Bundesgerichtshof Urteil, 28. Aug. 2019 - 2 StR 25/19

published on 28/08/2019 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 28. Aug. 2019 - 2 StR 25/19
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 25/19
vom
28. August 2019
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes
ECLI:DE:BGH:2019:280819U2STR25.19.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. August 2019, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Franke,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl, Prof. Dr. Krehl, Zeng, Schmidt,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Amtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 7. November 2018 im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben; es wird klargestellt, dass der Angeklagte zu der Freiheitsstrafe von fünf Jahren und vier Monaten verurteilt ist; die Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Lübeck vom 3. November 2017 unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe entfällt. Die weitergehende Revision wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes (Einzelfreiheitsstrafe von fünf Jahren und vier Monaten) unter Einbeziehung weiterer Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Lübeck vom 3. November 2017 und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 2.500 Euro angeordnet und die Anrechnung in Dänemark erlittener Auslieferungshaft mit dem Maßstab 1:1 bestimmt.
2
Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts. Allein der Gesamtstrafenausspruch hält rechtlicher Überprüfung nicht stand; im Übrigen weist das Urteil keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf.

I.


3
Nach den Feststellungen ist der Angeklagte irakischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Schweden, der gelegentlich nach Deutschland einreist. Unter anderem war er durch Urteil des Amtsgerichts Lübeck vom 3. November 2017 wegen „Wohnungseinbruchsdiebstahl in vier Fällen“ zu einer Gesamtfreiheits- strafe von zwei Jahren verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
4
Bereits im Jahr 2014 hatte sich der Angeklagte in Deutschland aufgehalten. Am 27. November 2014 – dies ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens – zwang der Angeklagte den Inhaber eines Fahrradgeschäfts in K. unter Vorhalt eines Messers, die Wegnahme des Kassenbestands von 2.500 Euro zu dulden. Wegen dieser Tat erging am 13. Februar 2018 ein Europäischer Haftbefehl , auf dessen Grundlage der Angeklagte am 4. Mai 2018 in Dänemark festgenommen wurde. Dort befand er sich bis zu seiner Überstellung am 30. Mai 2018 in Auslieferungshaft.

II.


