Bundesgerichtshof Urteil, 19. Apr. 2017 - 2 StR 290/16
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. April 2017, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl als Vorsitzender,
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Eschelbach, die Richterinnen am Bundesgerichtshof Dr. Bartel, Wimmer, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Grube,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger für den Angeklagten M. , Rechtsanwalt als Verteidiger für den Angeklagten K. ,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten M. wegen Betrugs unter Einbeziehung der Strafe aus der Verurteilung durch das Landgericht Mönchengladbach vom 26. Januar 2015 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Den Angeklagten K. hat es wegen Be- trugs unter „Einbeziehung“ der im Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 17. Mai 2015 gebildeten Gesamtstrafe und Einbeziehung der dort erkannten Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt.
- 2
- Die Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat Erfolg.
I.
- 3
- 1. Nach den Feststellungen errichteten die Angeklagten zusammen mit dem früheren Mitangeklagten H. nach einem gemeinsamen Tatplan eine Organisationsstruktur, mittels derer sie im Tatzeitraum zwischen Februar und Dezember 2011 Telefonverkäufer in Callcentern einsetzten, um potentiellen Anlegern telefonisch den vorbörslichen Erwerb von Aktien eines Schweizer Unternehmens , der E. AG, anzubieten. Bei der dem H. gehörenden E. AG handelte es sich um eine Vorratsgesellschaft, die nie eine Geschäftstätigkeit entfalten sollte und für die auch kein Börsengang geplant war. Die von den Angeklagten instruierten Telefonverkäufer, die sich unter Verwendung von Alias-Namen als Mitarbeiter eines international tätigen Finanzdienstleisters ausgaben, erklärten den Anlegern jedoch unter Herausstellung hoher Gewinnerwartungen bewusst wahrheitswidrig, dass die E. AG mit seltenen Erden aus China handele und an die Börse gehen werde.
- 4
- Die Anleger vertrauten auf die Angaben der Telefonverkäufer, unterschrieben deswegen Zeichnungsscheine der E. AG und überwiesen den vermeintlich fälligen Kaufpreis auf vom früheren Mitangeklagten H. eröffnete vermeintliche Treuhandkonten in der Schweiz. Einen Gegenwert in Form von Aktien erhielten die geschädigten Anleger nicht.
- 5
- Zwischen dem 8. Februar und 6. Dezember 2011 wurden auf diese Weise vier Anleger in 15 Fällen zur Zahlung von insgesamt 540.891 Euro auf die angeblichen Treuhandkonten veranlasst. Die eingezahlten Beträge wurden vom früheren Mitangeklagten H. abgehoben. Nach Abzug seines eigenen Anteils in Höhe der Hälfte der eingezahlten Beträge, zahlte er den Rest an die Angeklagten aus. Die Angeklagten beglichen damit die eigenen Kosten, insbe- sondere die Provisionen der Telefonverkäufer, in Höhe von fünf bis 20 Prozent des eingegangenen Betrags. Den Rest behielten sie für sich und verwendeten ihn, wie geplant, als regelmäßige Einnahme für ihren Lebensunterhalt.
- 6
- 2. Im Rahmen der Beweiswürdigung hat die Strafkammer ihre Feststellungen zum Tatgeschehen auch auf die Angaben von drei im Tatzeitraum durch die Zeichnung von Aktien der E. AG ebenfalls geschädigten Zeugen – S. , G. und F. (UA S. 47, 48) – gestützt und insoweit Schadenshöhen von 74.000 Euro, 88.000 Euro und 19.000 Euro genannt.
- 7
- 3. Das Landgericht hat – während die Anklage noch von 15 tatmehrheitlich begangenen Taten ausgegangen war – angenommen, dass die Angeklagten sich jeweils des Betrugs „in der Form des uneigentlichen Organisationsde- likts“ schuldig gemacht haben. Im Rahmen der Strafzumessung ist es vom Vor- liegen eines besonders schweren Falles gemäß § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB ausgegangen und hat zu Lasten der Angeklagten die aus 15 Fällen resultierende Gesamtschadenshöhe von 540.891 Euro berücksichtigt.
II.
- 8
- Die auf die Sachrüge gestützte, vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwalt hat Erfolg.
- 9
- 1. Der Schuldspruch nur wegen Betrugs hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, da die Strafkammer bei beiden Angeklagten eine Verurteilung wegen des – nach den Feststellungen hier naheliegenden – Qualifikationstatbestandes des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges (§ 263 Abs. 5 StGB) nicht erwogen hat.
