Bundesgerichtshof Urteil, 07. Feb. 2001 - 2 StR 487/00
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Gründe:
I.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen sowie wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen in weiteren sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung dieser Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, die wirksam auf den Strafausspruch beschränkt wurde. Mit der Sachrüge wird die Strafzumessung als zu Gunsten des Angeklagten rechtsfehlerhaft angegriffen. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.II.
Anlaß zur Erörterung gibt nur der Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe. Der Tatrichter hat bei der Gesamtstrafenbildung ausgeführt: "Unter nochmaliger zusammenfassender Würdigung aller Taten und der Täterpersönlichkeit hält die Kammer somit eine Erhöhung der Einsatzstrafe um die Hälfte der Summe der weiteren Einzelstrafen für angemessen. Dies ergäbe eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und einem Monat (richtig: zwei Jahre und drei Monate). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist in Fällen, in denen die Strafe nur geringfügig über der Bewährungsgrenze liegt, besonders zu prüfen, ob eine Bewährung in Betracht käme und, wenn dies der Fall ist, ob eine Absenkung der Gesamtstrafe bis auf zwei Jahre verantwortet werden kann". Nach Erörterung der Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 des § 56 StGB kommt die Kammer zu dem Ergebnis: "Angesichts des Umstandes, daß die von der Kammer für angemessen erachtete Gesamtstrafe nur einen Monat (richtig: drei Monate) über der Grenze liegt, die noch eine Bewährung zuläßt, erscheint es verantwortbar, die Gesamtstrafe noch weiter abzusenken , um dem Angeklagten eine Bewährungsmöglichkeit einräumen zu können. Aus diesen Erwägungen heraus hat die Kammer letztlich auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren erkannt und diese zur Bewährung ausgesetzt." Diese Überlegungen sind rechtlich zu beanstanden. Es ist unzulässig die Gesamtstrafe auf Grund einer Rechenformel zu bilden. Insbesondere ist es rechtsfehlerhaft die Gesamtstrafe durch Erhöhung der Einsatzstrafe um die Hälfte der Summe der übrigen Einzelstrafen zu berechnen(vgl. u.a. G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung 2. Aufl. 1995 Rdn. 501). Jeder Schematismus ist der Gesamtstrafenbildung fremd (vgl. Stree in Schönke /Schröder, StGB 25. Aufl. § 54 Rdn. 17 m.w.N.). Gemäß § 54 Abs. 1 Satz 3 StGB sind vielmehr bei der Gesamtstrafenbildung die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend zu würdigen. Bei der zusammenfassenden Würdigung kommt es nicht so sehr auf die Summe der Einzelstrafen , sondern auf die angemessene Erhöhung der Einsatzstrafe unter Berücksichtigung der Person des Täters und seiner Taten an. Hierbei kann die Erhöhung der Einsatzstrafe niedriger ausfallen, wenn zwischen den einzelnen Taten ein enger zeitlicher, sachlicher und situativer Zusammenhang besteht. Das Landgericht ist bei seinen Überlegungen zur Gesamtstrafenbildung demgemäß rechtlich bedenklich von einer unzulässigen (im übrigen auch rechnerisch fehlerhaften) Rechenformel ausgegangen. Der Senat schließt im vorliegenden Fall jedoch aus, daß die konkret verhängte Strafe auf den bedenklichen Ausgangsüberlegungen des Tatrichters beruht. Die letztlich verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren wurde gerade nicht berechnet, sondern ist das Ergebnis einer umfassenden sachgerechten Gesamtwürdigung von Täterpersönlichkeit und den einzelnen Straftaten (§ 54 Abs. 1 Satz 3 StGB). Hierbei durfte gemäß § 46 Abs. 1 StGB den Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, Gewicht zukommen. Der Tatrichter wollte hier auch keineswegs eine unterhalb der Schuldangemessenheit liegende Strafe verhängen. Die Urteilsgründe in ihrer Gesamtheit machen vielmehr deutlich, daß die vom Tatrichter vorläufig für angemessen erachtete Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und einem Monat nur ein gedanklicher Zwischenschritt zur Findung der letztlich konkret für tat- und
schuldangemessen erachteten Strafe war. Die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe liegt innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums. Sowohl die Einzelstrafen als auch die Gesamtstrafe haben s ich (noch) nicht nach unten von ihrer Bestimmung gelöst, gerechter Schuldausgleich zu sein. Durchgreifende Rechtsfehler des angefochtenen Urteils zum Nachteil des Angeklagten - was gemäß § 301 StPO zu berücksichtigen ist - hat die Überprüfung durch den Senat nicht ergeben. Bode Detter Rothfuß Fischer Elf
moreResultsText
Annotations
(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.
(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.
(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.
(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.
(1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener Art durch Erhöhung der ihrer Art nach schwersten Strafe gebildet. Dabei werden die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt.
(2) Die Gesamtstrafe darf die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen. Sie darf bei zeitigen Freiheitsstrafen fünfzehn Jahre und bei Geldstrafe siebenhundertzwanzig Tagessätze nicht übersteigen.
(3) Ist eine Gesamtstrafe aus Freiheits- und Geldstrafe zu bilden, so entspricht bei der Bestimmung der Summe der Einzelstrafen ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.
Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.