5
Die Verurteilung des Angeklagten wegen besonders schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und vier Monaten sowie die Einziehung des Wertes von Taterträgen weisen keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf. Die insoweit von dem Beschwerdeführer erhobene Verfah- rensrüge und die Sachrüge bleiben aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg. Hingegen hält der Gesamtstrafenausspruch rechtlicher Überprüfung nicht stand.
6
1. Das Landgericht durfte mit den Einzelstrafen aus dem an sich gesamtstrafenfähigen Urteil des Amtsgerichts Lübeck vom 3. November 2017 – wie vom Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt – keine Gesamtfreiheitsstrafe bilden. Der Einbeziehung steht der das Auslieferungsrecht beherrschende Grundsatz der Spezialität (Art. 14 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens , § 83h Abs. 1 IRG) entgegen. Der Europäische Haftbefehl vom 13. Februar 2018 erfasst lediglich die im hiesigen Verfahren gegenständliche Straftat. Nur zur Verfolgung dieser Straftat ist der Angeklagte ausgeliefert worden. Um eine Auslieferung zur Vollstreckung der im rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts Lübeck verhängten Freiheitsstrafe ist das Königreich Dänemark nicht ersucht worden und hat dementsprechend insoweit keine Zustimmung erteilt. Der Angeklagte hat auf die Beachtung des Spezialitätsgrundsatzes auch nicht verzichtet.
7
Die Nichtbeachtung des auslieferungsrechtlichen Spezialitätsgrundsatzes bewirkt ein Vollstreckungshindernis. Eine wegen dieses Hindernisses nicht vollstreckbare Strafe darf nicht in eine Gesamtstrafe einbezogen werden (BGH, Beschlüsse vom 25. Juni 2014 – 1 StR 218/14, NStZ 2014, 590 und vom 20. April 2016 – 1 StR 661/15, StV 2017, 248 f.; Urteil vom 9. Mai 2019 – 4 StR 511/18, juris Rn. 9, jew. mwN).
8
Aus dem Umstand, dass die Vollstreckung der durch das Amtsgericht Lübeck verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt worden war, folgt nichts anderes. § 83h Abs. 2 Nr. 3 IRG bestimmt zwar, dass das Verbot des § 83h Abs. 1 IRG nicht gilt, wenn die Strafverfolgung nicht zur Anwendung einer die persönliche Freiheit beschränkenden Maßnahme führt. Jedoch greift die Regelung des § 83h Abs. 2 Nr. 3 IRG bei der Einbeziehung einer für sich genommen zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe in eine nicht aussetzungsfähige Gesamtstrafe nicht ein (BGH, Beschlüsse vom 27. Juli 2011 – 4 StR 303/11, NStZ 2012, 100 und vom 25. Juni 2014 – 1 StR 218/14, NStZ 2014, 590). Eine Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Lübeck kommt daher erst dann in Betracht, wenn eine Bewilligung durch das Königreich Dänemark – etwa im Rahmen eines Nachtragsersuchens – oder ein Verzicht (§ 83h Abs. 2 Nr. 5 und Abs. 3 IRG) auf die Anwendung des Spezialitätsgrundsatzes seitens des Angeklagten erklärt würde.
9
2. Es verbleibt damit bei der für die gegenständliche Tat ausgeurteilten Freiheitsstrafe von fünf Jahren und vier Monaten.
10
Eine vom Generalbundesanwalt (in seiner Zuschrift) beantragte Aufhebung auch der für die hiesige Tat verhängten Freiheitsstrafe und die Zurückverweisung an den Tatrichter zur Berücksichtigung eines Härteausgleichs war nicht veranlasst.
11
Sollte die Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Lübeck zu einem späteren Zeitpunkt, etwa nach einem Nachtragsersuchen an das Königreich Dänemark oder nach einem jederzeit möglichen Verzicht des Angeklagten auf die Anwendung des Spezialitätsgrundsatzes, vollstreckbar werden, so wäre gemäß § 460 StPO aus dieser Strafe und aus der im hiesigen Verfahren festgesetzten Einzelstrafe nachträglich eine Gesamtstrafe zu bilden (BGH, Beschluss vom 25. Juni 2014 – 1 StR 218/14, NStZ 2014, 590). Anderenfalls bliebe es dauerhaft bei der Nichtvollstreckbarkeit der Strafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Lübeck. In beiden Fallgestaltungen läge eine ausgleichspflichtige Härte zum Nachteil des Angeklagten nicht vor.
12
3. Der geringfügige Teilerfolg des Rechtsmittels gibt keinen Anlass, die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen auch nur teilweise der Staatskasse aufzuerlegen (§ 473 Abs. 4 StPO).
Franke Appl Krehl Zeng Schmidt
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Annotations

(1) Von einem Mitgliedstaat aufgrund eines Europäischen Haftbefehls übergebene Personen dürfen

1.
wegen einer vor der Übergabe begangenen anderen Tat als derjenigen, die der Übergabe zugrunde liegt, weder verfolgt noch verurteilt noch einer freiheitsentziehenden Maßnahme unterworfen werden und
2.
nicht an einen dritten Staat weitergeliefert, überstellt oder in einen dritten Staat abgeschoben werden.

(2) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn

1.
die übergebene Person den räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes innerhalb von 45 Tagen nach ihrer endgültigen Freilassung nicht verlassen hat, obwohl sie dazu die Möglichkeit hatte, oder nach Verlassen in ihn zurückgekehrt ist,
2.
die Straftat nicht mit einer Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung bedroht ist,
3.
die Strafverfolgung nicht zur Anwendung einer die persönliche Freiheit beschränkenden Maßnahme führt,
4.
die übergebene Person der Vollstreckung einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung ohne Freiheitsentzug unterzogen wird, selbst wenn diese Strafe oder Maßnahme die persönliche Freiheit einschränken kann, oder
5.
der ersuchte Mitgliedstaat oder die übergebene Person darauf verzichtet hat.

(3) Der nach Übergabe erfolgte Verzicht der übergebenen Person ist zu Protokoll eines Richters oder Staatsanwalts zu erklären. Die Verzichtserklärung ist unwiderruflich. Die übergebene Person ist hierüber zu belehren.

Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.