- 10
- a) Der Begriff der Bande setzt den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich aufgrund einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Abrede verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige Taten des Betruges zu begehen (vgl. Fischer, StGB, 64. Aufl., § 263 Rn. 211). Dabei ist es unschädlich, wenn diese Taten für einzelne Tatbeteiligte auf Grund eines einheitlichen Organisationsbeitrages in Tateinheit zueinander stehen (BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 183).
- 11
- b) Die Feststellungen der Strafkammer weisen auf eine ausdrückliche Bandenabrede im Sinne des § 265 Abs. 5 StGB zwischen den Angeklagten und dem gesondert verfolgten H. hin. Während die Angeklagten entsprechend der bei einem Treffen in der Schweiz getroffenen Vereinbarung für die Organisation des Callcenters – Einrichtung, Verwaltung und Überwachung – sowie die Beschaffung der Unternehmensunterlagen (Verkaufsprospekte, Zeichnungsscheine und Internetauftritt) verantwortlich waren und hierfür mit einem Anteil von 50 Prozent der betrügerisch erlangten Gelder „entlohnt“ werden sollten, oblag dem gesondert verfolgten H. die Lenkung der Geschäfte in der Schweiz, namentlich die Bereitstellung des emittierenden Unternehmens und die Einrichtung der vermeintlichen Treuhandkonten. Hierfür sollte er 50 Prozent der betrügerisch erlangten Summen erhalten. Sowohl für die Angeklagten als auch für H. sollten die mit den Betrugshandlungen erlangten Gelder eine dauerhafte Einnahmequelle in erheblicher Höhe bilden (UA S. 34 unten, 36 unten).
- 12
- 2. Die Aufhebung des Schuldspruchs entzieht dem Strafausspruch die Grundlage. Die Sache bedarf hinsichtlich beider Angeklagter neuer Verhandlung und Entscheidung. Für die neu zu treffenden Feststellungen wird der neue Tatrichter zu prüfen haben, ob und inwieweit weitere – von der Anklage umfass- te – Schadensfälle einzubeziehen sind, um der Kognitionspflicht aus § 264 StPO zu genügen.
- 13
- Die umfassende gerichtliche Kognitionspflicht gebietet, dass der durch die zugelassene Anklage abgegrenzte Prozessstoff vollständig erschöpft wird (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 29. Oktober 2009 – 4 StR 239/09, NStZ 2010, 222, 223 mwN). Die Tat als Gegenstand der Urteilsfindung ist der geschichtliche Vorgang, auf den Anklage und Eröffnungsbeschluss hinweisen und innerhalb dessen der Angeklagte einen Straftatbestand verwirklicht haben soll. Hierbei handelt es sich um einen eigenständigen Begriff; er ist weiter als derjenige der Handlung im sachlichen Recht. Zur Tat im prozessualen Sinne gehört – unabhängig davon, ob Tateinheit oder Tatmehrheit vorliegt – das gesamte Verhalten des Täters, soweit es nach der Auffassung des Lebens einen einheitlichen Vorgang darstellt. Somit umfasst der Lebensvorgang, aus dem die zugelassene Anklage einen strafrechtlichen Vorwurf herleitet, alle damit zusammenhängenden und darauf bezüglichen Vorkommnisse, auch wenn diese in der Anklageschrift nicht ausdrücklich erwähnt sind. Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Entscheidend ist, ob zwischen den in Betracht kommenden Verhaltensweisen – unter Berücksichtigung ihrer strafrechtlichen Bedeutung – ein enger sachlicher Zusammenhang besteht (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 – 1 StR 542/11, NStZ-RR 2012, 355, 356 mwN).
- 14
- Nach diesen Maßstäben wird der neu entscheidende Tatrichter zu erwägen haben, ob auch die in der Anklage erwähnten und im Urteil skizzierten, die drei weiteren Zeugen S. , G. und F. betreffenden Vorgänge, bei denen es auch um den Erwerb von Aktien der E. AG ging, Verfahrensgegenstand sind und damit der Aburteilung unterliegen. Appl Eschelbach Bartel Wimmer Grube
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(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
- 1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat, - 2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen, - 3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt, - 4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder - 5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.
(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.
(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.
(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).
(7) (weggefallen)
(1) Wer eine gegen Untergang, Beschädigung, Beeinträchtigung der Brauchbarkeit, Verlust oder Diebstahl versicherte Sache beschädigt, zerstört, in ihrer Brauchbarkeit beeinträchtigt, beiseite schafft oder einem anderen überläßt, um sich oder einem Dritten Leistungen aus der Versicherung zu verschaffen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 263 mit Strafe bedroht ist.
(2) Der Versuch ist strafbar.