsächlichen Gründen an der Unterschrift gehindert. Fischer Zeng
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Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

(1) Wer einen anderen bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger oder militärischen Vorgesetzten oder öffentlich wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat oder der Verletzung einer Dienstpflicht in der Abs
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Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

(1) Wer einen anderen bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger oder militärischen Vorgesetzten oder öffentlich wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat oder der Verletzung einer Dienstpflicht in der Abs
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published on 20/08/2013 00:00

5 StR 352/13 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 20. August 2013 in der Strafsache gegen wegen besonders schweren Raubes Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. August 2013 beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urtei
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Annotations

(1) Wer einen anderen bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger oder militärischen Vorgesetzten oder öffentlich wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat oder der Verletzung einer Dienstpflicht in der Absicht verdächtigt, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer in gleicher Absicht bei einer der in Absatz 1 bezeichneten Stellen oder öffentlich über einen anderen wider besseres Wissen eine sonstige Behauptung tatsächlicher Art aufstellt, die geeignet ist, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen.

(3) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer die falsche Verdächtigung begeht, um eine Strafmilderung oder ein Absehen von Strafe nach § 46b dieses Gesetzes, § 31 des Betäubungsmittelgesetzes oder § 4a des Anti-Doping-Gesetzes zu erlangen. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.