Bundesgerichtshof Urteil, 28. Mai 2018 - 1 StR 51/18

ECLI: ECLI:DE:BGH:2018:280518U1STR51.18.0
published on 28/05/2018 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 28. Mai 2018 - 1 StR 51/18
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 51/18
vom
28. Mai 2018
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:280518U1STR51.18.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Mai 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum,
der Richter am Bundesgerichtshof Bellay, die Richterin am Bundesgerichtshof Cirener, der Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Radtke und die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Hohoff,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 10. Oktober 2017 im Maßregelausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung einer Strafe aus einem früheren Urteil zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und einem Monat verurteilt. Zudem ist seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) bei einem Vorwegvollzug der Strafe im Umfang von zwei Wochen angeordnet worden.
2
Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf sachlich-rechtliche Beanstandungen gestützten Revision ausschließlich gegen die Anordnung der Maßregel. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

3
Nach den Feststellungen des Landgerichts verwahrte der Angeklagte, der an einer Abhängigkeit von synthetischen Cannabinoiden und Methamphetamin sowie einer dissozialen Persönlichkeitsstörung leidet, zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt zwischen Anfang Dezember 2014 und Ende Januar 2015 in seiner Wohnung 350 g Methamphetamin. Davon waren 90 % für den gewinnbringenden Weiterverkauf und die übrigen 10 % für den Eigenkonsum des Angeklagten bestimmt.
4
Gegen ihn war in der Vergangenheit bereits zweimal neben Verurteilungen zu mehrjährigen Jugend- bzw. Freiheitsstrafen die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und vollstreckt worden. Beide damit verbundenen Therapien verliefen im Ergebnis erfolglos. Nach Durchlaufen einer ersten Entzugstherapie von 2009 bis 2011 wurde der Angeklagte bereits während der Nachsorgephase erneut rückfällig. Nachdem es ihm zunächst noch gelungen war, durch Terminverschiebungen von Drogenscreenings den wieder beginnenden Betäubungsmittelkonsum zu verheimlichen, steigerte sich dieser nach dem Ende der Nachsorgephase weiter. 2013 erfolgte aufgrund einer Verurteilung wegen Betäubungsmitteldelikten die erneute Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt. Obwohl der Angeklagte während dieses Maßregelvollzugs im Zeitraum von Juni 2013 bis Februar 2015 mehrfach gewährte Lockerungen missbraucht hatte, setzte das zuständige Vollstreckungsgericht im Juli 2015 den Vollzug sowohl der Reststrafe aus der genannten Verurteilung als auch den der Maßregel des § 64 StGB zur Bewährung aus und ordnete Führungsaufsicht an. Später kam es zum Widerruf der Aussetzung beider Freiheitsentziehungen , weil sich der Drogenkonsum des Angeklagten verstärkt und er sich sowohl der Bewährungs- als auch der Führungsaufsicht entzogen hatte. Im September 2016 wurde die Unterbringung für erledigt erklärt. Seitdem wird die 2013 gegen den Angeklagten neben der Maßregel verhängte Freiheitsstrafe vollstreckt.
5
Das sachverständig beratene Landgericht hat teils entgegen den Einschätzungen des psychiatrischen Sachverständigen die Voraussetzungen des § 64 StGB bejaht. Auch unter Berücksichtigung gewichtiger prognostisch ungünstiger Umstände bei dem Angeklagten bestünden hinreichend konkrete Aussichten auf einen Therapieerfolg.

II.

