Bundesgerichtshof Urteil, 01. Aug. 2018 - 2 StR 42/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 1. August 2018, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl, Dr. Eschelbach, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Bartel, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Grube,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit dem verbotenen Besitz einer unter Anlage 2 Abschnitt 1 Ziff. 1.3.2. zum Waffengesetz fallenden Stahlrute“ zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
- 2
- Die zuungunsten des Angeklagten eingelegte, auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte und auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
I.
- 3
- 1. Nach den Feststellungen betrieb der Angeklagte im Zeitraum von Oktober 2016 bis zum 22. Februar 2017 in einem größeren Gebäudekomplex in St. eine professionell eingerichtete Indoorplantage zur Aufzucht von Cannabispflanzen zum Zwecke der gewinnbringenden Weiterveräußerung von Pflanzen und Pflanzenteilen. Anlässlich der Durchsuchung des Anwesens am 22. Februar 2017 wurden insgesamt 982 Cannabispflanzen unterschiedlicher Wuchshöhe, abgeerntete Pflanzen und Pflanzenteile sowie zerhackte Cannabispflanzen mit einem Gewicht von über acht Kilogramm und einer Gesamtwirkstoffmenge von 410 Gramm THC sichergestellt. Darüber hinaus bewahrte der Angeklagte in einem als Büro genutzten Raum ein Luftdruckgewehr und in seinem Wohnzimmer, in welchem er neben drei Feinwaagen und Pflanzensamen auch zerhackte Cannabispflanzen lagerte, eine Stahlrute offen und zugriffsbereit auf der Lehne eines Sofas auf.
- 4
- 2. Das Landgericht hat die Tat als Verbrechen des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG gewertet; die Grenze zur nicht geringen Menge sei unter Berücksichtigung eines Sicherheitsabschlags von 9 Prozent um das nahezu 50fache überschritten. Im Rahmen der Strafzumessung hat es die Tat als einen minder schweren Fall im Sinne des § 30a Abs. 3 BtMG angesehen und hat unter Beachtung der Sperrwirkung des § 29a BtMG innerhalb eines Strafrahmens von einem Jahr bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe eine solche von drei Jahren und sechs Monaten als tat- und schuldangemessen angesehen.
II.
- 5
- Die Revision der Staatsanwaltschaft, die wirksam auf die Straffrage beschränkt ist und sich insbesondere gegen die Annahme eines minder schweren Falles des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge richtet, ist unbegründet. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Zuschrift ausgeführt: „Es ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden, dass das Landgericht einen minder schweren Fall angenommen und die Strafe dem Strafrahmen des § 30a Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 29a Abs. 1 BtMG entnommen hat. Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen , sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist dagegen ausgeschlossen. Dem Revisionsgericht ist es verwehrt, seine eigene Wertung an die Stelle des Tatgerichts zu setzen; vielmehr muss es die von ihm vorgenommene Bewertung bis an die Grenze des Vertretbaren hinnehmen (st. Rspr., zuletzt BGH, Urteil vom 24. Oktober 2017 – 1 StR 226/17 –, juris, Rn. 9 m.w.N.). An diesen revisionsrechtlichen Maßstäben gemessen hält die Bejahung eines minder schweren Falles rechtlicher Überprüfung stand. Die Strafkammer hat bei der Beurteilung, ob die Tat als minder schwerer Fall im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG zu werten ist, ersichtlich eine Gesamtabwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände vorgenommen. Wenn sie trotz der straferschwerenden Umstände das Vorliegen eines minder schweren Falles nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG bejaht hat, so hält sich dies im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens. Das gegenteilige Vorbringen der Revision zeigt keine Rechtsfehler auf, sondern erschöpft sich im Wesentlichen darin, eine eigene Bewertung an die Stelle der rechtsfehlerfreien Gesamtwürdigung der Strafkammer zu setzen. Soweit die Revision bestimmte Ausführungen zur professionellen Begehungsweise sowie den 'einschlägigen Vorkenntnissen und Erfahrungen des Angeklagten' im Rahmen der Strafzumessung vermisst (RB Bl. 3), ist dem entgegenzuhalten, dass der Tatrichter nicht sämtliche Strafzumessungsgründe, sondern nur die für die Strafe bestimmenden Umstände angeben muss (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO). Eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägun- gen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Was als wesentlicher Strafzumessungsgrund anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls vom Tatrichter zu entscheiden (st. Rspr.; vgl. nochmals BGH, Urteil vom 24. Oktober 2017 – 1 StR 226/17 –, juris, Rn. 14 m.w.N.). Dieselben Erwägungen gelten insoweit für die ausführlichen Darlegungen des Generalstaatsanwalts. Dass ein Geständnis nur dann als bestimmender Strafzumessungsgrund Berücksichtigung finden kann, wenn anderenfalls der Tatnachweis nicht oder zumindest nicht vollständig möglich gewesen wäre, findet in der Rechtsprechung des BGH keine Stütze. Vielmehr kann dem Geständnis eines Angeklagten eine strafmildernde Bedeutung nur abgesprochen werden, wenn es ersichtlich nicht aus einem echten Reue- und Schuldgefühl heraus abgegeben worden ist, sondern auf 'erdrückenden Beweisen' beruht (BGH, Beschluss vom 28. Januar 2014 – 4 StR 502/13 –, juris). Dies ist vorliegend jedoch nach den Urteilsgründen nicht der Fall; insbesondere hat die Kammer festgestellt, dass das Geständnis des Angeklagten von Reue geprägt war (UA S. 18). Dass das Landgericht die Einlassung des Angeklagten als teilweise widerlegt angesehen hat, tut dem keinen Abbruch. Gleiches gilt, soweit die Strafkammer die Tatsache, dass der Angeklagte auf die Herausgabe der Betäubungs- und Tatmittel verzichtet hat (UA S. 18), als Ausdruck von Reue strafmildernd berücksichtigt hat (vgl. Schäfer/Sander/Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Auflage 2017, Rn. 679). Dass die Gegenstände ansonsten der Einziehung unterlegen hätten (Stellungnahme des Generalstaatsanwalts Bl. 2), steht dem nicht entgegen. Die Strafkammer hat zutreffend gesehen, dass dem Luftgewehr aufgrund seiner technischen Beschaffenheit eine geringe objektive Gefährlichkeit, andererseits jedoch ein hohes Bedrohungspotential zukommt (UA S. 18); ein Widerspruch liegt darin nicht. Auch die übri- gen aufgeführten Gesichtspunkte hat das Landgericht ersichtlich und ganz überwiegend ausdrücklich in seine Strafzumessungserwägungen eingestellt. Mit dem Einwand, es hätte diese Gesichtspunkte zu Ungunsten des Angeklagten anders gewichten müssen, kann die Revision kei- nen Erfolg haben.“
- 6
- Diesen Ausführungen tritt der Senat bei. Appl Krehl Eschelbach Bartel Grube
moreResultsText
Annotations
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.
(2) Ebenso wird bestraft, wer
- 1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.
(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer
- 1.
als Person über 21 Jahre Betäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.
(2) Ebenso wird bestraft, wer
- 1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.
(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.
(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.
(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.
(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.
(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.
(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.
(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.