6
Die dagegen gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
7
1. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf die Anordnung der Maßregel beschränkt. Über diese kann unabhängig vom Schuld- und Strafausspruch entschieden werden. Insbesondere hat das Landgericht keine Verknüpfung zwischen der Strafe und der Maßregelentscheidung hergestellt (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 10. November 2015 – 1 StR 482/15 Rn. 12 [insoweit nicht abgedruckt in NStZ-RR 2016, 113 f.] mwN), was rechtlich regelmäßig auch nicht tragfähig wäre (vgl. BGH, Urteile vom 15. März 2016 – 1 StR 526/15 Rn. 28 [insoweit nicht abgedruckt in StV 2017, 29] und vom 5. Dezember 2017 – 1 StR 416/17, NStZ 2018, 206).
8
2. Die Prognose des Landgerichts, bei dem Angeklagten bestehe die erforderliche hinreichend konkrete Aussicht auf einen Therapieerfolg (§ 64 Satz 2 StGB), enthält auch unter Berücksichtigung des dem Tatrichter dabei zustehenden Beurteilungsspielraums (BGH, Beschluss vom 13. September 2005 – 3 StR 276/05 mwN; siehe auch Urteil vom 27. Juli 2000 – 1 StR 263/00, NStZ 2000, 587, 588 [bzgl. der Gefährlichkeitsprognose bei § 66 StGB]) der Überprüfung durch das Revisionsgericht zugängliche und durchgreifende Rechtsfehler.
9
a) Das Urteil enthält Darlegungsmängel im Hinblick auf das eingeholte Gutachten, in dem der psychiatrische Sachverständige – ausweislich der Wiedergabe im Urteil – die näher begründete Einschätzung abgegeben hat, angesichts der vorliegenden gewichtigen prognoseungünstigen Faktoren sei im Vergleich mit anderen Probanden des Maßregelvollzugs von einer unterdurchschnittlichen Erfolgsaussicht auszugehen. Es bestehe eine große Gefahr, dass es in der Lockerungsphase des Maßregelvollzugs – wie in der Vergangenheit – zu Rückfällen und Straftaten des Angeklagten kommen werde (UA S. 16).
10
aa) Zwar war das Landgericht an einer vom Gutachten abweichenden Beurteilung des hinreichend konkreten Therapieerfolges nicht grundsätzlich gehindert, weil die gutachterlichen Ausführungen stets lediglich eine Grundlage der eigenen richterlichen Überzeugungsbildung sind (siehe nur BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2017 – 3 StR 368/17 Rn. 11 [NStZ-RR 2018, 85 nur redak. Leitsatz]). Will das Tatgericht allerdings in einer Frage, für deren Beantwortung es sachverständige Hilfe für erforderlich gehalten hat oder deren Inanspruchnahme – wie im Fall des § 246a StPO – gesetzlich vorgeschrieben ist, im Widerspruch zu dem Gutachten beantworten, muss es die Gründe hierfür in einer Weise darlegen, die dem Revisionsgericht die Nachprüfung erlauben, ob es die Darlegungen des Sachverständigen zutreffend gewürdigt und aus ihnen rechtlich zulässige Schlüsse gezogen hat. Hierzu bedarf es einer erschöpfenden Auseinandersetzung mit dessen Ausführungen zu den Gesichtspunkten, auf die das Gericht seine abweichende Auffassung stützt (BGH aaO mwN).
11
bb) Dem genügt das angefochtene Urteil nicht. Das Landgericht gründet seine Prognose eines hinreichend konkreten Therapieerfolgs vor allem auf den von ihm angenommenen ernsthaften Therapiewillen des Angeklagten und dessen Verhalten im Freiheitsstrafenvollzug (UA S. 17 f.). Es lässt sich dem Urteil allerdings bereits nicht entnehmen, ob der psychiatrische Sachverständige beide Aspekte seiner gutachterlichen Stellungnahme zugrunde gelegt und dennoch keinen hinreichend sicheren Therapieerfolg zu prognostizieren vermochte. Falls diese Umstände im Gutachten Berücksichtigung gefunden haben sollten, hätte es Ausführungen dazu bedurft, warum das Landgericht diesen abweichend vom Gutachter ausreichendes Gewicht zumisst, um von den Voraussetzungen des § 64 Satz 2 StGB ausgehen zu können.
12
b) Darüber hinaus weist das Urteil Rechtsfehler bei den der Prognose zugrunde gelegten prognoserelevanten Anknüpfungstatsachen auf.
13
Soweit das Landgericht annimmt, ungeachtet des bisherigen zweimaligen Versagens des Angeklagten jeweils in der Lockerungs- bzw. Stabilisierungsphase des Vollzugs von Maßregeln gemäß § 64 StGB sei bei einem diese Schwierigkeiten in den Blick nehmenden therapeutischen Konzept eine Stabilisierung des Angeklagten erreichbar (UA S. 16), fehlt es dafür an tragfähigen Anknüpfungstatsachen.
14
aa) Maßgeblicher Zeitpunkt für sanktionsrechtliche Prognoseentscheidungen , zu denen diejenige über den hinreichend konkreten Therapieerfolg gemäß § 64 Satz 2 StGB gehört, ist der der tatrichterlichen Hauptverhandlung (BGH, Urteile vom 17. Februar 2004 – 1 StR 437/03 und vom 3. August2017 – 4 StR 193/17, StraFo 2017, 426 [bzgl. der Gefährlichkeitsprognose nach § 63 StGB] mwN). Die vom Tatrichter als prognostisch bedeutsam bewerteten Umstände müssen zu diesem Zeitpunkt vorliegen. Noch ungewisse positive Verän- derungen und lediglich mögliche Wirkungen künftiger Maßnahmen während des Vollzugs der fraglichen Maßnahme genügen als tragfähige Anknüpfungstatsachen nicht (vgl. BGH, Urteile vom 28. März 2012 – 2 StR 592/11 Rn. 12, [in NStZ-RR 2012, 272 nur redak. Leitsatz] und vom 22. Oktober 2015 – 4 StR 275/15, NStZ 2016, 337 mwN). Entsprechend vermag auch die bloße Möglichkeit einer therapeutischen Veränderung die Prognose eines hinreichend konkreten Therapieerfolgs nicht zu stützen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2010 – 2 StR 519/09, NStZ-RR 2010, 141, 142).
15
bb) Dem angefochtenen Urteil lässt sich nicht entnehmen, aufgrund welcher konkreten, im Urteilszeitpunkt vorliegenden Umstände das Landgericht von dem Vorhandensein eines derartigen therapeutischen Konzepts sowie dessen erfolgversprechender Anwendung auf den Angeklagten ausgeht. Nähere Darlegungen dazu waren wegen des früheren Verhaltens des Angeklagten im Vollzug der Maßregel des § 64 StGB rechtlich geboten. Wie sich aus den Feststellungen zur Person ergibt und vom Landgericht an sich nicht verkannt wird, war der Angeklagte bereits in der Nachsorgephase seiner ersten Unterbringung gemäß § 64 StGB rückfällig geworden, hatte dies aber zunächst durch Verschiebungen der Termine von Drogenscreenings zu verheimlichen vermocht (UA S. 3). Während des zweiten Maßregelvollzugs kam es in der Entlassungsphase zu einem Rückfall des Angeklagten in Drogenkonsumverhalten. Selbst nachdem dies aufgefallen und die bereits vorgesehene Entlassung zunächst nicht erfolgte, kam es zu weiterem Lockerungsmissbrauch (UA S. 5). Obwohl eine „therapeutische Aufarbeitung“ des Rückfalls stattgefunden und es an- schließend – wie angesprochen – zu bewährungsweiser Aussetzung des Vollzugs von Freiheitsstrafe und freiheitsentziehender Maßregel kam, entzog sich der Angeklagte der damit einhergehenden Aufsicht (UA S. 7).
16
Auch soweit das Landgericht einen prognostisch günstigen Umstand in dem guten Arbeitsverhalten des Angeklagten in der Justizvollzugsanstalt sehen möchte (UA S. 17 f.), erweist sich diese Erwägung angesichts der festgestellten sonstigen persönlichen Umstände wiederum als so nicht tragfähig. Ausweislich der Urteilsfeststellungen und der Wiedergabe des Gutachtens des psychiatrischen Sachverständigen hat der Angeklagte während der früheren Unterbringungen in einer Entziehungsanstalt den stationären Teil in beiden Fällen durchgestanden. Rückfälle sind jeweils in den Lockerungs- bzw. Stabilisierungsphasen aufgetreten. Dies passt zu den Ausprägungen, wie sich ebenfalls aus den im Urteil dargelegten Ausführungen des Sachverständigen ergibt, der dissozialen Persönlichkeitsstörung des Angeklagten, die damit einhergehenden gewährten Freiheiten auszunutzen und Straftaten zu verüben (UA S. 16). Angesichts dessen hätte es belastbarer Anknüpfungstatsachen bedurft, um dem Verhalten des Angeklagten unter den Bedingungen des Freiheitsstrafenvollzugs prognostisch Aussagekraft für die nicht stationären Phasen des Maßregelvollzugs zuzumessen. Das gilt in Bezug auf die vom Landgericht insbesondere herangezogene Arbeitsleistungen in der Justizvollzugsanstalt erst recht vor dem Hintergrund , dass sich der Angeklagte während der (ersten) Entlassungsphase der ab Juni 2013 vollzogenen Unterbringung in der Entziehungsanstalt ebenfalls in einem Beschäftigungsverhältnis befunden hatte (UA S. 5), ohne dass damit eine erkennbare stabilisierende Wirkung einher gegangen wäre. Vielmehr kam es gerade in dieser Phase zu erneutem Drogenkonsum.
17
3. Die Rechtsfehler in der Prognose über den Therapieerfolg bedingen die Aufhebung des Maßregelausspruchs. Das erfasst die zugrunde liegenden Feststellungen, weil die aufgezeigten Mängel auch die tatsächlichen Grundlagen der Prognose betreffen.
18
Der Senat kann unter Berücksichtigung der bisherigen Feststellungen nicht ausschließen, dass sich in der neuen Hauptverhandlung die Voraussetzungen der Unterbringung des § 64 StGB noch ergeben werden. Das Vorliegen eines Hangs des Angeklagten ist bei isolierter Betrachtung rechtsfehlerfrei festgestellt. Ein symptomatischer Zusammenhang liegt schon deshalb nicht fern, weil von dem verfahrensgegenständlichen Methamphetamin 10 % dem Eigenkonsum des Angeklagten dienen sollten. Raum Bellay Cirener Radtke Hohoff
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Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn 1. jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die a) sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die per

(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Ange
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Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

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Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.

(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.

(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.